Leseprobe
Gliederung
1 Einleitung
2 Schulorganisatorische Modelle im Vergleich
2.1 Einsprachige Modelle
2.2 Zweisprachige Modelle
2.3 Modelle zweisprachiger Bildung in Deutschland
3 Die Sorben – eine kurze Einführung
4 Rechtliche Hintergründe des sorbischen Schulwesens
4.1 Rechtsnormen auf Europa- und Bundesebene
4.2 Rechtsnormen auf Landesebene
4.3 Weitere Akteure sorbischer Bildungspolitik
5 Das Sorbische in der Schule – eine Bestandsaufnahme
5.1 Das Sorbische an Schulen des Landes Brandenburg
5.2 Das Sorbische an Schulen des Freistaates Sachsen
6 Schulorganisatorische Modelle – Das Sorbische
7 Zusammenfassung und Ausblick
Quellen
1 Einleitung
Die Sorben werden in der BRD zu den autochthonen Minderheiten gezählten. Als solche genießen ihre Kultur und Sprache einen besonderen gesetzlichen Schutz. Dieser Schutz manifestiert sich unter anderem in der Bildungspolitik.
Ziel dieser Arbeit wird es sein, die schulischen Maßnahmen bezüglich der deutsch-sorbischen Zweisprachigkeit zu benennen, zu beschreiben und theoretisch einzuordnen. Um dies zu bewerkstelligen soll das von mir bereits referierte Modellkonzept von Reich/ Roth erneut erläutert und anschließend auf den Umgang des deutschen Bildungssystems mit der deutsch-sorbischen Zweisprachigkeit angewendet werden.
Den Anfang der Arbeit soll die theoretische Grundlage bilden. Eine kurze Darstellung der von Reich und Roth benannten schulorganisatorischen Modelle, welchen die Maßnahmen bezüglich der Unterrichtung zweisprachiger Schüler zugeordnet werden können, soll dies bewerkstelligen. Diese Darstellung soll sowohl die allgemeine Terminologie, als auch deren Anwendung auf das deutsche Schulsystem beinhalten. Im Anschluss daran soll die autochthone Minderheit der Sorben nähere Beachtung finden. Dabei wird, auf Grund der Thematik der Arbeit, der Schwerpunkt auf der sorbischen Sprache liegen. Daran anschließend werde ich mich den rechtlichen Hintergründen, welche den schulischen Maßnahmen in Bezug auf die deutsch-sorbische Zweisprachigkeit zu Grunde liegen, zuwenden. Hierbei soll sowohl die europäische, die bundesdeutsche, als auch die Länderebene Beachtung finden. In diesem Zusammenhang werden auch sorbische Vereinigungen genannt und beschrieben, welche an der Bildungspolitik aktiv beteiligt sind. Dem rechtlichen bzw. rechtspolitischen Exkurs soll eine differenzierte Beschreibung des Umgangs sorbisch-deutscher Schulen mit der Zweisprachigkeit im sorbischen Verbreitungsgebiet folgen. Diese Darstellung wird geteilt nach Bundesland durchgeführt werden, da sowohl der Freistaat Sachsen als auch das Bundesland Brandenburg verschiedenen ausformulierte Landesverfassungen und Schulgesetze haben, in denen der Umgang mit dem Sorbischen festgeschrieben ist. Nach dieser Darstellung der schulischen Maßnahmen bezüglich der deutsch-sorbischen Zweisprachigkeit soll der Versuch gewagt werden, jene Maßnahmen denen zu Beginn beschriebenen schulorganisatorischen Modellen zuzuordnen. Auch dies wird auf Grund der schon genannten Gründen bundeslandspezifisch erfolgen. Eine kurze Zusammenfassung soll die Arbeit abschließen und die Rolle der zweisprachigen Schulen für den Erhalt der sorbischen Sprache betonen.
2 Schulorganisatorische Modelle im Vergleich
Im folgenden soll eine Übersicht über die schulorganisatorischen Modelle, welchen die Maßnahmen bezüglich der Unterrichtung zweisprachiger Schüler zugeordnet werden können, gegeben werden.
Ich werde mich dabei auf Reich/ Roth beziehen, welche als wesentliche Quelle ihrer Darstellung das Buch ,Encyclopedia of Bilingualism and Bilingual Education’ von Baker und Prys-Jones[1] nennen.
