Rational Choice und Familienpolitik

Der historische Wandel der Gesellschaftsform Famile im Zusammenhang mit der Familienpolitik


Trabajo, 2004

27 Páginas, Calificación: 1


Extracto


Inhalt

1 Einleitung

2 Rational Choice

3 Anwendung
3.1 Fertilität
3.1.1 Theorien zur Bevölkerungsentwicklung
3.1.2 Instrumente der Politik
3.2 Partnerschaft/Heirat
3.2.1 Instrumente der Politik
3.3 Scheidung
3.3.1 Instrumente der Politik

4 Konklusion

5 Literatur

1. Einleitung

Die Familie der Gegenwart hat sich verglichen mit der Familie der Nachkriegszeit stark ausdifferenziert. Klassische Indikatoren dafür sind die abnehmende Heiratsneigung, das spätere Heiratsalter, der Rückgang von Geburtenziffern, sowie die zunehmende Anzahl an Scheidungen und Erwerbsbeteiligung der Frauen (Hill, 2002: 50). Die Pluralisierung von Lebensformen hat Funktion und Bedeutung von Familie verändert.

Das Familienmodell der Nachkriegszeit war stark auf die Versorgerehe mit dem männlichen Ernährer und der Frau, die für Haushalt und Kindererziehung zuständig war, ausgerichtet. Gesellschaftliche und ökonomische Zwänge veränderten dieses Familienbild hin zu einer gleichberechtigteren Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau, was sowohl die Erwerbsarbeit als auch die Kindererziehung angeht.

Auf diesen Wandel der Familie hat sich Familienpolitik einstellen müssen. Die Arbeit zeigt, dass dies nur teilweise gelingt. Besonders das Thema Heirat und Ehegattensplitting unterstützen noch immer das alte Modell der Versorgerehe, welches mit der Lebenswirklichkeit nur noch wenig gemein hat. Hauptsächliches Thema der Arbeit ist die Anwendung der Rational Choice-Theorie auf die familiären Bereiche Fertilität, Partnerschaft und Scheidung. Damit werden historische und gesellschaftliche Entwicklungen bestimmter familiärer Veränderungen aufgezeigt. Aus der Darstellung und der jeweils anschließenden Überprüfung, inwieweit Familienpolitik die Akteure in ihrem Handeln zu beeinflussen versucht, ergibt sich die Hauptthese dieser Arbeit: der Gesetzgeber sollte versuchen, den Individuen Anreize entsprechend der Rational Choice-Theorie zu offerieren, um seine familienpolitischen Präferenzen durchzusetzen. Optimalerweise schafft Familienpolitik Anreize entsprechend den Bedürfnissen der Individuen.

Im Fall der derzeitigen Familienpolitik ist dies am Beispiel Fertilität gut zu sehen. Die Akteure schätzen die Kosten für Kinder derzeit als zu hoch ein und entscheiden sich gegen die Elternschaft. Die Familienpolitik muss hier, wenn sie bevölkerungsstabilisierend wirken will, Anreize setzen, die die Individuen von ihrer Entscheidung abrücken lässt. In Deutschland, wie auch in den meisten EU-Staaten findet die Politik aber bisher nicht die richtigen Mittel.

Was diese Arbeit nicht leistet und auch auf Grund der begrenzten Seitenanzahl nicht leisten kann, ist eine vollständige Darstellung der Theorien zu einem familiären Bereich samt ihrer geschichtlichen Entwicklung. Diese Darstellungen geschehen nur in Ausrissen.

2. Rational Choice-Theorie

Rational Choice-Theorie ist die Theorie von der individuellen Nutzenmaximierung nach individuellen Präferenzen. Die Theorie geht von subjektiv rational[1] handelnden Akteuren aus, da sie annimmt, dass Akteure immer die Alternative wählen, die ihnen maximalen Nutzen einbringt. Die Akteure schließen bei einer Entscheidungsfindung immer von ihren subjektiven Erfahrungen und jeweiligen Interpretationen der Handlung auf die jeweilige Situation. Im Falle von familiären Entscheidungsfindungen sind demzufolge nur die durch die eigene Biographie gewonnenen Überzeugungen, Einstellungen, Meinungen zu Themen wie Heirat oder Kinder relevant (Hill/Kopp, 2002: 126).

