Vom abwesenden zum involvierten Vater? Eine Diskursanalyse der Diskussionen um die Einführung des Erziehungs- und Elterngeldes


Mémoire (de fin d'études), 2015

115 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung...4
2 Männlichkeit und Vaterschaft im Wandel...9
2.1 Hegemoniale Männlichkeit...9
2.2 Männliche Herrschaft...14
2.3 Hegemoniale Männlichkeit als 'institutionalisierte Praxis' und 'generatives Prinzip'
...22
2.4 Subjekt- und diskurstheoretischer Zugang zu Männlichkeiten...27
2.5 Postfordistische Transformationen...28
2.6 Vaterschaft und Väterlichkeit...34
2.7 Zwischenfazit...41
3 Analyse des Vaterschaftsdiskurses...43
3.1 Kritische Diskursanalyse als Forschungsmethode...43
3.1.1 Materialauswahl...47
3.1.2 Diskursanalytische Vorarbeiten...50
3.2 Debatte um die Einführung des Erziehungsgeldes...55
3.2.1 Diskursstruktur in ZEIT und SPIEGEL...55
3.2.2 Feinanalyse des Artikels ,,Ich mache mein Frühstück selber"...62
3.2.3 Diskursstruktur in Eltern...71
3.2.4 Zwischenfazit...78
3.3 Debatte um die Einführung des Elterngeldes...79
3.3.1 Diskursstruktur in ZEIT und SPIEGEL...79
3.3.2 Feinanalyse des Artikels ,,Das Hoch im Norden"...87
3.3.3 Diskursstruktur in Eltern...92
3.3.4 Zwischenfazit...99
3.4 Entwicklung des Diskurses...101
2

4 Fazit und Ausblick...103
5 Literaturverzeichnis...107
6 Quellenverzeichnis...110
6.1 Diskussionen um das Erziehungsgeld...110
6.2 Diskussionen um das Elterngeld...112
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Häufigkeit der Verwendung des Terminus "neue Väter" in von Google
digitalisierten Büchern...6
Abbildung 2: Modell des subjektiven Vaterschaftskonzeptes und der sozialen Praxis von
Vaterschaft. Entnommen aus Matzner (2004): S. 438...39
3

1 Einleitung
In der vorliegenden Arbeit soll anhand der medialen Debatten um die Einführung des Erzie-
hungsgeldes 1985 und um die Einführung des Elterngeldes 2006 die Frage untersucht wer-
den, welche Bilder von Vaterschaft darin jeweils produziert werden und inwiefern sich dabei
ein diskursiver Wandel beobachten lässt. Die Analyse des Vaterschaftsdiskurses wird dabei
theoretisch eingebettet in Arbeiten zu Form und Funktion von Männlichkeit in der bürgerli-
chen Gesellschaft und in Beziehung gesetzt zum gesellschaftlichen Wandel und der tatsächli-
chen sozialen Praxis von Vätern.
Seit Entstehung der modernen kapitalistischen Gesellschaft und dem mit ihr verbundenen
Leitbild der bürgerlichen Familie unterliegt die Rolle des Vaters in dieser Konstellation einem
Wandel. Anne-Charlott Trepp konnte beispielsweise zeigen, wie sich bürgerliche Männer im
Laufe des 19. Jahrhunderts immer weiter aus der Familie zurückzogen und auch dort die in
der öffentlichen Sphäre wichtigen Verhaltensmuster kultivierten, wie emotionale Distanziert-
heit, Ernsthaftigkeit und Strenge.
1
Parallel zur Entstehung des bürgerlichen Familienmodells
und der sich durchsetzenden Trennung von öffentlicher und privater Sphäre wurde mit
großem Aufwand zunächst diskursiv die Polarisierung der Geschlechtscharaktere
2
konstru-
iert, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit der bürgerlichen Familie klassen-
und milieuübergreifend verallgemeinerte. Die Zuweisung von Frauen an den privat organi-
sierten reproduktiven Bereich und Männern an den öffentlichen Bereich von Staat und
Warenproduktion, sowie die geschlechtsspezifische Kultivierung entsprechender Eigenschaf-
ten und Fähigkeiten ist eng mit der Entwicklung der modernen kapitalistischen Gesellschafts-
form verknüpft. 1963 fasst Alexander Mitscherlich diese Entwicklung zeitdiagnostisch als
Weg zur vaterlosen Gesellschaft
3
zusammen. Während die Diskussion um abwesende Väter
bis in die Gegenwart anhält, zeichnet sich gleichzeitig eine gegenläufige Entwicklung ab:
Unter den Schlagworten neue Väter oder involvierte Vaterschaft wird an Väter zunehmend
der Anspruch gestellt, sich in familiale Sorgetätigkeiten einzubringen und dabei auch Emotio-
nen zu zeigen. Beginnt damit auf diskursiver Ebene die Auflösung der modernen Polarisie-
rung der Geschlechtscharaktere und eine neue Integration von Emotionalität und Sorge in
hegemoniale Männlichkeit? Und wäre eine solchermaßen umgestaltete Männlichkeit dann
noch mit dem Hegemoniebegriff zu fassen? In der Forschungsarbeit soll die Frage untersucht
werden, welche Veränderungen sich empirisch im massenmedialen Vaterschaftsdiskurs zwi-
schen 1985 und 2006 feststellen lassen und wie diese vor dem dargestellten Hintergrund zu
1 Vgl. Trepp (1996).
2 Vgl. Hausen (1976).
3 Vgl. Mitscherlich (1963).
4

