Ein Licht aufgehen, Licht werden lassen, Licht ins Dunkel bringen, erleuchtet sein – all diese Redewendungen des deutschen Sprachgebrauchs werden positiv assoziiert. Diese begriffliche Verknüpfung von Licht und ‚dem Guten’ lässt sich bis zum antiken griechischen Philosophen Platon zurückführen, welcher in seinem Sonnengleichnis die Sonne mit der Idee des Guten, das Licht mit der Wahrheit gleichsetzt. Zugleich beschreibt er das eigentliche Gute des Lichts mit dem damit einhergehenden Vermögen des Erkennens. In philosophischer Hinsicht ist Licht nicht nur ein darstellendes Medium, sondern selbst schaffend, indem es „die Bilder generiert“, die als die Wirklichkeit der Welt wahrgenommen werden. Es bebildert, ja bildet unsere visuelle Wirklichkeit, unsere Vorstellung von der Wahrheit. Im Wechselspiel mit Schatten schafft es den Raum, in dem wir uns bewegen und ermöglicht uns dadurch erst unsere Umgebung optisch zu erfahren.
Abgesehen von diesen Aspekten haftet dem Licht seit hunderten von Jahren ebenso eine gesellschaftliche Funktion an: Die Wahrung von Moral und Ordnung – folglich ein Garant für Sicherheit. Licht wurde damit zum Kriterium für Sicherheit durch Kontrolle. Diese Funktion des Lichtes und seinen Erscheinungen eskaliert bis heute zu einer Form der Überwachung und Überflutung durch virtuelle, mediale Welten, wodurch als Möglichkeit der Relaxation ein Bedürfnis nach künstlerischen Reinräumen resultiert.
Das Individuum ist zur „organischen Prothese des Anorganischen geworden“, sodass der Körper im Kontext des digitalen Medienzeitalters nur als Interface zwischen Gehirn und Maschine fungiert, sonst jedoch seine Funktion verliert. Denn ‚die Bretter die die Welt bedeuten‘ sind nicht länger hölzern. In der ‚modernen Gesellschaft‘ sind Sie nur mehr diffuse Gedankenkonstrukte im digitalen Äther.
Inhalt
1. Der Mensch und seine Abhängigkeit vom Licht
2. Licht als Garant der Sicherheit durch Kontrolle
3. Kunstlicht als Äquivalent zum Tageslicht?
4. Lichtflut und deren Folgen
5. Leerraum als Erfahrung des Gegenwärtigen
6. Emotionales Abbild
7. Licht als universelles Kontroll-Medium
8. Licht-Barrieren der Jetztzeit
Bibliografie
1. Der Mensch und seine Abhängigkeit vom Licht
Ein Licht aufgehen, Licht werden lassen, Licht ins Dunkel bringen, Erleuchtet sein – all diese Redewendungen des deutschen Sprachgebrauchs werden positiv assoziiert. Diese begriffliche Verknüpfung von Licht und ‚dem Guten’ lässt sich bis zum antiken griechischen Philosophen Platon zurückführen, welcher in seinem Sonnengleichnis die Sonne mit der Idee des Guten, das Licht mit der Wahrheit analogisiert. Zugleich beschreibt er das eigentliche Gute des Lichts mit dem damit einhergehenden Vermögen des Erkennens (Politeia 506b ff). Ebenso wird in Platons Höhlengleichnis mit dem Licht Erkenntnis verbunden. Die Erkenntnis von der ‚höheren Idee‘ welche dem Entfesselten zuteil wird nachdem er aus der Höhle tritt und das Licht der Sonne schaut. So erfährt er das Wissen darüber, die hinter den Erscheinungen liegende Wahrheit zu deuten (vgl. Politeia 106a ff). Wahrheit ist hier mit der Idee der Realität gleichzusetzen – die Erscheinung als die wahrgenommene Wirklichkeit, die Er scheinung des rezipierten Lichtes. Die jenseitige Idee, also die Realität (als universelle Wahrheit), kann dabei nicht erfasst werden.
Auch im sakralen Kontext wird die Erscheinung des Lichts meist mit dem göttlichen Guten identifiziert. In vielen Religionen wird sogar Gott selbst mit dem Licht gleichgesetzt (Böhme, H. 1994, S. 8). Dieses Emporheben des Lichtes verwundert wenig, wenn man dessen Bedeutung für den Menschen und die Welt in Betracht zieht. Im ökologischen Kontext versteht sich die Lichtenergie, umgesetzt durch Photosynthese, als grundlegendes Element des pflanzlichen und bakteriellen Stoffwechsels. Cyanobakterien, die wohl fortschrittlichsten photosynthetisch arbeitenden Bakterien, nutzen Elektronen aus dem Wasser um Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre mit der Energie des Sonnenlichtes in organische Verbindungen umzuwandeln. Dabei entlassen sie den für viele Lebewesen existentiellen Sauerstoff in die Atmosphäre. Pflanzen und Algen bilden in Chloroplasten mithilfe der Lichtenergie einen Zucker, der die nicht photosynthetisch arbeitenden Zellen mit Energie versorgt – und darüber hinaus natürlich auch alle Lebewesen, welche die Pflanzen und Algen vertilgen. Somit betreiben die Bakterien, Pflanzen und Algen durch die Kraft des Lichtes die biochemischen Kreisläufe fast aller bestehenden Ökosysteme der Erde, wodurch das Licht evolutionsbedingt die essentielle Lebensenergie repräsentiert (Jaenicke 2004, S. 922 ff).