Grundannahme der Rational Choice-Theorie ist der „methodologische Individualismus“, demzufolge alle sozialen Phänomene ein Resultat von Entscheidungen, Einstellungen und Handlungen von Individuen, die wiederum in soziale Strukturen eingelagert sind, sind. Soziale Phänomene sind demzufolge immer zugleich Rahmenbedingungen wie auch Ergebnis von individueller Handlungswahl. Das Handeln, ausgelöst durch Präferenzen, ist zielgerichtet. Der Nutzen wird unter bestimmten Nebenbedingungen maximiert; dies kann z.B. die Einkommensrestriktion (income constraint) sein, wonach die Ausgaben für bestimmte Güter entsprechend der Präferenzen nur höchstens den Einnahmen entsprechen können (Kunz, 2004: 36). Grundlegendes Prinzip der Rational Choice-Theorie ist demnach, dass Akteure nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung handeln, indem sie ihre Bedürfnisse, Ziele und Wünsche unter Berücksichtigung von Handlungsbeschränkungen optimal zu verwirklichen suchen. Sind die Akteure sich der Ergebnisse ihres Handelns nicht so sicher, so rechnen sie mit dem „subjektiv erwarteten Nutzen“, wobei bestimmte Nutzenwerte verschiedener Alternativen gewichtet werden.

Ausgangspunkt der Rational Choice-Theorie (nachfolgend: RC-Theorie) ist der Akteur, der handelt, um sein Bedürfnis zu befriedigen und seine Lebenssituation zu verbessern. Abgeleitet von der Bedürfnispyramide von Maslow haben sich innerhalb der RC-Theorie dabei zwei Grundbedürfnisse herauskristallisiert. Vorrangig ist den Akteuren die Erlangung von physischem Wohlbefinden und sozialer Wertschätzung[2] (Hill, 2002: 45), wobei die Art der Erlangung der Grundbedürfnisse in verschiedenen Gesellschaften auch variieren kann. Familie, Partnerschaft und Ehe mitsamt den Bedürfnissen nach Liebe, Zuneigung, Sexualität sowie finanzieller Sicherheit dient der Erlangung von Wohlergehen und Wertschätzung und können auf Grundbedürfnisse zurückgeführt werden (Hill/Kopp, 2002: 125). Diese Güter sind nicht unendlich verfügbar und werden teilweise von anderen Akteuren kontrolliert. Knappheit an Gütern entsteht, weil eine große Anzahl von Menschen um die gleichen Güter konkurriert und somit eine Differenz zwischen Bedürfnissen und den Möglichkeiten der Befriedigung entsteht.

Hintergrund der RC-Theorie bildet das RREEMM-Modell. Der Akteur wird als ein intellektuelles, phantasievolles, kreatives Wesen (resourceful, restricted, ecpecting, evaluating, maximizing man) gesehen, dessen Handeln gewissen Beschränkungen unterliegt. Zu diesen Beschränkungen gehören zum Beispiel materielle und zeitliche, aber auch gesellschaftliche Normen und Traditionen, sowie das Verhalten von Mitakteuren, zum Beispiel Familienmitgliedern (Hill/Kopp, 2002: 126). Bezogen auf die rein individuellen Präferenzen bei der Entscheidungsfindung zum Thema Familie bedeutet dies, dass, gesellschaftliche Normen in die Präferenzen „einfließen“. Viele familiäre Normen haben sich gewandelt. Rechtsnormen wie das Scheidungsrecht und die gesellschaftlichen Normen zu Themen wie Scheidung oder Lebensgemeinschaft haben sich gewandelt (Hill/Kopp, 2002: 132). Und damit haben auch die Kosten von zum Beispiel Scheidungen oder Kinderlosigkeit abgenommen, da die Reaktionen aus der Umgebung nicht mehr so ablehnend diesen Lebensmodellen oder -entscheidungen wie noch vor 30 Jahren gegenüberstehen (Hartwig, 1993: 57f).

Akteure handeln, indem sie, abhängig von ihren vorhandenen Präferenzen und aktuellen Bedürfnissen, aus einem Set von Handlungsalternativen die Handlungsalternative auswählen, die ihnen den höchsten Netto-Nutzen (entspricht der Differenz aus den subjektiv angenommenen Kosten[3] und dem erwarteten Nutzen) verspricht (Hill/Kopp, 2002: 126f). Der maximale Nutzen muss nicht immer positiv sein. Am Beispiel des Themas Scheidung hat der Akteur die Wahl zwischen dem Übel Verbleib in der schlechten Ehe und dem Übel Scheidung. Beide Handlungen sind mit hohen Kosten verbunden, zum Beispiel in dem Verlust der Kinder oder in materiellen Einbußen. Jede Handlungsalternative ist immer mit einem Nutzen und jede Handlungsentscheidung ist immer mit Kosten verbunden. Auch wenn der Akteur mit seinem Handeln den höchstmöglichen Nutzen aus seinem Handeln zu ziehen versucht, gibt es keine Handlung ohne Kosten beziehungsweise negativen Nutzen, da jede Entscheidung für auch immer eine Entscheidung gegen eine andere Handlungsalternative ist (Hill, 2002: 47). Der Nutzen aus der nächstbesten, entgangenen Handlung sind die Opportunitätskosten einer Handlung.

