Jakob Michael Reinhold Lenz und seine Darstellung in Büchners Novelle „Lenz“

Eine literarische Transformation


Dossier / Travail de Séminaire, 2013

16 Pages, Note: 16/20


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort S.

Einleitung S.

1. Analyse realhistorischer Fakten S.
1.1. Der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz S.
1.2. Entstehungs- und Editionsgeschichte S.

2. Analyse der literarischen Figur Lenz S.
2.1. Lenz' Krankheit S.
2.2. Lenz und das Kunstgespräch S.
2.3. Lenz und Oberlin S.

3. Fazit S.

Literaturhinweise S.

Vorwort

Gegenstand dieser wissenschaftlichen Arbeit ist die Analyse des Werkes „Lenz“ von Georg Büchner. Im Fokus steht in diesem Kontext die Darstellung des Dichters J.M.R. Lenz in Büchners Werk. Zur Erläuterung dieses Themas ist es unverzichtbar die Lebensumstände des J.M.R. Lenz und die Entstehungsgeschichte der Erzählung zu entschlüsseln. Des Weiteren sieht diese Arbeit eine Untersuchung der literarischen Figur Lenz vor. Schließlich werden realhistorische Fakten und Aufzeichnungen analysiert und mit deren literarischen Auslegung verglichen.

Einleitung

In seinem literarischen Meisterwerk „Lenz“ gelang es Georg Büchner, den fast vergessenen Dichter J.M.R. Lenz, gewissermaßen zu verlebendigen. Ähnlich wie Lenz wurde Büchner in der Periode des Naturalismus in der Literatur neu entdeckt. Büchner verarbeitet in seinem Werk einen kurzen Lebensabschnitt des Stürmers und Drängers, wo er dessen Geisteskrankheit in den Mittelpunkt rückt. Bei der literarischen Figur handelt es sich um einen einsamen, von Wahnzuständen geplagten Dichter auf der Suche nach Seelenfrieden, der letzten Endes an seiner psychischen Erkrankung zerbricht. Einerseits ist Lenz eine Gestalt der Büchnerschen Phantasie, andererseits ein Phantom der Wirklichkeit, wobei Büchners Interesse an dem Dichter und seiner schizophrenen Erkrankung sich nicht nur auf das des Schriftstellers, sondern ebenfalls auf das des Naturforschers und Mediziners bezieht. Der Text „Lenz“ gewährt dem Leser intensive Einblicke in die Psyche des Protagonisten, die gleichwohl aus einer äußeren Perspektive, mittels Metaphern und Vergleichen erzählt werden. Obwohl Büchner in seiner Erzählung die Ich-Form konsequent vermeidet, werden heute noch Vermutungen angestellt, dass die Person des Autors sich mit der literarischen Figur vermengt. Die Frage danach, was beide Autoren verbindet und welche Faktoren Büchner dazu angeregt haben eine Geschichte über J.M.R. Lenz zu verfassen, bleibt bis heute weitestgehend bestehen. Fakt ist, dass beide Schriftsteller Anarchisten ihrer Zeit waren, die sich weder den literarischen, noch den gesellschaftlichen Normen beugen wollten. Bis heute ist ungeklärt ob Büchner jemals die Absicht hatte das Werk in der Form und unter dem Titel zu veröffentlichen, wie es 1839 publiziert wurde.

