Cannae und das Dogma der Vernichtung


Seminararbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

Einleitung

1. Die Schlacht von Cannae
1.1. Schlachtaufstellung
1.2. Durchführung
1.3. Resümee

2. Das Primat der Vernichtung bei Schlieffen
2.1. Vernichtungssieg – Moltke d. Ältere
2.2. Vernichtung in Clausewitz´ „Vom Kriege“
2.3. Schlieffenplan

Fazit

Anhang

Literatur

Einleitung

Cannae! Welches Entsetzen musste dieses Wort bei der römischen Bevölkerung ausgelöst haben, nachdem bekannt geworden war, dass das römische Aufgebot fast vollständig aufgerieben worden war? Acht Legionen von einem zahlenmäßig unter­legenen Gegner vernichtet. Ein Konsul gefallen. Süditalien in der Hand der Kartha­ger.[1] Wie konnte das geschehen?

Diese Frage stellte sich u. a. auch Alfred Graf von Schlieffen 2.000 Jahre später. Als Chef des preußischen Generalstabes von 1891 bis 1905 verstand er Cannae als erste „vollkommene Vernichtungsschlacht“.[2] Nach Schlieffen war eine Vernichtungs­schlacht die einzige Möglichkeit, schnell und konsequent eine militärische Entschei­dung herbeizuführen. Dieses Problem war in seiner Zeit für das Deutsche Reich umso dringlicher, als dass es sich in einer geopolitischen Umkreisung befand und somit im Kriegsfall, ohne eine schnelle und endgültige militärische Entscheidung herbeigerufen zu haben, zwangsläufig einem Mehrfrontenkrieg ausgesetzt sehen musste.[3] Hinzu kamen Überlegungen von Helmuth Graf von Moltke, in dessen Denk­tradition Schlieffen stand, der erkannt hatte,[4]

„dass im Zeitalter der Massenheere und der beginnenden Industrialisierung wie niemals zuvor nicht allein strategische, sondern auch ökonomische und volks­wirtschaftliche Gründe auf schnelle Beendigung von Kriegen drängten.“[5]

Unter diesen Gesichtspunkten versuchte Schlieffen,Cannae zu analysieren und das Prinzip der Vernichtungsschlacht für zukünftige Kriege nutzbar zu machen. Letzt­endlich scheiterte dieser Versuch im Stellungskrieg des 1. Weltkrieges. Dennoch tauchten seine Überlegungen in der Reichswehr und später im Offizierskorps der Wehrmacht wieder auf.

Die vorliegende Hausarbeit will darstellen, wie sich das Phänomen Cannae – das Prinzip des Vernichtungssieges - von Schlieffen bis in die Schlachten des 2. Weltkrieges nachvollziehen lässt. Zentraler Gegenstand ist die Schlacht von Cannae 216 v. Chr, die Schlieffen als den Prototypen einer Vernichtungsschlacht angesehen hatte. Dabei wird es weniger um die erschöpfende militärische Analyse der Schlacht gehen, sondern vielmehr darum, die Schlacht von Cannae als Schablone zu be­trachten, mit deren Hilfe auch in der Moderne Schlachten unter der Prämisse der schnellen und entschiedenen Vernichtung des Gegners verstanden werden können – wie es Schlieffen gefordert hatte.

1. Die Schlacht von Cannae

Um sich hier nicht in einer militärhistorischen Tiefenanalyse zu verlieren, soll es für die weitere Schilderung der Schlacht von Cannae unerheblich sein, inwiefern sich die antiken Quellen widersprechen oder ob sie überhaupt das wahre Geschehen so wiedergeben konnten oder wollten, wie es tatsächlich war. Um Schlieffens Überle­gungen nachvollziehen zu können, wäre es im extremsten Fall sogar unerheblich, ob die Schlacht überhaupt stattgefunden hat oder nicht. Es würde dann ausreichen, seine Vorstellungen von der Schlacht, die er sich selbst gemacht hatte, zu über­nehmen.[6] Da es aber die Quellen gibt, sollen sie nachfolgend genannt werden, so­fern sie für die weitere Darstellung relevant sind.[7] So wird beispielsweise nachfol­gend darauf verzichtet, die unterschiedlichen Darstellungen hinsichtlich der aufge­botenen Truppenstärke zu berücksichtigen. Es ist lediglich als Kernaussage festzu­halten, dass das römische Heer dem karthagischen zahlenmäßig überlegen war.[8]

1.1. Schlachtaufstellung

Warum Strategen wie Schlieffen, aber auch Napoleon vor sowie Manstein oder Gu­derian nach ihm, von der Schlacht von Cannae so fasziniert waren, liegt daran, dass, wie bereits erwähnt, eine zahlenmäßig unterlegene Armee einen übermächtig erscheinenden Feind vollständig vernicht hatte.[9] Das Geheimnis dieses Erfolges liegt in der von Hannibal erdachten Aufstellung seiner Truppen. Schlieffen ging von fol­gendem numerischen Verhältnis aus: Auf römischer Seite zählte er insgesamt 79.000 Mann, die er auf 73.000 Mann Infanterie und 6.000 Mann Kavallerie ver­teilte.[10] Auf der Seite der Karthager zählte er 50.000 Mann (davon 10.000 Mann Kavallerie).[11] Bei Plutarch lesen wir über die Aufstellung der Karthager:

