Interkulturelles Bildverstehen


Hausarbeit, 2004

35 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kultur – Interkultur
2.1. Kultur, Subkulturen und Ethnozentrismus
2.2. Interkultur und interkulturelle Kompetenz
2.2.1. Interkulturelle Kompetenz im DaF-Unterricht

3. Das Medium Bild
3.1. Wahrnehmung von Bildern
3.2. Stufen der Bildverarbeitung, Modell des Bildverstehensprozesses
3.3. Bildarten
3.4. Probleme beim Verstehen von Bildern
3.4.1. Verstehensprobleme bei den Abbildern
3.4.2. Verstehensprobleme bei logischen Bildern
3.4.3. Verstehensprobleme bei Analogie-Bildern

4. Wahrnehmung: kulturell geprägt?
4.1. Perceptas und Konceptas
4.2. Kollektives Gedächtnis

5. Interkulturelles Bildverstehen
5.1. Kulturspezifisches Wahrnehmen
5.1.1. Farbwahrnehmung
5.1.2. Dreidimensionale Wahrnehmung
5.1.3. Themen, Tabuthemen
5.1.4. Leserichtung
5.2. Didaktische Vorschläge für den DaF-Unterricht

6. Zusammenfassung

7. Bibliographie

Anhang

1. Einleitung

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“ (Ludwig Wittgenstein)

Durch die rasche Entwicklung der Medien und durch die Öffnung der zwischenstaatlichen Grenzen besteht eine immer größer werdende Möglichkeit, an Ereignissen in anderen Ländern teilzunehmen. Interkulturelle Kommunikation ist einer der wichtigsten Begriffe unserer Zeit, so auch im Fremdsprachenunterricht. Denn fremde Sprachen zu beherrschen bedeutet heute nicht nur die Sprache sprechen zu können, sondern auch Weltoffenheit zu zeigen und fähig zu sein, kulturelle Unterschiede zu erkennen und zu tolerieren.

Bei der Vermittlung einer Fremdsprache spielen Medien eine sehr wichtige Rolle und Landeskunde ohne Bilder wäre unvorstellbar. Aber wie können wir beurteilen, welche Fotos oder Zeichnungen wir in den verschiedenen Kulturen verwenden können? Sind alle Bilder geeignet oder gibt es bestimmte Kriterien, die es zu beachten gilt?

In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit der Frage, ob und wie die eigene oder fremde Kultur die visuelle Wahrnehmung beeinflusst. Gibt es Unterschiede oder nehmen wir alles gleich war? Interpretieren wir eine Abbildung genauso wie ein Mensch aus einer anderen Kultur oder tun wir dies anders? Wodurch wird die Fähigkeit visueller Wahrnehmung beeinflusst? Durch die Kultur, durch die Umwelt oder durch Bildung?

Nach der Einleitung im zweiten Kapitel versuche ich einige Begriffe zum Thema Kultur/ Interkultur zu erläutern und anschließend der Frage nachgehen, welche Rolle diese Begriffe im Fremdsprachenunterricht spielen.

Im dritten Kapitel beschäftige ich mich mit dem Medium Bild und mit den Theorien visueller Wahrnehmung: wie werden Bilder wahrgenommen, welche Prozesse gibt es dabei, und welche Probleme können beim Verstehen verschiedener Bildarten entstehen?

Im vierten Kapitel versuche ich die Frage zu beantworten, wodurch überhaupt die verschiedenen Kulturen geprägt werden. Wodurch werden unsere Gedanken, Gefühlen und unser Handeln beeinflusst?

Zuletzt sollen unterschiedliche Wahrnehmungsarten in den Blickpunkt gerückt werden, wobei auf Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen eingegangen werden soll, um anhand dieser Rückschlüsse auf ihre Bedeutungen für den DaF-Unterricht zu ziehen.

