Das Menschenbild des Homo oeconomicus. Kritik und Alternativen


Ausarbeitung, 2017

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Historische Entwicklung des betrachteten Menschenbildes
2.1. Thomas Hobbes
2.2. Adam Smith
2.3. Modifikation im 20. Jahrhundert

3. Der Homo oeconomicus
3.1. Charakteristika
3.2. Kritik
3.3. Alternativen

4. Fazit und kritische Würdigung

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Verhaltensgesetzte nach HOMANS

Tabelle 2:übersicht ausgewählter Menschenbilder

1. Einleitung

Im Jahr 2016 wurde das Wort postfaktisch von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gekürt.1 Allerdings ist dies kein rein deutsches Phänomen, auch das Oxford English Dictionary wählte das englische Pendant post-truth zum Wort des Jahres.2 Diese Begriffe entstanden als Reaktion des Brexits sowie des US-Wahlkampfes. In Deutschland erlangte der Begriff vor allem durch Bundeskanzlerin Angela MERKEL Bekanntheit. Diese erwähnte den Begriff erstmals nach der CDU-Wahlniederlage in Berlin am 19. September 2016: "Es heißt ja neuerdings, wir lebten in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten, sondern folgen allein den Gefühlen."3 Der Begriff stellt also eine Abkehr der vorherrschenden politischen Basis - der Vernunft - dar.4

Eine andere Frage besteht darin, ob der politische Wandel auch einen Wandel des Menschenbildes an sich darstellt. „Die Hüter des Rationalismus sind von den verschiedenen Interessensgruppen diskreditiert und haben auf das politische Geschehen offenbar keinen Einfluss mehr.“5 Sicherlich hätte ein rational agierender Akteur bei dem Brexit-Votum und der USPräsidentschaftswahl - nach reiflicher Abschätzung der Fakten - wohl eine andere Entscheidung getroffen, als es die Menschen tatsächlich getan haben. Dies führt uns zu dem rationalen Menschen - dem Homo oeconomicus.

Dabei wollen wir zunächst im zweiten Kapitel auf den Begriff Menschenbild eingehen und uns dessen Wandel zum Homo oeconomicus widmen. Dabei betrachten wir zunächst den Einfluss von Thomas HOBBES und Adam SMITH, bevor wir uns der Modifikation im 20. Jahrhundert zuwenden. Im dritten Kapitel betrachten wir das Modell des Homo oeconomicus im Detail. Dazu gehen wir zunächst auf dessen Charakteristika ein. Anschließend befassen wir uns kritisch mit diesem Modell, speziell zur Nutzung als allgemeines Menschenbild. Danach werden alternative Menschenbilder und deren Einsatzgebiete vorgestellt. Abschließend wird im letzten Kapitel ein Fazit gezogen sowie eine kritische Würdigung vorgenommen.

2. Historische Entwicklung des betrachteten Menschenbildes

Allgemein kann man den Begriff Menschenbild als eine theoretische Abstraktion,über Annah- men von Menschenüber die Natur und das Wesen des Menschen, vor allemüber seine Ziele, Motive, Intentionen, sozialen Qualitäten und Verhaltensweisen definieren.6 In der Wissenschaft ist dieser Begriff vor allem in philosophischen, psychologischen, biologischen, medizinischen, soziologischen, politischen, ökonomischen und theologischen Werken zu finden.7 Das Men- schenbild kann dabei sowohl als Idealkonzeptionüber das menschliche Wesen oder auch als Orientierungsmuster, zur Reduktion der menschlichen Komplexität, angesehen werden.8 Es be- inhaltet allerdings auch die ethische Sollvorstellungüber das menschliche Verhalten und Han- deln.9 Das Menschenbild stellt also eine Verhaltensrichtlinie für den Menschen und die Gesell- schaft dar, welches in der Wissenschaft auch als Modell - also vereinfachte Darstellung der Realität - genutzt wird, um bestimmte Sachverhalte zu verdeutlichen. Im Laufe der Geschichte hat sich das Menschenbild stark verändert. Auf die Entwicklung des betrachteten Menschen- bilds - des Homo oeconomicus - hatten im Laufe der Geschichte mehrere Personen Einfluss. Eine vollständige Abbildung aller beteiligten Personen würde den Rahmen dieser Ausarbeitung allerdings bei Weitemüberschreiten. Daher werden in den folgenden Abschnitten nur ausge- wählte Personen präsentiert, welche dieses Menschenbild prägten.