In philosophischer Hinsicht ist Licht nicht nur ein darstellendes Medium, sondern selbst schaffend, indem es „die Bilder generiert“, die als die Wirklichkeit der Welt wahrgenommen werden (Böhme, H. 1994, S. 17). Ohne Licht wären wir nur umgeben von Dunkelheit. Dank der Reflexion und Lichtbrechung auf den Oberflächen der uns umgebenden Dinge, sind wir erst in der Lage diese wahrzunehmen – das Licht selbst wahrzunehmen. Denn Licht, das nicht gebrochen wird, bleibt – abgesehen von der Lichtquelle selbst – unsichtbar. So scheint es eine Abhängigkeit zwischen dem Licht und den Dingen zu geben. Ohne Licht sehen wir die Objekte nicht, ohne die reflektierenden Objekte sehen wir das Licht nicht. Abhängig von Oberflächeneigenschaften werden diese unterschiedlich erfahren; deren Lichtbrechung generiert den Eindruck von Farben und Oberflächenbeschaffenheit. Doch auch die Farbe und Streuung des auftreffenden Lichtes lässt die Objekte unterschiedlich erscheinen. Licht erzeugt das Abbild der Welt in der wir leben. Es bebildert, ja bildet unsere visuelle Wirklichkeit, unsere Vorstellung von der Wahrheit. Im Wechselspiel mit Schatten schafft es den Raum, in dem wir uns bewegen und ermöglicht uns dadurch erst unsere Umgebung optisch zu erfahren (vgl. Böhme, G. 2001, S. 144 ff).
Abgesehen von diesen biologischen und physikalischen Aspekten haftet dem Licht seit hunderten von Jahren ebenso eine gesellschaftliche Funktion an: Die Wahrung von Moral und Ordnung – folglich ein Garant für Sicherheit. So war es in mittelalterlichen Großstädten wie Paris und Berlin für jeden Bürger Pflicht, nachts ein Licht mit sich zu führen und sich so der Nachtwache kenntlich zu machen. Wer dies missachtete, musste mit einer Festnahme rechen (Schievelbusch 1983, S. 84). Licht wurde zum Kriterium für Sicherheit durch Kontrolle.
2. Licht als Garant für Sicherheit durch Kontrolle
„‚Alles was leuchtet sieht‘ (‚Tout ce qui Brille voit‘)“ so zitiert Wolfgang Schivelbusch (1983, S. 97) den „Autor einer psychoanalytisch-poetischen Deutung des Feuers“ Gaston Bachelard, welcher damit das Phänomen der gegenseitigen Überwachung – ermöglicht durch den obligatorisch begleitenden Schein der Laterne – beschreibt. Im ausgehenden 17. Jahrhundert etablierte die Pariser Straßenpolizei auf königliches Geheiß die erste öffentliche Straßenbeleuchtung. Von dem Licht der einheitlichen Laternen erhoffte man sich eine öffentliche Beleuchtung als Weiterentwicklung der ‚Positionslichter‘ privat organisierter Lampen, welche eine höhere Sicherheit garantieren sollten. Zudem waren sie Zeichen des Absolutismus, als „kleine Sonnen“, die den Sonnenkönig Ludwig XIV. repräsentierten und zugleich dessen Kontrolle sym-bolisierten. Was für eine hohe Rolle die öffentliche Beleuchtung für den Sicherheits-apparat spielte, lässt sich anhand der enormen Investitionen dafür erschließen. Als Nachfolger der einfachen Laternen wurden aufwändige „Réverbèren“ entwickelt, Öllampen mit – dank technischer Tricks wie Reflektoren und Linsen – deutlich höherer Lichtausbeute, welche die bisherigen Leuchten ersetzten (ebd. S. 87 ff). Denn der „gelichtete Raum“ verspricht dem Menschen Sicherheit (Böhme, G. 2001, S. 148).
Bezöge man Bachelards Aussage „Alles was leuchtet sieht“ auf die Jetztzeit, in der urbane Straßen, Plätze und öffentliche Orte wie selbstverständlich nahezu taghell erleuchtet sind, so müsste man eine absolute Überwachung und Gegenüberwachung annehmen, welche die abstrusesten Stasi-Träumereien übertreffen dürfte. So dünkt es, als dürfte sich unsereins heute glücklich schätzen, dass offenbar mit der steigenden Lichtflut, welche die Elektrifizierung der öffentlichen Beleuchtung ab dem späten 19. Jahrhundert nach sich zog, die Nachtwachen zunehmend überflüssig geworden zu sein scheinen. Recht und Ordnung zu wahren obliegt nunmehr dem Schein des öffentlichen Lichtes, welcher dem Passanten mit seiner ‚Helle‘ ein Gefühl der Öffentlichkeit, des Beobachtetwerdens suggeriert und eventuelle Delikte ‚ans Licht‘ brächte. So vermittelt eine lichtdurchflutete Straße dem unbescholtenen Bürger ein höheres Maß an Sicherheit, als eine dunkle Gasse. In diesem Sinne könnte die heutige Straßen-beleuchtung als eine Weiterentwicklung des damaligen Sicherheitsapparates verstanden werden. Nicht nur in Sachen Leuchtkraft, sondern vielmehr als emotionale Barriere, die einen etwaigen Täter daran hindert, diese zu übertreten. Doch weitere Überlegungen dazu an anderer Stelle.
Die ab Mitte des 18. Jahrhunderts (durch die Einführung der Réverbèren) intensivierte Straßenbeleuchtung – und damit auch gesteigerte Kontrolle – war der Auslöser zweier widersprüchlicher Phänomene: Einerseits wurde mit „großer Lust“ der Laternenzerstörung nachgegangen, welche als metaphorisches Entrinnen der Kontrolle zu verstehen ist. Mit dem Erlöschen des Lichtes erlosch sinnbildlich auch die Herrschaft und ein „Stück Unordnung und Freiheit“ wurde wiederhergestellt. Andererseits wuchs dennoch der Wunsch nach einer hellen, vom Tageslicht unabhängigen, Beleuchtung, die in der Lage ist, die Straßen tatsächlich zu erhellen (vgl. Schivelbusch 1983, S. 98 ff).
3. Kunstlicht als Äquivalent zum Tageslicht?
In ähnlichem Maße wie 100 Jahre zuvor die ersten öffentlichen Laternen als Revolution hinsichtlich nächtlicher Illumination gefeiert wurden, wurde auch die Einführung der Réverbèren glorifiziert, als technisches Kuriosum, das „die Nacht zum Tage“ machte. Die Benennung dieses neuen Leuchtmittels als künstlich geschaffene Sonne (Schivelbusch 1983, S. 94) verdeutlicht den Wunsch, ein Äquivalent zum Tageslicht zu finden. So herausragend, so glanzvoll die technische Neuerung auch erscheinen mochte, war dieser Schein nicht von langer Dauer. Spätestens nach der Einführung der Gasbeleuchtung im 19. Jahrhundert relativierte sich die Sicht auf die zuvor gefeierten Öllampen. Mit Hilfe der Gaslampen war erstmals von einer Straßenbeleuchtung zu sprechen, die tatsächlich die Straße und deren Umgebung erhellte. Hand in Hand mit der stark gesteigerten Leuchtkraft eröffnete sich ein Bewusstsein für die Lichtqualität: Das Licht der Gaslaternen sei strahlend weiß gewesen im Vergleich zu den bisher bekannten Kerzen und Öllampen, welche ein rötlich-gelbes Licht ausstrahlten (ebd. S. 113). Ein Phänomen, das im Zeitalter der Digitalfotografie leicht zu beobachten ist, musste erst verstanden werden. Unterschiedliche Lichtquellen haben unterschiedliche Lichtspektren. Entsprechend der Lichtfarbe verändert sich die farbliche Erscheinung der bestrahlten Gegenstände, welche das Licht gebrochen zurück-reflektierten um vom Rezipienten wahrgenommen zu werden. Gibt es nur eine Lichtquelle oder ausschließlich Lichtquellen des selben Typs, so scheint die Umgebung auch bei gelblichem Licht weiß, da das menschliche Gehirn die wahrgenommenen Farben entsprechend interpretiert – also eine Art Weißabgleich vornimmt. Es braucht erst mehrere Lichtquellen mit unterschiedlichen Spektrum zwischen denen verglichen werden kann, um unterschiedliche Farbtemperaturen zu erkennen. Licht war nunmehr nicht nur ‚Helle‘ (Böhme, G. 2001, S. 145), sondern wurde mit unterschiedlichen Quali-täten begriffen. Damit waren die ersten Ansätze geschaffen für eine neue Wahrnehmung von der Bedeutung des Lichtes. So definiert der Philosoph Gernot Böhme (basierend auf jener Erkenntnis) Beleuchtung als „ein Lichtphänomen, nach dem Licht ein Gund-typ von Atmosphäre“ sei (2001, S. 156).
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