Die Pflege chronisch Kranker: Das Corbin-Strauss-Pflegemodell


Referat (Ausarbeitung), 2003

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. J. Corbin, A. Strauss und die Grounded Theory

2. Der Bezugsrahmen der Pflege- und Krankheits- verlaufskurve
2.1 Definition und Hintergrund
2.2 Verlauf und Behandlung als Konzepte des Bezugsrahmens.
2.3 Ziele und Nutzen

3. Wie realistisch ist das Corbin-Strauss-Pflegemodell?.

4. Verlaufskurven-Arbeit am Beispiel AIDS-Erkrankter Schwerstpflegebedürftiger in der häuslichen Pflege

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

Die Arbeit mit chronisch Kranken, die durch einen oftmals langen und hindernisreichen Pflege- und Krankheitsverlauf gekennzeichnet ist, stellt Pflegende immer wieder vor große Herausforderungen. Die Bandbreite pflegerischer Kompetenz kommt dabei häufig komplett zum Einsatz. So müssen Pflegende in diesen komplexen Pflegesituationen Pflegeprobleme diagnostizieren und entsprechend handeln und zwar immer abhängig vom Zustand, in dem sich der Erkrankte gerade befindet. Aufgrund steigender Zahlen von chronisch Erkrankten wird die Bedeutung dieser komplexen pflegerischen Arbeit in Zukunft wohl noch deutlich zunehmen.

Die vorliegende schriftliche Ausarbeitung eines Referates stellt das Modell zur Pflege chronisch Erkrankter von Juliet Corbin und Anselm Strauss vor, dessen zentrales Konzept die den Pflege- und Krankheitsverlauf symbolisierende „Verlaufskurve“ ist.

Im ersten Kapitel erfolgt zunächst eine knappe Vorstellung der Wissenschaftler Corbin und Strauss. Weiter wird die für dieses Pflegemodell relevante Forschungsmethode Grounded Theory beschrieben. Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Bezugsrahmen der Pflege- und Krankheitsverlaufskurve. Neben wichtigen Definitionen und Hintergrund-informationen werden Krankheitsverlauf und -behandlung als wichtige Konzepte dieses Bezugsrahmens vorgestellt. Außerdem soll verdeutlicht werden, welche Ziele Corbin und Strauss mit ihrem Modell in Pflegewissenschaft und -praxis verfolgten und welchen Nutzen dessen Umsetzung für die Gesellschaft und für eine professionelle Pflege haben kann. Das dritte Kapitel klärt die Frage, wie realistisch das Corbin-Strauss-Pflegemodell einzuschätzen ist. Das vierte Kapitel liefert ein konkretes Beispiel für die praktische Anwendung des Pflegemodells. In diesem Zusammenhang wird das Konzept zur Pflege an AIDS Erkrankter Schwerstpflegebedürftiger in der häuslichen Pflege von Martin Moers vorgestellt.

1. J. Corbin, A. Strauss und die Grounded Theory

Das dieser Arbeit zugrunde liegende Pflegemodell ist ein Gemeinschaftswerk der Pflegewissenschaftlerin Juliet Corbin und des Soziologen Anselm Strauss. Juliet Corbin ist sowohl an der San Jose State University als auch an der University of California in San Francisco tätig. Neben Tätigkeiten in Unterricht und Forschung hat sie außerdem zahlreiche Bücher publiziert. Anselm Strauss war als Professor emeritus ebenfalls an der University of California in San Francisco tätig. Er war ein Kollege von Herbert Blumer. Weltbekannt wurde Strauss vor allem durch die Entwicklung der Grounded Theory. Er verstarb am 05.09.1996 (vgl. Woog 1998, S. Vff, IXf).