interpretieren wären.
Dabei ist klar, dass Diskurse und soziale Praxis verschiedene Ebenen gesellschaftlicher Rea-
lität bilden. Diskurse können wesentlich beweglicher als soziale Praxis sein und dieser vor-
auseilen, wie es bei dem Leitbild bürgerliche Familie der Fall war. Auf der anderen Seite
können diskursive Deutungsmuster auch in der Praxis bereits überholt sein, während im Dis-
kurs immer noch an ihnen festgehalten wird. Allerdings sind diese Ebenen selbstverständlich
nicht unabhängig voneinander. Diskurse stellen den Subjekten das Deutungs- und Orientie-
rungswissen bereit, an dem sie ihre soziale Praxis und ihr Selbstverhältnis ausrichten. Gleich-
zeitig sind die Subjekte jedoch auch Produzent_innen
4
der Diskurse und eignen sich diese
eigenwillig an. Durch eine diachrone Analyse der Debatten 1985 und 2006 soll eine Einschät-
zung der Entwicklungsrichtung des Diskurses möglich werden, welche mit Veränderungen
auf anderen gesellschaftlichen Ebenen kontextualisiert wird. Die gewählten Zeitpunkte ver-
weisen dabei unmittelbar auf die gesellschaftliche Praxis. Das Erziehungsgeld war eine Leis-
tung, die das Elternteil erhielt, das ein Kind vorwiegend erzog. Es wurde bereits vor seiner
Einführung dafür kritisiert, dass es männliche Alleinversorger- und Hausfrauenfamilien
gegenüber anderen Familienmodellen bevorzuge und Mütter dazu motiviere, sich aus der
Erwerbsarbeit zurückzuziehen.
5
So wurde das Erziehungsgeld auch fast ausschließlich von
Frauen in Anspruch genommen. Durch die Verabschiedung des Gesetzes zum Elterngeld und
zur Elternzeit zum 1.1.2007 wurde die vorherige Regelung abgelöst. Um die Bezugsdauer
von Elterngeld von zwölf auf 14 Monate zu verlängern, muss der_die Partner_in mindestens
zwei Partnermonate in Elternzeit gehen. Damit sollten explizit Väter motiviert werden, sich
an der Kinderbetreuung zu beteiligen. Darüber hinaus bilden die beiden Ereignisse auch des-
halb einen guten Bezugsrahmen, weil Ersteres genau am Beginn des Diskurses über neue
Väter steht (siehe Abb. 1)
6
, während Letzteres gewissermaßen als Ausdruck seiner Wirksam-
keit verstanden werden kann und als Schritt zu seiner Ausweitung im Sinne eines Dispositivs.
Das Forschungsinteresse für diese Arbeit speist sich dabei auch aus persönlichen und poli-
4 In dieser Arbeit wird für eine geschlechtsneutrale Schreibweise das Gender_Gap verwendet. Im Gegensatz
zum Binnen-I sollen dabei nicht nur Frauen und Männer sprachlich sichtbar gemacht werden, sondern der
Zwischenraum soll auch Menschen einbeziehen, die nicht in die Kategorien der Zweigeschlechtlichkeit pas-
sen, wie beispielsweise inter- oder transgeschlechtliche Personen.
5 Vgl. bspw. Gutschmidt (1997).
6 Vgl.: https://books.google.com/ngrams/graph?content=%22neue+V%C3%A4ter%22&year_start=1980&yea
r_end=2008&corpus=20&smoothing=1&share=&direct_url=t1%3B%2C%22%20neue%20V--%C3%A4ter
%20%22%3B%2Cc0. Der Google Ngram Viewer durchsucht alle von Google digitalisierten Bücher nach
der eingegebenen Wortgruppe und gibt den Prozentsatz an, den sie an dem gesamten durchsuchten Textkor-
pus einnimmt. Das Tool ist aus verschiedenen Gründen für präzise wissenschaftliche Untersuchungen nur
bedingt geeignet, sprachliche Trends kann es allerdings gut abbilden. Für den Diskurs um neue Väter ist klar
zu sehen, dass 1987 das erste Buch veröffentlicht wurde, in dem dieser Begriff Verwendung fand und die
Diskussion sich in Wellenbewegungen bis Anfang der 2000er-Jahre verstärkte. Hinzuzufügen ist allerdings
noch, dass Buchveröffentlichungen Diskurse im Gegensatz zu Zeitungen und Zeitschriften meist leicht zeit-
verzögert zum Ausdruck bringen.
5

tischen Motiven. Als Mann und Vater erlebe ich tagtäglich, was es heißt, vom hierarchischen
Geschlechterverhältnis zu profitieren. Was von Müttern selbstverständlich erwartet wird,
wird bei Vätern als herausragende Leistung gelobt. Umgekehrt sind für Männer Dinge
selbstverständlich, die bei Frauen zu sozialer Ächtung führen können. Die Frage, wie sich der
Vaterschaftsdiskurs verändert, und in welchem Verhältnis dies zu Männlichkeit steht, soll
auch Hinweise darauf liefern, wie politisch in den Diskurs interveniert werden kann. Denn
wenn reproduktive Tätigkeiten an zentraler Stelle in moderne Männlichkeiten integriert wer-
den würden, könnte das einen wichtigen Beitrag zu einer geschlechtergerechteren Gesell-
schaft leisten.
Den wissenschaftlichen Ausgangspunkt der Arbeit bildet die kritische Untersuchung von
Männern und Männlichkeit, verstanden als Bestandteil einer soziologischen Geschlechterfor-
schung. In Kapitel 2 wird folglich dieser theoretische Rahmen beschrieben. Dabei geht es um
die Leitfrage, wie sich Vaterschaft und Männlichkeit in der Moderne konzeptuell erfassen las-
sen. Eine dezidierte wissenschaftliche Männlichkeitsforschung entwickelte sich erst relativ
spät und in engem Zusammenhang mit feministischer Frauen- und Geschlechterforschung.
Im angelsächsischen Raum konsolidierten sich die sogenannten men's studies im Laufe der
1980er-Jahre, während eine solche Perspektive in Deutschland erst seit Mitte der 90er-Jahre
aufgenommen wurde.
7
Insofern reproduzierten die Sozialwissenschaften lange Zeit gewisser-
maßen die diskursive Verknüpfung von Geschlechtlichkeit und Weiblichkeit im Gegensatz zu
einer geschlechtlich unmarkierten Männlichkeit als Repräsentantin des Allgemein-Menschli-
chen.
Ein für die men's studies zentrales Konzept ist das der hegemonialen Männlichkeit. Der
Begriff wurde 1985 unter anderem von der australischen Soziologin Raewyn Connell in
7 Vgl. Meuser (2010a): S. 91f.
6

einem programmatischen Aufsatz in die Diskussion eingebracht und 1995 von ihr in einem
Buch ausführlich begründet.
8
Obwohl der Ansatz von Beginn an umstritten war, entwickelte
er sich schnell zur Leitkategorie der men's studies. Nachdem in einem ersten Schritt die
grundlegenden Annahmen dieses Konzepts dargestellt werden, werden anschließend Pierre
Bourdieus Überlegungen zu männlicher Herrschaft zusammengefasst. Bourdieu bezog in den
90er-Jahren seine Schlüsselkonzepte wie Habitus und symbolische Gewalt auf das
Geschlechterverhältnis und löste damit eine breite Debatte in der Geschlechterforschung aus.
9
Im Anschluss an diese beiden Ansätze entwickelten Michael Meuser und Sylka Scholz in
engem Bezug zueinander seit Ende der 90er-Jahre ihre Konzeption von hegemonialer Männ-
lichkeit als 'institutionalisierter Praxis' und 'generativem Prinzip'. Dabei synthetisieren sie
die Überlegungen von Connell und Bourdieu und beheben einige ihrer Schwächen. Im dritten
Schritt wird diese theoretische Synthese erörtert, die den zentralen Bezugspunkt der vorlie-
genden Arbeit darstellt. In Meusers und Scholz' Ausführungen bekommen auch Diskurse als
eigene Ebene gesellschaftlicher Realität einen angemessenen Stellenwert zugewiesen, der es
ermöglicht, die Ergebnisse der Diskursanalyse in ein systematisches Verhältnis zu sozialer
Praxis zu setzen. Scholz' subjekt- und diskurstheoretischer Zugang zu Männlichkeiten wird
an dieser Stelle folglich ebenso zusammengefasst.
Auf dieser männlichkeitssoziologischen Grundlage wird sich anschließend den gesamtge-
sellschaftlichen Transformationsprozessen zugewandt, die westliche Gesellschaften seit den
1970er-Jahren erfassen und unter den Schlagwörtern Neoliberalismus oder Postfordismus
diskutiert werden. Dass die Erforschung von Männlichkeiten mit einer umfassenderen Ana-
lyse von sozialem Wandel verknüpft sein muss, ist in der Literatur weitgehend Konsens.
10
Um den gesellschaftlichen Wandel angemessen beschreiben zu können, wird auf Lars Kohl-
morgens Verknüpfung von Geschlechterforschung mit der neomarxistischen Regulationstheo-
rie zurückgegriffen.
11
In der regulationstheoretischen Terminologie werden die zentralen
Umbrüche in den verschiedenen Gesellschaftsbereichen benannt und in Beziehung zu den
Transformationen der Geschlechterordnung gesetzt. So kann eine Verbindung hergestellt wer-
den zwischen der Entwicklung der diskursiven und der gesamtgesellschaftlichen Ebene.
Damit ist eine ausreichende Basis gelegt, um den Wandel von Vaterschaft zu betrachten.
Auffällig ist, dass ,,[i]n Connells Arbeiten, aber auch in anderen Ansätzen der Männer-
forschung, [...] Vaterschaft als wesentliche Dimension individueller männlicher Erfahrungen
8 Vgl. Carrigan/Connell/Lee (1996) [englische Erstauflage 1985] und Connell (2015) [englische Erstauflage
1995].
9 Vgl. Bourdieu (1997) [französische Erstauflage 1990] und Bourdieu (2013) [französische Erstauflage 1998].
10 Vgl. beispielsweise Connell (2015): S. 37ff und Scholz (2012a): S. 14ff.
11 Vgl. Kohlmorgen (2004).
7

und Handlungen jedoch nahezu keine Bedeutung"
12
hat. Die Diagnose, Connell ignoriere
Vaterschaft in ihren Büchern zu Männlichkeit schlichtweg, ließe sich ähnlich auch für Bour-
dieu formulieren. Eine soziologische Väterforschung entwickelte sich zwar ansatzweise seit
Beginn der 90er-Jahre, allerdings nicht aus einer geschlechter-, sondern aus familiensoziolo-
gischer Perspektive.
13
Allerdings werden auch dort Männer und damit auch Väter als das
,,vernachlässigte Geschlecht in der Familienforschung"
14
bezeichnet. In der vorliegenden
Arbeit werden nach einer kurzen Beschreibung der traditionellen Rolle und Funktion von
Vätern in der bürgerlichen Familie auch hier die aktuellen Veränderungen in den Blick
genommen. Ausgehend von der Unterscheidung zwischen Väterlichkeit als alltäglicher für-
sorglicher Praxis und Vaterschaft als den sozial-rechtlichen Verantwortlichkeiten wird die
Diskursivierung von Vaterschaft seit den 1980er-Jahren, die Diskussion um neue Väter und
Formen pragmatischer Modernisierung von Vaterschaft in bestimmen sozialen Milieus
betrachtet. Abschließend wird die Rolle erörtert, die ein veränderter Vaterschaftsdiskurs für
die soziale Praxis von Vätern spielen könnte. Hierzu wird schließlich Michael Matzners
Modell des subjektiven Vaterschaftskonzeptes und der sozialen Praxis von Vätern vorge-
stellt.
15
Matzner formuliert dabei genau die Forschungsaufgabe, die in der vorliegenden
Arbeit ansatzweise versucht werden soll: ,,Eine zukünftige soziologische Väterforschung, die
auch geschlechtertheoretisch fundiert ist, könnte wichtige Erkenntnisgewinne leisten, wenn
es darum geht, Vaterschaft und Vatersein im Kontext gesellschaftlicher Verhältnisse beschrei-
ben, erklären und verstehen zu können [...]. Beispielsweise könnten Vaterbilder, -diskurse
und -rollen erforscht werden und in Bezug zum konkreten Handeln einzelner Väter gebracht
werden."
16
Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem kurzen Zwischenfazit, in dem die zentralen
Aspekte des theoretischen Rahmens der Forschungsarbeit noch einmal zusammengefasst und
die für die folgende Diskursanalyse bedeutsamen Fragen festgehalten werden. Auf dieser
Basis soll der Wandel des Vaterschaftsdiskurses nicht nur beschrieben, sondern in
Zusammenhang mit der modernen Geschlechterordnung, den gesamtgesellschaftlichen Trans-
formationen und anderen Ebenen sozialer Realität interpretiert werden.
Für die empirische Untersuchung des Vaterschaftsdiskurses wurde die Kritische Diskursana-
lyse (KDA) nach Siegfried Jäger als Forschungsmethode gewählt. In Kapitel 3.1 werden
knapp der Diskursbegriff der KDA, ihre zentralen Begriffe und ihre Vorgehensweise darge-
stellt und daran anschließend die Auswahl des empirischen Materials für die vorliegende
12 Matzner (2011): S. 228.
13 Vgl. ebd: S. 227f.
14 So der Titel eines Sonderheftes der Zeitschrift für Familienforschung. Vgl. Tölke/Hank (2005).
15 Vgl. Matzner (2011) und Matzner (2004).
16 Matzner (2011): S. 228f.
8

