Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Nationalsozialismus als politische/säkulare Religion
2.1. Was ist politische Religion?
2.2. Die politische Religion des Nationalsozialismus
3. Ideologische Aspekte Adolf Hitlers und Alfred Rosenbergs
3.1 Der Rassenbegriff aus biologischer Sicht Adolf Hitlers
3.2. Der Rassenbegriff aus metaphysischer Perspektive Alfred Rosenbergs
4. Fazit
Die Vielfalt in der Einheit. Die Politische Religion des Nationalsozialismus.
1. Einleitung
Der Nationalsozialismus stellt eine Art der politischen Religion dar, mit dem Glauben an die Autorität Hitlers und einer „innerweltlichen Religiosität“.1 Der Nationalsozialismus, wenn man ihn nun als eine Art der politischen Religion betrachtet, hatte mit einem großen Problem zu kämpfen. Er besaß keine einheitliche ideologische Basis und kein zentrales Programm, viel mehr geschah vieles auf der Grundlage von spontanen Regelungen und willkürlichen Handlungen. In die ideologische Schulung der NSDAP mischten sich verschiedene Akteure ein. Neben Hitler, dessen Werk „Mein Kampf“ die erste ideologische Schrift darstellt, mischten sich Alfred Rosenberg, Richard Walther Darré und auch Joseph Goebbels in die Fragen zur Weltanschauung ein.
In diesem Beitrag geht es nicht darum, zu klären, ob es sich bei dem Nationalsozialismus nun tatsächlich um eine politische Religion handelt. Dieser Frage wurde in einem umfangreichen Forschungsprojekt von Hans Maier von der Universität München nachgegangen, dessen Ergebnisse in einem dreiteiligen Sammelband herausgegeben wurden und nachvollziehbar sind.
Der gewählte Titel „Vielfalt in der Einheit“ schien für diese Arbeit geeignet geeignet, da Historiker wie Hans Mommsen ihre Kritik am Konzept der politischen Religion äußern bzw. es für den Nationalsozialismus als nicht zu zutreffend empfinden. Dies wird auf die fehlende ideologische Einheit zurückgeführt, weil damit angeblich ein Widerspruch zu den Vorstellungen des Regimes, eine Volksgemeinschaft unter dem Banner der arischen Rasse zu formen, gegeben sei. Dieser Kritik widerspreche ich insofern, da sie für die Beurteilung des Nationalsozialismus im Konzept der politischen Religion nicht entscheidend ist. Dazu soll das Konzept der Politischen Religionen kurz vorgestellt werden. Zudem werden einzelne Positionen von Theoretikern vorgestellt, die sich für das Konzept der politischen Religion entschieden haben und dort wird ersichtlich, dass der ideologische Aspekt gar nicht im Mittelpunkt steht. Weiterhin wird ein Vergleich zwischen den Vorstellungen Hitlers und Rosenbergs erfolgen. Dieser Vergleich soll verdeutlichen, dass die ideologischen Vorstellen auf den ersten Blick wirklich zu variieren scheinen, andererseits zeigt sich, dass auch in beiden Positionen Gemeinsamkeiten stecken, die diese Vielfalt wiederum gar nicht so eindeutig erscheinen lässt. Dies ist insofern von Bedeutung, da Hitler sämtliche ideologische Vorstellungen tolerierte, solange sie nicht zu stark von seiner eigenen Weltanschauung abwichen.
2. Der Nationalsozialismus als politische/säkulare Religion
Um die Bedeutung der ideologischen Basis zu verdeutlichen, werden im Folgenden einige Rahmenbedingungen für das Konzept der politischen Religion erläutert. Anschließend wird mit Hilfe der Einschätzungen der ersten Vertreter Voegelin, Aron und Voigt gezeigt, dass in ihren Untersuchungen die ideologische Basis kaum Beachtung fand. Deutlich aktuellere Theoretiker sind z.B. Wolfgang Schieder oder Hein Hürten. Deren Betrachtungen konzentrieren sich in diesem Falle viel mehr auf den Zusammenhang von Totalitarismus und politischer Religion.
2.1. Was ist politische Religion?
Eine konkrete Definition für die politische Religion gibt es nicht. Aber es gibt Charakteristika, die für dieses Konzept zutreffend sind. Für Hans Maier sind es besonders Despotien mit ihren totalitären Ausrichtungen, die als Ersatzreligionen, säkulare oder politische Religionen dienen.2 Das System der politischen Religion beruht auf den Faktoren der Autorität, der Gesellschaft und auch der Deutung der Geschichte. Letzteres ist für das Ableiten des Wahrheitsanspruchs des eigenen Glaubenssystems wichtig, besonders für den Nationalsozialismus trifft dies zu, da die eigenen Überzeugungen aus historischen Entwicklungen heraus argumentiert werden.3
Lorenz Schulz betont besonders den Zusammenhang zwischen Totalitarismus und Politischer Religion. In der neueren Forschung hat es sich auch stark durchgesetzt, totalitäre Regime als Politische Religionen zu bezeichnen. Auch wenn dieser Totalitarismus augenscheinlich im Zusammenhang mit der Säkularisierung steht. Wenn eine gewollte Säkularisierung von oben stattfindet, dann ist eine echte Religiosität laut Schulz zu verneinen und die politische Religion kann nur noch als Ersatz gewertet werden, aber selbst nicht als eine religiöse Instanz.4 Dahingehend ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich bei den politischen Religionen um eine innerweltliche Religiosität handelt, die ihren göttlichen Anspruch in Teilinhalten des Weltlichen sucht. Das kann wie zuvor erwähnt die Autorität sein, also eine Führungspersönlichkeit, aber auch eine Partei oder der Staat bzw. dessen Gesellschaft.5
Die Betrachtung des Politischen und der Gemeinschaft unter den totalitären Umständen lässt laut Völkel den Schluss zu, dass es sich hier um eine Sakralisierung derselben handelte, weshalb der Religionsbegriff dennoch seine Berechtigung trägt, auch wenn es sich um eine Sonderform der Religion handelt, die sich im politischen Kontext entwickelt.6
Hans Maier betont, dass die politische Religion in Konkurrenz zu bestehenden Religionen steht und auch den Konflikt zu diesen sucht bzw. diese bestehenden Systeme zu überwinden versucht und aus dieser Perspektive heraus eine anti-religiöse Stellung einnimmt. Daher war es nötig die Untersuchungen auf die religiösen und kirchlichen Verhältnisse innerhalb der politischen Systeme auszudehnen. Denn die politischen Religionen sind aus der Perspektive der religiösen Tradition keinesfalls als ein religiöses System anerkannt, sondern wurden als ein Teil eines Säkularisierungsprozess behandelt.7
Dies führt dazu, dass die Inhalte der politischen Religionen, hier am Beispiel des Nationalsozialismus aber auch des Kommunismus, eher als heidnische Lehren bezeichnet werden, da die ideologischen Aspekte auch auf einer wissenschaftlichen Basis verarbeitet und verbreitet wurden.8 So gab es im sowjetischen System eine feste Doktrin, die schriftlich festgehalten und sogar an den Universitäten gelehrt wurde. Im Nationalsozialismus fehlte diese einheitliche Ideologie jedoch, dennoch wurde einzelne ideologische Aspekte wissenschaftlich aufbereitet und propagandistisch verbreitet.9
Trotz dieser fehlenden ideologischen Einheit im Nationalsozialismus, herrscht in der modernen Forschung eine relativ hohe Einigkeit über die Bezeichnung des Nationalsozialismus als politische Religion. Kritische Stimmen wie z.B. Hans Mommsen verneinen dies auf Grundlage der fehlenden Einheitlichkeit. Dennoch soll im Folgenden kurz erläutert werden, was den Nationalsozialismus als Politische Religion ausmacht, bevor das Problem der fehlenden Einheit in der Ideologie an einem konkreten Beispiel erläutert wird.
2.2. Die politische Religion des Nationalsozialismus
„Die vollständig ausgegliederte Schöpfungsordnung wird durch sie gleichsam dekapitiert, das göttliche Haupt wird abgeschlagen und an die Stelle des welttranszendenten Gottes tritt der Staat als die letzte Bedingung und der Ursprung seines eigenen Seins“.10 Dieses Zitat von Eric Voegelin soll zu Beginn verdeutlichen, dass der Staat die Stelle des Göttlichen einnimmt, also eine zuvor schon erwähnte innerweltliche Religiosität kreiert und damit auch jegliche Vorstellungen aus dem Bereich des Transzendenten verneint.
Eric Voegelin, damaliger außerordentlicher Professor für Staatslehre und Soziologie an der Universität Wien, nahm eine der ersten Deutungen für den Nationalsozialismus als politische Religion vor. Im Jahr 1938, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, erfolgte die Veröffentlichung seines Werkes „Die politischen Religionen“.11 Voegelin machte in seiner
[...]
1 Hans Maier: 'Politische Religionen' - Möglichkeiten und Grenzen eines Begriffs, in: H. Maier / M. Schäfer
2 Vgl. Maier: 'Politische Religionen', S. 304.
3 Vgl. Juan J. Linz: Der religiöse Gebrauch der Politik und/oder der politische Gebrauch der Religion. ErsatzIdeologie gegen Ersatz-Religion, in: in: H. Maier / M. Schäfer (Hrsg.): 'Totalitarismus' und 'Politische Religionen'. Konzepte des Diktaturvergleichs. Band II, Paderborn 1996, S. 130.
4 Vgl. Lorenz Schulz: Totalitarismus, politische Religion und politische Theologie, in: Journal for History of Law 17, 1998, S. 84, 90.
5 Vgl. Maier: 'Politische Religionen', S. 305.
6 Vgl. Evelyn Völkel: Der totalitäre Staat. Das Produkt einer säkularen Religion?. Die frühen Schriften von Frederick A. Voigt, Eric Voegelin sowie Raymond Aron und die totalitäre Wirklichkeit im Dritten Reich, Baden-Baden 2009, S. 56 f.
7 Vgl. Linz: Der religiöse Gebrauch der Politik, S.130 f.
8 Vgl. Ebd., S. 131.
9 Vgl.Heinz Hürten: Totalitäre Kirchenpolitik - dargestellt am Fall des Nationalsozialismus, in: Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte 17-1, 2013, S. 66.
10 Zitiert nach: Claus-Ekkehard Bärsch: Die politische Religion des Nationalsozialismus. Die religiösen Dimensionen der NS-Ideologie in den Schriften von Dietrich Eckart, Joseph Goebbels, Alfred Rosenberg und Adolf Hitler, 2. Auflage, München 2002, S. 21.
11 Vgl. Klaus Vondung: Die Apokalypse des Nationalsozialismus, in: Michael Ley / Julius h.Schoeps: