Der Musikunterricht aus Schülersicht. Empirische Studien

Übersicht und Kritik


Bachelorarbeit, 2013

51 Seiten, Note: 2


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Empirische Forschung – Ziele und Methoden

3. Empirische Studien
3.1. Musikunterricht zwischen Sach- und Fachinteresse – Ergebnisse aus der Pilotstudie „Musikunterricht aus Schülersicht“ - Frauke Heß
3.2. Musikunterricht aus Schülersicht – Eine empirische Studie an Grundschulen - Magnus Gaul
3.3 Schülerwünsche zu Unterrichtsmethoden im Musikunterricht - Marie Luise Schulten
3.4. Musik(erziehung) und ihre Wirkung – Hans Günther Bastian
3.5. War ja klar, dass die nicht unterrichten kann! Eine empirische Folgestudie zum Einfluss von Vorurteilen und Motivation auf die Bewertung von Musikunterricht bei Schülern – Christian Harnischmacher und Viola C. Hofbauer

4. Diskurs und Kritik

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In meiner Bachelorarbeit untersuche ich verschiedene empirische Stu­dien, die im Hinblick auf den Musik­unterricht ausgesucht und aus Schülersicht bewertet werden. Die Rekon­struktion der Schülerperspektive und der damit verbundene Einblick in ihre spe­zifischen Denkweisen, Lerngewohnheiten, Erwartungen und in ihre Interes­senentwick­lung lassen möglicherweise Faktoren für einen gelin­genden Unter­richt erken­nen. Es ist zu betonen, dass wis­senschaftli­ches For­schen und die kritische Hinterfragung von Ergebnissen dazu dienen, vorwissen­schaftliche subjektive Meinungen in objektives Wissen zu überführen. Da es sich im Mu­sikunterricht um ein vielschichtiges Phänomen handelt, welches ver­schiedens­ten Einflüssen unterliegt, wird es auf viele Fragen mehrere Antworten geben. Die Schülerbe­fragung zeigt, wie indi­viduell die Zugänge der Kinder zum Musik­unterricht sind.

Der inhaltliche Ablauf setzt sich aus folgenden Teilen zu­sammen:

Der erste Teil der Arbeit gibt einen kleinen Überblick über fünf verschiedene Stu­dien unterschiedlicher Autoren. Dabei werden in jeder Studie andere Fra­gestellun­gen und Ziele verfolgt. Das Interesse den Musikunter­richt aus Schü­lersicht zu erforschen stellt eine Gemeinsamkeit dieser Forschungs­studien dar. Für eine bessere Über­sicht werden die verschiedenen Studien in drei verschie­dene Bereiche ge­trennt: Inhalt und Ziele, Methoden und Ergebnisse.

Im nächsten Abschnitt erfolgen ein Dis­kurs und eine Kritik über die fünf zu Grunde liegenden Studien. Es handelt sich um Studien mit dem Schwerpunkt des Schülerurteils, bei denen im Vordergrund meiner Abhandlung die Wahl und die Größe der Stichproben für ein aussagekräftiges Ergebnis ste­hen. Diese Ba­chelorarbeit dient aber nicht dem Ziel, die Stu­dien in ihren me­thodischen Ein­zelheiten und ihrer Richtigkeit zu untersu­chen. Darüber hinaus handelt es sich um kri­tische Überlegungen, wel­che den Verlauf und die Durch­führung auf das zu errei­chende Forschungsziel dis­kutieren.

Zum Ab­schluss der Arbeit wid­met sich das Fazit der Wichtigkeit solcher For­schungsstudien und den Faktoren, die die Studienergebnisse beeinflus­sen können.

2. Empirische Forschung – Ziele und Methoden

Das vorliegende Zitat von Jens Wandmacher soll zunächst einen Einblick in die empiri­sche Forschung zeigen:

"Eine Erfahrungswissenschaft oder erfahrungswissenschaftliches Forschen geht davon aus, daß außerhalb des erkennenden Subjekts eine externe Welt existiert, die sogenannte Realität, die unabhängig ist von seinen Gedanken, Vorstellungen, Überzeugungen, Glauben, Meinungen, Wertungen, Hoffnungen und Wünschen. Das Ziel einer Erfahrungswissenschaft ist, das Wissen über einen Bereich der externen Welt zu verbessern oder einen Bereich der externen Welt zu verstehen. Dementsprechend verweisen erfahrungswissenschaftliche Aussagen direkt, häufiger aber indirekt über Theorien, Modelle oder Hypothesen auf Sachverhalte, die in der externen Welt vorkommen oder vorkommen können." (Wandmacher, 2002, S.15).

Empirische Wissenschaften greifen empirische Aussagen auf, welche etwas über die Realität behaupten und gleichzeitig mit dieser Realität in Verbindung stehen (So­zialwissenschaftliche Fakultät, S. 2). Der Zugang in die Wirklichkeit ist aber nicht in direkter Weise möglich, sondern zeichnet sich durch eine strenge Prüfung der Reali­tät aus (Wellenreuther, 2000, S. 17). Es erfordert Wissen über verfälschte Fak­toren und über gültiges Messen. Von wissen­schaft­lichen Erkenntnissen kann auch nur dann gesprochen werden, wenn em­piri­sche Aussagen in der Forschung auch zutreffen. Diese Aussagen sind not­wen­dig um Phänomene zu beschreiben und zu erklären, Prognosen über das Ein­treten von Ereignissen in der Zukunft zu treffen, geeignete Maßnah­men auf­zu­zeigen, um Zielsituationen zu erfüllen oder den Erfolg von Maß­nahmen zu eva­luieren.

Ziel der empirischen Forschung ist es, Aussagen und Theorien über einen be­stimmten For­schungsgegenstand zu errei­chen. Es bedeutet ein sys­tematisches Er­fassen und Auswerten der so­zialen Erkenntnisse bzw. Erfah­rungen (Atteslander, 2006, S. 4). Diese Erkennt­nisse werden zielgerichtet, systema­tisch und überlegt er­reicht. Die Systematik sol­cher Forschungspro­zesse möchte aufzeigen, dass ein methodisch durchdachter Plan vorliegen muss, welcher die Aufgabe hat Theo­rien oder Hypothesen zu überprüfen (Schnell, Hill, & Esser, 2011, S.6). Empiri­sche Phänomene müssen beo­bachtet (Datener­hebung), analysiert (Da­tenaus­wertung) und interpretiert (Da­teninterpreta­tion) werden.

Trotzdem können sich in empirischen Untersuchungen folgende Forschungs­fehler einschleichen: Beobachtungsfehler (z.B. falsche Wahrnehmung und Übersehen rele­vanter Aspekte), Analysefehler (z.B. Anwendung ungeeigneter Analysemethoden) und Interpretationsfehler (z.B. falsche Schlussfolgerungen von Ereignissen) (Sozial­wissenschaftliche Fakultät, S.3). Um solche For­schungs­fehler zu vermeiden, wurden in der empirischen Forschung Regeln und Me­tho­den entwickelt, welche dazu führen, dass Beobachtungs-, Analyse-, und Inter­pretationsfehler ausgeschlossen und gül­tige Aussagen getroffen werden kön­nen.

In der empirischen Forschung sind Methoden für den Einsatz von Datenge­win­nung, Datenanalyse, Intervention und Evaluation notwendig. Erhebungen kön­nen mit Hilfe qualitativer oder quantitativer Methoden durchgeführt werden.

Die quantitative Forschungsmethode möchte Verhalten in Form von Modellen, Zu­sammenhängen und zahlenmäßigen Ausprägungen beschreiben und vorhersagbar machen (Winter, 2000, S. 1). Ziele der Methode sind Messung und Auswertung sozialer Fakten mit Hilfe verschiedener Erhebungsinstru­mente (Bortz, 2005, S. 295). Durch eine große und repräsentative Stichprobe kann bei­spielsweise durch eine schriftliche Befragung mit einem Fragebogen oder ei­nem quantitativen Interview eine zahlenmäßige Ausprägung einer oder mehre­rer bestimmter Merkmale gemessen werden. Um gleiche Voraussetzun­gen für die Entstehung der Messwerte innerhalb einer Studie zu gewährleisten sind die quantitativen Methoden standardisiert und strukturiert, um die Aussagen der Befragten untereinander ver­gleich­bar zu machen. Zum For­schungsabschluss werden die Messergebnisse miteinander vergli­chen, genera­lisiert und mit den vorher festgelegten Hypothesen über­prüft.

Die qualitative Forschungsmethode charakterisiert sich im Gegensatz zum quantitati­ven Ansatz durch ihre Offenheit und Flexibilität. Eine qualitative Be­fragung (Interviews oder Gruppendiskussionen) ist frei, explorativ und verzichtet auf stan­dardisierte Vorgaben. Auf diese Weise erhält man eine hohe Inhaltsva­lidität und einen tieferen Informati­ons­gehalt der Ergebnisse. Ziel ist es, durch das Sammeln und Interpretieren der Daten in Folge einer Daten­analyse, eine Erklä­rung des Verhaltens anzustreben. Die Wirk­lichkeit soll an­hand der subjek­tiven Sicht der ausgewählten Personen abgebildet und mögliche Verhaltensur­sachen verstanden und nachvollzogen werden.

In den fünf verschiedenen Forschungsansätzen sind drei ver­schiedene For­schungstypen zu unterscheiden: die Langzeitstudie, die Pilotstudie und die Fol­gestudie.

Eine Langzeitstudie wird von Franz Emanuel Weinert wie folgt definiert : „Um wissenschaftliche Antworten auf […] alltägliche Fragen geben zu können, braucht man aufwendige Längsschnittstudien. Dabei wird die gleiche Gruppe von Kindern über längere Zeit hinweg immer wieder psychologisch beobachtet, getestet und befragt. Allein mit Hilfe einer solchen Methodik ist es möglich, nicht nur alterstypische Veränderungen während der Kindheit zu beobachten, sondern auch die Stabilität und Veränderung psychischer Unterschiede zwischen den Kindern zu erfassen.“ (Weinert, 1998, Vorwort).

Eine Langzeitstudie befasst sich demnach über ei­nen bestimmten Zeitraum hinweg mit einer identischen Stichprobe bezüglich mehrmals ausgewählter Merkmale. Die Minimalforderung einer solchen Studie zeigt dennoch Voraus­setzungen, wie die Be­teiligung von mindestens 30 Versuchspersonen und eine Untersuchungszeit von mindestens drei Jahren (Bastian, 2000, S. 32). Die Ziel­vorstellungen von Längsschnittstudien sind dabei: die Identifizierung intraindividueller Verände­rungen, das Erkennen interindividueller Unterschiede in individuellen Verände­rungen, die Untersuchung von Interkorrelatio­nen zwi­schen unterschiedlichen Verhaltensklassen bzw. –kategorien in der Entwick­lung, die Analyse von Ursa­chen intraindividueller Veränderungen und der Ursa­chen für interindividuelle Unterschiede in den intraindividuellen Veränderungs­raten (Bas­tian, 2000, S. 32). Betrachtet man die folgenden Studien, so sind die Bastian-Studie und die Gaul-Studie Langzeitstudien.

Dagegen finden wir in dieser Arbeit Pilotstudien bei Frauke Heß und Marie Luise Schulten. Eine Pi­lotstudie wird definiert als „ein sozialwissenschaftlicher Forschungsansatz zur Vorbe­reitung einer größeren empirischen Untersuchung mit dem Ziel, für einen be­stimmten sozialen Zu­sammenhang möglichst alle relevanten Faktoren voll­ständig zu er­fassen“ (Wissen, „Pilotstudie“). Sie ist in Hinblick eines Forschungsprojekts die voraus­gehende Unter­suchung.

Die Folgestudie OSIRIS 3 von Christian Harnischmacher und Viola C. Hof­bauer baut dagegen auf einer vorangegangenen Studie, wie der OSIRIS 2, auf. Am Beispiel die­ser Studie zeigt sich, dass aufgrund des schwachen Treatments eine weitere Studie mit verbesserter Methodik notwendig ist, um Ergebnisse zu erzielen, welche in der OSIRIS 2 Studie nicht erkannt wurden. Die erste Studie OSIRIS 1 ist dagegen eine Pilotstudie.

3. Empirische Studien

3.1. Musikunterricht zwischen Sach- und Fachinteresse – Ergebnisse aus der Pilotstudie „Musikunterricht aus Schülersicht“ - Frauke Heß

Inhalt und Ziele

Die vorliegende empirische Studie „Musikunterricht aus Schülersicht“ (MASS) möchte die Einstellung Jugendlicher zu ihrem Musikunterricht untersuchen (Heß, 2011, S. 2). Dabei ist als Ziel darzustellen, welche Unterrichtsinhalte nach Wahrnehmung der Schüler und Schülerinnen im Mittelpunkt ihres Musik­unter­richts stehen. Außerdem sollen folgende Fragen nicht unbeachtet blei­ben: Wie erle­ben und beurteilen Jugendliche ihren Musikunterricht? Welche Wünsche haben sie an das Fach? Welches Image hat das Fach in Hinblick auf Relevanz und Anspruch? Verpasst der Musikunterricht für Jugendliche, welche musika­lisch nicht vorgebildet sind, die Chance neue Umgangsformen mit Mu­sik anzu­bieten? Schlägt der Musik­unterricht einen falschen Weg ein? Diese For­schungsfragen sollen in der Studie be­obachtet werden.

Methoden

An der Universität Kassel wurde im Sinne eines Lehrforschungsprojekts in ei­ner mu­sikpädagogischen Veranstaltung „Musikunterricht aus Schülersicht“ in­ner­halb eines Semesters im Sommer 2009 eine Erhebung durchgeführt (Heß, 2011, S. 7 f.). Die Stichprobenbefragung bezieht sich dabei auf die Antworten der Gymnasiasten und Gymnasiastinnen. Die empirische Untersuchung, wel­che von Studenten ausgearbeitet wurde, hat das Ziel mit Hilfe quantitativer (Fra­ge­bogen-Studie) und qualitativer Methoden (Gruppendiskussion und nar­rative In­terviews) die Schülerwahrnehmungen von ihrem Musikunterricht zu erfassen.

Die quantitative Untersuchung beachtet neben personenbezogenen Angaben (Alter, Geschlecht, Schulform, musikalische Vorbildung, Schulfachbewertun­gen, Musikprä­ferenzen etc.) auch Einstellungen zu Inhalten des Musikunter­richts und deren Be­deutung für die Schüler[1]. Die vorherr­schenden Unterrichtsmetho­den im Musikunterricht werden ebenfalls aufge­nommen und der erlebte Unter­richt mit den Unterrichtsinhalten und –methoden den Jugendli­chen in Gegen­überstellung als Schülerurteil vorgelegt. Die quantitative Online-Umfrage er­reicht insgesamt 1056 Schüler. Aufgrund der Tatsache, dass 12% der Fragebö­gen unvollständig und inkonsistent beantwortet wurden, kann nur eine Anzahl von 928 Fragebö­gen aus den Sekundarstufen sichergestellt werden (Heß, 2011, S. 8).

Die qualitative Methode richtet sich nach der Grounded Theory (Heß, 2011, S.8). Die Studierenden entwickeln nach einem Brainstorming einen offenen In­terviewleitfaden, welcher in Probeinterviews mit kleineren Schülergruppie­run­gen der 11. Klasse eines Gymnasiums verwendet wird. Rückblickend auf den Musik­unterricht der Sekundarstufe 1, sollen daraufhin diese Schüler die Be­weggründe für ihr Wahlverhalten in der Oberstufe (z.B. Wahl für den Leistungs­kurs, Grundkurs und insbesondere für eine eventuelle Abwahl des Musikfachs) anspre­chen. Die Textanalyse führt zu ersten In­haltskatego­rien für die folgenden Interviews. Mit jeder Interviewrunde werden bestimmte Aspekte beachtet. Ein Gesamtergebnis von 30 Interviews mit zu­sätzlichen Ant­worten und offenen Fragestellungen kann am Forschungsende erzielt werden.

Ergebnisse

In der MASS-Studie werden im Bereich der Fachpräferenzen die Ergebnisse mit den Gruppierungen von Instrumentalisten und Nicht-Instrumentalisten ver­glichen. Dabei kann, auf einer an Schulnoten angelehnten 6-Skala, der Mu­sik­unterricht im Mittel mit 2,47 bewertet werden (Instrumentalisten M= 2,20; Nicht-Instrumentalisten M=2,94) (Heß, 2011, S. 10). Somit kann ausgesagt werden, dass sich der Mu­sikunterricht bei beiden Gruppen im oberen Mittelfeld der Sechserskala be­fin­det, sodass nicht von einer ablehnenden Haltung gegenüber dem Musikun­ter­richt gesprochen werden kann.

Im Vergleich zu anderen Fächern nennen 16,9% der Instrumentalisten ihr Lieb­lingsfach Musik, welches somit das am häufigsten favorisierte Fach ist, wäh­rend nur 4,8% der Nicht-Instrumentalisten den Musikunterricht als bevor­zugtes Fach wählen (Heß, 2011, Abb.1). Es liegt also im Mittelfeld der 14 meistge­nannten Fächer bei den Nicht-Instrumenta­listen. Demnach kann nicht nur ein deutlicher Unterschied zwischen Nicht-Instru­mentalisten und Instru­mentalisten festgestellt werden, sondern auch eine Differenz der Bewertung von Fächern, die eine Nähe zu Freizeitaktivitäten aufzeigen. Heß will damit aussagen, dass Jugendliche in ihrer Interessenprofilierung meistens nur einer der Domä­nen Sport, Musik, Kunst zuwenden und sich selten nebenbei auch für eine Weitere interessieren (Heß, 2011, S. 11).

Eine Befragung bezüglich der „Negativfächer“ ergibt, dass sich das Fach Musik in der Bewertung der Instrumentalistengruppe auf dem letzten Platz begibt (15. Platz) (Heß, 2011, Abb. 2). Nur 2,2% beurteilen Musik als Negativfach. Die Nicht-Instrumentalisten geben zu 6,6% Musik als Negativfach an, sodass es sich auf den 7. Platz in der Mitte anordnen lässt. Wird ein Vergleich zwischen Lieb­lings- und Negativfach erstellt, so zählen 50,8% der Instrumentalisten Mu­sik als ihr Lieblingsfach und 5,4% dieser Gruppe als Negativfach auf (Heß, 2011, Abb. 3). Dagegen nennen 14,9% der Nicht-Instrumentalisten Musik als Lieblingsfach und 16,4% dieser Schüler als Negativfach.

Im weiteren Forschungsverlauf zeigen sich ebenso Ergebnisse zur Untersu­chung des Musikunter­richts als Lieblings- und Negativfach im Bereich der Al­terseffekte (Heß, 2011, S.12). Erstaunlich ist hierbei, dass ein hoher Prozent­satz von 19,4% der Schüler aus der 5./6. Klasse Musik als Ne­gativfach kenn­zeichnen. Im Vergleich dazu liegt der Prozentsatz in der Sekun­darstufe 1 bei 10,9%. Ein Grund für die hohe Ablehnung liegt darin, dass in diesen Klassen­stufen der höchste Anteil an Nicht-Instrumentalisten vorliegt. Weitere Untersu­chungen zeigen zudem, dass selbst Instrumentalisten der Klassenstufen fünf bis zehn das Fach Musik mehrfach als Negativfach einord­nen (z.B. 8,3% der Instrumentalisten der 5./6. Klasse stufen es als Negativfach ein) (Heß, 2011, Abb. 4). Insgesamt sind die Ergebnisse der 5. und 6. Klasse am ausschlagge­bendsten. Die Klassen zeigen in ihrem Prozentsatz, dass Mu­sik, häufiger als in allen anderen Klassenstufen, entweder als Lieblingsfach oder als Negativfach genannt wird. Dazu ist ebenso zu berücksichtigen, dass bei der offenen Befra­gung nach Lieblings- und Negativfach die Befragten das Fach Musik bereits zu 51,1% erwähnen, während die 7./8. Klassenstufe mit 34,6% und die 9./10. Klasse zu 46,3% Musik in die Kategorien einordnen (Heß, 2011, S. 14). Die Forscher sehen den Grund dieser Ergebnisse an der Verpflich­tung und Prä­senz des Faches in den 5./6. Klassenstufen. Es steht für die Schüler verpflichtend im Stundenplan und wirkt direkt in den Schulalltag der Jugendlichen ein. In den darauffolgenden Jahrgangs­stufen ist das Fach durch den epochalen Unterricht und die Wahlmöglichkeiten nicht präsent und verliert an Be­deutung für die Ju­gendlichen. Folglich kann bei der Befragung der Lieb­lings- und Negativfächer, welche den Musikunterricht nicht explizit erfragt (offene Nennung), eine größere Differenz der Prozentsätze in den Klassen­stufen erkannt werden, als bei einer weiteren Untersuchung, wel­che die explizi­ten Bewer­tung des Faches Musik anfordert.

Bei der Fragestellung „Macht Musikunterricht Spaß?“ fällt keine Klassenstufe besonders auf (Heß, 2011, Abb. 5). In der 9./10. Klasse empfinden Nicht-Instru­mentalisten das Fach als unangenehm, obwohl es nicht als Negativfach aufge­führt wird. Ebenso zeigt die qualitative Erhebung, dass der Mittelstu­fen-Mu­sik­unterricht zahlreich unbefriedigend ausfällt. In Interviews werden die Befrag­ten der 11. Klasse aufgefordert, auf ihren Musikunterricht zurückzu­schauen und ihre Zufriedenheit an einer Verlaufskurve aufzuzeichnen. Viele „Zufriedenheits­kurven“ zeigen an, dass in der Grundschule eine hohe Motiva­tion im Musikun­terricht erlebt wird, dennoch in weiteren Jahrgangsstufen eine stetige Ab­nahme zu kennzeichnen ist (Heß, 2011, Abb. 6). Gründe wie, mangelnde Kontinuität (keine inhaltliche Struktur, epochaler Unter­richt, Lehrerwechsel), fehlender Kompetenzzuwachs, „kindli­che“ Inhalte und mangelnde Fachkompetenz der Lehrkräfte, führen zur Unbe­liebtheit des Fa­ches in höheren Klassenstufen.

Weitere Ergebnisse zeigen sich in den geschlechtsbezogenen Aspekten (Heß, 2011, S.17). Die Prozentzahlen weisen darauf hin, dass der Musikunter­richt als „Mädchendomäne“ bezeichnet werden kann. Der Musikunterricht macht 13% der Jungen und 9% der Mädchen keinen Spaß. Ferner zeigt sich bei den Mäd­chen die Fachpräferenz zu 44,2% und bei den Jungen zu einem Prozent­satz von 30,2%. Wenn zusätzlich der Aspekt Instrumentalist und Nicht-Instru­menta­list betrachtet wird, kann festgehalten werden, dass nur 7,1% der männ­lichen Nicht-Instrumentalisten Musik als Lieblingsfach angeben und 23,8% der weibli­chen Nicht-Instrumentalisten diese Fachpräferenz mitteilen. Die Forscher geben an, dass die Begründung der Entstehung eines Spannungsverhältnis­ses zwi­schen (femininem) Fachimage und typisierten Geschlechtsrollen-Selbstbild vieler Jungen nahe kommt (Heß, 2011, S.3 f.). Sichtbar wird dies durch die Be­trachtung der Fachpräferenz von Fünft- und Sechstklässlern. Nur 5,4% der männlichen Nicht-Instrumentalisten geben ihre Fachpräferenz an, während weibliche Nicht-Instrumentalisten einen weitaus höheren Wert von 29% aus­zeichnen. Eine zusätzliche Befragung sagt aus, dass mehr als 64,6% der männli­chen unteren Altersstufe vermuten, dass der Musikunter­richt auch für ihre Freunde unwichtig ist. Das bestätigt die Annahme, dass Jungen nicht als weib­lich attribuiert werden möchten und darüber hinaus diese Gefahr die Wert­schätzung des Mu­sikunter­richts ausstrahlt. Das Geschlechtsrollen-Selbstbild kann zusätz­lich an weiteren Daten festgehalten werden. Auf die Frage, ob Mu­sikunterricht anspruchsvoll sei, antworten 25,7% der Jungen mit „Nein“, wäh­rend nur 15% der Mädchen dieselbe Angabe machen. Auch auf die Befragung, ob Musik hilfreich für den Alltag sei, bestreiten 45,7% der männlichen Befragten und 30% der weiblichen Schülerinnen.

Im Bereich der Unterrichtsinhalte sind auch hier geschlechtsspezifische Er­geb­nisse aufzufinden. Die weiblichen Schülerinnen bevorzugen einen körper­orien­tierten und expressiven Umgang, wie z.B. Singen und Tanzen. Dagegen möchten sich Jungen intensiver mit Computer beschäftigen. „Klassische Mu­sik“, „Musik anderer Kultur­kreise“ und „fächerübergreifende Projekte“ sind Un­ter­richtsinhalte, welche von den Mädchen eher gewünscht werden als von den Jungen. In einer 3-stufigen Skala wird zwischen der Sekundarstufe 1 und 2 die Frage „Wie oft behandelt Ihr die fol­genden Inhalte?“ untersucht (Heß, 2011, Abb. 7). Es kann festgestellt werden, dass in der Sekundarstufe 1 die Musik­theorie im Vordergrund steht, während der Computer eine Ausnahme am Unter­richtsinhalt aufzeigt. Ebenso wird „Klassische Musik“ vermehrt in den Musikun­terricht aufgenommen, als Populäre Musik. Vergleicht man die Se­kundarstufe 1 mit der Sekundarstufe 2, so fallen kleine Unterschiede, aber auch viele Ge­meinsamkei­ten auf. Die Oberstufe übernimmt die wissenschafts­propädeutische Funktion und findet Inhalte mit musikhistorischer und musik­theoretischer Aus­richtung von großer Wichtigkeit. In beiden Sekundarstufen kann man dennoch erkennen, dass gestalteri­sche und bewegungsorientierte Tätigkeiten und groß­räumige Aktivitäten, welche die Klassengröße über­schreiten, im Hintergrund liegen.