Untersuchung begründet. Den Materialkorpus dieser Arbeit bilden Artikel aus der ZEIT, dem
SPIEGEL und dem Familienmagazin Eltern. Vor der eigentlichen Analyse werden schließlich
noch die Ergebnisse der wenigen diskursanalytischen Arbeiten vorgestellt, die zum Thema
Vaterschaft in dem gewählten Untersuchungszeitraum existieren. Darauf aufbauend werden
die bereits formulierten Forschungsfragen dieser Arbeit noch einmal aufgegriffen und präzi-
siert.
Bei der Diskursanalyse selbst wird zuerst die synchrone Dimension des Diskurses um die
Einführung des Erziehungsgeldes dargestellt und anschließend die um die Einführung des
Elterngeldes. Dabei wird jeweils zuerst die Struktur des Diskurses in der ZEIT und im
SPIEGEL ausgewertet und mit der Analyse eines für die Debatte typischen Artikels ergänzt.
Da-rauf folgt die Zusammenfassung der Diskursstruktur in der Eltern und ein Zwischenfazit,
in dem die untersuchten Medien in synchroner Dimension verglichen werden. Abgeschlossen
wird das Kapitel mit einer Betrachtung der diachronen Entwicklung des Vaterschaftsdiskur-
ses. Dabei werden die Veränderungen des Diskurses innerhalb der Eltern und in ZEIT und
SPIEGEL über die Zeit sich gegenübergestellt.
In Kapitel 4 werden schließlich ein Gesamtfazit aus der Arbeit gezogen, aufgetretene Pro-
bleme und Schwierigkeiten reflektiert sowie sich aus der Analyse ergebende Anschlussfrage-
stellungen festgehalten.
2 Männlichkeit und Vaterschaft im Wandel
2.1 Hegemoniale Männlichkeit
Connells Konzept der hegemonialen Männlichkeit ist eher eine spezifische Forschungsper-
spektive auf Männlichkeit(en) als eine systematische Theorie. In ihrem meistzitierten Werk
Der gemachte Mann entwickelt sie diese Perspektive aus der kritischen Auseinandersetzung
mit psychoanalytischen Forschungen zu Männlichkeit und der sozialwissenschaftlichen
Geschlechtsrollentheorie. Ausgangspunkt für Connells Überlegungen waren Auseinanderset-
zungen mit dem Feminismus in den Geisteswissenschaften, die seit Ende der 1970er-Jahre
eine Erforschung der ,,Geschichte der Männer" nach sich zogen. Das wichtigste Element die-
ser neuen Herangehensweise sind für die Autorin ,,der geschichtliche und ethnographische
Nachweis von der Vielfältigkeit und Veränderbarkeit von Männlichkeit."
17
Dass hegemoniale
Männlichkeit sich trotz ihrer begrifflichen Unschärfe und zahlreicher Kritiken schnell zu
einer Leitkategorie der men's studies entwickeln konnte, hängt genau damit zusammen: Im
Gegensatz zu den verschiedenen mit ihr konkurrierenden Patriarchatstheorien wurde von ihr
ein ,,Weg aufgezeigt, wie man eine Vielzahl von Männlichkeiten wahrnehmen und zugleich
17 Connell (2015): S. 75.
9

eine Struktur von Geschlechterungleichheiten erkennen kann."
18
Dabei ist der Ansatz grundsätzlich relational und praxeologisch orientiert. Connell definiert
Männlichkeit als ,,eine Position im Geschlechterverhältnis; die Praktiken, durch die Männer
und Frauen diese Position einnehmen und die Auswirkungen dieser Praktiken auf die körper-
liche Erfahrung, auf Persönlichkeit und Kultur."
19
Männlichkeit wird also in sozialer Praxis
hergestellt, bzw. ist eine bestimmte Konfiguration von Praxis, und steht im Verhältnis zu
Weiblichkeit. Connell wendet sich sowohl gegen biologistische Auffassungen, die Geschlecht
unmittelbar aus der Natur ableiten, als auch gegen poststrukturalistische Ansätze, die den
materiellen Körper hinter reinen Bezeichnungen auflösen. Die Körper sind für die Autorin als
Oberfläche, in die das Soziale eingeschrieben wird, weder leer noch unveränderlich. Dement-
sprechend muss ihr zufolge der Körperlichkeit selbst eine Bedeutung zugemessen, ,,eine nicht
reduzierbare körperliche Dimension von Erfahrung und Praxis"
20
berücksichtigt werden. Sie
versucht Geschlecht folglich als ein Zusammenspiel von Körper und sozialen Prozessen zu
fassen:
,,Das männliche Geschlecht bedeutet unter anderem ein bestimmtes Hautgefühl, bestimmte For-
men und Spannungen der Muskeln, bestimmte Körperhaltungen und Bewegungen, bestimmte
Möglichkeiten beim Sex. Körperliche Erfahrungen stehen oft im Vordergrund, wenn wir uns an
unser bisheriges Leben erinnern, und bestimmt [sic!] somit auch unser Bewusstsein, wer oder was
wir sind."
21
Körper werden also nicht als bloße Objekte verstanden, sondern ihre Mitwirkung im Sinne
von agency an sozialen Prozessen hervorgehoben. Den Zusammenhang von körperlicher
Erfahrung mit sozialem Geschehen fasst Connell mit dem Begriff der körperreflexiven Pra-
xen. Körperliche Erfahrungen können soziale Auswirkungen haben, die wiederum zu verän-
derter körperbezogener Praxis führen. Ausgeführt wird dies vor allem an sportlichen und
sexuellen Aktivitäten.
22
Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass Connell körperreflexive Praxen
als ontoformativ begreift: Sie formen Strukturen, die dauerhaft und beständig sind. In diesem
Sinne begreift sie Männlichkeit und Weiblichkeit als ,,Konfigurationen von Geschlechterpra-
xis"
23
Um nun die Struktur von Geschlecht erfassen zu können schlägt Connell ein dreidimensio-
nales Modell vor. Die erste Dimension sind Machtbeziehungen: In der westlichen Geschlech-
terordnung sei die allgegenwärtige Unterordnung von Frauen und die Dominanz von
Männern die wichtigste Achse der Macht, die trotz zahlreicher Ausnahmen und Widerstände
Allgemeingültigkeit besitze. Obwohl Männlichkeit eine doppelte Dominanzlogik aufweist ­
18 Ebd.: S. 22.
19 Ebd.: S. 124.
20 Ebd.: S. 102.
21 Ebd.: S. 104.
22 Vgl. ebd.: S. 111.
23 Ebd.: S. 125.
10

homosozial gegenüber anderen Männern und heterosozial gegenüber Frauen ­ ist für die
Autorin folglich die heterosoziale Dominanz zentral. Den zweiten Aspekt stellen Produkti-
onsbeziehungen und hier vor allem die geschlechtliche Arbeitsteilung dar. Durch die Arbeits-
teilung zwischen Männern und Frauen sind nicht nur die Löhne, sondern in Folge eines
geschlechtsbezogenen Akkumulationsprozesses auch das Kapital ungleich verteilt. Die dritte
Dimension von Geschlecht nennt Connell im Anschluss an die Psychologie emotionale Bin-
dungsstruktur, bzw. Kathexis. Damit sind die Praktiken gemeint, die das Begehren formen
und realisieren; dabei geht es vor allem um den Zusammenhang von Heterosexualität und
männlicher Dominanz.
24
In späteren Arbeiten fügt sie diesen noch eine vierte, symbolische
Dimension hinzu, mit der diskursive Zuschreibungen und Bedeutungen erfasst werden sol-
len.
25
Connell geht von einer Verknüpfung von Geschlecht mit anderen Kategorien sozialer
Ungleichheit aus, wie race
26
, Klasse, Nationalität oder Ähnlichem. Aber auch innerhalb die-
ser Kategorien existieren ihr zufolge verschiedene Formen von Männlichkeit. Um diese ver-
schiedenen Männlichkeiten verstehen zu können, müssen sie in Bezug zueinander betrachtet
werden. Dabei unterscheidet sie vier Hauptformen von Männlichkeit in der gegenwärtigen
westlichen Geschlechterordnung: Hegemonie, Komplizenschaft, Unterordnung und Margina-
lisierung.
Nach Connell wird zu jeder Zeit ,,eine Form von Männlichkeit im Gegensatz zu den anderen
kulturell herausgehoben. Hegemoniale Männlichkeit kann man als jene Konfiguration
geschlechtsbezogener Praxis definieren, welche die momentan akzeptierte Antwort auf das
Legitimitätsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die
Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll)." Sie ist ,,jene Form von
Männlichkeit, die in einer gegebenen Struktur des Geschlechterverhältnisses die bestim-
mende Position einnimmt"
27
. Diese Definition enthält verschiedene Aspekte: Der Hegemo-
niebegriff verweist auf den italienischen Marxisten Antonio Gramsci, der damit einen moder-
nen Typus von Herrschaft beschrieb, ,,der im Wesentlichen auf der Fähigkeit basiert, eigene
Interessen als gesellschaftliche Allgemeininteressen zu definieren und durchzusetzen. Dies
geschieht in der Regel nicht mit offenem Zwang, sondern über Kompromisse und gesell-
24 Vgl. ebd.: S. 127f.
25 Vgl. Connell (1998).
26 In der deutschen Übersetzung des Buches wurde der Begriff race im Original unkommentiert mit ,,Rasse"
übersetzt. Eine solche Übersetzung wird von verschiedenen Seiten kritisiert, weil der Begriff im englisch-
sprachigen Raum durch die politische und theoretische Aneignung von People of Colour einen Bedeutungs-
wandel erfahren hat. Im Deutschen verweist er jedoch weiterhin in erster Linie auf nationalsozialistische
Rassenideologien. Von anderen Institutionen wird auch die Verwendung des Begriffs in anderen Sprachen
aufgrund seiner belasteten Geschichte abgelehnt. Um diese Problematik deutlich zu machen, wird in dieser
Arbeit ausschließlich der Begriff race kursiv gesetzt verwendet. Vgl. Küppers (2014) und Cremer (2009).
27 Beide Zitate: Connell (2015): S. 130.
11

schaftliche Konsense im Sinne allseits geteilter Auffassungen"
28
. Hegemoniale Männlichkeit
beruht folglich auf dem Einverständnis von Frauen und untergeordneten Männern mit ihrer
Position. Außerdem betont Connell den dynamischen Charakter von Hegemonie. Die bestim-
mende Position ist umkämpft und historisch beweglich, sie verkörpert die derzeit akzeptierte
Strategie, die ihre kulturelle Legitimation auch wieder verlieren kann. Auch die doppelte,
homo- und heterosoziale Logik hegemonialer Männlichkeit wird zum Ausdruck gebracht: Sie
ist im Gegensatz zu den anderen Männlichkeiten kulturell herausgehoben und gewährleistet
die Dominanz der Männer über Frauen.
Mit dem Konzept der hegemonialen Männlichkeit lässt sich die Tatsache fassen, dass nur
wenige Männer dem normativen Ideal von Männlichkeit entsprechen. Auch die Männer, die
diese Norm nicht verkörpern, haben jedoch an der patriarchalen Dividende teil, an dem all-
gemeinen Vorteil, der Männern aus der Unterdrückung von Frauen erwächst. Solche Formen
von Männlichkeit, die nicht aktiv für das Fortbestehen des Patriarchats kämpfen, aber von
ihm profitieren, bezeichnet Connell als komplizenhaft. Daneben nennt sie noch untergeord-
nete und marginalisierte Männlichkeitsformen. Untergeordnet sind vor allem schwule Männ-
lichkeiten, aber auch andere, die symbolisch in die Nähe von Weiblichkeit gerückt werden
und so am unteren Ende der männlichen Geschlechterhierarchie stehen. Marginalisierte
Männlichkeit entsteht hingegen durch die Interaktion von Geschlecht mit weiteren Dimensio-
nen sozialer Ungleichheit. Beschrieben werden dabei Beziehungen zwischen Männern domi-
nanter und untergeordneter Klassen oder ethnischer Gruppen.
29
Die vier Hauptformen von Männlichkeit werden von Connell jedoch eher anhand von weni-
gen Beispielen skizziert als konzeptuell entwickelt. So kritisiert Michael Meuser die begriffli-
che Unklarheit dieser Ausführungen. Untergeordnet seien all diese nicht-hegemonialen
Männlichkeiten und marginalisiert ,,eher die homosexuelle Männlichkeit als diejenige der
Arbeiterklasse, welche sich im Sinne Connells durchaus als 'komplizenhaft' verstehen
ließe."
30
Nichtsdestotrotz hat Connell mit ihrem Ansatz den Grundstein gelegt, um verschie-
dene Formen von Männlichkeit in ihrem Zusammenhang untereinander und zu Weiblichkeit
sowie ihren historischen Wandel zu untersuchen. Ihren Ansatz hat sie über die letzten zwan-
zig Jahre weiterentwickelt, auf Kritiken reagiert und vor dem Hintergrund der fortschreiten-
den Globalisierung aktualisiert.
An dieser Stelle ist noch herauszustellen, dass Connell mehrfach auf die Bedeutung von
Institutionen und Diskursen verweist. Ihre Konzeption von Männlichkeit ist vor allem auf
Praxis orientiert, diese wird jedoch immer im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen
28 Brand/Scherer (2003): S. 92.
29 Vgl. Connell (2015): S. 131ff.
30 Meuser (2006a): S. 165.
12

