Warum gerade die Schweigespirale und ihre Kritiker?
Bei der Literatursuche zur Theorie der Schweigespirale stößt man unweigerlich auf eine Masse an Literatur, die Kritik an der Theorie von Elisabeth Noelle-Neumann übt. Das macht es einerseits schwierig eine Auswahl zu treffen, aber es sind auch Verständnisprobleme, wenn bestimmte Thesen der Theorie kritisiert werden. Es ist schwierig, weil diese Theorie über die Jahre hinweg immer weiter entwickelt worden ist und man sich erst mal einen Überblick schaffen muss, was eigentlich dazu gehört und was nicht. Gleichzeitig sind diese Schwierigkeiten aber als Chance zu sehen, eine kleine Auswahl an Kritikpunkten herauszustellen. Bei der Durchsicht der Literatur fiel vor allem ins Auge, dass die Schweigespirale in Deutschland und Amerika sehr unterschiedlich aufgenommen worden ist. Am Ende überwog der spannende Aspekt der Kontroverse um diese Theorie der öffentlichen Meinung und, dass es sich um eine Theorie handelt, die bis heute in der Kontroverse geblieben ist.
Im folgenden Text wird die Theorie dargestellt und um deutlich zu machen, warum so viel methodische Kritik zur Schweigespirale geübt worden ist, wird das Instrument, mit dem Noelle-Neumann versucht hat die Hypothese zu stützen vorgestellt: der Eisenbahntest. Zudem wird eine Darstellung des Asch-Experiments angeschlossen, weil Noelle-Neumanns Überlegungen zur Theorie und ihre Thesen zur Redebereitschaft und zum Schweigen sich auf dieses Experiment beziehen. Beide sind also wichtig, um die Kritik, die an der Theorie geübt wurde zu verstehen. Der Aspekt Kritik soll, nach einer kurzen Einführung, in den Teilbereichen „Kritik in Deutschland“ und „Kritik in den USA“ bearbeitet werden. Hier sollen einige wichtige Kritikpunkte und einen Versuch die Theorie zu überprüfen darzustellen. Das Thema wurde so gewählt, um einen Einblick über den möglichen Verlauf einer Diskussion zu Theorien zu geben und um zu verdeutlichen, dass Kritik nicht immer nur wissenschaftlicher Natur sein kann.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Theorie der Schweigespirale
2.1 Theoriedarstellung
2.2 Grundlagen und Hintergründe der Theorie- Der Eisenbahntest
2.3 Grundlagen und Hintergründe der Theorie- Das Asch-Experiment
3. Die Kritik zur Theorie der Schweigespirale
3.1 Die Kritik in Deutschland
3.2 Die Kritik in den USA
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Warum gerade die Schweigespirale und ihre Kritiker?
Bei der Literatursuche zur Theorie der Schweigespirale stößt man unweigerlich auf eine Masse an Literatur, die Kritik an der Theorie von Elisabeth Noelle-Neumann übt. Das macht es einerseits schwierig eine Auswahl zu treffen, aber es sind auch Verständnisprobleme, wenn bestimmte Thesen der Theorie kritisiert werden. Es ist schwierig, weil diese Theorie über die Jahre hinweg immer weiter entwickelt worden ist und man sich erst mal einen Überblick schaffen muss, was eigentlich dazu gehört und was nicht.[1] Gleichzeitig sind diese Schwierigkeiten aber als Chance zu sehen, eine kleine Auswahl an Kritikpunkten herauszustellen. Bei der Durchsicht der Literatur fiel vor allem ins Auge, dass die Schweigespirale in Deutschland und Amerika sehr unterschiedlich aufgenommen worden ist. Am Ende überwog der spannende Aspekt der Kontroverse um diese Theorie der öffentlichen Meinung und, dass es sich um eine Theorie handelt, die bis heute in der Kontroverse geblieben ist.