Korrelationsberechnungen sollen Aufschluss über einen Zusammenhang zwi­schen der inhaltlichen Ausrichtung des Musikunterrichts und seiner Bewertung durch Jugendliche geben. Die stärkste Korrelation im Bereich „Hören“ ist inter­pretationsbe­dürftig und kann weder durch quantitative noch anhand von qua­litativen Daten be­wertet werden. Durch keine Spezifizierung des Begriffs (Hö­ren im Alltag oder aktive Hörerziehung im Unterricht) kann das Begriffsver­ständnis der Jugendlichen nicht als Ergebnis herangezogen werden. Dennoch kann zwi­schen Instrumentalisten und Nicht-Instrumentalisten ein Vergleich erstellt wer­den. Während bei Nicht-Instrumen­talisten ein Zusammenhang im Bereich Tanz mit der Bewertung des Fachs besteht, sind In­strumentalisten der Ansicht, dass musikwissenschaftliche Aus­richtung mit ei­ner positiven Einschät­zung zusam­menwirkt (Heß, 2011, S. 20). Die verschie­denen Ergeb­nisse zeigen aber auch, dass Erfahrungen außerhalb des Unter­richts ebenso eine Auswir­kung auf die Einstellung zum Musikunterricht haben kann. Ferner trägt die Berücksichtigung Populärer Musik im Unterricht nicht gleichzeitig eine posi­tivere Bewertung des Musikunterrichts mit sich. Dennoch sagen die Befragten aus, dass eine Beach­tung gern gehörter Musik, Teil des Unterrichts sein soll (Heß, 2011, S. 21). „Klassische Musik“ ist häu­figer Unterrichtsgegenstand und wird von einigen Ju­gendlichen bevor­zugt oder abgelehnt. Doch selbst Schüler, welche keine Klassikpräferenz aufzeigen, finden zu 28% gefal­len am Unterricht (Heß, 2011, Abb. 8). Der Wunsch nach der Behandlung von Populärer Musik zeigt posi­tive aber auch negative Be­achtung und kann keine klare Aussage ziehen.

Die Ergebnisse im Bereich der Fachpräferenz, der geschlechtsbezogener As­pekte, der Alterseffekte und der Unterrichtsinhalte im Fach Musik geben einen Einstieg zu weiterer empirischer Forschung. Die nächste, groß angelegte Un­tersu­chung ist am In­stitut für Musik der Universität Kassel in Planung (Heß, 2011, S. 23).

3.2. Musikunterricht aus Schülersicht – Eine empirische Studie an Grundschulen - Magnus Gaul

Inhalt und Ziele

Die empirische Studie „Musikunterricht aus Schülersicht“ fokussiert den Mu­sik­unter­richt an allgemein bildenden bayerischen Schulen (Gaul, 2009, S.11). Die Untersuchungen weist eine Dauer von fünf Jahren auf (2001 – 2006). Der For­scher Magnus Gaul befragt in seiner Studie insgesamt 1.300 Schüler und stellt den Stellenwert des Faches Musik aus der Schülerperspektive dar. Der Musik­unterricht, welcher ein komplexes Handlungsgefüge ist, muss zu­nächst durch eine Vielzahl verschiedenster Variablen (z.B. Profil der Grund­schule, Zusam­mensetzung von Schüler- und Lehrerschaft, räumliche Gege­benheiten, sozialer Einzugsbereich im Schulsprengel etc.) betrachtet werden, um latente Merk­male, welche sich auf den Schulbetreib einwirken, sichtbar zu machen. In der Forschung stellt sich Gaul die Frage, ob die Einschätzungen der Schüler zu ei­ner Anhebung des Niveaus der musikalischen Ausbil­dung an allge­mein bilden­den Schulen führen, sowie auch Ein­fluss auf die In­halte und ihre didaktische Ausrichtung des Musikfachs haben kann (Gaul, 2009, S. 199). An der For­schung sollen aus diesem Grund Musikpädagogen Interesse an einer Ak­tualität und Optimie­rung des Unterrichts aufzeigen.

Ziel der Untersuchung ist das Kennenlernen der mentalen Einstellungen von Schüler und Schülerinnen zur Musik innerhalb und außerhalb der Grund­schule, wobei der Schwerpunkt auf dem Musikunterricht in der Schule liegt. Es entsteht eine Suche danach, was die Lernenden interessiert und motiviert. Dabei sollen wichtige Aspekte, wie die musikalische Identität, die subjektive Bedeutsamkeit, das musikalische Erle­ben und Lernen im Grundschulalter auf­gegriffen werden (Gaul, 2009, S. 200 f.). Die Frage, ob mediale An­gebote in Verbindung mit mu­sikali­schen Aktivitäten im Musikunterricht in Verbindung stehen, soll weiterer For­schungsgegenstand sein. Weiterhin sollen Bedeutung und Einflüsse des akti­ven Musizierens auf das Freizeitverhalten der Kinder beachtet und in Zusam­menhang zum Musikunter­richt gebracht werden.

Zusammenfassend hat die Studie von Magnus Gaul das Ziel der Schaffung günstiger schulischer Lernvoraussetzungen vor Augen und setzt sich für die Umsetzung geeig­neter Lerninhalte und Vermittlungsstrategien im Musikunter­richt ein. Darüber hinaus möchte die Erforschung auf den Wert einer Musiker­ziehung aufmerksam machen.

Methoden

Die relevanten Forschungsfragen werden zunächst im „Feld“ ermittelt und mit den Methoden der empirischen Sozialforschung zu beantworten versucht, da Vorläufer­untersuchungen nicht bekannt sind. Als Zielgruppe stehen Kinder der vierten Jahr­gangsstufe im Zentrum der Forschung aufgrund der Tatsache, dass größere Rück­schlüsse auf den Musikunterricht durch die Schüleraus­künfte ge­geben werden können, als bei jüngeren Schülern, welche aus Gründen von ent­wicklungspsychologischen Erwägungen und sprachlicher Ge­wandtheit weniger vor­teilhaft sind (Gaul, 2009, S.200).

Die Forschung zum Musikunterricht aus Schülersicht an Grundschulen teilt sich in drei Themenblöcken: eine historische, eine qualitativ-hermeneutische und eine quantitativ-analytische Vorgehensweise (Gaul, 2009, S. 202). Der histori­sche Teil geht dabei auf die Ursprünge des Musikunterrichts in Bayern zurück und untersucht historische Quellen zum Fach Musik. Danach soll in der qualita­tiv-hermeneutischen Methode eine mündliche Befragung (Feb­ruar 2003-2004), die Inhalte, Be­dingungen und spezifischen Ein­schätzungen der Schüler be­trach­ten. Mit Hilfe eines Interviewleit­fadens kann in zeitlich knapper Form eine große In­formations­dichte er­zielt werden (Gaul, 2009, Abb. 10). Zwar können die qualitativen Daten aufgrund der Pro­bandenzahl (N=64) nicht als repräsentativ gelten, doch besitzen diese große, aussagekräf­tige Informationsmen­gen (Gaul, 2009, S. 203). Fünf Themen­schwerpunkte le­gen den Verlauf des Interviews mit folgenden Fragen zur Per­son, Musik und zum außerschulischen Musikleben/-erleben, zum Mu­sikunter­richt in der Schule, zur Lehrerin oder Lehrer und zu den Mitschülerinnen und Mitschülern, fest. Durch das Theoretical sampling kann ein ausgewogenes Verhält­nis in den Bereichen Alter, Geschlecht, musikali­sche Vorbildung, Schulform und so­zialen Einzugsbereich erreicht wer­den (Gaul, 2009, S. 210). Zusätzlich kann durch die Einbeziehung von Fünftklässlern, die bereits an einer Haupt-/Realschule oder Gymnasium überge­gangen sind, Erfahrungswerte zum Grund­schulbesuch gesammelt werden (Gym­nasium (N=25), Realschule (N=5), Hauptschule (N=4)) (Gaul, 2009, Abb.11). Die qualitativen Daten wer­den darauf­hin zur Hypothesen- und Theo­riegewinnung benutzt, die es im wei­teren Studienver­lauf zu überprüfen gilt. Der letzte Teil der For­schung, die quantitativ-analytische Me­thode, stützt sich auf einen standardisierten Frage­bogen (N=1016), welcher an un­terschiedlichen Schulen im Jahre 2003/04 getestet wird (Gaul, 2009, Abb. 12). Dazu werden Schulen mit er­weitertem und regulä­rem Musik­unterricht untersucht. Die quanti­tative Untersu­chung hat das Ziel, die Ergeb­nisse der Interviewstudie zu hinter­fragen. Der erste Teil des Fragebo­gens teilt die Grundschüler in Musi­ker und Nicht-Musiker auf. Danach folgt der zweite und dritte Fragebogenteil für die ge­samte Stichprobe, welcher die musikpsy­chologi­sche Komponente schuli­schen Lern­verhaltens und ihr persönlicher Inte­resse zur Musik aufzeichnen soll.

[...]


[1] Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die maskuline Schreibweise verwendet. Es wird aber darauf hingewiesen, dass in der Regel beide Geschlechter gemeint sind. Werden die Geschlechter getrennt behandelt, so wird dies gekennzeichnet.

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Der Musikunterricht aus Schülersicht. Empirische Studien
Untertitel
Übersicht und Kritik
Note
2
Autor
Jahr
2013
Seiten
51
Katalognummer
V350688
ISBN (eBook)
9783668411395
ISBN (Buch)
9783668411401
Dateigröße
845 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
musikunterricht, schülersicht, empirische, studien, übersicht, kritik
Arbeit zitieren
Anna Rezmer (Autor:in), 2013, Der Musikunterricht aus Schülersicht. Empirische Studien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/350688

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