Altern - unter besonderer Berücksichtigung der Telomertheorie


Epreuve d'examen, 2004

96 Pages, Note: 1,1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Altern
2.1 Ist Altern biologisch sinnvoll?
2.2 Alternstheorien
2.2.1 Evolutionäre Alternstheorien
2.2.2 Stochastische Alternstheorien
2.2.3 Genetisch basierende Alternstheorien
2.2.4 Alternstheorien im Überblick

3. Zellalterung und Telomere
3.1 Das Märchen von den unsterblichen Zellen
3.2 Hayflick und Moorhead
3.2.1 Maximale Teilungskapazität einer Zellkultur
3.2.2 Dirty Old Man Experiment
3.2.3 Experimentelle Lokalisation des Replicometers
3.2.4 Das Hayflick-Limit
3.3 Das Endreplikationsproblem
3.3.1 Olovnikov und die „Marginotomy Theory of Ageing“
3.3.2 Das Endreplikationsproblem heute
3.4 Telomere
3.4.1 Tetrahymena thermophila
3.4.2 Die Ermittlung der ersten Telomersequenz
3.4.3 Die humane Telomersequenz
3.5 Das Enzym Telomer-Terminal-Transferase
3.6 Funktion und Struktur der Telomere
3.6.1 D-Loop/t-Loop am Ende der Telomere
3.6.2 Strukturelle Proteine der Telomere

4. Telomere und Altern
4.1 Aktuelle Hypothesen
4.1.1 Die Telomer-Hypothese des zellulären Alterns
4.1.2 Erweiterung der Telomer-Hypothese des zellulären Alterns
4.1.3 Telomer-Hypothese der Vererbung von Langlebigkeit
4.1.4 Genetische Faktoren zellulärer Seneszenz
4.2 Übertragbarkeit der Hypothesen auf das Altern in vivo
4.3 Telomere, Telomerase und (altersbedingte) Krankheiten
4.3.1 Telomere, Telomerase und Krebs

5. Diskussion

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

Glossar

Abbildungsverzeichnis

Denn alles, was entsteht,

ist Wert,

dass es zu Grunde geht“

Goethe

1. Einleitung

969 Jahre - dieses Alter erreichte, wenn man der Bibel Glauben schenken darf, Methusalem, auch Methusalah genannt (Bibel, Genesis 5,27). Noch im heutigen Sprachgebrauch wird dieser Name gleichbedeutend mit einem langen Leben genutzt. Die Französin Jean Calment starb am 4. August 1997, im Alter von 122 Jahren. Sie war damit nachweislich die älteste Frau der Welt und erfreute sich, auch hochbetagt, eigentlich guter Gesundheit (Int. Q. 1). Demgegenüber steht der 16jährige Jason Ellison aus Idaho. Trotz seines kalendarischen Alters von 16 Jahren sind viele seiner Organe, biologisch gesehen, so alt wie die eines etwa 90-Jährigen.

Das Altern an sich ist eine unausweichliche Erfahrung und individuelles Schicksal von Geburt an. Leben bedeutet Altern. Dennoch ist Altern ein biologisches Rätsel ersten Ranges. Seit jeher versucht der Mensch, selbst jenseits aller religiösen Doktrin, seine Lebensspanne zu verlängern und das Altern zu besiegen - und das mit erstaunlicher Beharrlichkeit. Jeder hat im Laufe der Schulzeit von Ponce de León gehört, der, auf der Suche nach dem Jungbrunnen, die Wildnis Floridas durchkämmte (Nesse & Williams, 1997). Auf vielen Bildern und Gemälden wird dargestellt, wie Greise auf der einen Seite des Brunnens in das Wasser steigen und als junge, vitale Menschen auf der anderen Seite heraustreten (Abb. 1). Auch die Alchemisten des Mittelalters waren unermüdlich auf der Suche nach dem „Lebenselixier“, welches ihnen ewiges Leben schenken sollte. Selbst in diversen Science-Fiction-Romanen werden Methoden be-schrieben, mit denen das Altern kurzeitig gestoppt oder verzögert werden kann (z.B. durch Tiefschlaf oder Einfrieren der Personen). In der Oper „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner wird die Un-sterblichkeit jedoch als eine „Strafe der Götter“ dargestellt und ein, von den Göttern verfluchter Seemann, wünscht sich nichts sehnlicher als den Tod.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Der Jungbrunnen. Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren (1546) (nach Nagel, 1991, S. 33)

Bereits 1796 veröffentlichte der Arzt Christoph Wilhelm Hufeland ein Buch mit dem Titel „Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“. Immer noch wird unerbittlich ge-forscht, um letztendlich eine Antwort auf die Frage zu finden, warum Zellen, Organe und Organismen ihre Funktionen mit den Jahren einschränken und schließlich sterben. Kapitel 2 – „Altern“ - gibt einen Einblick in die unterschiedlichsten und gängigsten Alternstheorien, die nicht nur die Mechanismen des Alterns erklären wollen, sondern auch nach dem biologischen Sinn dieses Prozesses fragen. Von vielen Wissenschaftlern wird immer noch behauptet, das Altern sei eine Krankheit, die man in naher Zukunft vielleicht sogar heilen kann. Zu dieser Aussage werde ich am Ende der Arbeit Stellung nehmen.

Im Hauptteil dieser Arbeit soll eine Theorie auf der Ebene der Zellen und ihrer molekularen Struktur näher betrachtet werden. Dabei handelt es sich um die Telomerhypothese des zellulären Alterns nach Harley und deren Erweiterung nach von Zglinicki. Sie räumt den Telomeren (die Chromosomen-Endstücke), die sich mit jeder Replikation verkürzen, eine entscheidende Rolle im Alterungs-prozess der Zelle und somit auch des Gesamtorganismus’ ein. Kapitel 3 - „Zellalterung und Telomere“ - soll zunächst den geschicht-lichen Hintergrund aufdecken und erklären, warum Telomere über-haupt mit dem Alterungsprozess in Verbindung gebracht worden sind. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden Struktur und Funktion der Telomere und des Enzyms Telomerase nach dem heutigen Wis-sensstand erläutert, um die Grundlagen für das Verständnis der Hypothesen zu formen.

In Kapitel 4 - „Altern und Telomere“ - werden die aktuellen Theorien und Hypothesen hinsichtlich der Telomere und des Alterns vorgestellt. Hier soll die tatsächliche Relevanz der Telomere für den Alterungsprozess aufgedeckt werden. Spielen tatsächlich intra-zelluläre Aspekte, die man vorher völlig ausschloss, die Hauptrolle im Alterungsprozess, oder ist die so offensichtliche Verknüpfung von Telomeren, Zellalterung und Altern als Prozess schlussendlich doch hinfällig und bedeutungslos? Interessant ist auch die Frage, ob die Telomere selbst wirklich entscheidenden Einfluss auf den Prozess der Zellalterung nehmen und welche Funktion sie tatsächlich erfüllen, wenn dem nicht so ist. In der Folge wird versucht, die teilweise theo-retischen Hypothesen, auf den tatsächlichen biologischen Alterungs-prozess (meist am Beispiel des Menschen) zu übertragen. Ab-schließend zeigt Kapitel 4 einige alternative funktionelle Aspekte der Telomere, im Zusammenhang mit diversen, insbesondere alters-bedingten Krankheiten auf.

2. Altern

Das Altern ist ein in der Natur weit verbreiteter Prozess. In der heutigen Medizin bilden die Gerontologie (Altersforschung) und die Geriatrie (Altersheilkunde) mittlerweile einen eigenständigen For-schungszweig. Der Begriff „Gerontologie“ leitet sich aus dem Griechischen ab. Dort heißt „geron“ Greis und „Logos“ Lehre. Eigent-lich müsste es richtig „Geratologie“, nach dem griechischen Wort „geras“ für „das Alter“ heißen (Int. Q. 2). Altern selbst ist nur schwer zu beschreiben und viele haben sich schon in einer Definition versucht. Collatz schreibt: „Altern beschreibt den gerichteten und irreversiblen Gang intrinsischer Ereignisse, die den Metazoen-organismus vom Anfang seines Lebens bis zu dessen Ende leiten“. Eine andere Definition lautet: „Im weitesten Sinne ist Altern eine Funktion der Zeit und drückt sich in der belebten Natur durch die Summe aller nicht umkehrbaren Veränderungen in einem Lebe-wesen aus“ (Reitz, 1998, S. 6). Wiederum andere betrachten Altern nicht als einzelnen Prozess, sondern behaupten, „Altern manifestiert sich in einer erhöhten Anfälligkeit für zahlreiche Krankheiten und durch eine Verminderte Fähigkeit zur Reparatur von Schäden“ (Nesse & Williams, 1997, S. 132). Bei Säugetieren ist Altern generell von Seneszenz begleitet. Seneszenz beschreibt den „Prozess einer graduellen und langsamen Akkumulation schädlicher Effekte“ (Collatz , 1999, S. 18). Gemeint sind damit Fehlfunktionen von Zellen und Molekülen, die mit fortschreitendem Alter auftreten. Fest steht aber, dass Altern alle mehrzelligen Organismen betrifft. Daher gehe ich zunächst auf Erklärungsansätze ein, die deutlich machen sollen, warum es Altern überhaupt gibt.

2.1 Ist Altern biologisch sinnvoll?

Beim Menschen bildet eine einzelne Zelle mit 46 Chromo-somen die Basis, aus der sich allmählich ein Körper formt, bei dem Billionen von Zellen am richtigen Platz sitzen und Organe und Gewebe bilden. Es wäre also mit Sicherheit einfacher, solch einen Körper zu erhalten, als ihn neu zu formen. Man stellt sich zwangs-läufig die Frage: Warum überhaupt altert der Körper vieler Organismen?

Die große Mehrheit der Einzeller altert im Sinne der Definitionen aus Kapitel 2 nicht. Sie teilen sich kontinuierlich in zwei gleich große Tochterzellen und wachsen wieder zu voller Größe heran. Ebenso verhält es sich mit Keimzellen. Beim Menschen sind Eizellen und Spermien potenziell unsterblich, aber der Zustand des Gesamtorganismus’ verschlechtert sich zunehmend mit fortschrei-tendem Alter. Offenbar nimmt die Natur das Altern und Sterben des Körpers ganz bewusst in Kauf. Die ursprünglichen einzelligen Organismen waren unbegrenzt teilungsfähig, aber mit der, im Laufe der Evolution entstandenen Vielfalt an komplexen Organismen, ging die Spezialisierung der Zellen einher und damit auch das Altern und der Tod. Spezialisierte Zellen üben, als Teile eines komplizierten, übergeordneten Systems wie z. B. dem menschlichen Organismus, eine bestimmte Funktion aus. Um eine korrekte Arbeitsweise zu gewährleisten, muss jeder Zelltyp nach einem strikten Plan wachsen und sich teilen. Krebs, als Beispiel, zeigt sehr deutlich, was diese Spezialisierung mit sich bringt. So können aus gutartigen differen-zierten Zellen, z.B. durch Mutationen, maligne Zellen werden, die sich dann ungehemmt vermehren und dem Organismus möglicher-weise schweren Schaden zufügen. Fallen immer mehr Zellen eines Zelltyps aus, oder werden an ihrer fehlerfreien Funktion gehindert, lässt in der Folge auch die Funktion des gesamten Zelltyps nach. Irgendwann fällt die Funktion ganz aus, da sie durch andere spezialisierte Zellen nicht ersetzt werden kann. Die verschiedenen Körpersystem bauen, mit einer bemerkenswert gleichen Geschwin-digkeit, mit zunehmendem Alter ab. Das Resultat ist der körperliche Verfall und so genannte Altersleiden, wie Osteoporose, Alzheimer, Arteriosklerose, Alters-Diabetes und Krebs, um nur einige zu nennen. Mit ca. 100 Jahren hat schließlich jedes der Körpersysteme nahezu alle Fähigkeiten verloren, sich steigenden Anforderungen anzu-passen (Bopp, 1991; Dandekar, 1999; Nesse & Williams, 1997). Damit ist der biologische Preis für die Entstehung hoch entwickelter, komplexer Organismen, das Altern im Laufe ihres Lebens. Welcher biologische Sinn tatsächlich hinter dem Altern steht, versuchen diverse Alternstheorien zu beschreiben (Kapitel 2.2). Insbesondere die evolutionäre Alternstheorie befasst sich mit der Frage, welcher biologische Sinn hinter dem Altern eines Organismus steht.

2.2 Alternstheorien

Auch heute noch ist der biologische Mechanismus des Alterns erst unvollständig erforscht. Es ist ein multikausaler und komplexer Mechanismus, der zahlreiche ineinander greifende Prozesse bein-haltet. Diese Prozesse beziehen sich auf die unterschiedlichsten Ebenen: von Molekülen über Zellen, Gewebe und Organe bis hin zum Gesamtorganismus und sogar Populationen. Der Prozess des Alterns ist nicht nur für Biowissenschaften oder die Medizin von Interesse, sondern auch für die Psychologie, Sozialwissenschaften und die Volkswirtschaft (Reitz, 1998).

Der primäre Aspekt in der Altersforschung ist jedoch die Aufklärung der Fragen: „Warum altern Lebewesen“ und „Wie altern Lebewesen“. Schon früh gab es die unterschiedlichsten Theorien über das Altern, im speziellen über das menschliche Altern (Curtis, 1968). Derzeit existieren etwa 300 verschiedene Theorien auf den unterschiedlichsten Ebenen, wobei alle nur Teilaspekte aufgreifen und es keine einheitliche Theorie gibt, die alle Prozesse des Alterns miteinander verbindet (Reitz, 1998). Das stellt auch ein schwieriges Problem dar, denn gemäß Strehler „sollte eine umfassende Alternstheorie sämtlichen der folgende Kriterien genügen: Universalität […], Spezifität […], Progressivität […] und Schädlichkeit […]“ (Wettstein et al. , 1997, S. 26).

Der größte Anteil der Alternstheorien konzentriert sich auf das organismische Altern. Sie befassen sich mit Erklärungen und Beobachtungen von Altersveränderungen an molekularen Strukturen, an Zellen, Geweben, Organen und am Gesamtorganismus, insbesondere auf Grund von naturgesetzlich bedingten Einwirk-ungen. Bei genauerer Betrachtung lassen sich diese somatischen Theorien zu drei übergeordneten Erklärungsansätzen zusammen-fassen (Tab. 1). Für den Menschen gibt es sogar einige sozio-logische Alternstheorien. Diese „versuchen ein bestimmtes Bild gelingenden Alterns beim Menschen vorzuzeichnen und vorzu-schreiben“ (Wettstein et al., 1997, S. 37).

2.2.1 Evolutionäre Alternstheorien

Einen Bereich der somatischen Theorien füllen die evolutionären Alternstheorien aus. Sie versuchen das organismische Altern und die phylogenetische Entwicklung der Arten in einen Kontext zu stellen. Im Vordergrund steht bei diesen Theorien die biologische Begründung der unterschiedlichen Lebensspannen ver-schiedener Arten. So ausgeprägt und ungewöhnlich wie beim Men-schen ist der Alterungsprozess nämlich nur bei sehr wenigen Tieren. Viele Tiere sterben schon unmittelbar nach der Fortpflanzung, wobei sich das organismische Altern, wenn überhaupt, nur über eine kurze Zeitspanne ausprägen kann. Pazifische Lachse z.B. ereilt unmittelbar nach Erreichen der Geschlechtsreife der Tod. Nach ihrer an-strengenden Reise, aus dem Pazifik zurück in ihre Geburtsgewässer und der dort erfolgten Befruchtung, ist das Risiko offenbar zu groß, vom Laichgrund erneut zum Ozean und zurück zu wandern. Die Tiere werden nur einige Jahre alt. Auch das Breitfußbeutelmaus-Männchen bekommt seinen Nachwuchs niemals zu Gesicht. Nach der bis zu zwölf Stunden dauernden Paarung ist der Preis für den reproduktiven Stress der Tod. Die Männchen werden auch sonst nur maximal elfeinhalb Monate alt. Scheinbar sterben sie dann als Folge eines evolutionär bewährten Programms (Sommer, 1991). Sowohl bei Lachsen (nicht bei allen Arten), als auch bei den Beutelmaus-männchen, ist ein Anstieg des Stresshormons „Cortisol“ nachweis-bar. Dieses Hormon sorgt für die Mobilisierung der Körperreserven, führt aber, in zu hoher Konzentration, zu einer Unterdrückung des Immunsystems mit allen pathologischen Folgen (Collatz , 1999). Auch viele Insekten und sogar Pflanzen betreiben diese „suizidale Reproduktion“. Mit ihrer Fortpflanzung haben sie demnach, evolu-tionsbiologisch betrachtet, ihren Sinn und Zweck erfüllt (Sommer, 1991).

Dahingegen werden z.B. bei Languren die Individuen vergleichsweise sehr alt. Die Weibchen leben sogar noch einige Jahre nach ihrer Menopause weiter. Die Evolutionsbiologie be-gründet dieses „postreproduktive Überleben“ dadurch, dass es für diese Arten offensichtlich lohnend ist, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Viele Tierarten allerdings, scheinen in freier Wildbahn eher selten an Alterserscheinungen zu sterben. Wenn man aber annimmt, dass erste Anzeichen des Alterns, sich z.B. in Einbußen der Schnelligkeit mancher Tiere widerspiegeln, so können diese von ihren Feinden leichter erbeutet werden. Sie sterben folglich schon an Auswirkungen von Alterungsprozessen, bevor man deutliche Zeichen der Gebrechlichkeit an ihnen bemerken könnte (Nesse & Williams, 1997).

Der Mensch jedoch hat zweifellos eine Lebensspanne, die über das nötige Zeitmaß zur Aufzucht des eigenen Nachwuchses hinausreicht. Auch hier hat die Evolutionsbiologie eine Erklärung parat. Demnach hat das Kind einer älteren Mutter eine geringere Lebenserwartung als jenes einer jungen Mutter. Ab einem gewissen Alter ist die Aussicht, dass ein eigenes Kind erwachsen wird folglich schlechter. Somit wäre es biologisch sinnvoller, für bereits vor-handene Nachkommen und deren Fortpflanzung zu sorgen, als selber weitere Nachkommen zu produzieren. Es könnte aber auch durchaus sein, dass der Mensch einen gewissen evolutionären Spielraum hat, den er dank Kultur und Technik ausfüllen kann (Sommer, 1991).

Immerhin ist die Lebenserwartung des Menschen, seit dem Zeitraum der Industrialisierung, immer weiter angestiegen, wobei es bisher nicht gelungen ist, die Lebensspanne so zu beeinflussen und zu verlängern, dass sie über ein bestimmtes Maximum, von ca. 120 Jahren hinausgeht (Collatz, 1999).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die Historische Entwicklung der Lebenserwartung. Vor allem verbes-serte Hygiene ließ die durchschnittliche Lebenserwartung der Deutschen um die Jahrhundertwende emporschnellen: Desinfektion, Kanalisation und geschlossene Senkgruben auf dem Lande waren dafür mindestens ebenso bedeutend wie medizinischer Fortschritt. Weniger das längere Leben der Erwachsenen und Alten hat indes die Lebenserwartung ausgedehnt als vielmehr der Rückgang der Kinder-sterblichkeit (nach Nagel, 1991, S. 31).

Bei einer Geburt um 1900 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung 47,3 Jahre, im Jahr 1978 schon 70,8 Jahre und 1997, 76,5 Jahre. Man geht sogar davon aus, dass um das Jahr 2050 der Prozentsatz der über 100jährigen in der Gesamtpopulation der Menschen ca. 15% betragen wird (nach Granger et al., 2002). Erhebungen des Statistischen Bundesamtes von 2004 zeigen, dass in Deutschland von 1950 – 2002 der Anteil der über 90-Jährigen stark angewachsen ist. Max Delbrück sieht diese Fakten sehr kritisch und schreibt: „Was die medizinische Forschung erreicht, ist nichts weiter, als eine Veränderung in der Statistik der Todes-ursachen“ (Beneke, 1998, S.60).

Auch der deutliche Anstieg vieler Krankheiten, vor allem der so genannten Altersleiden, im hohen Alter lässt sich, theoretisch, evolutionsbiologisch begründen. Die Alzheimer Krankheit z.B. tritt in über 70 % aller Fälle, erst bei über 60-jährigen auf (nach Finch & Tanzi, 1997). Das Auftreten der Altersleiden in unserer Gesellschaft konnte für historische menschliche Populationen in einer vergleich-baren Häufigkeit nicht nachgewiesen werden. Evolutionsbiologen vermuten, dass die Gene, die möglicherweise ursächlich für die Altersleiden sind, von der natürlichen Selektion, wenn überhaupt, nur minimal betroffen sind. Diese Krankheiten treten, bis auf wenige Ausnahmen, erst in der postreproduktiven Phase des Lebens auf und sind somit für die Fortpflanzung des Individuums nahezu unbe-deutend (nach Finch & Tanzi, 1997). Die Bedeutung der natürlichen Selektion wird durch Laborversuche an Tieren deutlich. Unter überwachten und konstanten Bedingungen sinken viele lebens-wichtige Prozesse der Tiere, in ihrer Effektivität, relativ gleichzeitig. Fast keiner dieser Prozesse konnte durch natürliche Selektion bevorzugt oder aussortiert werden (nach Guarente & Hekimi, 2003). Somit sind viele Altersleiden ein Problem der modernen Zeit und werden auch in Zukunft, wahrscheinlich von der natürlichen Selektion, fast gänzlich ausgeschlossen bleiben, da mehr als 94% dieser Krankheiten erst nach dem 50. Lebensjahr auftreten (Collatz , 1999). Altern scheint folglich eine Nebenerscheinung zu sein, die als Folge der Optimierung des reproduktiven Erfolgs eines Organismus’ durch die natürliche Selektion auftritt (nach Goyns, 2002).

Evolutionsbiologisch betrachtet gibt es hinsichtlich der Le-bensspanne zwei unterschiedliche Lebensformtypen (K-Strategie und r-Strategie). Hierbei steht der Gesamtüberlebenserfolg einer Population vor der Langlebigkeit des Individuums. Arten, die die K-Strategie (K für konservierend) betreiben (z.B. der Mensch), investieren viel Stoffwechselenergie in Reparatur- und Schutzme-chanismen des Körpers. Das hat eine recht hohe Lebensspanne zur Folge, aber wenige Nachkommen über eine lange Zeit. Diese Nachkommen werden entsprechend gut auf ihren Platz im Leben vorbereitet. Außerdem werden sie von ihren Eltern behütet und geschützt, was ihre Überlebenschance relativ hoch hält. Arten (z.B. die Stubenfliege) mit der r-Strategie (r für reproduktiv), stehen oftmals unter sehr hohem Feinddruck und verwenden deshalb den Löwenanteil ihrer Stoffwechselenergie zur Erzeugung möglichst vieler Nachkommen. Aufwendige Reparaturmechanismen wären nicht lohnend, aber viele Nachkommen sind zur Sicherung der Population dringend notwendig, auch wenn dies einen frühen Tod nach sich zieht (Collatz , 1999; Dandekar, 1999). Somit trägt die Lebensstrategie, aber vor allem die natürliche Selektion ihren Teil zur potenziellen Lebenserwartung eines Individuums einer Art bei.

2.2.2 Stochastische Alternstheorien

Eine weitere Kategorie der somatischen Alternstheorien beinhaltet solche, die sich auf stochastische (statistisch zufällige) Prozesse des Alterns stützen – „passives Altern“. Ihnen zu Grunde liegt die Erkenntnis, dass mit zunehmendem Alter irreversible chemische Veränderungen an Proteinen oder der DNA auftreten. Diese mehr oder minder zufällige Anhäufung kleiner Fehler führt im Laufe der Zeit zu funktionellen Einbußen. Die Abwehr- und Repa-raturmechanismen der Zellen können diese Schäden jedoch nur bis zu einem gewissen Grad kompensieren und je nach Einfluss dieser Zellen und Strukturen auf die Vitalität des Organismus, sind sie mehr oder weniger ursächlich für den Alterungsprozess. Diese Theorien erklären insbesondere, wie der Alterungsprozess induziert wird, aber nicht die unterschiedliche Ausbildung und den unterschiedlichen zeitlichen Verlauf von Alternsveränderungen (Wettstein et al., 1997; Dandekar, 1999).

Eine der attraktivsten Theorien aus diesem Bereich ist die „Theorie der freien Radikale“ von D. Harman (1981), die auch hinsichtlich der „Telomer Hypothese des zellulären Alterns“ (Kapitel 4.1) eine entscheidende Rolle spielt (Wettstein et al., 1997). Die Theorie bietet für viele Bereiche der Gerontologie interessante Erklärungsansätze: für die unterschiedlichen Lebensspannen ver-schiedener Säugetierarten oder die Ansammlung degenerativer Krankheiten im letzten Lebensabschnitt (Weindruch, 1996).

Die Theorie stützt sich auf die Tatsache, dass durch Auto-Oxidation, aber vor allem als Nebenprodukt der Zellatmung ständig Sauerstoffradikale (O2-; OH-) und Wasserstoffperoxid (H2O2) gebildet werden (nach Macieira-Coelho, 2003; Weindruch, 1996). Mit zunehmendem Alter können die zellulären Schutzmechanismen (unter anderem Enzyme wie z.B. Katalase oder Peroxiddismutase) die freien Radikalen und schädlichen Sauerstoffformen nicht mehr genügend neutralisieren. Daraus resultieren irreversible Schäden, insbesondere an der Atmungsmaschinerie, was eine verminderte ATP-Produktion zu Folge hat (Abb.3) (Dandekar, 1999).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: In den Mitochondrien – den Energiefabriken der Zellen – entstehen bei der Zellatmung (schwarz umrahmt) als Nebenprodukt freie Radikale (rote Kügelchen). Sie fallen an, wenn durch Oxidation der Nährstoffe unter anderem ATP (grüne Kügelchen) entsteht. Die freien Radikale schädigen insbesondere die Atmungsmaschinerie und die mitochondriale Erbsubstanz (Mitochondrien-DNA), wirken aber auch sonst in den Zellen zerstörerisch (nach Weindruch, 1996, S. 88).

Außerdem können verheerende Schäden an Membranen, Proteinen und Chromosomen entstehen. Eine hohe Lebensspanne basiert also vor allem auch auf einem guten Schutz gegen die Oxidation durch freie Radikale. Solche Schutzmechanismen sind Antioxidantien und Reparatursysteme.

Die Reparatursysteme ersetzen geschädigte Moleküle, bauen sie ab oder reparieren sie. Dies beinhaltet Protein-, Lipid-, und DNA-Reparatur, unter anderem durch Proteinasen, Peptidasen und Ligasen (Rusting, 1993).

Zu den Antioxidantien gehören zum einen Enzyme (s.o.) und zum anderen Moleküle wie z.B. Vitamin C oder Harnsäure (Rusting, 1993). Der Harnsäurespiegel, ein wichtiger Oxidationsschutz im Blut des Menschen, liegt schon nahe der Löslichkeitsgrenze und ist damit fast ausgereizt. Harnsäurekristalle, die in der Gelenkflüssigkeit aus-fallen, können zwar zu Gicht führen, aber der hohe Harnsäurespiegel trägt möglicherweise auch deutlich zur längeren Lebensspanne des Menschen und der geringeren Krebshäufigkeit (im Vergleich zu Primaten) bei (Dandekar, 1999; Nesse & Williams, 1997).

Freie Radikale lösen auch Mutationen in der Mitochondrien-DNA aus. Nach neuesten Erkenntnissen sind diese Mutationen nicht nur in Dutzenden von Erkrankungen (z.B. Alzheimer, Diabetes mellitus, oder mitochondriale Myopathie) als auch in diverse Alternsprozesse verwickelt (Wallace, 1997). Die Ansammlung sol-cher Mutationen in den Mitochondrien kann dazu führen, dass die biologischen Mechanismen einer Zelle an ihrer korrekten Funktion gehindert werden. Das könnte die Induktion der Apoptose (pro-grammierter Zelltod) zur Folge haben (nach Goyns, 2002).

2.2.3 Genetisch basierende Alternstheorien

Diese Kategorie umfasst schließlich solche Alternstheorien, die sich mit genetischen Prozessen befassen. Diese Alternstheorien werden auch als Programmtheorien oder „aktives Altern“ bezeichnet. So geht man davon aus, dass genetische Programme aktiv die Alterung von Zellen und Organen induzieren, bzw. dass ver-schiedene Arten eine genetisch bedingte, niedrigere oder höhere „Effizienz der lebenserhaltenden zellulären Mechanismen“ besitzen (Wettstein et al., 1997; S. 32). Aber auch Veränderungen in Genen können Altersprozesse beschleunigen. Somit stehen viele der genetischen Alternstheorien in einem engen Zusammenhang mit den stochastischen.

Die vermutete Verwicklung einer genetischen Komponente in den Altersprozess kommt nicht von ungefähr. Beispielsweise haben alle Individuen einer Art eine ähnlich lange, maximale Lebensspanne. Eltern die sehr alt geworden sind, tendieren dazu, langlebige Nachkommen zu haben. Jedoch Frauen oftmals eine längere Lebenserwartung als Männer (nach Goyns, 2002). Zwar ließe sich die Weitervererbung von altersverursachenden oder – beschleuni-genden Genen nicht unbedingt mit der Evolutionstheorie nach Darwin vereinbaren, aber die Gene, um die es hier primär geht, spielen vermutlich erst in der post-reproduktiven Phase des Lebens eine wichtige Rolle (Kapitel 2.2.1.) (nach Goyns, 2002). Ver-schiedene Gen-Loci, die als Ursache für Altersprozesse oder Langlebigkeit in Frage kommen, lassen sich in drei Kategorien einteilen: (1) Gene, die Homologe in anderen Arten haben, welche dort Einfluss auf den Altersprozess oder die Langlebigkeit nehmen, (2) Gene, die für die zelluläre Instandhaltung und Reparatur ver-antwortlich sind, und (3) Gene, die überwiegend mit altersbe-zogenen Krankheiten in Verbindung gebracht werden (nach Finch & Tanzi, 1997).

Der Drehpunkt all dieser Theorien ist die Rolle der DNA. Vor allem oxidativer Stress durch freie Radikale (Kapitel 2.2.2), - wobei es unerheblich ist, ob dieser umweltbedingt ist oder durch Stoffwechselprozesse ausgelöst wird - gilt mittlerweile als der wichtigste Faktor bei der Entstehung von Mutationen. Das könnte auch eine Erklärung der ansteigenden Mutationsrate mit zu-nehmendem Alter sein. Dies führt zu Schädigungen von Genen, zu Verkürzungen der Telomere (Kapitel 3) und zu Schäden an mitochondrialer DNA (nach Goyns, 2002). Man nimmt an, dass pro Tag und pro Zelle, viele Tausend Mutationen, ausgelöst durch oxidativen Stress, entstehen (nach Lindahl, 1993). Dies liegt wahrscheinlich daran, dass das Gleichgewicht zwischen der Ent-stehung von Mutationen und ihrer Beseitigung durch DNA-Reparaturmechanismen mit zunehmendem Alter immer unaus-gewogener wird. Weiterhin nimmt man an, dass diese Reparatur-mechanismen, in Arten mit einer hohen Lebensspanne, über einen längeren Zeitraum effektiv wirksam sind als bei sehr kurzlebigen Arten (Kapitel 2.2.1) (nach Goyns, 2002).

Während des „normalen“ Alterungsprozesses finden ständig Veränderungen in der Gen-Aktivität aller Säugetierzellen statt. Dabei zeigen einige Gene einen Anstieg in ihrer Expression, andere wiederum verminderte Expression. Interessanterweise zeigen unsterbliche Zellen aus Geweben älterer Tiere Charakteristiken in der Gen-Aktivität, die eigentlich für junge Gewebe typisch sind. Der bedeutendste Aspekt bei Veränderungen der Gen-Aktivität ist jedoch die Tatsache, dass das Vorkommen bestimmter Proteine und Enzyme in ihrer Menge variiert. Das wiederum kann zu altersge-bundenen Veränderungen in der Struktur und Physiologie der Zellen führen (nach Goyns, 2002).

Nichtsdestoweniger darf man nicht davon ausgehen, dass ein paar wenige, oder möglicherweise sogar ein einzelnes Gen, für den Altersprozess allein verantwortlich sind. Es wäre beispielsweise töricht anzunehmen, dass nur einige wenige Gene ursächlich für die fast 25 Mal längere Lebensspanne des Menschen im vergleich zur Maus sind (nach Goyns, 2002). Vielmehr lassen Untersuchungen an Menschen von über 100 Jahren („Centenarians“) vermuten, dass ca. 1.264 Gene altersbedingte Veränderungen im Körper verursachen. Dabei sollte jedoch peinlichst zwischen Altern als Prozess und altersbedingten Krankheiten unterschieden werden (nach Hamet & Tremplay, 2003).

2.2.4 Die Alternstheorien im Überblick

Mittlerweile akzeptieren viele Wissenschaftler die Hypothese, dass sowohl die genetischen, als auch die allgemeinen Grundlagen des Alterns auf zellulärer Ebene zu finden sind. Schon 1976 schrieb Bayreuther: „Die Lebensdauer und die Dauer der einzelnen Phasen des Lebenszyklus ist bei allen prokaryotischen und eukaryotischen biologischen Organismen durch genetische Faktoren kontrolliert. Da das Altern eines multizellulären Organismus auf dem Altern der den Organismus aufbauenden Organe beruht und das Altern der Organe auf das Altern der die Organe aufbauenden Zellen zurückzuführen ist, so kann ein Verständnis über die genetischen Mechanismen des organischen und organismischen Alterns nur von der Aufklärung der molekulargenetischen Mechanismen des zellulären Alterns erwartet werden“ (Bayreuther, 1976, S. 110/111). Trotzdem sollten umwelt-bedingte Einflüsse und Bedingungen immer mit in Betracht gezogen werden.

Tabelle 1: Alternstheorien (ATh)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Tabelle gibt einen Überblick über die Einteilung aktueller ATh. In der Tabelle werden einige ATh als Beispiele aufgeführt. Die Kriterien nach denen man die ATh einteilt sind in Kapitel 2.2 ausführlich, und die Freie-Radikale ATh kurz erläutert. „Altern durch innere Uhr“ (rot) bezieht sich auf den Bereich, in dem die „Telomerhypothese des zellulären Alterns“ anzusiedeln ist. Diese Theorie wird im Verlauf der Arbeit ausführlich dargestellt. Die restlichen ATh werden im Einzelnen nicht näher erklärt. Hier möchte ich auf die Quelle verweisen (nach Wettstein et al., 1997, S. 27).

3. Zellalterung und Telomere

Der Prozess der Zellalterung, ist noch eine relativ moderne Theorie, die erst seit einigen Jahrzehnten von einem Großteil der Wissenschaftler akzeptiert wird. Zuvor galt in der modernen Geron-tologie lange das Dogma, dass alle Zellen von Lebewesen, unter günstigen Bedingungen, eine unendliche Teilungskapazität besitzen. Man ging deshalb davon aus, die Ursache für das Altern von Lebewesen, könne nicht in ihren Zellen verankert sein. Da es offensichtlich keine Zellalterung gab, war die Zelle in Hinsicht auf das Altern des Gesamtorganismus nicht von sehr großer Bedeutung. Dies änderte sich erst mit den Forschungsergebnissen von Leonard Hayflick und Paul Moorhead im Jahre 1961, also vor etwa 45 Jahren. Mittlerweile konzentriert sich der größte Teil der gerontologischen Forschungsarbeit auf die Zellalterung und die damit verbundenen genetischen Aspekte der Alterungsprozesse. Ein Teilbereich befasst sich mit der Forschung an den Telomeren (die äußersten Enden der Chromosomen) und ihrem Einfluss auf die Zellalterung und damit auf das organismische Altern.

3.1 Das Märchen von den unsterblichen Zellen

Bereits im Jahr 1881 spekulierte der deutsche Biologe August Weismann, dass ein „abgenutztes“ Gewebe sich nicht unendlich erneuern könne. Er ging davon aus, dass Zellen eine begrenzte Teilungsrate haben. Seine Vermutungen gerieten aber bald in den Hintergrund, da eine andere Hypothese sich durchsetzte (nach Shay & Wright, 2000). Der französische Chirurg und Nobelpreisträger Alexis Carrel hatte 1912, unter Mitarbeit von Albert Ebeling, damit begonnen Fibroblasten (Bindegewebszellen) aus Hühnerherzen zu kultivieren. Nach Aussage der Forscher wuchs die Zellkultur über 34 Jahre an und teilte sich kontinuierlich. Nach dieser Zeitspanne wurde die Kultur von den Forschern absichtlich beendet. Dieses Ergebnis führte zu der Vermutung, dass Zellen von Vertebraten in der Lage sind, sich in vitro undefinierbar oft zu teilen (Luczak, 1986; nach Shay & Wright, 2000). Die Bedeutung dieser Aussage „liegt in der Schlussfolgerung, dass entweder die Art der gezüchteten Zellen keine Rolle für die Alterungsphänomene spielt, oder dass Altern auf Veränderungen beruht, die sich auf suprazellulärer Ebene abspielen“ (Hayflick, 1976, S. 53). Wäre es tatsächlich so, dass keine intra-zellulären Prozesse für Alterungsphänomene verantwortlich wären, dann hätten in vitro angesetzte Zellkulturen eine wesentlich längere Lebenserwartung als Zellen in vivo, da man davon ausging, dass suprazelluläre Prozesse die Zellen in vivo schädigen. Jedoch konnte dieses Ergebnis nie bestätigt werden. Alle Beobachtungen an normalen Zellkulturen vorher und nachher zeigen, dass die Kulturen nach einer gewissen Zeitspanne schließlich absterben; egal wie günstig das Milieu für sie ist. Die Ergebnisse von Carrel sind angeblich die einzige Ausnahme, bei der sich die Zellen unendlich vermehren, seit der Entwicklung von Ross Harrison 1907, Zellen in vitro zu kultivieren (nach Hayflick, 2003).

3.2 Hayflick und Moorhead

Leonard Hayflick wurde 1958 an das Wistar Institute of Anatomy and Biology in Philadelphia berufen, um dort das Labora-torium für Zellkultur zu leiten. Dort standen Nachforschungen im Vordergrund, die der viralen Ätiologie von Krebs beim Menschen auf den Grund gehen sollten. Hayflicks Idee war es, festzustellen, ob Extrakte oder Flüssigkeiten von kultivierten menschlichen Krebs-zellen einen Effekt auf kultivierte normale menschliche Zellen haben würden. Für die normalen Zellkulturen verwendeten Hayflick und sein Mitarbeiter Paul Moorhead Zellen aus fötalem Bindegewebe. Zunächst war es für die zwei Wissenschaftler nicht verwunderlich, dass die kultivierten fötalen Zellen sich einige Monate teilten und dann abstarben. Sie erklärten dieses Phänomen dadurch, dass einfach niemand wusste, welche Bedingungen optimal für den Zellwachstum waren. Was dann schließlich ihre Aufmerksamkeit erregte, war die Tatsache, dass nur die Zellkulturen abstarben, die schon ca. 50 Teilungen (Teilungen der Population und nicht Zellteilungen) vollzogen hatten. Außerdem teilten sich, später angesetzte Kulturen unter denselben Bedingungen weiter, unter denen „ältere“ Kulturen abstarben. Vor dem Hintergrund der Experimente von Carrel, stellte sich nun die Frage, warum die Zellen nach 50 Populationsteilungen aufhören sich zu teilen und schließlich absterben (nach Hayflick, 2003; nach Shay & Wright, 2000).

[...]

Fin de l'extrait de 96 pages

Résumé des informations

Titre
Altern - unter besonderer Berücksichtigung der Telomertheorie
Université
University of Münster
Note
1,1
Auteur
Année
2004
Pages
96
N° de catalogue
V35128
ISBN (ebook)
9783638351478
Taille d'un fichier
1935 KB
Langue
allemand
Annotations
Altern und Jugendwahn sind immer noch eine aktuelle und brisante Thematik. Durch neue Erkenntnisse aus der Telomerforschung scheint die Gerontonlogie dem Prozess des Alterns endlich auf die Spur gekommen zu sein...
Mots clés
Altern, Berücksichtigung, Telomertheorie
Citation du texte
Jörn Roth (Auteur), 2004, Altern - unter besonderer Berücksichtigung der Telomertheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35128

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