2.1. Thomas Hobbes

Der englische Mathematiker, Philosoph und Staatskritiker Thomas HOBBES (1588-1679) nimmt mit seinem Menschenbild das Prinzip des Homo oeconomicus vorweg. Im Laufe seines Lebens erlebte HOBBES eine Welt im Umbruch. In England herrscht eine teils offen ausgetragene, teils unterschwellige Krise. Soziale und politische Auseinandersetzungen entlang der religiös- konfessionellen Linie erschüttern das Land. Der schwelende Konflikt zwischen Krone und Par- lament endet schließlich im Bürgerkrieg (1642-1649).10 Dieser wird zum Schlüsselerlebnis für HOBBES und soll sein weiteres Denken nachhaltig beeinflussen. Da er sich für die Rechte des Königs einsetzte, war er 1640 dazu gezwungen ins Exil nach Frankreich zu fliehen. Hier schreibt er 1651 sein Buch Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiastical and Civil. Es ist eines der bedeutendsten Werke der westlichen politischen Philosophie und stellt die theoretische Grundlage der neuzeitlichen Politikwissenschaft dar.11 HOBBES hebt in diesem Werk die staatliche Macht - von ihm metaphorisch als das aus der Mythologie stam- mende Seeungeheuer Leviathan dargestellt - als den Garanten sozialer Ordnung hervor. „Der Naturzustand, in dem der Krieg aller gegen alle herrscht, kann von den Menschen nur durch Macht und Herrschaftüberwunden und so ein friedliches Miteinander gesichert werden.“12

Für unsere Zwecke ist vor allem das Menschenbild relevant, welches HOBBES seinen Werken zugrunde legt. Eine seiner Kernthesen, welche er in einer Widmung seines Buches De Cive no- tiert, besagt Homo homini lupus - Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.13 Dieses negative Menschenbild dürfte dabei von den Erfahrungen geprägt sein, welche HOBBES während des Bürgerkrieges erlebte. Er definiert den Menschen dabei als ein durch Eigeninteresse getriebe- nes Wesen mit dem Drang der Selbsterhaltung sowie der Vermehrung des eigenen Besitzes. Er vertritt dabei das Menschenbild des bellum omnium in omnes - also des Krieges eines jeden gegen jeden.14 Dies ist eine radikale Abkehr der bis dato vorherrschenden Meinung von ARISTOTELES, welche besagt, dass der Mensch von Natur aus gut sei.15 Allerdings stellt HOBBES Beobachtung keine allgemeine Definition des menschlichen Daseins dar: „Hobbes beschreibt damit weniger das menschliche Wesen an sich als vielmehr die „Logik der Situation“, so wie sie sich in seiner Zeit darstellt. Letztlich also die fatale Logik des Krieges: Es gilt, den Feind zu töten, bevor er einen selbst tötet.“16 Die Vorgehensweise von HOBBES stellt eine Modellierung des menschlichen Verhaltens dar. Er vernachlässigt die für die Verdeutlichung seiner These - für ihn unbedeutende - Faktoren um das vorherrschende gesellschaftliche Problem diskutierbar zu ge- stalten. Diese pragmatische Reduktion kommt auch später bei der Beschreibung des Homo oeconomicus zum Einsatz.17

2.2. Adam Smith

HOBBES formuliertes Problem der sozialen Ordnung beschäftigte die nachfolgenden Sozialphilo- sophen. Sie interessierte besonders die Frage, ob nicht auch anders alsüber den Leviathan eine soziale Ordnung möglich war. Adam SMITHS (1723-1790) Antwort auf diese Frage machte ihn zum Begründer der Nationalökonomie.18 SMITH sieht die Verbindung des rationalen Egoisten und des Gemeinwohls in der Kultivierung des Tausches. Das egoistische Interesse des Men- schen, Dinge zu wollen, welche ein anderer besitzt, soll durch die sozialen Institutionen des Marktes und Geldes durch einen gewaltfreien Tausch ermöglicht werden.19 SMITH betrachtet den Markt - von ihm auch als unsichtbare Hand bezeichnet - dabei als zentrales Steuerele- ment, welches automatisch ethisch gute und gerechte Ergebnisse hervorbringt.20