Die Grounded Theory (=gegenstandsbezogene Theorie) ist als Erhebungs- und Analysemethode der qualitativen Sozialforschung von Strauss und seinem Kollegen Barney Glaser in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Rahmen eines Forschungsprojektes über den Sterbevorgang entwickelt worden. Sie beruht auf der Theorie des symbolischen Interaktionismus, die besagt, dass Menschen aufgrund von Bedeutungen handeln, die sie den Dingen geben. Diese Bedeutungen wiederum resultieren aus den Interaktionen mit den Dingen und sind sozusagen als „soziale Produkte“ zu verstehen. Die Methode der Grounded Theory ermöglicht es, soziale Prozesse aus der Perspektive der menschlichen Interaktion zu untersuchen. Ziel ist dabei die Schaffung von erklärenden Theorien für menschliches Verhalten und soziale Prozesse. Gegenstandsbezogen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Theorien über menschliche und soziale Phänomene, z.B. Pflegephänomene direkt aus wirklichen Situationen, also aus dem Gegenstand heraus, entwickelt werden. Ein besonderes Merkmal der Grounded Theory Methode ist das sich ständige Abwechseln von qualitativer Datensammlung und -auswertung. Die Theoriebildung findet bereits während der Datensammlung statt, gebildete Theorien werden sogleich anhand der Daten überprüft (vgl. Corbin & Strauss 1998, S. 4, 8f; Mayer 2002, S. 74f; Mayer 2003, S. 67f; Woog 1998, S. X).

Das in dieser Arbeit beschriebene theoretische Konzept über Verlauf und Bewältigung von chronischen Erkrankungen wurde mit der qualitativen Methode der Grounded Theory entwickelt.

2. Der Bezugsrahmen der Pflege- und Krankheitsverlaufskurve

2.1 Definition und Hintergrund

„Der Bezugsrahmen der Pflege- und Krankheitsverlaufskurve ist ein begriffliches Modell, das auf dem Gedanken aufbaut, daß chronische Krankheiten einen Verlauf haben, der im Lauf der Zeit Veränderungen und Schwankungen unterworfen ist. Dieser Krankheitsverlauf kann beeinflußt bzw. gesteuert werden.“ (Corbin & Strauss 1998, S. 3)

Dieser Bezugsrahmen existiert schon einige Jahrzehnte. Er entwickelte sich sowohl aus diversen Forschungsprojekten mit chronisch Erkrankten, die Strauss unter Verwendung der Grounded Theory Methode (vgl. Kapitel 1.) zusammen mit seinen Mitarbeitern durchführte, als auch aus Erfahrungsberichten von beruflich Pflegenden. Einen besonderen Einfluss auf die Begriffsbildung hatte die in Kapitel 1. erwähnte Forschungsarbeit über den Sterbeverlauf. Hierbei führte der Versuch, das Phänomen der Bewältigung dieser fortschreitenden Entwicklung zu beschreiben, zu der Bezeichnung „Pflege- und Krankheitsverlaufskurve“. Die Arbeit mit chronisch Kranken brachte eine Fülle an weiteren Informationen. Strauss verknüpfte diese miteinander und formulierte als Ergebnis einen theoretischen Bezugsrahmen für die Pflege- und Krankheitsverlaufskurve (vgl. Corbin & Strauss 1998, S. 4f).

Eine Besonderheit des Bezugsrahmens der Pflege- und Krankheitsverlaufskurve ist die Berücksichtigung aller Beteiligten:

„Dieses aus Forschungsergebnissen gewonnene Wissen ist an keine bestimmte Disziplin gebunden, vielmehr kann es im Rahmen jeder beliebigen Disziplin eingesetzt werden, gleich welchem Zweck sie dient.“ (Corbin & Strauss 1998, S. 2)

Über eine rein medizinische oder rein pflegerische Sichtweise hinausgehend, bezieht er ebenso den Patienten selbst, seine Angehörigen und auch andere Disziplinen der Gesundheitsversorgung mit ein. Außerdem weisen Corbin und Strauss auf die Vielschichtigkeit chronischer Erkrankungen hin, die einen eigenen Bezugsrahmen rechtfertigt und sogar notwendig macht (vgl. Corbin & Strauss 1998, S. 1ff).

2.2. Verlauf und Behandlung als Konzepte des Bezugsrahmens

Chronische Krankheiten weisen einen bestimmten unvorhersehbaren Verlauf auf, der erst nachträglich als „Verlaufskurve“ graphisch dargestellt werden kann. Dieser Verlauf ist in acht unterschiedlichen Stadien möglich, die wiederum mit bestimmten Bewegungsrichtungen „aufwärts“ (z.B. bei einer Verbesserung des Gesundheitszustandes), „abwärts“ (z.B. bei einer Verschlechterung) oder „beständig“ verbunden sind. Langfristig geht diese Verlaufskurve jedoch nach unten (vgl. Corbin & Strauss 1998, S. 3, 5, 11ff; Moers 1995, S. 672ff; Scott Dorsett 1998, S. 31f). Die folgende Tabelle skizziert die unterschiedlichen Stadien einer chronischen Erkrankung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Corbin & Strauss (1998), S. 13