2. Kultur – Interkultur

2.1. Kultur, Subkulturen und Ethnozentrismus

Kultur ist ein häufig verwendetes Wort, doch trotzdem gibt es keine einheitliche, allgemein anerkannte Definition. Kulturen lassen sich unter mehreren Blickwinkeln betrachten. Daraus ergibt sich, dass sich mehrere Wissenschaften mit diesem Phänomen befasst hatten: Die Kulturanthropologie, die sich mit der Lehre vom Menschen beschäftigt; die Sozialpsychologie, die Beziehungen zwischen Menschen, Gruppen, Völkern und Nationen untersucht; die Psychologie, die die Frage stellt, in wiefern und wie der Mensch in seinem Wahrnehmen, Denken in seinen Emotionen, Einstellungen, Wertorientierungen und Verhaltensweisen von seiner Kultur geprägt ist, die Kommunikationswissenschaft, die die Verständigung zwischen Menschen verschiedener Kulturen in der direkten persönlichen Kommunikation untersucht, und die Linguistik, die die Symbolwelt der menschlichen Sprache zu ihrem Untersuchungsgegenstand macht. (vgl. Maletzke 1996, 18ff.)

Der Begriff "Kultur" bedeutet zunächst ganz allgemein die Art und Weise, wie die Menschen ihr Leben gestalten, mitsamt den "Produkten" ihres Schaffens und Denkens.

Im Sinne der modernen Kulturanthropologie ist "Kultur" zu verstehen, als ein System von Konzepten, Einstellungen und Wertorientierungen, die sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen, als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden.

Manchmal bezeichnet man als Kultur zudem eine Gruppe, die durch eine gemeinsame Lebensweise gekennzeichnet ist.

Jede Kultur ist auf eine eigene, spezifische Weise ausgeformt und hat bestimmte Strukturmerkmale, zu denen folgende gehören:

- Nationalcharakter, Basispersönlichkeit
- Wahrnehmung
- Sprache
- Denken
- Religion
- Nonverbale Kommunikation
- Verhaltensmuster: Sitten, Normen, Rollen
- Wertorientierungen
- Soziale Gruppierungen und Beziehungen.

(vgl. Maletzke 1996, 42.)

Jeder Mensch wird durch die Kultur geprägt, in der er aufwächst und erwirbt im Verlauf der Sozialisation die für die eigene Kultur relevanten Überzeugungen und Verhaltensweisen. Dadurch entwickelt er auch -größtenteils gleichzeitig mit der Muttersprache- eine spezifische, kulturabhängige Orientierung.

Manchmal gibt es Teilgruppen einer größeren Gesellschaft (z.B. in Indien), die eine eigene Kultur aufweisen. Diese Teilgruppen werden als Subkulturen bezeichnet. Sie heben sich durch eigene subkulturspezifische Merkmale von anderen Subkulturen ab, fügen sich aber in die übergreifende Gesamtkultur ein. Heute verwendet man diesen Begriff nicht nur in Bezug auf ethnisch definierte Gruppen, sondern auch hinsichtlich anderer Untergruppen einer Großgesellschaft (z.B. Ost – Westdeutschland, Süd – Norddeutschland, Berufsgruppen).

(vgl. Maletzke 1996, 17.)

Viele Menschen betrachten die eigene Kultur als den Mittelpunkt der Welt. Diese Einstellung bezeichnet die Wissenschaft als "Ethnozentrismus". Alles, was von den eigenen Normen, Gewohnheiten und Verhaltensmustern abweicht, gilt als fragwürdig, manchmal sogar als unmoralisch. Es wird davon ausgegangen, anderen Völkern überlegen oder Vorbild zu sein. Aus diesem Überlegenheitsbewusstsein können leicht Missverständnisse entstehen. Diese Einstellung widerspricht auch dem Konzept von der Gleichheit aller Menschen. Nach dem Begriff der "Kulturrelativismus" gibt es keine höher stehenden und keine minderwertigen Kulturen; sie sind einfach unterschiedlich. (vgl. Maletzke 1996, 23ff.)