Im folgenden Text wird die Theorie dargestellt und um deutlich zu machen, warum so viel methodische Kritik zur Schweigespirale geübt worden ist, wird das Instrument, mit dem Noelle-Neumann versucht hat die Hypothese zu stützen vorgestellt: der Eisenbahntest. Zudem wird eine Darstellung des Asch-Experiments angeschlossen, weil Noelle-Neumanns Überlegungen zur Theorie und ihre Thesen zur Redebereitschaft und zum Schweigen sich auf dieses Experiment beziehen. Beide sind also wichtig, um die Kritik, die an der Theorie geübt wurde zu verstehen. Der Aspekt Kritik soll, nach einer kurzen Einführung, in den Teilbereichen „Kritik in Deutschland“ und „Kritik in den USA“ bearbeitet werden. Hier sollen einige wichtige Kritikpunkte und einen Versuch die Theorie zu überprüfen darzustellen. Das Thema wurde so gewählt, um einen Einblick über den möglichen Verlauf einer Diskussion zu Theorien zu geben und um zu verdeutlichen, dass Kritik nicht immer nur wissenschaftlicher Natur sein kann.
2. Die Theorie der Schweigespirale
Im folgenden Abschnitt sollen die Grundzüge der Theorie der Schweigespirale dargestellt werden, wie Elisabeth Noelle-Neumann sie in ihrem Buch Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung- unsere soziale Haut (1989) beschrieben hat. In den Unterkapiteln soll der Eisenbahntest, sowie das Asch-Experiment beschrieben werden, da die Theorie sich darauf stützt.
2.1 Theoriedarstellung
Die Theorie der Schweigespirale geht davon aus, dass Menschen, die eine von der öffentlichen Meinung abweichende Meinung vertreten, von ihren Mitmenschen mit Isolation bedroht werden. Menschen haben Angst sich gesellschaftlich zu isolieren und schweigen eher, als eine Meinung zu vertreten, von der sie annehmen, es handle sich um die Minderheitsmeinung. Jede Person nimmt die Meinung von anderen Personen direkt durch andere Personen oder durch die Medien wahr.(Merten/Schmidt/Weischenberg 1994: 320f) Die einzelnen Individuen sind sich ihrer Isolationsfurcht jedoch nicht bewusst, und werden durch diese ständig dazu gebracht zu überprüfen, welche Meinungen und Handlungen von der Gesellschaft akzeptiert werden und welche nicht, welche zu- und welche abnehmen. Diese Fähigkeit, die Meinung anderer Menschen wahrzunehmen, wird innerhalb der Theorie der Schweigespirale als quasi-statistischer Sinn bezeichnet.(Schmidt/ Zurstiege 2000: 100) Bei den Schätzungen der Menschen, welche Meinung gerade am stärksten vertreten wird, kann es dazu kommen, dass die Bevölkerung sich über ihre Soziale Umwelt täuscht. Dieser Aspekt wird von Noelle-Neumann als pluralistische Ignoranz bezeichnet.(Noelle-Neumann (1989: 316f) Wenn der einzelne Mensch das Gefühl hat eine Meinung zu vertreten von der er denkt, sie gehöre zur Mehrheitsmeinung, wird er bereit sein über seine Ansichten zu sprechen und seine Meinung öffentlich zu vertreten. Im Gegensatz dazu wird er, wenn er davon ausgeht, dass seine Meinung von der Mehrheit der Gesellschaft nicht akzeptiert wird, Probleme haben, seine Meinung öffentlich preiszugeben. Dieser Mensch wird seine Meinung eher vorsichtig vertreten, wenn nicht sogar ganz verstummen. (Schmidt/ Zurstiege 2000: 100f) Mit diesem Verhalten wird jedoch der Eindruck verstärkt, dass diese Meinung nur von einer Minderheit vertreten wird. Immer weniger Menschen werden sie öffentlich äußern, bis die Meinung schließlich gar nicht mehr geäußert wird. Somit wird die Meinung, die als scheinbare Mehrheitsmeinung erscheint wirklich zur Mehrheitsmeinung. (Noelle-Neumann 1989: 298 f)
2.2 Grundlagen und Hintergründe der Theorie - Der Eisenbahntest