Bekannt ist vor allem SMITHS Charakterisierung der Interessenorientierung des menschlichen Verhaltens aus seinem Buch Inquiry Into the Nature and Causes of the Wealth of Nations: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brau- chen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil.“21 Diese Beschreibung beschränkt das Wesen des Men- schen - also sein komplettes Denken und Handeln - auf seinen eigenen Nutzen. Dies ist die Ge- burtsstunde des ökonomischen Menschen - des Homo oeconomicus.22 Diese Betrachtung des menschlichen Wesens wird auch als Utilitarismus bezeichnet und war vor allem im 19. Jahrhun- dert die Weltanschauung des Bürgertums. „Wer rational handelte, gewann, wer Erfolg hatte, war nützlich.“23 Es sei allerdings gesagt, dass SMITH - obwohl er als Vater des Homo oeconomi- cus gilt - diesen Begriff selbst nie verwendete. Tatsächlich sah er den Menschen nicht nur als rationalen Akteur, sondern definierte ihn in seinem Werk The Theory of Moral Sentiments vor allem als sozial orientiertes Wesen. Diese unterschiedliche Sichtweise der Motivation des menschlichen Handelns wird in der Literatur als Adam-Smith-Problem bezeichnet.24

[...]


1 Vgl. STEPHAN (2016); POSENER (2016); HEINE (2016).

2 Vgl. POSENER (2016); HEINE (2016).

3 Zitiert nach FELT/DPA (2016).

4 Vgl. STEPHAN (2016).

5 STEPHAN (2016).

6 Vgl. REICHWALD/ HESCH (1997), S. 429f.

7 Vgl. u. a. SCHIPPERGES (1982), S. 85 ff.; WUNDERER/GRUNWALD (1980), S. 76; HARTFIEL (1968).

8 Vgl. HESCH (1997), S. 6.

9 Vgl. NÖTZEL (1994), S. 655; WEIS (1993), S. 12 f.

10 Vgl. VOIGT (2015), S. 9.

11 Vgl. u. a. WALLAT (2017), S. 51; VOIGT (2016), S. 15; SUCHANEK/ KERSCHER (2007), S. 259.

12 JEDINGER (2017), S. 69.

13 Vgl. VOIGT (2016), S. 16.

14 Vgl. BRATU (2017), S. 48f.; VOIGT (2016), S. 16.

15 Vgl. SCHRÖDER (2015), S. 53.

16 SUCHANEK/ KERSCHER (2007), S. 259.

17 SUCHANEK/ KERSCHER (2007), S. 260.

18 Vgl. u. a. SCHNEIDER et al. (2017), S. 64; ROMMERSKIRCHEN (2017), S. 53; WÜHLE (2017), S. 107; BECK (2014), S. 10.

19 ROMMERSKIRCHEN (2017), S. 53.

20 Vgl. LEHMANN (2008).

21 SMITH (1993), S. 17.

22 Vgl. ROMMERSKIRCHEN (2017), S. 54.

23 KORTE (2011), S. 220.

24 Vgl. u. a. WÜHLE (2017), S. 107f.; RONGE (2015), S. 9ff.; STARBATTY (2009), S. 146f.; ORTEMBA (2009), S. 6.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Menschenbild des Homo oeconomicus. Kritik und Alternativen
Hochschule
AKAD University, ehem. AKAD Fachhochschule Stuttgart
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V352777
ISBN (eBook)
9783668390782
ISBN (Buch)
9783668390799
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Homo oeconomicus, Adam Smith, Thomas Hobbes, Homo Sociologicus, postfaktisch
Arbeit zitieren
Emanuel Ibing (Autor:in), 2017, Das Menschenbild des Homo oeconomicus. Kritik und Alternativen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352777

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