Ebenen gedacht. Sie begreift ,,Männlichkeit als ein Aspekt umfassender sozialer Strukturen
und Prozesse"
31
. So betont sie auch die Bedeutung familialer Arbeitsteilung für die Konstitu-
tion von Männlichkeit: Dass die Pflege von Kindern in der modernen Gesellschaft Frauenar-
beit ist, muss für deren Persönlichkeitsentwicklung berücksichtigt werden.
32
Die verschiede-
nen Komponenten der Familie sollten einzeln betrachtet werden: ,,Kinderversorgung,
Erwerbsarbeit, Sexualität, Arbeitsteilung und so weiter. Veränderungen der einzelnen Kom-
ponenten werden ungleichzeitig stattfinden und Spannungen auslösen, die auch Männlichkeit
und Weiblichkeit betreffen."
33
Die Verknüpfung von ungleichzeitigen Veränderungen mit
Spannungen im Geschlechterverhältnis kann als empirisch gesichert gelten, wie weiter unten
noch zu zeigen sein wird.
Vor dem Hintergrund dieses Postulats erstaunt es jedoch, dass Vaterschaft und Väterlichkeit
für Connells Männlichkeitskonzeption de facto keine Bedeutung haben. Lediglich in ihrer
empirischen Untersuchung verschiedener Männergruppen tauchen Väter am Rande als
Thema auf, jedoch ohne Vaterschaft irgendeinen systematischen Stellenwert zuzuweisen.
34
Dass jedoch der Ausschluss von sorgenden Tätigkeiten ein zentrales Merkmal hegemonialer
Männlichkeit ist, ist auch Connell bewusst. Für eine Dekonstruktion und Neugestaltung von
Männlichkeit bedarf es ihr zufolge einer neuen
,,Verkörperlichung (re-embodiment) für Männer, einer Suche nach einer neuen Art des Empfin-
dens, Gebrauchens und Präsentierens von männlichen Körpern. Diese Verkörperlichung spielt
zum Beispiel eine Rolle, wenn Männer sich an der Pflege der Säuglinge und Kleinkinder beteili-
gen [...]. Kinderpflege ist sehr taktil, vom Füttern über das Windelwechseln bis zum In-den-
Schlaf-Wiegen. Um sich auf diese Erfahrung einzulassen, müssen männliche Körper andere
Fähigkeiten entwickeln als im Krieg, beim Sport, oder der Fabrikarbeit gefragt sind. Man muss
auch andere Genussfähigkeiten ausbilden. Ich bin fasziniert von Postkarten, Postern oder sogar
Rockvideos, die Babys knuddelnde Männer zeigen; Bilder, die sehr stark das dabei empfundene
sinnliche Vergnügen ausdrücken."
35
Auffällig ist einerseits, dass diese Beschreibung nicht explizit zu Vaterschaft ins Verhältnis
gesetzt wird. Andererseits scheint in dem Zitat auch die Relevanz medialer Diskurse für die
Konstitution von Männlichkeit auf. Auch wenn sich Connell grundsätzlich gegen poststruktu-
ralistische Ansätze wendet, die soziale Materialität vollständig in Diskursen auflösen wollen,
ist die symbolische Dimension auch für ihren praxeologischen Ansatz wichtig. Schon der
Hegemoniebegriff verweist fundamental auf diese Ebene, denn eine kulturelle Vormachtstel-
lung und die Zustimmung untergeordneter Gruppen zu ihrer Position kann in modernen
31 Connell (2015): S. 87.
32 Vgl. ebd.: S. 67.
33 Ebd.: S. 77.
34 Dort werden Väter vor allem in ihrer Bedeutung als Identifikationsfiguren für Jungen erwähnt. Vgl. ebd.:
S. 153, 168 und 181f. An einer Stelle geht es auch um eigene Vaterschaft der untersuchten Männer: Themati-
siert wird die Unstimmigkeit zwischen der Furcht vor Bindung und einer praktischen Bereitschaft, nach ei-
ner Familiengründung die Betreuung eines Kindes zu übernehmen. Vgl. ebd.: S. 167.
35 Ebd.: S. 302, Hervorhebung im Original.
13

Gesellschaften nur vermittelt über massenmediale Diskurse erreicht werden. Insofern stehen
soziale Praxis und Diskurse auch für Connell in einem Wechselverhältnis.
36
2.2 Männliche Herrschaft
Pierre Bourdieu legte 1990 den Aufsatz Die männliche Herrschaft vor, der die Grundlage für
das 1998 erschienene gleichnamige Buch darstellt. Dabei sind seine Ausgangspunkte ähnlich
wie die von Connell, auch er ist praxeologisch ausgerichtet, geht von einer homo- und hetero-
sozialen Dominanzlogik von Männlichkeit aus und fragt nach der Herstellung von Zustim-
mung der Beherrschten zu ihrer Lage. Allerdings fokussiert Bourdieu stärker das Wie der
Reproduktion der männlichen Herrschaft. Hierzu greift er auf seine in früheren Arbeiten ent-
wickelten Kategorien zurück.
Die Grundlage der Beschreibung der männlichen Herrschaft bilden seine ethnologischen
Forschungen zur kabylischen Berbergesellschaft in Algerien, deren Geschlechterordnung und
Mythologie er als ein vergrößertes Bild der heutigen westlichen kognitiven und sozialen
Strukturen begreift.
37
Bourdieu geht von einer ,,kulturellen Einheit der mediterranen Gesell-
schaften" aus und von der ,,Zugehörigkeit der traditionellen europäischen Kultur zu diesem
Kulturraum."
38
Insofern beschreibt er die Grundlagen der kabylischen Geschlechterordnung
und zeigt das gebrochene Fortleben dieser androzentrischen Weltsicht in der westlichen
Moderne auf. Die ethnologische Beschreibung wird folglich verstanden als ,,Werkzeug einer
historischen Archäologie des Unbewussten [...], das zwar ursprünglich in einem ganz alten
und archaischen Zustand unserer Gesellschaften konstruiert wurde, das aber gleichwohl in
jedem von uns, Mann oder Frau, präsent ist."
39
Der Geschlechterunterschied sei eine Institu-
tion, ,,die seit Jahrtausenden in die Objektivität der sozialen Strukturen und in die Subjektivi-
tät der mentalen Strukturen eingeschrieben ist."
40
Dieser Zusammenhang zwischen Objektivi-
tät und Subjektivität, die Überwindung des Dualismus von Struktur und Handlung oder Indi-
viduum und Gesellschaft, ist ein Hauptanliegen des Werkes, wie auch allgemein Bourdieus
Theorie der Praxis.
In der kabylischen Gesellschaft sind die Geschlechtsunterschiede Bourdieu zufolge in ein
den ganzen Kosmos organisierendes System von Gegensätzen eingebettet, die allesamt
männlich/weiblich konnotiert sind. Diese Gegensätze, die sich auf alle Gegenstände und
Aktivitäten beziehen, erlangen subjektive und objektive Notwendigkeit, indem sie in dieses
System homologer Gegensätze eingebunden sind, wie hoch/tief, oben/unten, vorne/hinten,
36 Vgl. Connell (2013): S. 105ff.
37 Vgl. Bourdieu (2005): S. 14ff.
38 Bourdieu (1997): S. 157.
39 Bourdieu (2005): S. 97.
40 Bourdieu (1997): S. 153.
14