1. Analyse realhistorischer Fakten

1.1 Der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz

J.M.R. Lenz war zweifellos einer der bedeutendsten Dichter der Sturm- und Drangbewegung. Er war ein Rebell seiner Zeit, nicht zuletzt da er in seinem Werk „Anmerkungen übers Theater“ Kritik an den europäischen Normen des Theaters übte, sondern auch da er in seinen Stücken „Die Soldaten“ und „Der Hofmeister“ die Zwänge der Ständegesellschaft aufs Schärfste kritisierte. 1751 wurde J.M.R. Lenz, als viertes von acht Kindern einer Pastorenfamilie in Livland, bei Riga gelegen, geboren. Er studierte zwischen 1768 und 1771 evangelische Theologie wo er Vorlesungen Immanuel Kants besuchte. 1771 brach er das Studium jedoch, gegen den Willen seines Vaters, ab und begab sich nach Straßburg wo er mit Goethe, Herder, Jungstilling und Salzmann Bekanntschaft machte. Dort entstanden auch seine bekanntesten Werke „der Hofmeister“, „der neue Menoza“, „die Soldaten“ und „Anmerkungen übers Theater“. J.M.R. Lenz schrieb außerdem Liebeslieder wie „die Liebe auf dem Lande“. Zu dieser Zeit lebte er als freier Schriftsteller und unternahm Reisen nach Deutschland und der Schweiz. 1776 reiste Lenz nach Weimar wo es einige Monate später zum Zerwürfnis mit Goethe kam, welches Lenz' Ausweisung aus Weimar zur Folge hatte.1 Goethe notierte in diesem Zusammenhang „Lenzens Eseley“, wobei es sich vermutlich um eine anonyme Schmähschrift auf die Herzogin handelte. Scheinbar wollte Lenz sich den Konventionen am Weimarer Hof nicht anpassen. Ende des Jahres 1777 kam es erstmals zu Anzeichen einer psychischen Krankheit. So schrieb er in einem Brief an seinen Freund Sarasin, dass er sich „nicht wohl“ fühle, dass sich „Cörper und Gemüth“ in schlechten „Umständen“ befinden.2 Aus einem späteren Bericht von einem Bekannten namens Füssli geht hervor, dass Lenz in Zürich auffällige Verhaltensweisen gezeigt habe, die vermutlich auf Ideen religiösen Inhalts beruhen.3 Bei seinem Aufenthalt in Emmendingen zu Beginn des Jahres 1778 kommt es wiederum zu heftigen psychischen Störungen. Sarasin berichtete in diesem Zusammenhang: „Lenz war hier. Sein armer Kopf leidet sehr Noth (Dedner 1999: S. 29).“4 Daraufhin begab er sich, am 20. Januar 1778, hilfesuchend und auf Empfehlung von Freunden, zu einem Seelsorger namens Johann Friedrich Oberlin ins elsässische Steintal, wo er bis zum 8. Februar 1778 verweilte. Lenzens Zustand verschlechterte sich jedoch zunehmend, so musste er nach einigen Wochen und fortwährenden Selbstmordversuchen wieder nach Straßburg verbracht werden. 1779 ging er erneut in seine Heimat, wo es ihm jedoch nicht gelang, beruflich Fuß zu fassen. Später reiste er nach St. Petersburg und Moskau. Womöglich lebte er die letzten elenden Jahre seines Lebens als Bettler, da er im Jahre 1792 tot auf den Straßen Moskaus aufgefunden wurde. Der Ort seiner Grabstätte ist unbekannt.5

In seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ thematisiert Goethe die sogenannten „Sesenheimer Ereignisse“ der 1770er Jahre. Er schildert in diesem Kontext, dass Lenz sich in seine Freundin Friedrike Brion verliebt habe und auf hinterlistigste Weise versuche, sie in seiner Abwesenheit zu verführen. Goethe äußerte sich wie folgt über Lenz: „Dieser hatte sich nach meiner Abreise im Hause introduziert, von mir, was nur möglich war, zu erfahren gesucht [...]. Er hatte sich indessen nach seiner gewöhnlichen Weise verliebt […] und […] so treibt er es bis zu den lächerlichsten Demonstrationen des Selbstmords, da man ihn denn für halbtoll erklären und nach der Stadt schaffen kann. Sie klärt mich über die Absicht, die er gehabt, mir zu schaden und mich in der öffentlichen Meinung und sonst zugrunde zu richten (Miladinovic 1986: S. 15).“ Dieses Ereignis mag wohl maßgeblich zum Bruch zwischen Lenz und Goethe geführt haben, wobei unklar ist, inwiefern diese inszenierten Selbstmordversuche der Realität entsprachen.

