Die Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt


Tesis de Máster, 2016

67 Páginas, Calificación: 2,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Flüchtlingskrise: Ein Überblick
2.1. Generelle Zahlen
2.2. Internationale Richtlinien im Asylrecht
2.3. Rechtliche Grundlage von Asylsuchenden in Deutschland
2.4. Die Rolle der Türkei

3. Die Auswirkungen vergangener Flüchtlingsströme auf den Arbeitsmarkt
3.1. Der Jugoslawienkrieg
3.2. Allgemein

4. Arbeitsmarkttheorie
4.1. Die neoklassische Arbeitsmarkttheorie
4.2. Arbeitsangebotsschock
4.3. Arbeitsangebotsschock bei variablem Kapital
4.4. Arbeitsangebotsschock mit heterogener Arbeit

5. Potenzielle Auswirkungen der Flüchtlingsströme auf den Arbeitsmarkt
5.1. Zusammenführung der bisherigen Ergebnisse
5.2. Die Heterogenität des Arbeitsangebots
5.3. Potenzielle Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Darstellung 1: Schulische Ausbildung der Asylantragsteller 2015

Darstellung 2: Anzahl an Asylanträgen in den EU-28 Ländern

Darstellung 3: Die individuelle Arbeitsangebotskurve

Darstellung 4: Die aggregierte Arbeitsangebotskurve

Darstellung 5: Wertgrenzprodukt der Arbeit

Darstellung 6: Die aggregierte Arbeitsnachfragekurve

Darstellung 7: Der neoklassische Arbeitsmarkt

Darstellung 8: Arbeitsangebotsschock

Darstellung 9: Arbeitsangebotsschock bei variablem Kapital

Darstellung 10: Arbeitsnachfrageverschiebung bei einheimischen Arbeitskräften

Darstellung 11: Schulische Ausbildung der Asylantragsteller 2015

Darstellung 12: Schulische Ausbildung Deutschland 2015

Darstellung 13: Berufsausbildung Deutschland 2015

Darstellung 14: Tätigkeitsbereiche von Asylbewerbern und Einheimischen

1. Einführung

Seit Mitte 2014 herrscht an den europäischen und innereuropäischen Grenzen ein Ausnahmezustand. Der Andrang an Flüchtlingen seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien ist zu einer der größten humanitären Herausforderungen der europäischen Union geworden. Die Haltung der einzelnen Empfängerstaaten innerhalb der europäischen Union gegenüber der Aufnahme von Asylsuchenden schwankt seither stark zwischen offenen Grenzen und Abschottung. Deutschland gilt seit Anfang der Krise zu den Verfechtern der offenen Asylpolitik, was sich auch in der Anzahl aufgenommener Flüchtlinge widerspiegelt. Dort liegt Deutschland weit vor allen anderen Mitgliedsstaaten, gefolgt von Schweden. Der Rest der europäischen Mitgliedsstaaten verhält sich im Vergleich moderat, bis kaum präsent. Die Auswirkungen der deutschen „Willkommenspolitik“ werden sich erst in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten herauskristallisieren können, eine gewisse Unsicherheit innerhalb der deutschen Bevölkerung hat sich aber bereits jetzt schon teilweise durchgesetzt. Diese Masterthesis greift einige der Fragen und Behauptungen in dieser Debatte auf und untersucht sie auf wissenschaftlicher Basis. Im Fokus stehen dabei die möglichen Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf den deutschen Arbeitsmarkt.

Doch was waren die Auslöser dieser Flüchtlingskrise, die seit geraumer Zeit die Nachrichten, politischen Debatten und der öffentlichen Diskussion dominiert? Als Hauptauslöser können sicher die Konflikte in Syrien genannt werden, welche 2011 als friedliche Proteste gegen das Assad-Regime begannen und sich aufgrund von Gewaltausschreitungen schnell zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg entwickelten. Dort kämpfen seit mehreren Jahren unterschiedliche Parteien, um die Vorherrschaft im Land oder um ihre Ideologien zu verbreiten. Neben dem Assad-Regime, welches unter anderem von Russland, der Hisbollah, dem Iran und weiteren schiitischen Gruppen unterstützt wird, stehen sich drei weitere große Parteien gegenüber. Die Opposition bildet die „Freie Syrische Armee“, welche sich vom Assad-Regime lossagte und es nun bekämpft. Unterstützt werden diese von weiteren lokalen Rebellengruppen wie der „Al- Nusra“ dem syrischen Ableger der „Al-Qaeda“ und der „Ahrar al-Sham“, sowie in Teilen von der türkischen Armee. Der wohl medienwirksamste Spieler ist der „Islamische Staat“, der weite, meist unbesiedelte Gebiete des Landes beherrscht und es sich zur Aufgabe gemacht hat, dort ein Kalifat einzuführen. Diese Terrormiliz bekannte sich bereits unter anderem zu den Anschlägen in Paris im November 2015, in Brüssel im März 2016 und in Dhaka, Bagdad und Istanbul im Juli 2016. Die Kurden sind eine weitere der Parteien rund um den Bürgerkrieg in Syrien. Sie besetzen den Norden des Landes und kämpfen vornehmlich gegen den „Islamischen Staat“, wobei sie zeitweise von den Vereinigten Staaten durch Luftangriffe unterstützt werden.

Das Resultat dieses Konflikts ist einer der größten Flüchtlingsbewegungen seit dem zweiten Weltkrieg. Neben knapp einer halben Million Opfer mussten bereits rund 45 Prozent der syrischen Bevölkerung fliehen. Genaue aktuelle Zahlen sind noch nicht bekannt, jedoch wurden bereits bis zum Jahr 2015 knapp sieben Millionen Menschen innerhalb Syriens durch Gewalt und den Vormarsch des „Islamischen Staates“, zur Flucht gezwungen. Knapp vier Millionen flohen bis zu diesem Zeitpunkt in die Nachbarländer, wobei die Türkei mit seinen fast zwei Millionen syrischen Flüchtlingen den Großteil aufnahm. Weitere Aufnahmeländer sind der Libanon, Jordanien, Irak und Ägypten. Doch in diesen Ländern hören die Flüchtlingsbewegungen nicht auf. Vor allem ab der Türkei aber auch zeitweise via Nord-Afrika, versuchen die Flüchtlinge über verschiedene, meist lebensgefährliche Wege den vermeintlich sicheren Hafen Europas zu erreichen. Vor allem die offene Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung bewegte nicht nur syrische Flüchtlinge dazu, die Flucht nach Europa mit dem präferierten Ziel Deutschland anzutreten. Um ihr Ziel zu erreichen, nutzten viele die in den Medien oft präsente Balkan- Route, die sie von der Türkei über die Ägäis nach Griechenland brachte. Dort angekommen führte sie ihr Weg über Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich schließlich nach Deutschland. Aufgrund der lebensgefährlichen Risiken, welche vor allem die Überfahrt über die Ägäis mit sich brachte, versuchte die EU die Balkan-Route mithilfe des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei im März 2016 zu schließen. Dieses sieht vor, keine neu angekommenen Flüchtlinge in Griechenland mehr weiter passieren zu lassen und stattdessen direkt Flüchtlinge aus der Türkei anzunehmen. Dadurch ist es ebenfalls möglich die Flüchtlingsströme besser zu kontrollieren.

Doch wie entwickelte sich die Flüchtlingskrise für Deutschland? Nachdem Mitte 2014 die ersten Flüchtlinge in Deutschland ankamen, reichten schon im Herbst die Notunterkünfte mit Zelten, Booten und Turnhallen nicht mehr aus, um dem Ansturm gerecht zu werden. Das „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ (BAMF), welches für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig ist, war zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Bearbeitung und Logistik überfordert. Das BAMF schätzte die Anzahl der Neuankömmlinge für das Jahr 2015 auf eine viertel Million. Diese Zahl wurde dann schnell auf 400.000 Asylanträge erhöht. Aber allein im Mai überquerten fast 40.000 Flüchtlinge die Grenze nach Deutschland. Aufgrund der notwendigen Verteilung der Flüchtlinge auf Länder und Kommunen mussten Unterkünfte errichtet, Personal gestellt und für Verpflegung gesorgt werden. Die Frage der Finanzierung wurde demnach zu einem dringlichen Problem. Der Bund sicherte den Ländern und Kommunen finanzielle Unterstützung zu. Die deutsche Regierung hielt jedoch trotz der zu dieser Zeit starken öffentlichen Kritik an ihrer offenen Flüchtlingspolitik weiter fest. Im Spätsommer 2015 entschied Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf Dauer weitere Flüchtlinge aus Ungarn die Grenzen passieren zu lassen. In der Opposition, aber auch in den eigenen Reihen, wurde währenddessen die Kritik laut, dass Deutschland bei weitem nicht die Kapazitäten habe, eine solche Anzahl an Flüchtlingen aufnehmen zu können. Es wurde ebenfalls auf das Asylverfahrensgesetz verwiesen, welches besagt, dass Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern die Einreise zu verweigern ist. Dieses Gesetz wurde in den vergangenen Monaten zusehends vernachlässigt, da auch Flüchtlinge aus Ländern einreisten, die als sicher klassifiziert waren. Dazu gehörten zu dem Zeitpunkt vor allem die Westbalkanstaaten wie Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien, Kosovo, sowie einige nordafrikanische Länder. Bald darauf entstand eine rege Diskussion darüber, auch weitere Staaten als sichere Herkunftsländer zu klassifizieren. Anfang 2016 verhandelte der deutsche Innenminister daher mit den Ländern Marokko, Algerien und Tunesien über die Rückführung von Flüchtlingen, da ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht wurde, diese als sichere Herkunftsländer einzustufen. Zuvor verschlimmerte sich im Spätsommer und Herbst 2015 die Lage in den Asylheimen. Aufgrund der Überfüllung kam es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen unter den Flüchtlingen, sowie mit der Polizei oder rechtsextremen Angreifern. Gleichzeitig wurde die Prognose bezüglich der im Jahr 2015 zu erwartenden einreisenden Flüchtlingen auf 800.000 stark angehoben. Als Reaktion auf den Ansturm führte Innenminister Thomas de Maizière im September zeitweise die Grenzkontrollen wieder ein, insbesondere an der deutsch-österreichischen Grenze. Außerdem wurden Registrierzentren eingerichtet, um festzustellen wie viele Flüchtlinge bereits im Land sind. Genaue Zahlen wurden erst im Juni 2016 vom statistischen Bundesamt vorgelegt (Statistisches Bundesamt 2016a, 9-10). Demnach gab es einen Wanderungsüberschuss (Zuwanderung minus Abwanderung) von 1,139 Millionen Menschen, was als neuer Höchststand seit dem Bestehen der Bundesrepublik gilt. Von den insgesamt knapp über zwei Millionen Zuwanderern, hatten fast alle einen ausländischen Pass. Davon kamen 300.000 aus Syrien, 80.000 aus Afghanistan, 60.000 aus dem Irak und weitere aus Pakistan und anderen europäischen Staaten wie Rumänien, Kroatien und Bulgarien. Europa erwartet für das Jahr 2016 weitere drei Millionen Flüchtlinge.

Angela Merkel erklärte am 16. August 2015, dass die griechische Schuldenkrise nicht mehr die einzige und größte Aufgabe der europäischen Union sei, sondern vielmehr die Anzahl von Syrern, welche Europas östliche und südliche Grenzen überqueren wollen oder bereits überquert haben. Die Zahlen sprechen für sich. Die Anzahl an Flüchtlingen und Migranten ist bereits höher, als während der Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren. Die andauernde Instabilität in Syrien lässt darauf schließen, dass die Ankömmlinge nicht nur temporär verweilen, sondern sich ein Leben in Deutschland aufbauen möchten. Mit der Erstaufnahme in Asylheimen ist es demnach nicht getan. Die größte Aufgabe steht der deutschen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch bevor. Der Erfolg der Integration der Migranten in die Wirtschaft sowie in die Gesellschaft ist von vielen Faktoren abhängig1. Der Umgang mit diesen Faktoren entscheidet, ob die Integration überhaupt gelingt und wenn ja, wie schnell sie gelingt. Die Masterthesis beschäftigt sich genau mit diesen Fragen, wobei der Fokus - wie bereits erwähnt - bei den Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf dem deutschen Arbeitsmarkt liegt. Wie genau die Problematik in dieser Arbeit angegangen wird, erklärt der folgende Abschnitt.

Die Flüchtlingskrise stellt die europäische Gemeinschaft vor eine große Herausforderung. Aufgrund der Neuartigkeit dieser Aufgabe sind die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der derzeitigen Krise, aus wissenschaftlicher Perspektive erst wenig untersucht worden. Die zur Verfügung stehenden empirischen Daten zur aktuellen Situation sind noch wenig vorhanden und noch nicht ausreichend genug, um das Problem empirisch zu analysieren. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit literaturbasierte Untersuchungen angestellt, um Prognosen zu tätigen. Die Masterthesis analysiert hauptsächlich die wirtschaftlichen Konsequenzen der Flüchtlingskrise auf den deutschen Arbeitsmarkt, indem die theoretischen Hintergründe und die Auswirkungen vergangener Flüchtlingsströme beleuchtet werden. Allein aufgrund der zuvor genannten Zahlen zum Umfang der Neuankömmlinge, ist anzunehmen, dass die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wesentlich sein werden. Die Frage, welche Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt zu erwarten sind, wird in den Medien bereits diskutiert. Einerseits wird befürchtet, dass die Neuankömmlinge den Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen, oder den Lohnsatz senken. Andere diskutieren das Potential dieser neuen, zur Verfügung stehenden Arbeitskraft. Die Ängste sind vor allem bei den Niedriglohnverdienern groß. Das Ziel dieser Masterthesis ist es, dieser Ungewissheit mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Antworten zu liefern. Aus diesem Grund werden drei Thesen aufgestellt, welche sich hauptsächlich mit den Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt auseinandersetzen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Thesen mit Hilfe literaturbasierter Forschung entweder zu untermauern oder zu falsifizieren. Die Polarisierung der Thesen ist beabsichtigt, um die gesellschaftlichen Fragen widerzuspiegeln, diese jedoch auf wissenschaftlicher Basis zu beantworten. Die Forschungsfrage und die Thesen lauten wie folgt:

Forschungsfrage:

Welchen Einfluss haben die Flüchtlingsströme der letzten Jahre auf den Arbeitsmarkt in Deutschland?

Thesen:

1. Die Flüchtlingsströme haben einen negativen Einfluss auf das Lohnniveau und erhöhen die Arbeitslosenquote.
2. Flüchtlinge haben es schwerer auf dem Arbeitsmarkt als die einheimische Bevölkerung.
3. Der Anstieg an Arbeitskräften durch die Flüchtlingsströme stellt eine Gefahr für die Arbeitsplätze der einheimischen Bevölkerung dar.

Zu allererst wird nach der Einführung in Kapitel 2 ein Überblick über die derzeitige Situation gegeben. Es werden generelle Zahlen dargestellt, welche die soziale Struktur, arbeitsmarktrelevante Kennzahlen und Demografie der Flüchtlingsströme aufzeigen. Darauf folgend wird auf die internationalen Richtlinien im Asylrecht eingegangen, die durch die Vereinten Nationen implementiert wurden. Hierauf aufbauend wird die rechtliche Grundlage von Asylsuchenden in Deutschland und die Arten von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen dargestellt. Hier wird unter anderem auf das Grundgesetz und das Asylgesetz eingegangen, welche die Verfahrensweise von Asylanträgen in Deutschland regeln. Es wird außerdem das Aufenthaltsgesetz und das Asylbewerberleistungsgesetz untersucht. Diese regeln, neben der Integration von Asylsuchenden vor allem die Berechtigung und das Ausmaß finanzieller staatlicher Unterstützung für Migranten und deren Arbeitserlaubnis. Außerdem wird der Unterschied zwischen aktiver und passiver Arbeitsmarktpolitik erklärt. Zuletzt wird die Rolle der Türkei in der Flüchtlingskrise untersucht. Diese ist in Bezug auf die Flüchtlingskrise von großer Bedeutung, da es als Hauptdurchgangsland für Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa und Deutschland fungiert. Die dortigen politischen Veränderungen und Maßnahmen haben daher weitreichende Folgen für die Entwicklung der Flüchtlingsströme nach Deutschland. Das zweite Kapitel dient daher hauptsächlich zur übersichtlichen Darlegung von Informationen.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich vor allem mit den Thesen eins und drei. In diesem werden die Auswirkungen vergangener Flüchtlingsströme auf den Arbeitsmarkt betrachtet. Zu diesem Zweck werden die Jugoslawienkriege herangezogen, welche Mitte der Neunzigerjahre circa 2,5 Millionen Flüchtlinge zur Folge hatten. Im Fokus der Analyse steht jedoch nicht nur der deutsche Arbeitsmarkt, sondern auch der anderer europäischer Länder. Es wird mit Hilfe von Quellen, welche empirische Untersuchungen zu dem jeweiligen Zeitraum durchgeführt haben, untersucht, ob die Flüchtlingsströme des damaligen Balkankonflikts einen negativen Einfluss auf das Lohnniveau des Landes hatten, die Arbeitslosenquote anstiegen ließen und ob diese eine Konkurrenz für die einheimische Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt darstellten. Eine allgemeine Untersuchung der letzten Jahrzehnte wird ebenfalls dargestellt.

Das vierte Kapitel dient der Aufbereitung der relevanten Arbeitsmarkttheorie. Zuerst wird die neoklassische Arbeitsmarkttheorie dargestellt. Daraufhin wird untersucht, welche Auswirkungen ein Anstieg der Flüchtlingsströme auf den Arbeitsmarkt in der Theorie hat (einen Angebotsschock). Dabei werden die Einflüsse der beiden relevanten Inputfaktoren (Arbeit und Kapital) in der kurzen und der langen Frist analysiert und die jeweiligen Auswirkungen dargestellt. Im letzten Teil des vierten Kapitels wird untersucht, welche theoretischen Auswirkungen zu erwarten sind, wenn die neuen Arbeitskräfte aufgrund ihrer Fähigkeiten und Ausbildung als Komplement anstatt als Substitut zur einheimischen Bevölkerung angesehen werden.

Das fünfte Kapitel hat das Ziel, die aufgestellten Thesen nacheinander zu beantworten. Zuerst werden die theoretischen und empirischen Auswirkungen zusammengeführt und weitere Analysen zur Beantwortung der Fragen geleistet. Daraufhin wird untersucht, inwiefern sich das Bildungsniveau der Asylsuchenden von dem der Deutschen unterscheidet. Dies dient dem Zweck, festzustellen, ob eine Heterogenität der Arbeit zwischen den beiden Gruppen vorliegt. Aus diesen Ergebnissen werden die potenziellen Auswirkungen für den deutschen Arbeitsmarkt prognostiziert und die aufgestellten Thesen beantwortet. Als letztes folgt ein Fazit (Kapitel 6), in dem die Ergebnisse zusammengefasst und die Forschungsfrage beantwortet wird.

2. Flüchtlingskrise: Ein Überblick

Ein genereller Überblick über die Auslöser der Flüchtlingskrise und die politische Entwicklung in Deutschland wurde bereits in Kapitel 1 gegeben. Dieses Kapitel behandelt hauptsächlich die aktuelle Situation, indem es die bereits verfügbaren generellen Zahlen zu den Flüchtlingsströmen nach Deutschland darstellt, die allgemeine rechtliche Situation von Asylsuchenden in Deutschland sowie die internationalen Richtlinien im Asylrecht untersucht und die Rolle der Türkei als Akteur in dieser Krise analysiert.