Noelle-Neumann prüfte ihre Schweigehypothese zunächst mit demoskopischen Mitteln, zum Beispiel mit dem Eisenbahntest, im Januar 1972. Der Eisenbahntest stellt ein Feldexperiment dar, man kann also nur bedingt Einfluss auf den Ablauf des Experiments nehmen. Zunächst betraf die Befragung eine Frage der Kindererziehung, die unter Hausfrauen durchgeführt wurde. (Noelle-Neumann 1989: 33) Die Frage lautete:
„„ Hier unterhalten sich zwei Mütter, ob man ein Kind schlagen sollte, wenn es sehr ungezogen ist. Welcher von den beiden würden sie zustimmen, der oberen oder der unteren? “ Eine der in der Zeichnung dargestellten Frauen erklärt: „ Es ist grundsätzlich verkehrt, dass man ein Kind schlägt, man kann jedes Kind auch ohne Schläge erziehen. ““ (Noelle-Neumann 1989: 33)
Dazu wurde von der anderen Frau die gegensätzliche Meinung vertreten. Dieser Meinung, dass man zur Kindererziehung Schläge braucht, schlossen sich im Januar 1972 47% der Befragten an, 13% enthielten sich ihrer Meinung und 40% stimmten der ersten Aussage zu.(Noelle-Neumann 1989: 33) Danach folgte dann der Eisenbahntest: „Angenommen, Sie hätten eine fünfstündige Eisenbahnfahrt vor sich, und in ihrem Abteil ist eine Frau, die meint,...“ (Noelle-Neumann 1989: 33 f) Nun wurden unterschiedliche Texte in die Frage eingesetzt. Frauen, die angegeben hatten, sie könnten Kinder auch ohne Schläge erziehen, fragte man: „...eine Frau die meint Schläge gehören auch zur Erziehung“. Bei Frauen, die bereit waren ihr Kind zu schlagen, wenn es ungezogen war, „eine Frau, die meint: Schläge sind grundsätzlich falsch.“(Noelle-Neumann 1989: 34) Allen Frauen wurde nach der Schilderung der Situation am Schluss die gleiche Frage gestellt: „Würden Sie sich gerne mit dieser Frau unterhalten, um ihren Standpunkt näher kennen zu lernen, oder würden Sie da keinen großen Wert drauf legen? (Noelle-Neumann 1989: 34) Der Eisenbahntest wurde immer wieder mit verschiedenen Themen, zum Beispiel Politik, durchgeführt. So sollte die Hypothese Noelle-Neumanns, dass „In einer Kontroverse“ die verschiedenen Gruppierungen „unterschiedlich bereit“ sind, „sich öffentlich sichtbar für ihre Überzeugungen einzusetzen überprüft werden. Das Lager, das mehr Bekenntnisbereitschaft zeigt, wirkt stärker und beeinflusst dadurch andere, sich den offensichtlich stärkeren oder zunehmenden Bataillonen anzuschließen.“(Noelle-Neumann 1989: 34) Nun stellte sich für Noelle-Neumann die Frage, auf welche Art und Weise sie die Hypothese unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten, wie Reliabilität und Validität, überprüfen konnte. Wichtig war es, in demoskopischen Interviews Öffentlichkeit zu simulieren, und zwar so, dass die Situation messbar wurde. Das heißt, dass die Interviews alle gleich ablaufen mussten, also mit festgelegten Fragestellungen und Wortlauten und unter repräsentativen Umständen. Durch viele verschiedene Personen, die diese Befragungen durchführten, sollte verhindert werden, dass Einzelpersonen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis nahmen.(Noelle-Neumann 1989: 35f) Nun wurde also der Eisenbahntest eingesetzt, denn er erfüllte nach einem gescheiterten Versuch mit einem anderen demoskopischen Instrument, alle gestellten Anforderungen Öffentlichkeit herzustellen. Zu dieser auch hatten unbeteiligte Personen Zugang und die involvierte Person musste sich entweder zum sprechen oder zum schweigen entschließen.(Noelle-Neumann 1989: 40) Der Eisenbahntest funktionierte. Es ließ sich messen, ob die Menschen bereit waren zu sprechen oder verstummten. (Noelle-Neumann 1989: 40)
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[1] Es ist anzumerken, dass die Theorie der Schweigespirale hier nach Noelle-Neumanns Fassung von 1989 zitiert und dargestellt ist.
- Arbeit zitieren
- Anja Horstkemper (Autor:in), 2001, Die Schweigespirale und ihre Kritiker, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3528