2.2. Interkultur und interkulturelle Kompetenz

Der oft falsch verwendete Begriff der Interkulktur lässt sich durch die Etymologie eindeutig beschreiben. Die lateinische Vorsilbe „inter“ bedeutet zwischen. Daraus lässt sich schließen, dass „interkulturell“ etwas ist, das sich zwischen unterschiedlichen Kulturen ereignet. Interkulturen entstehen also, „wenn Mitglieder unterschiedlicher Kulturen gemeinschaftlich handeln“, wenn Teilnehmer verschiedener Kulturen miteinander agieren bzw. kommunizieren. Kulturen sind meist Ergebnisse interkultureller Prozesse, wie z.B. Migrationen, Handelsbeziehungen und Kolonialisationen. (Bolten 2003, 18.)

Daraus folgt, dass es zwischen den Kulturen große Überlappungen gibt. Es gibt also nicht spezifische deutsche oder spanische Kulturen, sondern eine Gesellschaft von deutschen und spanischen Individuen, die eine gemeinsame Sprache und eine ähnliche Sozialisations- und Bildungswege haben, wobei die Individuen sehr untypisch sein können.

Das Verhalten in interkulturellen Situationen wird größtenteils durch Stereotype, durch vorherige Erfahrungen und auch durch die gewählte Sprache bestimmt. Interkulturelle Kompetenz hängt oft mit den eigenen Fremdheitserfahrungen zusammen.

„Die Begegnung mit der fremden Welt verläuft vor dem Hintergrund der eigenkulturell geprägten Lebenserfahrung des Lerners bzw. seiner bruchstückhaften Wissensbestände über die fremde Welt.“ (Neuner/Hunfeld 1993, 111)

2.2.1. Interkulturelle Kompetenz im DaF-Unterricht

Nach Volkmann definiert sich interkulturelle Kompetenz „über rein faktische landeskundliche Kenntnisse und sprachliche Qualifikation hinaus als differenziertes Wissen über die zum größten Teil ungeschriebenen Verhaltens- und Kommunikationsmuster der anderen Kultur.“ (Volkmann 2002, 145.)

Das Lernziel „interkulturelle Kompetenz“ soll Sensibilität dem Fremden gegenüber vermitteln, Empathiefähigkeit entwickeln, Toleranz anregen und Missverständnisse vorbeugen.

Der Lernende soll nicht nur zur Bewunderung der fremden Welt verführt werden, sondern die neue, fremde Welt soll seine Neugier wecken. Die Themen sollen an seine Lebenserfahrungen anknüpfen und er soll die eigene Kultur mit der fremden vergleichen. Da die fremde Welt überwiegend durch Medien dargeboten wird, ist es wichtig eine spezifische Verstehensdidaktik zu Seh-, Hör-, und Lesetexten zu entwickeln.

Müller schlägt folgende Lernziele zur interkulturellen Kommunikation oder Kompetenz in seinen Lehrwerken vor (vgl. Müller 1994, 96.):

a. Darstellung von interkulturellen Kommunikationssituationen zwischen Deutschen und Ausländern, wobei typische interkulturelle Kommunikationsthemen verwendet werden (z.B. Stufen 1).
b. Darstellung von Bedeutung als kulturgeformter Einheit. Wichtig sind dabei die kontrastiv dargestellten Bedeutungen (z.B. Sichtwechsel S.62-63.)
c. Darstellung von interkulturellen kommunikativen Missverständnissen (z.B. Sprachbrücken). Dabei sollten stereotype Vorstellungen und unterschiedliche Begriffsumfänge besprochen, Assoziationen zu Dingen, Handlungen und Denkweisen als kulturspezifisch erläutert, und die Beziehung zwischen Ausdruck und Sprechintention thematisiert werden. (z.B. Sichtwechsel, S. 120. „Einladung“)