gerade/krumm draußen/drinnen etc. Die Gegensatzpaare sind homolog, weil sie bezüglich
ihres jeweiligen Unterschiedes einander ähnlich sind.
41
Dabei sind diese symbolischen Denk-
schemata nicht unabhängig von ihren materiellen Bezugspunkten; sie ,,registrieren als Natur-
unterschiede, die der Objektivität eingezeichnet sind, Unterschiede und Unterscheidungs-
merkmale (z.B. in körperlicher Hinsicht), zu deren Existenz sie beitragen, und die sie
zugleich 'naturalisieren', indem sie sie in ein System scheinbar ebenso natürlicher Unter-
schiede einordnen."
42
Wie bei Connell spielt auch für Bourdieu der materielle Körper eine
wichtige Rolle, er ist Ausgangspunkt und Objekt der Einteilungen. Da die geschlechtliche
Einteilung in alle Gegenstände, die ganze soziale Welt und in die Körper eingeschrieben
wird, wird sie permanent von der scheinbaren Natur der Dinge bestätigt. In dieser Form funk-
tioniert die soziale Ordnung wie ,,eine gigantische symbolische Maschine zur Ratifizierung
der männlichen Herrschaft, auf der sie gründet:"
43
Die strikte geschlechtliche Arbeitsteilung,
die Struktur des Raumes, der nach öffentlich und privat geteilt ist, und die Struktur der Zeit,
die nach männlicher Zeugung und weiblicher Pflege geordnet ist, sind alle nach dieser Unter-
scheidung organisiert. Auch der Körper wird gesellschaftlich als geschlechtliche Tatsache
konstruiert, der selbst die vergeschlechtlichten Interpretations-, und Einteilungsprinzipien
aufbewahrt. So wird ein soziales Programm als verkörperte Wahrnehmung inkorporiert und
der biologische Geschlechtsunterschied erscheint als natürliche Rechtfertigung für den sozia-
len Unterschied. Es entsteht eine zirkelhafte Kausalbeziehung, die der männlichen Herrschaft
allgemeine Evidenz verleiht, weil diese in die objektiven Einteilungen der Welt und in die
subjektive Wahrnehmung der Welt eingeschrieben ist.
44
Diese Evidenz, die die Herrschaft
legitimiert und aus der Übereinstimmung der objektiven mit den kognitiven Strukturen resul-
tiert, nennt Bourdieu im Anschluss an Husserl natürliche Einstellung oder doxische Erfah-
rung.
45
Den Prozess der Einprägung der Teilungsprinzipien in die Körper bezeichnet Bourdieu als
Inkorporation von Herrschaft, bzw. als Somatisierung der gesellschaftlichen Herrschaftsver-
hältnisse, der eines enormen kollektiven Sozialisationsaufwandes bedarf. In einer symboli-
schen Konstruktionsarbeit werden mithilfe perfomativer Operationen des Benennens einer-
seits die Vorstellungen strukturiert und andererseits in praktischer Konstruktionsarbeit dem
Körper seine legitimen Gebrauchsweisen aufgezwungen. Diese Arbeit vollendet sich schließ-
lich in der dauerhaften Transformation des Körpers und des Geistes, dem Habitus als System
41 Vgl. Bourdieu (2005): S. 18.
42 Ebd.: S. 19.
43 Ebd.: S. 21.
44 Vgl. ebd.: S. 22f.
45 Vgl. ebd.: S. 20.
15

dauerhafter Dispositionen von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata.
46
Allerdings
wird der geschlechtliche Habitus größtenteils nicht durch explizit pädagogische Handlungen
gebildet, sondern entsteht in erster Linie als subjektloser Effekt der physischen und sozialen
Ordnung. Durch die impliziten Forderungen in den Routinen der Arbeitsteilung und den Wie-
derholungen der kollektiven oder privaten Rituale wird die androzentrische Ordnung in die
Körper eingeschliffen.
47
Darüber hinaus nennt Bourdieu noch verschiedene Übergangs-, bzw.
Einsetzungsriten, die den Geschlechtsunterschied manifestieren, indem sie Jungen in einen
bestimmten Status heben, von dem Frauen ausgeschlossen sind, weil sie ihm gesellschaftlich
nicht für würdig gelten. Diese Riten reihen sich Bourdieu zufolge ein in eine Abfolge von
Unterscheidungsoperationen, deren Zweck es ist, die geschlechtlichen Merkmale der Körper
hervorzuheben und sie zu den ihnen entsprechenden Praktiken anzuhalten, bzw. die unpas-
senden des anderen Geschlechts zu verbieten.
48
So werden die antagonistischen männlichen
und weiblichen Prinzipien in Form dauerhafter Formen der Körperhaltung (hexis) und des
Verhaltens somatisiert, in denen sich die gesamte Ethik, Politik und Kosmologie der
Kabyl_innen ausdrückt. Die gefügigen weiblichen Haltungen der kabylischen Gesellschaft
seien dabei nur die Extremform dessen, wozu bis heute Frauen in der westlichen Moderne
angehalten werden.
49
Auch das System der grundlegenden Gegensätze habe sich trotz Verän-
derungen über die tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungen hinweg erhalten: Die
,,Trennung zwischen männlich und weiblich [hat] ihr organisierendes Zentrum weiterhin an
dem Gegensatz zwischen dem Inneren und dem Äußeren, zwischen dem Haus, mit der Auf-
zucht der Kinder, und der Arbeit."
50
Die für die gesellschaftliche Ordnung konstitutiven Herr-
schaftsverhältnisse prägen sich also in zwei komplementäre Klassen von Habitus ein, in die
Körperhaltungen, Wahrnehmungs- und Einteilungsprinzipien. Infolgedessen lassen sich alle
Gegenstände und Praktiken nach männlich/weiblich klassifizieren.
Die Form, in der die männliche Herrschaft den Subjekten aufgezwungen wird und die zur
Folge hat, dass die Beherrschten dieser Herrschaft zustimmen, nennt Bourdieu symbolische
Gewalt. Das ist ,,jene sanfte, für ihre Opfer unmerkliche, unsichtbare Gewalt, die im wesent-
lichen über die rein symbolischen Wege der Kommunikation und des Erkennens, oder
genauer des Verkennens, des Anerkennens oder, äußerstenfalls, des Gefühls ausgeübt wird."
51
Auch Frauen wenden auf alle Dinge und auch auf die Machtverhältnisse, in denen sie sich
befinden, genau die Denkschemata an, die Produkt der Inkorporierung dieser Machtverhält-
46 Vgl. ebd.: S. 43ff.
47 Vgl. ebd.: S. 46.
48 Vgl. ebd.: S. 47f.
49 Vgl. ebd.: S. 52f.
50 Bourdieu (1997): S. 185
51 Bourdieu (2005): S. 8.
16

