Ursprünglich in den Literatur- und Kulturwissenschaften angesiedelt, finden postkoloniale Konzepte auch vermehrt Eingang in die Sozialwissenschaften. Seit fast drei Jahrzehnten gibt es jedoch ein bevorzugtes Wissensfeld, in dem postkoloniale Überlegungen eine wichtige Rolle spielen: und zwar innerhalb feministischer Theorien.
Das Verhältnis von postkolonialer Theorie und Feminismus ist einerseits von thematischen und personellen Überschneidungen und andererseits von Spannungen geprägt. Die Spannungen rühren vor allem daher, dass die postkoloniale Theorie nicht automatisch eine Gender-Perspektive mit in ihre Überlegungen integriert. Trotzdem hat eine der zentralen Theoretikerinnen des postkolonialen Paradigmas, Gayatri Chakravorty Spivak, eine dezidiert feministische Agenda. Dementsprechend ist die postkoloniale Theorie nicht unerheblich von feministischen Herausforderungen beeinflusst worden. Andersherum gilt jedoch das Gleiche.
So waren es u.a. postkoloniale Feministinnen, die die Einheitlichkeit der Kategorie Frau kritisierten. Donna Jeanne Haraway hat diese Aufforderung zur Differenz in ihre erkenntnistheoretischen Überlegungen integriert und dennoch stellt sich hier die Frage, ob sie sich damit gegen jegliche Essentialisierungen und Ausschlüsse immunisieren konnte. Welche Spannungen und Schnittmengen zwischen postkolonialem Feminismus und Feminismus lassen sich auch auf dem abstrakten Gebiet der Wissenschafts- und Erkenntniskritik ausfindig machen? Postkoloniale feministische Kritiken eignen sich in diesem Kontext bestens für eine (Selbst-)Überprüfung kritischer sozialwissenschaftlicher – in diesem Fall feministisch erkenntnistheoretischer – Ansätze. Obwohl sowohl Spivak als auch Haraway in ihren erkenntnistheoretischen Überlegungen eine feministische Perspektive einnehmen, kommen sie teilweise zu unterschiedlichen epistemologischen Schlussfolgerungen. Wie lässt sich das erklären? Wodurch zeichnet sich eine postkoloniale feministische Erkenntniskritik im Gegensatz zu einer feministischen Wissenschafts- und Erkenntnistheorie aus?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Problem der Differenz und feministische Erkenntnis- und Wissenschaftskritik
- „Situiertes Wissen“ – eine feministische Vision von Objektivität
- Die drei Positionen feministischer Erkenntnistheorie
- Wissen (schaft)/Sprache/Macht
- Ermächtigung der „, Objekte\" der Forschung
- Kritik und Widersprüche
- Zwischenfazit
- „Situiertes Wissen“ – eine feministische Vision von Objektivität
- „worlding“ und „epistemische Gewalt“
- Die drei Formen postkolonialer Wissenschaftskritik
- „worlding“ - sich die Welt zu eigen machen
- Die zwei Bedeutungen von Repräsentation
- Kritik und Widersprüche
- Die drei Formen postkolonialer Wissenschaftskritik
- Perspektiven für eine feministisch postkolonial informierte erkenntniskritische Sozialwissenschaft
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit der Frage, wie sich die erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Positionen von Donna Haraway und Gayatri Spivak unterscheiden. Beide Theoretikerinnen nehmen in ihren Überlegungen eine feministische Perspektive ein, kommen aber teilweise zu unterschiedlichen epistemologischen Schlussfolgerungen. Die Arbeit untersucht, wodurch sich eine postkoloniale feministische Erkenntniskritik von einer feministischen Wissenschafts- und Erkenntnistheorie abhebt und wo sich beide Ansätze überschneiden.
- Situiertes Wissen und seine Grenzen
- Epistemische Gewalt und die Ausblendung von Wissensformen
- Die Rolle von Macht und Kontext in der Wissensproduktion
- Feministische und postkoloniale Wissenschaftskritik
- Kritik an universalistischen Perspektiven in der Wissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Differenzdebatte, die dem erkenntnistheoretischen Paradigma des situierten Wissens vorausgegangen ist. Es werden die wesentlichen Ideen feministischer Wissenschafts- und Erkenntniskritik beleuchtet. Kapitel 2.1 analysiert das Konzept des situierten Wissens nach Donna Jeanne Haraway. Das dritte Kapitel untersucht die erkenntniskritischen Auffassungen von Spivak, mit besonderem Fokus auf den Begriffen „worlding“ und „epistemische Gewalt“. Beide Theoretikerinnen werden in den jeweiligen wissenschafts- und erkenntniskritischen Kontext eingeordnet. Abschließend werden mögliche Kritikpunkte an den Ansätzen von Haraway und Spivak formuliert. Das vierte Kapitel stellt die erkenntniskritischen Überlegungen von Haraway und Spivak in einen größeren Kontext und fragt, was sich aus den Ergebnissen für eine kritische sozialwissenschaftliche Praxis ableiten lässt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit thematisiert zentrale Begriffe wie „situiertes Wissen“, „epistemische Gewalt“, „worlding“, feministische Wissenschafts- und Erkenntniskritik, postkoloniale Theorie, Differenz, Machtverhältnisse, Handlungsfähigkeit, Verantwortung, und alternative Wissensformen.
- Citation du texte
- Selina Thal (Auteur), 2011, Wissenschafts- und Erkenntniskritik bei Donna Haraway und Gayatri Chakravorty Spivak. Gemeinsamkeiten, Differenzen, Kontroversen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352088