3. Das Medium Bild

Das Wort „Medium“ hat lateinischen Ursprung und bedeutet im übertragenem Sinn „Öffentlichkeit“ und „Gemeinwohl“. (Faulstich 1998, 21.) Der Medienbegriff umfasst folgende Bereiche:

- in kulturphänomenologischer Sicht versteht sich Medium als ein materieller Zeichenträger,
- der kommunikationswissenschaftlicher Medienbegriff beschäftigt sich mit den Massenmedien, mit den technischen Medien und mit der Telekommunikation,
- ein pädagogisch-didaktischer Medienbegriff befasst sich mit allen Objekten, die Lehr- und Lernzwecken dienen,
- im Sinne der Kultur- und Sozialpädagogik werden auch kreative Ausdrucksformen wie Musik, Theater, usw. als Medium bezeichnet.

Ein Medium ist also ein Mittel, Instrument oder Werkzeug zur Darstellung und Verbreitung von Informationen und umfasst den Zusammenhang zwischen Inhalt, Code, Technik und Kontext. Darin und damit werden Informationen verarbeitet, gespeichert und übertragen. (vgl. Hoffmann, 2003. S. 19)

Sie sind kulturgeprägt und spiegeln, vermitteln oder bestimmen gleichzeitig die jeweilige Kultur.

3.1. Wahrnehmung von Bildern

Visuelles Wahrnehmen geschieht mit unserem Sehsinn, also mit den Augen, die als Rezeptoren das Wahrgenommene an das Gehirn weitergeben. Dieser Vorgang ist aber nicht nur ein passives Rezipieren von physikalischen Reizen, sondern ein aktiver Vorgang, der in unserem Gehirn stattfindet. Wir interpretieren, während wir etwas betrachten und rekonstruieren die Welt auf der Grundlage unserer Erfahrungen.

Zunächst entwickeln wir – ausgehend vom Bekannten – ein globales Verständnis des Dargestellten. Das geschieht in Bruchteilen von Sekunden, ohne dass wir uns dieses Vorgangs bewusst sind.

Unsere Wahrnehmung ist nach Biechele: „aktiv, subjektiv, selektiv, konstruktiv, interpretativ, vorwissensbasiert, kontextabhängig, abhängig von dem „Perceptual Set“, d.h. dem Zusammenwirken von Einstellungen, Erwartung, Aufmerksamkeit, Instruktion, kulturellem Orientierungssystem, Emotionen, Lernbiographie“. (Biechele, 1998, S. 21.)

Nach Roth ist Wahrnehmung „in erster Hinsicht das Orientieren an Umweltmerkmalen zum Zweck des Lebens und Überlebens, wobei beim Menschen und vielen anderen Tieren auch das soziale Leben und Überleben eingeschlossen ist.“ (Roth 1998, 85.)

Er behauptet auch, Wahrnehmungen immer nur Hypothesen über die Umwelt sind. (vgl. Roth 1998, 86.)

Bilder werden im Allgemeinen leicht verstanden. Wir können ein Bild schnell entziffern, weil wir schon bestimmte Vorstellungen von ihm haben. Dabei aktivieren wir bestimmte kognitive Schemata.

„Je eindeutiger von vornherein das Zusammenpassen von separaten Merkmalen ist, d.h. je mehr es einfachen Gestaltgesetzen gehorcht, oder je häufiger ein Netzwerk das Zusammengehören von Merkmalen gelernt hat, desto schneller wird das komplette Bild produziert und desto weniger Einzelmerkmale sind dazu nötig. (...) Es genügen zum Teil Bruchstücke von aktuellen Sinnesdaten, um in uns ein vollständiges Wahrnehmungsbild zu erzeugen, das dann gar nicht von den Sinnesorganen, sondern aus dem Gedächtnis stammt.“ (Roth 1998, 267.)