Der Verlauf einer chronischen Krankheit wird jedoch nicht ausschließlich durch die Krankheit selbst bestimmt. Vielmehr spielen die Patienten, ihre Angehörigen und ihre Helfer selbst eine tragende Rolle. So wird z.B. der Krankheitsverlauf durch individuelle Merkmale des Patienten[1] (z.B. Wahrnehmung der Krankheit oder eigene Anpassungsfähigkeit) und auch durch äußere Einflüsse (z.B. Verfügbarkeit von Unterstützungsressourcen) gelenkt. Er ist aber vor allem durch entsprechende Maßnahmen bis zu einem gewissen Grad beeinflussbar, was wiederum der medizinisch- pflegerischen Betreuung die Möglichkeit einräumt, den Krankheitsverlauf durch gezieltes und umfassendes Krankheitsmanagement insgesamt zu gestalten:

„An den Stadien des Krankheitsverlaufs läßt sich prinzipiell nichts ändern, aber instabile Phasen können vermieden oder in ihren Auswirkungen vermindert werden.“ (Moers 1995, S. 672)

(vgl. Corbin & Strauss 1998, S. 3, 5, 12f; Moers 1995, S. 672f; Scott Dorsett 1998, S. 32)

Das Ziel des Krankheitsmanagements ist, durch gezielte Behandlung und unter Berücksichtigung der persönlichen Bedürfnisse des Patienten und der jeweiligen Krankheitsphase, in der er sich gerade befindet, Abwärtsbewegungen des Krankheitsverlaufs aufzuhalten oder zu verzögern sowie Symptome und Behinderungen zu kontrollieren, um so dem Patienten eine gewisse Lebensqualität zu bewahren. Corbin und Strauss weisen in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass Behandlungen oder Interventionen nicht nur Ärzten oder Pflegenden vorbehalten sind. Vielmehr kann jeder, der von der Erkrankung des Patienten betroffen ist, seinen Teil zur Verlaufskurvenarbeit im Sinne des Ziels der Stabilisierung beitragen (vgl. Corbin & Strauss 1998, S. 14ff; Moers 1995, S. 672f). Der Aspekt der Behandlung erweitert den Begriff der Pflege- und Krankheitsverlaufskurve:

„Verlaufskurve meint nicht nur den physiologischen Verlauf einer Krankheit, sondern die gesamte Organisation der Arbeit, die in diesem Verlauf anfällt und den Eingriff in das Leben der Menschen, die mit dieser Arbeit und dieser Organisation befaßt sind.“ (Strauss et al., zitiert nach Moers 1995, S. 672)

Bei der Behandlung im Rahmen der Verlaufskurvenarbeit muss berücksichtigt werden, dass es zahlreiche Umstände gibt, die sich entweder unterstützend oder störend auf die Behandlung auswirken können. Diese können allgemeiner Natur sein oder den Patienten und sein unmittelbares Umfeld direkt betreffen:

[...]


[1] Die männliche Form gilt während des gesamten Textes des I. Teils für beide Geschlechter.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Pflege chronisch Kranker: Das Corbin-Strauss-Pflegemodell
Hochschule
Hochschule Bremen
Note
1,7
Autoren
Jahr
2003
Seiten
27
Katalognummer
V35246
ISBN (eBook)
9783638352222
Dateigröße
629 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pflege, Kranker, Corbin-Strauss-Pflegemodell
Arbeit zitieren
Klaus Reiners (Autor:in)Daniel Theune (Autor:in), 2003, Die Pflege chronisch Kranker: Das Corbin-Strauss-Pflegemodell, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35246

Kommentare

  • Gast am 10.4.2007

    Frage.

    Ich finde Ihren Bericht äußerst aufschlussreich. Ich interessiere mich für die Pflegetheorien von Travelbee, Joyce aber ich finde gar nichts über Ihre Biographie. So wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir auf die angegebene Internetadresse etwas darüber senden würden.
    Danke im voraus!!!

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Titel: Die Pflege chronisch Kranker: Das Corbin-Strauss-Pflegemodell



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