„In der Schlacht traf Hannibal zwei kluge Maßregeln. […] Zum zweiten über­listete er die Römer durch seine Schlachtordnung. Auf beiden Flügeln stellte er die stärksten und tapfersten Leute hin, das Zentrum füllte er mit den un­brauchbarsten Elementen auf und ließ es wie einen Keil weit aus der übrigen Linie herausragen.“ (Plutarch: Fabius Maximus, 16)[12]

Der in der Übersetzung verwendete Begriff der Flügel ist in diesem Zusammenhang jedoch irreführend. Denn gemeint ist bei dem zitierten Satz nicht die Aufstellung der Kavallerie, sondern vielmehr die der Infanterie. Jeweils am äußeren Ende der Infanterie ließ Hannibal die Kavallerie aufstellen. Dies war die übliche Aufstellung, der auch die Römer folgten, die ihrerseits die Kavallerie am jeweiligen äußersten Ende der Infanterieaufstellung positionierten.

Abb. 1 vermittelt einen Eindruck von der jeweiligen Schlachtordnung. Die Nummerierung der unterschiedlichen Abteilungen erleichtert das Verständnis. Hier findet man unter „6“ im Zentrum der Karthager die von Plutarch genannten „un­brauchbarsten Elementen“ und unter „5“ – die Flügel am Zentrum - die „stärksten und tapfersten Leute“.

Markant ist der Unterschied zwischen römischer und karthagischer Infanterieauf­stellung. Der von Hannibal gebildete Keil vermittelt den Eindruck, als ob dieser of­fensiv gegen die Römer gerichtet wäre. Dagegen stellten sich die Römer linear und tief gestaffelt auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1

1.2 Durchführung

Aus heutiger Sicht wird nicht mehr mit Sicherheit festzustellen sein, welche Seite die Initiative zum Angriff übernahm. Es ist aber aufgrund der Schlachtordnung zu vermuten, dass die Karthager den Römern den Vortritt ließen. Denn die Überlegung der Karthager war folgende:

[...]


[1] siehe hierzu: Seibert, Jacob: Hannibal. Darmstadt 1993 (nachfolgend: Seibert), S. 191

[2] zitiert nach Christ, Karl (Hrsg.): Hannibal. In: Wege der Forschung, Band CCCLXXI. Darmstadt 1974. (nachfolgend: Christ), S. 224

In diesem Werk wurde eine Passage übernommen, die aus folgendem Werk stammt:

Schlieffen, Alfred Graf von: Gesammelte Schriften I. o.O. 1913

[3] vgl. hierzu: Roth, Günter: Operatives Denken bei Schlieffen und Manstein. In: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Entwicklung, Planung und Durchführung operativer Ideen im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Herford und Bonn 1989, S. 11 und 14

[4] Roth, Günter: Der Vernichtungsgedanke im militärischen Denken bei Carl von Clausewitz und Graf Alfred von Schlieffen. In: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Operatives Denken bei Clausewitz, Moltke, Schlieffen und Manstein. Freiburg im Breisgau 1989, S. 12

[5] ebenda, S. 31

[6] siehe hierzu Schlieffen in Christ, S. 222 f.

[7] Anm. d. Verf.: Folgende Quellen werden wie folgt abgekürzt:

- Biographien von Plutarch (nachfolgend: Plutarch: Fabius Maximus, Vers)
- Die Römische Geschichte von Appianus (nachfolgend Appianus VII, Vers)

[8] Jakob Seibert bietet hier eine sehr umfangreiche Darstellung zu den unterschiedlichen Angaben bei Plutarch, Appianus und Polybius. Siehe hierzu: Seibert, S. 191 - 194

[9] Anm. d. Verf.: In der nachfolgenden Darstellung der Schlacht von Cannae wird auf eine genaue Unterschei­dung der unterschiedlichen Gruppen, die gegeneinander zum Kampf antraten, verzichtet wer­den, da es für den weiteren Verlauf unerheblich sein wird, ob nun tatsächlich römische Truppen kämpften oder deren Bundesgenossen. Auf karthagischer Seite wird dementsprechend ebenfalls darauf verzichtet, libysche, gallische und iberische Truppen zu unterscheiden.

[10] Schlieffen in Christ, S. 222

[11] ebenda

[12] Die Biographien von Plutarch in der Übersetzung von Konrat Ziegler und Walter Wuhrmann, Darm­stadt 1994, S. 653

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Cannae und das Dogma der Vernichtung
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (für alte Geschichte)
Veranstaltung
Proseminar Punische Kriege
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V35058
ISBN (eBook)
9783638351003
ISBN (Buch)
9783638902021
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Untersuchung der Wirkung der Schlacht von Cannae auf das strategische Denken von Schlieffen und darüber hinaus
Schlagworte
Cannae, Dogma, Vernichtung, Proseminar, Punische, Kriege
Arbeit zitieren
Matthias Juergensen (Autor:in), 2005, Cannae und das Dogma der Vernichtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35058

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