Diese Schemata bestehen aus Wissens- und Erfahrungsbeständen, über die wir verfügen. Diese sind individuell und kulturspezifisch, man entwickelt sie während der Sozialisation.

Sie dienen aber nicht nur zur Auswahl, Filterung und Interpretation der Informationen, sondern auch zur Speicherung und Organisation im menschlichen Gehirn. Sie steuern auch unser Handeln und sie umfassen eine Anzahl von Merkmalen und Prozessen. Wir wissen z.B. wie ein Bahnhof aussieht, wie man ein Ticket kauft, usw. (vgl. Flechsig 1998.)

Wahrnehmungsschemata nehmen die eingehende Information wahr und steuern sie.

Einige Schemata sind beim Menschen angeboren, wie z.B. der Lidreflex oder die Sprachkompetenz, andere werden durch Erfahrungen während der Sozialisation erlernt.

Schemata sind abhängig von den Kulturgemeinschaften, in denen Menschen aufwachsen. Zum einen beeinflusst die materielle Lebenswelt die Erfahrungsmöglichkeiten des Individuums, und zum anderen der historische und kulturelle Wandel. (vgl. Flechsig 1998.)

Die Verarbeitung von Wahrnehmungen ist aber auch abhängig von unserer psychischen und physischen Verfassung, von unseren Erwartungen und Zielen, und von der Art, wie die Umwelt bisher visuell erfahren wurde. Es ist also immer ein subjektiver Vorgang.

Auch Merkmale, wie Komplexität, Dynamik oder Größenverhältnisse der Bilder beeinflussen unsere Wahrnehmung und Erinnerung.

Das Verstehen von Bildern ist auch vom deklarativen und vom prozedualem Vorwissen abhängig: das Weltwissen (Was?), das Wissen über das ikonischen Zeichensystem, das Code-Wissen (Wie?) und das Wissen um das Verfahren, wie man ein Bild „liest“.

Das Code-Wissen umfasst mehrere Bereiche:

- Welche Art vom Bild wird dargestellt, was sind dessen Darstellungskonventionen?
- Welche Themen und Situationen werden dargestellt? Warum?
- Wie werden Mimik, Gestik, Persönlichkeitseigenschaften, usw. interpretiert?
- Welche piktoralen Symbole und Methapern werden benutzt?

(vgl. Biechele 1998, 22.)

Das Aufnehmen von Bildern hängt aber nicht nur von unserem Vorwissen und von unseren Erfahrungen ab, sondern auch von dem in den Bildern enthaltenen bestimmten Signalen. Diese Signale können von Kultur zu Kultur verschieden gedeutet und wahrgenommen werden.

So gibt es z. B. eine bestimmte Leserichtung von Bildern, die in verschiedenen Kulturen unterschiedlich sein kann.

3.2. Stufen der Bildverarbeitung, Modell des Bildverstehensprozesses

Bilder sind ikonische Zeichen, die ein Sender benutzt, um einem Empfänger etwas auszudrücken.

Nach dem Organonmodell von Bühler hat ein Zeichen eine Darstellungs-, Ausdrucks-, und Appelfunktion, wobei bei einem Bild die Darstellungsfunktion am meisten dominiert.

Der Vorgang der Bildwahrnehmung geschieht nach Hoffmann in drei Schritten:

- Aufmerksamkeit erlangen,
- Figuren und Muster interpretieren,
- globale Bedeutung ermitteln.

Schon in den ersten Sekunden haben wir eine grobe inhaltliche Orientierung. Darauf folgen die Auswertung der Details und die Interpretation des Geschehens. Diese sind von unseren Seherwartungen, sowie von unseren kulturellen Prägungen und Erfahrungen bestimmt. Wir werden nur das Sehen, was wir zu sehen oder zu erwarten gelernt haben.

Der Prozess des Bildverstehens verläuft immer kreisförmig, wobei unser Vorwissen die Erkundung des Bildes leitet. Durch diese Erkundung wird ausgewählt, welche Elemente des Bildes wahrgenommen werden. Dieses Wahrgenommene verändert unser Wissen, was wiederum unsere weitere Erkundung leitet. (vgl. Hoffman 2003, 118.)