Eine Annahme innerhalb der RC-Theorie ist, dass der Mehrnutzen (Grenznutzen) des Gutes mit jedem zusätzlichen Konsum sinkt; den höchsten Gesamtnutzen an einem Gut hat der Akteur, wenn die Grenzkosten und der Grenznutzen gleich sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die handelnden Akteure haben drei Wege, an Güter zu kommen. Zum einen über den Kauf und zum anderen über den Tausch mit anderen Akteuren (bzw. über eine Schenkung) und zum dritten über die Subsistenzwirtschaft. Nicht frei verfügbare familiäre Güter wie Zuneigung, Liebe und Anerkennung müssen in Interaktion mit anderen Akteuren erworben werden.[4] Bestimmte Restriktionen führen zu sozialen Tauschprozessen, die Grundlage der Strukturen und Institutionen der Gesellschaft sind. Die elementarste und für alle Handelnden gültige Einschränkung bietet das Gut Zeit, da dieses immer knapp ist.[5]

Nach dem amerikanischen Ökonomen Herbert Simon zeichnet sich die RC-Theorie durch vier Kernelemente aus. Zum einen durch eine kardinale Nutzenfunktion, eine endliche Menge von alternativen Strategien, eine mit jeder Strategie verbundene Wahrscheinlichkeitsverteilung für zukünftige Szenarien sowie einer Politik der Nutzenmaximierung (Hill, 2002: 47).

Typischerweise durchläuft der Akteur drei Schritte, bis er eine Entscheidung über die Wahl seiner Handlung getroffen hat (Hill, 2002: 48). Die Wahl einer Handlung erfolgt über die Kognition einer Situation, die Evaluation der Handlungsalternativen und endet in der Selektion der Handlungsalternative.

Innerhalb der Rational Choice-Theorie lassen sich aber auch verschiedene Differenzierungen finden. Das Mode-Modell von Fazio besagt, dass, vorausgesetzt der Akteur hat genug Zeit für die Informationssuche und die Überprüfung der Alternativen, je höher die Motivation ist, je bedeutender also die Handlung und die Fehler sind, desto eher wird der Akteur überlegt handeln (Hill, 2002: 53). Die Entscheidung über Kinder ist vermutlich eine folgenreichere als über die Anschaffung eines neuen Haushaltgerätes. Eine andere Möglichkeit der Differenzierung liefert die Unterscheidung zwischen Low Cost- und High Cost-Situationen. Unter High Cost-Situationen werden subjektiv wichtige Entscheidungen, zum Beispiel familiäre Entscheidungen wie Kinder oder Heirat betreffend, verstanden. Die Risikoabwägung ist eine andere als bei einer Low Cost-Situation, die für den Akteur mit geringeren Kosten verbunden ist. Beispiel für eine Low Cost-Entscheidung ist die Wahl eines Duschgels. Je mehr die Akteure Fehler vermeiden wollen, desto vernünftiger, also rationaler agieren sie. Rational-Choice taugt hauptsächlich bei High Cost-Situationen als Erklärungsmuster (Hill, 2002: 53).

Es kann in Folge von Enttäuschungen zu einem Wechsel im Handeln von Akteuren kommen. Aus schemabasierter (weil Routinehandlung) wird bei Entscheidungen rational kalkulierende Handlung. Ursachen dieses Wechsels sind: Sättigung und Schemawechsel durch Emotionen (Hill/Kopp, 2002: 142f). Wenn Akteure so viel Liebe erhalten haben, dass sie gesättigt sind, beginnen sie sich für andere Handlungen zu interessieren. Wenn Paare sich verlieben, dann besteht eine hohe Bereitschaft viel Zeit mit dem Partner zu verbringen. Dieses Interesse ist nach einer Weile gesättigt und die Partner wenden sich wieder vermehrt anderen Bedürfnissen zu.