Lenzens Leben war geprägt von vernichtenden Niederlagen, an denen er schließlich psychisch zerbrach. Man denke daran, dass es ihm zu Lebzeiten nicht gelang mit seinen Werken Geld zu verdienen, man denke an seine tiefe Enttäuschung über seinen ehemaligen Freund Goethe, der ihn verstoßen hatte, man denke außerdem an den Konflikt mit seinem Vater, dessen Anforderungen er nicht gerecht werden konnte und an die Schuldgefühle gegenüber seiner kranken Mutter, die 1778 in seiner Abwesenheit verstarb.6

1.2 Entstehungs- und Editionsgeschichte

Bis heute scheint die Entstehungsgeschichte des „Lenz“, aufgrund der spärlich überlieferten Zeugnisse, nicht präzise dokumentierbar. Sie muss jedoch eng mit Büchners Aufenthalt in Straßburg verknüpft sein. Als dieser sich 1831 als Medizinstudent immatrikulierte traf er dort auf die Brüder August und Adolph Stöber. Die Bekanntschaft mit deren Familie war für die Entstehung der „Lenz“-Novelle von ausschlaggebender Bedeutung, da diese ihm ihr komplettes Material für sein späteres Werk zur Verfügung stellte. So gewann Büchner erstmals Einblicke in seine spätere Hauptquelle; die tagebuchartigen Berichte des Pfarrers Oberlin, aus denen biographische Informationen hervorgehen, die Lenz' Lebensumstände bei seinem Aufenthalt im Steintal entschlüsseln. Die Stöbers stellten Büchner zudem Handschriften von und über J.M.R. Lenz zur Verfügung. Sie waren zu Büchners Lebzeiten die ersten bedeutenden Lenz-und Oberlinforscher. August Stöber veröffentlichte damals mehrere Aufsätze in der renommierten Zeitung „Morgenblatt für gebildete Stände“, und sein Vater Daniel Ehrenfried verfasste eine umfangreiche Biographie Oberlins.

Eine weitere Informationsquelle für Büchner war wahrscheinlich auch der Straßburger Pfarrer Jaeglé, der Vater der zukünftigen Braut Büchners, bei dem Büchner in Straßburg lebte. Er pflegte enge Kontakte zu der Familie Oberlin und nahm die Totenrede auf Oberlins Begräbnis vor.7

Allerdings deuten einige Dokumente daraufhin, dass Büchner sich bereits vor seinem Aufenthalt in Straßburg mit dem Dichter beschäftigte. Goethes „Dichtung und Wahrheit“, lag seit 1811 vor und war Büchner sicherlich bekannt. Im Jahre 1828 veröffentlichte Ludwig Tieck eine erste Ausgabe der Gesamtwerke von J.M.R. Lenz, unter dem Titel „Gesammelte Schriften von J.M.R. Lenz, herausgegeben von Ludwig Tieck“, welche Büchner in seinem Elternhause vorgefunden zu haben scheint, da er in einem Brief an seine Braut

[...]


1 Vgl. Dedner 1999, S. 15

2 Vgl. ebd., S. 20

3 Vgl. ebd., S. 22

4 Vgl. ebd., S. 29

5 Vgl. Thieberger 1986, S. 6-9

6 Vgl. Dedner 1999, S. 5

7 Vgl. Schaub 1987, S. 62-65

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Jakob Michael Reinhold Lenz und seine Darstellung in Büchners Novelle „Lenz“
Sous-titre
Eine literarische Transformation
Université
University of Luxembourg
Cours
Systematische Aspekte der Neueren deutschen Literatur
Note
16/20
Auteur
Année
2013
Pages
16
N° de catalogue
V350589
ISBN (ebook)
9783668372191
ISBN (Livre)
9783668372207
Taille d'un fichier
561 KB
Langue
allemand
Mots clés
jakob, michael, reinhold, lenz, darstellung, büchners, novelle, eine, transformation
Citation du texte
Nathalie Wagner (Auteur), 2013, Jakob Michael Reinhold Lenz und seine Darstellung in Büchners Novelle „Lenz“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/350589

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