2.1 Einsprachige Modelle
Einsprachige Modelle zeichnen sich durch „die ausschließliche oder ganz überwiegende Verwendung einer Sprache als Unterrichtsmedium“ (Reich/ Roth 2002: 17) aus. Hierbei werden zwei Typen unterschieden. Zum einen die Submersionsmodelle, welche sich dadurch auszeichnen, dass Kinder, deren Muttersprache nicht die Mehrheitssprache ist, in reguläre Klassen eingeschult werden. Bei diesem Modell wird auf die sprachintegrative Kraft der Mitschüler[2] und des Unterrichts verwiesen; sprich, es wird darauf vertraut, dass der Erwerb der Mehrheitssprache durch den Kontakt zu anderen Schülern sowie durch die Unterrichtsunterweisungen erfolgt. Eine zeitlich begrenzte Förderung in der Mehrheitssprache kann zusätzlich erfolgen. Der zweite Typ einsprachiger Modelle sind die Immersionsmodelle. Bei Anwendung dieses Modells erhalten die Schüler, deren Herkunftssprache nicht die Mehrheitssprache ist, Unterricht in der Mehrheitssprache, jedoch in an ihre sprachlichen Voraussetzungen angepasster Weise. Zu diesem Zwecke werden Lehrkräfte eingesetzt, welche selbst zweisprachig sind oder aber über eine Qualifizierung für die Unterrichtung der Mehrheitssprache als Zweitsprache verfügen. (vgl. Reich/ Roth 2002: 17)
2.2 Zweisprachige Modelle
In Abgrenzung zu den einsprachigen Modellen sind diese Modelle dadurch gekennzeichnet, dass wesentliche Teile des Lehrstoffes in zwei Sprachen unterrichtet werden. Reich und Roth unterscheiden hierbei drei Typen. Zum einen nennen sie die Transitorischen Modelle, welche sich dadurch auszeichnen, dass die Schüler, deren Herkunftssprache nicht die Mehrheitssprache ist für eine gewisse Zeit in der Herkunftssprache unterrichtet werden. Zunehmend erfolgt dann eine Unterrichtung in der Mehrheitssprache, welche den Übergang in reguläre Klassen zum Ziel hat. Der Zeitraum, in welchem die Unterweisung in der Herkunftssprache erfolgt, variiert. Reich und Roth sprechen von zwei bis sechs Schuljahren.
Als zweiter Typ unter den zweisprachigen Modellen werden die Language-maintenance-Modelle benannt. Hierbei handelt es sich um Modelle, in denen die Herkunftssprache während der gesamten Schulzeit für einen wesentlichen Teil des Unterrichts Anwendung findet und auch als Fach selbst unterrichtet wird.
Two-way-immersions-Modelle nennen Reich/ Roth als dritten Typ in dieser Kategorie. Hierunter ist zu verstehen, dass Schüler verschiedener Sprachgruppen, in der Regel Sprecher der Nationalsprache und Mitglieder einer Sprachminderheit, gemeinsam während der gesamten Schulzeit in beiden Sprachen unterrichtet werden.
2.3 Modelle zweisprachiger Bildung in Deutschland
Im folgenden Abschnitt soll dargestellt werden, welche der zuvor beschriebenen Modelle, in der BRD Anwendung finden.
Dem Submersionsmodell entspricht in Deutschland die „umstandslose Integration in die Regelklassen“ (Reich/ Roth 2002: 20), welche gleichzeitig als häufigste Maßnahme im schulischen Umgang mit Zweisprachigkeit benannt wird. Bei dieser Variante können je nach Bundesland zum Regelunterricht eine Reihe weiterer Unterrichtsangebote, wie z.B. eine Förderung in Deutsch als Zweitsprache, hinzu kommen. Den Immersionsmodellen entsprechen in der BRD zumindestens teilweise die Einführungskurse, Auffangklassen, Einführungsklassen etc., in denen eine Unterweisung in der deutschen Sprache erfolgt. Diese Maßnahmen werden allerdings nur über einen kurzen Zeitraum und ohne den Schülern Orientierung bezüglich der schulischen Lernstrategien und Fachinhalten zukommen zu lassen, durchgeführt.
Bei den zweisprachigen Modellen weisen Reich/ Roth darauf hin, dass eine Entsprechung des transitorischen Modells in der deutschen Bildungslandschaft heute praktisch nicht mehr gefunden werden kann. Diesem Modell können jedoch die früher existenten nationalen Vorbereitungsklassen zugeordnet werden. Dem language-maintenance-Modell ordnen die Autoren die in der BRD vorfindlichen Minderheitsschulen zu. Hier wird die Herkunftssprache durchgehend als Unterrichtssprache genutzt und die Mehrheitssprache lediglich als Fach unterrichtet. Auch die Variante, dass ein Teil des Unterrichts in der Mehrheitssprache abgehalten wird, ist möglich. In Deutschland findet dieses Modell vor allem an Schulen der autochthonen Minderheiten Anwendung. Den Two-way-imersions-Modellen entsprechen in der BRD die bilingualen Modellklassen und -schulen, wie z.B. die Europaschulen in Berlin. (Vgl. Reich/ Roth 2002: 20f.)
3 Die Sorben – eine kurze Einführung
Das sorbische Volk gehört als ethnische Minderheit in der Bundesrepublik Deutschland zu den autochthonen, sprich zu den einheimischen, alteingesessenen, Minderheiten.[3] Als autochthone Minderheiten werden laut Bundesregierung jene Minderheiten anerkannt, welche erstens über eine deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, zweitens eine durch Sprache, Kultur und Geschichte von der Mehrheitsbevölkerung abweichende Identität besitzen, drittens den Willen haben diese Identität zu bewahren, viertens traditionell in Deutschland beheimatet sind sowie fünftens über eine angestammtes Siedlungsgebiet verfügen. (Vgl. Neumann 2007: 16) Als autochthone Minderheit genießen die Sorben über die bundesdeutschen staatsbürgerlichen Rechte hinaus, das Recht auf die Wahrung ihrer Sprache und Kultur, welches in den jeweiligen Länderverfassungen festgeschrieben ist. Neben der Stiftung für das sorbische Volk ist vor allem die Domowina, als Dachverband sorbischer Vereine und Verbände, an der Interessenvertretung der Sorben beteiligt.
Die sorbische Sprache gehört zur Gruppe der westslawischen Sprachen und besitzt zahlreiche Mundarten und regionale Dialekte. Der Bautzener Dialekt setze sich als Grundlage der obersorbischen, der Cottbusser Dialekt als Grundlage der niedersorbischen Schriftsprache bis Mitte des 19. Jahrhunderts durch. Eine Reihe von Entwicklungen wie z.B. der Ausbau deutscher Städte und Sprachdiskriminierungsmaßnahmen führten dazu, dass das Sorbische bereits seit dem 18. Jahrhundert eine slawische Sprachinsel in der Lausitz bildete. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert nahm die Zweisprachigkeit innerhalb sorbischen Bevölkerung zu, bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert kann von einer fast durchgängigen Zweisprachigkeit in der sorbischen Bevölkerung gesprochen werden. Diese Entwicklung lässt sich durch eine Reihe sprachpolitischer Maßnahmen, sowie durch eine fehlende rechtliche Gleichsetzung im sorbischen Verbreitungsgebiet erklären.
Heute findet die sorbische Sprache vor allem in der Familie, im Bekanntenkreis und in der Religionsausübung Verwendung. Darüber hinaus ist das Sorbische an den Schulen im Verbreitungsgebiet zu finden. (Vgl. Elle 1995: 454 ff.) Dieser Fakt wird im weiteren Verlauf der Arbeit näher betrachtet werden. Das Siedlungsgebiet lässt sich in der BRD im Gebiet der Lausitz, welches sich in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen befindet, ausmachen. Das Land Brandenburg beherbergt dabei das Gebiet der Niederlausitz mit dem Zentrum Cottbus. Im Freistaat Sachsen liegt das Gebiet der Oberlausitz. Das Zentrum ist Bautzen. (vgl. Neumann 2007: 16) Die Domowina geht von einer Anzahl von 60.000 Sorben aus wovon 20.000 in der Niederlausitz und 40.000 in der Oberlausitz leben (vgl. http://www.domowina.sorben.com/strony/kurzideutsch.htm; letzter Zugriff 23.08.2011). Die sorbische Sprache untergliedert sich in zwei Standardsprachen, das Ober- und das Niedersorbische. Ersteres wird vorwiegend in der Oberlausitz gesprochen und geschrieben, Zweites in der Niederlausitz.
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[1] Baker, Colin/Prys Jones, Sylvia (1998); Encyclopedia of Bilingualism and Bilingual Education; Clevedon
[2] Die Begriffe ,Mitschüler’ und ,Schüler’ beziehen sich sowohl auf männliche als auch weibliche Personen, auf eine durchgängige zweigeschlechtliche Ausführung mittels der Endung ,-innen’ wird verzichtet
[3] Auf eine Ausdifferenzierung der Termini „Sorben“ und „Wenden“ soll verzichtet werden, im Folgenden wird der Begriff „Sorben“ verwendet