3. Anwendung

3.1 Fertilität

Die Entscheidung für oder gegen Elternschaft erfolgt nach einer Kosten-Nutzen-Abwägung. Nach der Rational Choice-Theorie entscheiden sich Eltern dann für ein Kind, wenn der erwartete Nutzen größer ist als die zu erwartenden Kosten. Je niedriger der Nettonutzen von Kindern ist, desto weniger Kinder wird eine Familie bekommen. Der Nettonutzen von Kindern bestimmt sich aus der Differenz zwischen den Kosten ihrer Erziehung, wozu u.a. die Kosten für Ernährung, Bekleidung und Wohnung gehören, und dem Nutzen der Kinder für die Eltern. Ein anderer wesentlicher Kostenfaktor ist der Zeitaufwand, welchen die Erziehenden für das Auf- und Erziehen von Kindern aufbringen müssen. Je höher der Nutzen (Wert) von Zeit für den Erziehenden ist, desto geringer ist das Bedürfnis nach Kindern. Der Kostenfaktor Zeit nimmt in modernen Ökonomien mittlerweile mehr als die Hälfte der Gesamtkosten der Kindererziehung in Anspruch. Die Nettokosten sinken z.B., wenn Kinder durch Arbeit zum Einkommen der Familie beitragen oder der Faktor Zeit den Erziehenden weniger wert wird. Der hohe Nutzen von Kindern sind ein Grund, warum die Fertilität in agrarischen Gesellschaften höher ist, als in modernen Gesellschaften, da Kinder dort durch Erwerbsarbeit zum Einkommen der Familie beitragen.

Mit der Entwicklung von der Agrar- zur Dienstleistungsgesellschaft wandelte sich der Nutzen von Kindern. Das Verbot von Kinderarbeit verminderte den Nutzen von Kindern, da sie nicht mehr als Einkommensquelle fungieren konnten. Auch die Einführung eines Sozialversicherungssystems für das Alter und der damit einhergehende Bedeutungsverlust der Kinder als Alterssicherung führten zu abnehmendem Nutzen. Ursachen für den Wandel des Wertes von Kindern waren vermehrte Frauenerwerbstätigkeit außerhalb der Landwirtschaft, Pflicht zur schulischen Ausbildung von Kindern sowie die abnehmende Bedeutung von religiösen Überzeugungen und damit eine veränderte Einstellung zur Fertilität (Hill, 2002: 63).

Diese Entwicklung ist nicht auf der gesamten Welt konstatierbar. Während fast alle Industrienationen wie Deutschland mit niedrigen Geburtenzahlen zu kämpfen haben,[6] haben Länder der dritten Welt aus den oben genannten Gründen eine extrem hohe Geburtenrate.

[...]


[1] Wobei „rational handeln“ das Handeln entsprechend der eigenen Präferenzen meint.

[2] In vielen ökonomischen Theorien wird alles Bedürfnisbefriedigende Gut genannt, weshalb dieser Begriff im nachhinein verwendet wird.

[3] Wobei dieser Begriff nicht nur in seinem monetären Sinn, sondern eher noch als Disnutzen interpretiert wird.

[4] Eva Illouz betont in ihrem Buch „Der Konsum der Romantik“ den zunehmenden Einfluss von Geld im Kontext des Konsums dieser Güter

[5] Dies ist allerdings relativ zu sehen, da z.B. der Wert der Zeit bei Arbeitslosen, welche vormals einer Erwerbsarbeit nachgingen, abnimmt.

[6] In Europa haben einzig Irland und Island eine Nettoreproduktionsrate von ³ 2.0, womit Bevölkerungsstabilität besteht.

Final del extracto de 27 páginas

Detalles

Título
Rational Choice und Familienpolitik
Subtítulo
Der historische Wandel der Gesellschaftsform Famile im Zusammenhang mit der Familienpolitik
Universidad
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Curso
Familienplitik
Calificación
1
Autor
Año
2004
Páginas
27
No. de catálogo
V35247
ISBN (Ebook)
9783638352239
ISBN (Libro)
9783638687294
Tamaño de fichero
471 KB
Idioma
Alemán
Notas
Diese Arbeit zeigt anhand der familienpolitisch relevanten Bereiche Fertilität, Partnerschaft/Heirat sowie Scheidung inwieweit der Gesetzgeber Politik nicht entsprechend den Präferenzen der Individuen gestaltet, sondern agiert ohne das Rational-Choice Kalkül der Akteure zu berücksichtigen.
Palabras clave
Rational, Choice, Familienpolitik, Familienplitik
Citar trabajo
Carola Felber (Autor), 2004, Rational Choice und Familienpolitik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35247

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Rational Choice und Familienpolitik



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona