Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Bild und Stand der Lerngruppe
2 Didaktische Überlegungen
2.1 Didaktische Überlegungen zur Unterrichtsreihe
2.2 Didaktische Überlegungen zur Unterrichtsstunde
2.3 Kompetenzen, Stundenziele und Indikatoren
3 Methodische Überlegungen
4 Geplanter Stundenverlauf (tabellarisch)
5 Literatur
6 Anhang
1 Bild und Stand der Lerngruppe
Die Lerngruppe des Ql-Grundkurses Französisch der Schule setzt sich aus 9 Schüle rinnen1 (8 Schülerinnen und 1 Schüler) zusammen. Ich unterrichte die Gruppe seit Beginn des Schuljahres. Zwei Drittel der Schülerinnen sind mir aus meiner Anfangszeit an der Schule bekannt, ich unterrichtete sie im zweiten Lernjahr Französisch (7. Klasse).
Das Klima in der Lerngruppe ist freundlich-konstruktiv: Das Verhältnis der Schülerinnen zu mir und auch das Verhalten der Schülerinnen untereinander ist kooperativ. Die ausgeprägte Sozialkompetenz sowie die durchgängig vorhandene positive Grundeinstellung zum Fach Französisch bzw. zum Französischunterricht wirken sich günstig auf das Lernklima aus. Daher sowie dank der geringen Gruppengröße kann mit dieser Gruppe trotz der teilweise ungünstigen Unterrichtszeit (montags, 10./11. Stunde) - zumeist - sehr produktiv gearbeitet werden. Gleichwohl zeigen sich innerhalb der Lerngruppe sehr heterogene Lernvoraussetzungen, die teilweise die Leistungsbereitschaft, v. a. aber die fremdsprachlichen Kompetenzen und auch die Arbeitsgeschwindigkeit betreffen. Es korrelieren dabei indes nicht immer die personalen Kompetenzen (v. a. auf der volitionalen Ebene) und fachlichen Kompetenzen. Hinsichtlich der Quantität der Mitarbeit im Unterricht sind v. a. Al., An., N. und S. positiv zu erwähnen, wobei die Qualität der Äußerungen sowohl hinsichtlich der Aussprache als auch hinsichtlich der sprachlichen und inhaltlichen2 Richtigkeit differiert. Sandras Äußerungen zeugen von einer hohen sprachlichen Kompetenz, v. a. bei grammatikalischen Themen sowie Vokabelfragen zeigen sich ihre sehr guten linguistischen Kenntnisse. Ihre Aussprache ist hervorragend, sie ist jedoch generell zurückhaltender mit Meldungen als die zuvor genannten 4 Schülerinnen. Die übrigen 4 Schülerinnen, insbesondere J., beteiligen sich weniger häufig und konstant am Unterricht.
Nicht immer fließt die produktive Energie der zuerst genannten Schülerinnen ausschließlich ins Unterrichtsgeschehen ein. Dank der kleinen Gruppengröße und des sonst produktiven Unterrichtsgeschehens, beeinflussen solch kleine Störungen den Lernprozess jedoch kaum negativ.
Sebastian, als einziger Junge, nimmt in der Gruppengemeinschaft keine Sonderrolle ein, zumindest in keinem negativen Sinne. Partner- und Gruppenarbeiten werden relativ häufig durchgeführt und verlaufen i. d. R. sehr produktiv, selbst wenn eine unmittelbare Kontrolle meinerseits nicht gegeben ist (z. B. bei Wandelgängen und Arbeitsaufträgen, die von (einem Teil) der Gruppe vor dem Klassenraum ausgeführt werden, bzw. bei Unterrichtsarrange- mentsaufdem Schulhof).
Eine Kurzevaluation zu Beginn des Schuljahres zeigte u. a., dass die Schülerinnen gerne sprachlich-produktiv und kreativ tätig werden bspw. in Form von zu entwickelnden und zu präsentierenden Dialogen, szenischen Interpretationen und Rollenspielen, weshalb ich versuche, diese Arbeitsformen immer wieder in den Unterricht zu integrieren.
2 Didaktische Überlegungen
2.1 Didaktische Überlegungen zur Unterrichtsreihe
Im Französisch Grundkurs der Jahrgangsstufe Ql geht es inhaltlich um den Menschen in der Begegnung mit Anderen (vgl. HKM 2005, S. 64). Dabei soll der Umgang mit dem Anderen in seiner Vielschichtigkeit analysiert werden. Den Schülerinnen sollen Einblicke in aktuelle Lebensbereiche französischer Jugendlicher ermöglicht, aber auch historische Bezüge deutlich gemacht werden. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf dem Themenkomplex Erziehung (ebd.). Vor Beginn dieser Unterrichtsreihe, die inhaltlich dem Themenkomplex „Eduquer et être éduqué(e)" zugeordnet werden kann (ebd.), wurde als Einstieg in den Themenkomplex zunächst das Bedeutungsspektrum des Begriffs „éduquer" umrissen, bevor die Schüler ein Zitat von Montaigne („Éduquer ce n'est pas remplir des vases mais allumer des feux") diskutierten. Anschließend wurde mit der Lektüre und Erarbeitung von „Les carnets" sowie weiteren Geschichten von „Le Petit Nicolas" das dort aufscheinende Erziehungsverständnis erörtert und mit der eigenen Auffassung (kontrastierend) verglichen.
Im Rahmen der aktuellen Unterrichtsreihe wird das Buch „Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran" von Éric-Emmanuel Schmitt behandelt. In der Geschichte, die im Paris der l960ziger Jahre spielt, geht es um den elfjährigen Moïse - genannt Momo -, der in der Rue Bleue aufwächst. Da ihn die Mutter kurz nach der Geburt verlassen hat und der Vater viel arbeitet, sich kühl und distanziert zu ihm verhält, ihn bald ebenfalls verlässt und Selbstmord begeht, ist er auf sich allein gestellt. Es entwickelt sich eine Freundschaft zu M. Ibrahim, dem Gemischtwarenhändler an der Ecke, der sich seiner annimmt und ihn schließlich adoptiert. Er zeigt Momo worauf es wirklich im Leben ankommt und teilt sein Wissen sowie seine Lebensphilosophie mit ihm. Während der gemeinsamen Reise in die Heimat von M. Ibrahim stirbt dieser. Momo übernimmt den Gemischtwarenladen und tritt als „l'arabe du coin" in die Fußstapfen von M. Ibrahim.
Das Buch wurde von den Schülerinnen in zwei Etappen selbstständig gelesen. Im Unterricht wurden das Verständnis des Inhaltes sichergestellt und einige wenige Detailfragen tiefergehend erörtert. Vor den Weihnachtsferien wurde eine Klausur geschrieben, bei der die Schülerinnen - neben einem kurzen Grammatik-Teil - a) das Buch zusammenfassten, b) eine Buchkritik analysierten und c) diese kommentierten. Nach dieser zunächst ganzheitlichen Herangehensweise sollen im weiteren Verlauf zentrale Themen des Buches auf Basis der Textvorlage sowie des Filmes genauer analysiert werden. Abschließend erfolgen eine Fokussierung der Erziehungsfrage und ein Vergleich mit der bisherigen Lektüre zu diesem Thema. Zum Einstieg wird im Rahmen der hier dargestellten Stunde das Thema Geld aufgegriffen und in diesem Zusammenhang Momos Situation zu Hause sowie sein Bedürfnis nach Liebe beleuchtet.
2.2 Didaktische Überlegungen zur Unterrichtsstunde
Momo wohnt bei seinem Vater und muss sich - neben seinen eigenen schulischen Verpflichtungen - um den Haushalt kümmern: Er hält die Wohnung in Ordnung, kauft ein, bereitet für den Vater das Essen. Von dem Geld, das sein Vater ihm für die Einkäufe gibt, zweigt er regelmäßig kleine Beträge ab. Nach seinem 11. Geburtstag zerschlägt Momo sein Sparschwein und nimmt die Ersparnisse, um sich bei einer Prostituierten die „Zuneigung" zu holen, die ihm vom Vater verwehrt wird. Eines Tage bemerkt sein Vater, dass Geld fehlt und er weist Momo an, alle Ausgaben genau zu dokumentieren (Seite 5f. -> Textstelle A; vgl. Anhang I)3. Damit er weiter von Zeit zu Zeit die Prostituierte frequentieren kann, sieht sich Momo genötigt, im Laden von M. Ibrahim, bei dem er seine Einkäufe tätigt, Dosen zu stehlen, um so nach und nach Geld ansparen zu können. Dieser weiß um seine Situation und erklärt ihm, wie er mit verschiedenen Tricks4 Geld sparen kann, so dass er nicht mehr stehlen muss (S. 16 -> Textstelle B; vgl. Anhang II). Diese inhaltlichen Zusammenhänge und Begründungen für das Handeln Momos sollen den Schülerinnen bewusst werden.
Neben dieser inhaltlichen Auseinandersetzung bildet das Erstellen und Vortragen eines Dialoges den didaktischen Schwerpunkt der Unterrichtsstunde. Dabei wird die Sprachproduk- tionskompetenz - sowohl schriftlich als auch mündlich - gefördert.
[...]
1 In diesem Entwurf wird aus stilistischen Gründen sowie der Zusammensetzung der Lerngruppe Rechnung tragend weitgehend die feminine Form verwendet. Wenn in allgemeiner Form von Schülerinnen gesprochen wird, sind grundsätzlich Mädchen und Jungen gemeint.
2 Die inhaltliche Korrektheit ist häufig abhängig von den rezeptiven Kompetenzen als Teile der Sprachkompetenz.
3 Die Seitenangaben beziehen sich auf die im Unterricht verwendete Reclam-Ausgabe (siehe Literaturverzeichnis).
4 Altes Brot im Ofen aufwärmen; Zichorie dem Kaffee als Kaffeeersatz beimischen; Teebeutel wieder verwenden; den gewohnten teuren Beaujolais mit billigem Wein verlängern; Pastete durch Hundefutter ersetzen. Die Differenz zwischen den notierten Ausgaben und den durch diese Tricks geringeren Ausgaben kann Momo ansparen.