2.1. Generelle Zahlen

Wie bereits in der Einführung erwähnt, stammt der Großteil der im Jahr 2015 angekommenen Zuwanderer aus den Ländern Syrien (circa 300.000), Afghanistan (circa 80.000), Irak (circa 60.000) und kleinere Teile aus Ländern wie Pakistan, Rumänien, Kroatien und Bulgarien (Statistisches Bundesamt 2016a, 9-10). Insgesamt belief sich die Zuwanderung 2015 auf 1,139 Millionen Menschen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden in diesem Kapital hauptsächlich Eckdaten zu den Flüchtlingsströmen im Jahr 2015 untersucht, da hier die höchste Zahl an Flüchtlingen zu verzeichnen war2. Syrien nimmt damit für 2015 den ersten Platz im Ranking der Länder mit der größten Menge an Zuzügen nach Deutschland ein, Afghanistan liegt auf Platz 4 und der Irak auf Platz 7. Der Rest des Rankings wird hauptsächlich durch europäische Staaten wie Polen, Rumänien, Bulgarien und weitere dominiert.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge veröffentlichte im März 2016 einen Kurzbericht in Bezug auf die Sozialstruktur, die Qualifikationen, berufliche Ausbildungen und die Demografie von Flüchtlingen für das Jahr 2015 (Rich 2016). Die ausgewerteten Daten wurden während der Asylantragstellung auf freiwilliger Basis erfragt und umfassen eine Stichprobe von circa 300.000 Personen, was einem Anteil von 73 Prozent der Grundgesamtheit (Anzahl der Asylantragssteller) entspricht3. Die als durchaus repräsentativ anzusehende Befragung fußt jedoch auf den eigenen Einschätzungen der Teilnehmer. Vor allem in Bezug auf die angegebene Schulbildung und der beruflichen Qualifikation sind die Daten mit Vorsicht zu interpretieren, da eine vollständige Vergleichbarkeit mit deutschen Bildungsstandards nicht vorgenommen werden kann und die Möglichkeit von strategischem Antworten aufgrund bestimmter Erwartungshaltungen besteht. Es kann jedoch ein gewisser Überblick über die soziale Komponente der Asylantragssteller ermittelt werden. Demnach sind 74 Prozent der Erstantragssteller männlichen Geschlechts und 26 Prozent weiblich4. Nur Mazedonien und Serbien stechen innerhalb der Top-10 Herkunftsländer mit einer 50/50 Quote heraus.

Der Großteil beider Geschlechter ist dabei jünger als 30 Jahre, wobei die Altersstruktur von Männern noch niedriger anzusiedeln ist, als die der Frauen. Fast die Hälfte der Personen geben an, ledig zu sein. Knapp unter 50 Prozent sind verheiratet. Nur ein kleiner Prozentsatz ist laut eigenen Angaben geschieden oder verwitwet. Von insgesamt 186 vertretenen Muttersprachen macht Arabisch mit 48,3 Prozent den größten Anteil aus, gefolgt von Albanisch (18,1%).

In Bezug auf die Schulbildung wurde erfragt, welche die höchste Bildungseinrichtung ist, die der Antragssteller besucht hat (Rich 2016, 5-9). Es wurde nicht nachgewiesen ob ein Abschluss vorliegt. Die Befragten wurden in sechs Kategorien eingeteilt:

Darstellung 1: Schulische Ausbildung der Asylantragsteller 2015

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Abbildung; Daten: Rich 2016, 5

Der Unterschied zwischen den Geschlechtern in Bezug auf die schulische Ausbildung fällt dabei eher gering aus (leichte Verschiebung in die Richtung von weniger Schulbildung bei Frauen). Weit mehr geschlechterspezifisch fällt das Ergebnis, bezogen auf die jeweilige Erwerbstätigkeit aus. Demnach waren vor der Flucht aus dem jeweiligen Herkunftsland 13 Prozent im Handwerk tätig, gefolgt von 10 Prozent, die einen Job als Hilfskraft oder Privatangestellter ausübten5. Der Anteil von sonstigen Berufen mit 37 Prozent deutet jedoch auf eine weite Bandbreite an vorliegenden Berufen hin. Ungefähr drei Viertel aller Männer waren zuletzt erwerbstätig, bei den Frauen hingegen war es lediglich knapp ein Drittel. Insgesamt waren Akademiker im Schnitt zuletzt weniger erwerbstätig als Nicht-Akademiker. Unter den zuletzt arbeitenden Akademikern waren am häufigsten Lehrberufe (18%), medizinische Tätigkeiten (11%) und Ingenieursberufe (10%) vertreten. Der Frauenanteil liegt hier im Gegenzug zu den Nicht-Akademikern bei knapp 50 Prozent. Insgesamt geben 28 Prozent der Befragten an Englisch zu sprechen, jedoch nur 2 Prozent können Deutsch. Es liegen jedoch keine Angaben zum Sprachniveau vor.

Bezogen auf die oben genannten, am meisten vertretenen Herkunftsländer (Syrien, Afghanistan, Irak) können aus den vorliegenden Daten folgende länderspezifische Zusammenfassungen gezogen werden: Die Antragssteller aus Syrien haben größtenteils eine gute Schulbildung, arbeiteten zuletzt hauptsächlich in technischen-, medizinischen-, Ingenieurs-, Lehr- und Verwaltungsberufen und haben mit 50 Prozent eine hohe Quote an englischsprachigen Personen zu verzeichnen (Rich 2016, 9-10). Afghanische Personen hingegen haben eine eher junge Altersstruktur, es gibt wenige Personen mit formeller Schulbildung und der Großteil war zuletzt in der Landwirtschaft oder im Dienstleistungssektor tätig. Die befragten Personen aus dem Irak liegen dabei im Mittelfeld was die Bildung betrifft, die meisten befinden sich in der Altersgruppe der Mitte 20-jährigen und es besteht ein verhältnismäßig hoher Anteil an zuletzt nicht erwerbstätigen Frauen.

Nach diesem kurzen Einblick in soziale und demografische Struktur der Flüchtlinge ist zu erkennen, dass die verschiedenen Faktoren einer breiten Streuung unterliegen und sich die Qualifikationen der Personen unterschiedlicher Herkunftsländer teils stark unterscheiden. Hervorzuheben ist vor allem der hohe Grad an Schulbildung, den die Flüchtlinge aus Syrien mit sich bringen, da diese den weitaus größten Teil der Asylantragsteller verkörpern. Nachdem nun ein grober Überblick geschaffen wurde, beschäftigt sich das nächste Kapitel mit der internationalen rechtlichen Grundlage für Asylsuchende weltweit.

2.2. Internationale Richtlinien im Asylrecht

Kurz nach dem zweiten Weltkrieg verabschiedeten die Vereinten Nationen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ am 10. Dezember 1948 (Vereinte Nationen 1948/1951). Durch dieses Dokument erkannten die unterzeichnenden Nationen die in Artikel 14 festgeschriebenen Rechte von Asylsuchenden an. Dieser besagt, dass jede Person das Recht hat, in anderen Ländern Asyl vor Verfolgung zu suchen. Von diesem Recht ausgeschlossen sind jene Personen, die aufgrund eines nicht politisch motivierten Verbrechens strafverfolgt werden und dieses Verbrechen gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen verstößt. Darauf aufbauend wurde die Genfer Flüchtlingskonvention im Juli 1951 von den meisten Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen unterzeichnet. Diese verfeinerte die Bedingungen, die erfüllt sein mussten, damit eine Person als Flüchtling anerkannt wird. Demnach muss jedem Menschen Asyl gewährt werden, der aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt wird (Art. 1 A Nr. 2 GFK). Interessant für die Thematik dieser Masterthesis sind vor allem die Gesetze zur Erwerbstätigkeit von Flüchtlingen innerhalb der Genfer Flüchtlingskonvention. Diese besagen grob zusammengefasst, dass Flüchtlinge in ihrem Recht auf Arbeit den Einheimischen gleichgestellt werden sollen und keine einschränkenden Maßnahmen seitens des Staates auferlegt werden dürfen, die sie an diesem Recht behindern. Nichtselbstständige Arbeit darf demnach durch jeden rechtmäßig anwesenden Flüchtling ausgeübt werden und soll durch den verantwortlichen Staat begünstigt werden (Art. 17 GFK). Dies gilt ebenfalls für eine selbstständige Tätigkeit (Art. 18 GFK). In den Artikeln wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die rechtlichen Grundlagen innerhalb des Staates keine höheren Freiheitsgrade für nicht-asylsuchende Ausländer gewähren dürfen, als die Gesetze, denen Flüchtlinge unterliegen. Gewisse soziale Leistungen, welche mit der Aufnahme eines Arbeitsplatzes einhergehen (Arbeitszeit- und Überstundenregelungen, bezahlter Urlaub, Mindestalter für Beschäftigung, Lehrzeit und Berufsausbildung, Tarifverträge, etc.), sowie soziale Sicherheit (Absicherung bei Arbeitsunfällen, Krankheit, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit, etc.) müssen ebenfalls gleichsam für Flüchtlinge wie für Einheimische gelten (Art. 24 Nr. 1 GFK).

Am 31. Januar 1967 wurde ein weiteres „Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ verabschiedet, welches unter anderem ein Problem innerhalb der GFK von 1951 aufarbeitete, wodurch es den Unterzeichnerstaaten in Zukunft verboten wurde, eine geografische Begrenzung zur Anwendung der Konvention zu tätigen (Vereinte Nationen 1967). Einige Staaten hatten 1951 von dem Optionsrecht Gebrauch gemacht, lediglich Flüchtlinge aus Europa unter den Bedingungen der Genfer Flüchtlingskonvention zu behandeln. Die Türkei behielt auch nach 1967 dieses Optionsrecht bei, was (wie im Abschnitt 2.4 erläutert wird) gravierende Auswirkungen auf die aktuelle Flüchtlingskrise hat.

Das folgende Kapitel stellt dar, welche nationalen Gesetze in Deutschland auf die Richtlinien der Vereinten Nationen aufbauen und beleuchtet den Einfluss von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.

2.3. Rechtliche Grundlage von Asylsuchenden in Deutschland

Die rechtliche Grundlage von Asylsuchenden in Deutschland kann in verschiedene Schichten aufgeteilt werden. Den Kern bilden die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1951 und der Artikel 16a des deutschen Grundgesetzes. Darauf aufbauend legt vornehmlich das Asylgesetz fest, wer unter welchen Auflagen den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommt. Danach bestimmt das Aufenthaltsgesetz die Bedingungen für die Arbeits- und Niederlassungserlaubnis und definiert die Art und Höhe der Sozialleistungen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist verantwortlich für die Bearbeitung und Prüfung von Asylanträgen in Deutschland (BAMF 2016, 69-70; Vereinte Nationen 1951). Grundsätzlich wird (wie in Kapitel 2.2 dargestellt) laut der Genfer Flüchtlingskonvention jenen Personen Asyl gewährt, die aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden (Art. 1 A Nr.2 GFK). Das deutsche Grundgesetz greift diese Definition auf und gewährt demnach Asylrecht für politisch Verfolgte in Deutschland, wenn sie asylerhebliche Merkmale aufweisen, wie zum Beispiel staatliche Verfolgung oder ihnen diese droht, wenn sie in ihr Herkunftsland zurückkehren würden (Art. 16a Abs. 1 GG). Es werden hierbei jedoch keine Personen mit einbezogen, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen, wenn sie in diesem Drittstaat schon Schutz hätten finden können. Dann wird geprüft, ob ein anderer europäischer Staat für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG). Diese Zuständigkeitspflicht wurde durch das Dubliner Übereinkommen zwischen den Staaten der europäischen Union und einigen Nicht-europäischen Ländern festgelegt. Der Flüchtlingsschutz tritt dann in Kraft, wenn einer der Punkte aus Art. 1 A Nr.2 GFK auf die antragsstellende Person zutrifft (§3 Abs. 1 AsylG). Eine grundlegende Unterscheidung wird zwischen dem Flüchtlingsschutz und dem subsidiären Schutz getroffen. Letzterer wird dann gewährt, wenn die Person keine Anerkennung als Asylberechtigter erhält. Sie kann dann subsidiären Schutz erhalten, wenn ihr in ihrem Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Dazu gehören die Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Bedrohung der Unversehrtheit und des Lebens durch Gewaltausübung innerhalb eines nationalen oder innerstaatlichen Konflikts (§4 Abs. 1 AsylG). Falls ein Asylantrag abgelehnt wird, erfolgt ein Prüfung des Abschiebungsverbots (§24 Abs. 2 AsylG)6.

Die Bedingungen für eine Arbeitserlaubnis und den Erhalt von Sozialleistungen regelt das Aufenthaltsgesetz. Demnach erhalten Asylberechtigte und Ausländer, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurden, eine befristete Aufenthaltserlaubnis (BAMF 2016, 70-71; Kreienbrink/Gößmann 2016, 9-11). Diese berechtigt auch zur Erwerbstätigkeit (§25 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 AufenthG). Falls ein anerkannter Asylberechtigter drei Jahre lang eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, erhält diese Personen ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis, wenn die Aufenthaltserlaubnis bis dato nicht durch das BAMF widerrufen wurde (§26 Abs. 3 AufenthG). Das „Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer“ trat im November 2014 in Kraft und beschleunigte die Zugangsberechtigung zum Arbeitsmarkt für die betroffenen Personen7. In Bezug auf Sozialleistungen greift das Asylbewerberleistungsgesetz, welches nur für Personen gilt, die (noch) keine Aufenthaltserlaubnis nach §25 AufenthG erhalten haben. Diese haben nach 15 Monaten ununterbrochenem Aufenthalts in Deutschland ein Anrecht auf entsprechend festgelegte Leistungen. Außerdem haben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sofort einen Bildungsanspruch. Darauf aufbauend trat im Oktober 2015 das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz in Kraft, welches den Zugang zu (nicht-) monetärer Unterstützung beschleunigte. Demnach haben die Asylbewerber eine Berechtigung auf Sachleistungen, wie Wertgutscheine oder anderweitige Abrechnungen während des Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung.

Generell ähneln sich die rechtlichen Grundlagen der Länder der europäischen Union allein aus dem Grund, dass sie meist wortgetreu auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention aufgesetzt und weiterentwickelt sind. Eine generelle Übertragbarkeit der Ergebnisse bezüglich der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt aus anderen Ländern ist daher aus rechtlicher Perspektive gegeben.

Der Staat interveniert in den Arbeitsmarkt jedoch nicht nur durch gesetzliche Rahmenbedingungen, sondern auch durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Dabei ist das vorrangige Ziel der Arbeitsmarktpolitik, durch bestimmte Maßnahmen Vollbeschäftigung zu schaffen (Kreienbrink/Gößmann 2016, 12-14). Generell unterscheidet man bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zwischen passiver und aktiver Arbeitsmarktpolitik. Zur ersteren gehören vor allem Maßnahmen, die die Auswirkungen eines Risikos abmildern sollen, das bereits eingetreten ist. Dazu gehört zum Beispiel das Arbeitslosengeld, die Grundsicherung, das Insolvenzgeld oder das Kurzarbeitergeld. Alle diese Maßnahmen unterstützen jene Personen, die in einer gewissen Art einen finanziellen Schaden erdulden, sei es durch den Verlust des Arbeitsplatzes oder der schlechten wirtschaftlichen Lage, beziehungsweise Insolvenz des anstellenden Unternehmens. Die aktive Arbeitsmarktpolitik zielt darauf ab, vor allem Arbeitslose und Personen in individuellen Notlagen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu werden Werkzeuge wie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen genutzt, um das Arbeitskräftereservoir zu erhöhen und gleichzeitig für eine größere Bandbreite an Wirtschaftszweigen zur Verfügung zu stellen. Diese Art der Arbeitsmarktpolitik wurde im Jahr 1968 im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes implementiert.

Für Immigranten (wirtschaftlich und krisenbedingt) besteht in Deutschland eine Koordinierung zwischen Integrationsleistungen und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (Kreienbrink/Gößmann 2016, 14-16). Demnach sind Ausländer beispielsweise verpflichtet, an Integrationskursen teilzunehmen, wenn die Eingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter dies vorsieht. Vor allem für Asylsuchende sind solche Programme von Bedeutung, da die Verweigerung der Teilnahme die vorzeitige Einbürgerung verhindert und bei subsidiär Schutzberechtigten die Niederlassungserlaubnis gefährdet. Generell werden in solchen Kursen Kenntnisse über die deutsche Sprache sowie die Rechts- und Gesellschaftsordnung vermittelt. Die Ermittlung der Äquivalenz von ausländisch erworbenen beruflichen Qualifikationen stellt in Hinsicht auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt eine besondere Hürde dar. Das IQ-Netzwerk (Integration durch Qualifizierung) versucht hierbei in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden festzustellen, welche berufliche Qualifikation vorliegt und führt bei Bedarf weiterbildende Maßnahmen durch. Eine weitere Richtlinie, die in diese Richtung agiert, ist die vom europäischen Sozialfond unterstützte „Integration von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF)“. Diese hilft den Einwanderern bei der schulischen Aus- und Weiterbildung, sowie bei der Erlangung eines Abschlusses. Darüber hinaus werden Beratungen, Coachings und die Vermittlung mit Betrieben angeboten. All diese aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sollen bereits während des laufenden Asylantragverfahrens beginnen, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Antragssteller auch im Land bleiben wird. Zwar sind diese und viele weitere aktiven Integrationsangebote nicht ausschließlich auf Asylbewerber zugeschnitten, ihnen steht jedoch der Zugang zu diesen offen.

[...]


1 Wie in einem Großteil der zugrundeliegenden Literatur wird der Begriff der Immigration in dieser Masterthesis mit dem Begriff der Flüchtlinge gleichbedeutend behandelt, wenn nicht explizit auf wirtschaftliche Immigration hingewiesen wird.

2 Zum Vergleich das Jahr 2014: Syrien (circa 62.000); Afghanistan (circa 11.000); Irak (circa 5.000) (Statistisches Bundesamt 2015, 7).

3 Die Angaben zur Sozialstruktur (Alter, Familienstand, Muttersprache) wurden von über 99% der Antragssteller beantwortet.

4 Es wurden in der gesamten Befragung lediglich Personen über 18 Jahren berücksichtigt.

5 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit bei nicht geschlechtsneutralen Bezeichnungen die männliche Form genutzt, obgleich selbstverständlich beide Geschlechter angesprochen werden.

6 Eine weitergehende Untersuchung der Umstände und Bedingungen eines Abschiebungsverbotes ist für die weitere Analyse nicht von Belang.

7 Eine detailliertere Aufzählung der genauen Auswirkungen von dieser und weiteren Gesetzesänderungen ist für die weitergehende Analyse nicht weiter relevant und entfällt aus Platzgründen.

Final del extracto de 67 páginas

Detalles

Título
Die Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt
Universidad
Leuphana Universität Lüneburg  (Volkswirtschaftslehre)
Calificación
2,3
Autor
Año
2016
Páginas
67
No. de catálogo
V351540
ISBN (Ebook)
9783668382138
ISBN (Libro)
9783668382145
Tamaño de fichero
1042 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Flüchtlingskrise, Arbeitsmarkt, Auswirkungen der Flüchtlingskrise, Flüchtlinge, deutscher Arbeitsmarkt
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Gero Kassen (Autor), 2016, Die Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351540

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Título: Die Flüchtlingskrise und ihre Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt



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