Nach Ballstaedt geschieht die Bildverarbeitung in drei Stufen:

1. Präattentive Verarbeitung: eine unbewusste und unbeeinflussbare Verarbeitung durch angeborene Verarbeitungsprozeduren, wobei man Gestaltgesetze und die Mustererkennung benutzt.
2. Attentive Verarbeitung: durch sakkadische Augenbewegungen beginnt eine Detailauswertung, die durch Interessen, Vorwissen oder Aufgaben gesteuert wird.
3. Elaborative Verarbeitung: Vertiefung der attentiven Verarbeitung, hier werden Schlussfolgerungen, Assoziationen, Vorstellungen durch vorhandenes Wissen ausgelöst.

(vgl. Ballstaedt 1995, 64-65.)

Weidenmann hat ein Modell der Phasen des Bilderverstehensprozess’ entwickelt.

1. Die Begegnung mit einem Bild ist in eine bestimmte Situation eingebettet. Es ist also bereits eine bestimmte Erwartungshaltung aufgebaut.
2. Wenn wir ein Bild ansehen, aktivieren wir schnell und unbewusst unser Vorwissen, unsere Erfahrungen, unsere Schemata, und wir kommen erst zu einem Globalverständnis.
3. Wenn die dargestellten Elemente aus der fremden Kultur nicht über die vertrauten Schemata der eigenen Kultur erschließbar sind, kann es zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen kommen.
4. Aus der Zusammensetzung der Einzelwahrnehmungen entsteht dann ein genaueres Bild, aus dem sich eine genauere Bedeutung ergibt.
5. Das Bild wird gespeichert und kann nach einer längeren Zeit wieder abgerufen werden. Die Erinnerung ist umso besser, je mehr das Bild in vorhandenes Wissen eingebettet ist. (Macaire/Hosch 1996, 107f.)

3.3. Bildarten

Verschiedene Bildtypen sprechen unterschiedlich an, was aber natürlich nicht nur von den Bildern, sondern auch vom Betrachter abhängt. Sie entscheiden über die Interesse, Motivation und prägen Emotionen. Die Vielzahl der bildhaften Medienangebote macht es sinnvoll, sich ein Wissen anzueignen, um verschiedene Bilder unterscheiden, einordnen und bewerten zu können.

Man unterscheidet unterschiedliche Arten von Bildern:

a. Abbildungen,
b. Logische Bilder,
c. Analogie-Bilder.

Abbildungen haben einen engen Bezug zur Realität und zu den in der Realität vorkommenden Gegenständen und Personen.

Diese Gegenstände und Personen können in verschiedenen Bildsorten dargestellt werden:

- in Fotos,
- in Zeichnungen, Cartoons, Comics, Karikaturen,
- in Gemälden, Collagen, Prospekten, Plakaten usw.

Im Unterricht werden meistens Abbilder verwendet, weil auf ihnen die reale Welt am einfachsten zu erkennen ist. Mit Fotos werden auch zeitlich und örtlich entfernte Vorgänge zugänglich, so dass man sie gut zur Veranschaulichung nutzen kann. Sie brauchen nicht konventionalisiert sein, weil ihre Bedeutung aus dem Zeichen selbst dekodiert werden kann. Die Konventionen, wie ein bestimmtes Bild oder eine bestimmte Geste zu verstehen ist, sind kulturabhängig.

[...]

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Interkulturelles Bildverstehen
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
35
Katalognummer
V35250
ISBN (eBook)
9783638352253
Dateigröße
2872 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interkulturelles, Bildverstehen
Arbeit zitieren
Ildiko Sagi (Autor:in), 2004, Interkulturelles Bildverstehen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35250

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Titel: Interkulturelles Bildverstehen



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