nisse sind. Folglich werden ihre Erkenntnisakte gleichzeitig zu Akten der praktischen Aner-
kennung der Herrschaft, einer doxischen Übereinstimmung, die unbewusst ist, und gleichzei-
tig die symbolische Gewalt herstellt, der sie unterliegt.
52
Symbolische Herrschaft kann nach
Bourdieu nur verstanden werden jenseits der Alternative von unmittelbarem Zwang oder
freier Zustimmung. Sie funktioniert über eine Zustimmung, die die Beherrschten nicht zu
geben gar nicht imstande sind, weil ihr soziales Sein, ihre Wahrnehmungs- und Bewertungs-
schemata eben Produkt der Einverleibung der Herrschaft sind.
53
Möglichkeitsbedingung die-
ser Form von Herrschaft ist die enorme vorgängige Arbeit der Transformation der Körper und
Herstellung der Dispositionen. Weil die Denk- und Handlungsschemata in den Körper einge-
schrieben sind, entziehen sie sich auch dem Zugriff durch das Bewusstsein. So nehmen die
Akte der Anerkennung der Herrschaft häufig die Form von Leidenschaften, Gefühlen oder
körperlichen Emotionen an, die sich in Interaktionen unwillkürlich einstellen: Der Körper
wird zum Komplizen der Herrschaft, der sich dem Willen und dem Bewusstsein entzieht.
Entsprechend können diese dauerhaften Neigungen des sozialisierten Körpers den Untergang
ihrer gesellschaftlichen Produktionsbedingungen überleben und beispielsweise einen Selbst-
ausschluss aus formal für Frauen geöffneten Bereichen nach sich ziehen.
54
Die sozialisierte
körperliche Neigung, eine solche Identität zu verwirklichen, die der gesellschaftlich zuge-
sprochenen Position entspricht, nennt Bourdieu amor fati, Liebe zum Schicksal.
55
Entspre-
chend postuliert er, dass das Fortbestehen oder die Veränderung der männlichen Herrschaft
vor allem davon abhänge, die Strukturen der Produktion der Dispositionen zu verändern.
56
Auf der anderen Seite muss auch den Männern ein entsprechender Habitus vermittelt wer-
den, der sie dazu in die Lage versetzt, die ihnen ausersehene herrschende Position einzuneh-
men. Zentrales Element dieses männlichen Habitus ist für Bourdieu die libido dominandi ­
die Lust daran, andere zu dominieren. Diese wirkt, einmal erlernt, ebenso als amor fati.
57
Die
libido dominandi lernen Männer durch ihre Teilnahme an ernsten Spielen wie Krieg oder
Politik, bzw. heute eher Sport, Wirtschaft und Wissenschaft. Diese ernsten Spiele werden in
der Öffentlichkeit gespielt und Frauen sind von ihnen ausgeschlossen. Dabei lernen Männer
die Ur-illusio der Männlichkeit, den Sinn für Ehre, bzw. point d'honneur. Dieser Sinn für
Ehre ist die Basis für alle Verpflichtungen, die Männer gegen sich selbst verspüren, und der
sie die gesellschaftlichen Spiele ernst nehmen lässt. Er treibt Männer dazu, miteinander zu
rivalisieren. Auf ihm beruht die libido dominandi und die illusio, die bewirkt, dass sich
52 Vgl. ebd.: S. 63f.
53 Vgl. ebd.: S. 66.
54 Vgl. ebd.: S. 72f.
55 Vgl. Bourdieu (1997): S. 173.
56 Vgl. Bourdieu (2005): S. 77f.
57 Vgl. Bourdieu (1997): S. 172f.
17

Männer von allen ihnen zugewiesenen Spielen packen lassen wie Kinder. So werden Männer
dazu sozialisiert, in die Kämpfe um die Akkumulation von symbolischem Kapital einzutre-
ten.
58
Da Frauen dieser Kämpfe nicht für würdig befunden werden, muss die Ehre ­ und
damit die Männlichkeit ­ von anderen Männern bestätigt werden, sie ist abhängig vom Urteil
der Männerguppe: ,,Konstruiert und vollendet wird der männliche Habitus nur in Verbindung
mit dem den Männern vorbehaltenen Raum, in dem sich, unter Männern, die ernsten Spiele
des Wettbewerbs abspielen."
59
In Männlichkeitsprüfungen offenbart sich, dass Männlichkeit
grundlegend gegen alles mit Weiblichkeit Assoziierte gebildet ist: In ihrer wahren Gestalt ist
sie eine ,,aller entmännlichenden Zärtlichkeit und Rührung der Liebe bare[n] Gewalttätig-
keit"
60
, die vor anderen Männern bewiesen werden muss. Männlichkeit ist insofern auch für
Bourdieu konstitutiv relational konstruiert: vor den anderen Männern und für sie sowie gegen
Weiblichkeit, vor allem in den Männern selbst.
61
Da all diese ernsten Spiele des Wettbewerbs nach dem Isotomieprinzip ­ dem Prinzip glei-
cher Ehre ­ aufgebaut sind, sind Frauen von ihnen ausgeschlossen. Sie müssen folglich an
den Spielen um symbolisches Kapital vermittelt über andere teilnehmen: Durch emotionale,
solidarische Verbundenheit mit einem Mann, der sie spielt. Durch ihre ganze Erziehung wer-
den sie darauf vorbereitet, an ihnen nur durch Stellvertretung, aus einer außenstehenden und
untergeordneten Position teilzunehmen. Die auf Geschlechterdifferenzierung gerichtete
Sozialisation bestimmt die Männer dazu, ,,die Machtspiele zu lieben, und die Frauen dazu,
die Männer, die sie spielen, zu lieben." Bourdieu bezeichnet dies als eine ,,Grenzform des
amor fati, die Liebe zum Herrschenden und seiner Herrschaft, die libido dominantis [...], die
den Verzicht impliziert, die libido dominandi in der eigenen Person auszuüben."
62
In ihrer
Rolle als Zuschauerinnen erfüllen Frauen jedoch eine wichtige Funktion für Männer, die
Bourdieu im Anschluss an Virginia Woolf schmeichelnde Spiegel nennt: Sie werfen dem
Mann ein vergrößertes Bild seiner selbst zurück, dem er sich angleichen will und soll. So ver-
stärken sie die narzisstische Besetzung des idealisierten männlichen Selbstbildes und sind
eine unersetzliche Form von Anerkennung, die Männer in ihrer grundlegenden Existenz
rechtfertigt. Der distanzierte Standpunkt des Betrachters, den Frauen durch ihren gesell-
schaftlichen Ausschluss von den ernsten Spielen einnehmen, ermöglicht ihnen allerdings
Bourdieu zufolge einen besonderen Scharfblick. Da sie nicht involviert sind, werden sie von
den Spielen nicht getäuscht und sind in der Lage, die kindliche Eitelkeit der Männer in ihnen
58 Vgl. ebd.: S. 189.
59 Ebd.: S. 203, Hervorhebung im Original.
60 Bourdieu (2005): S. 95.
61 Vgl. ebd.: S. 96.
62 Bourdieu (1997): S. 201f.
18

zu durchschauen.
63
Der Ausschluss der Frauen beruht dabei auf der Trennung des Privaten vom Öffentlichen
und der Zuordnung von Frauen und Männern zu diesen Bereichen. Da Frauen so von allem
Öffentlichen ausgegrenzt sind, können sie in die Spiele nicht als Subjekte eingreifen. Sie wer-
den zu Objekten des Austauschs von Männern. Die Grundlage für diese Objektivierung von
Frauen liegt für Bourdieu wiederum in der gesellschaftlichen Konstruktion der Verwandt-
schafts- und Heiratsbeziehungen. Dort werden Frauen zu Instrumenten der Reproduktion und
Vermehrung des symbolischen Kapitals der Männer degradiert. In der Ökonomie der symbo-
lischen Güter werden Frauen zu Tauschobjekten, zu symbolischen Instrumenten der Kapi-
talakkumulation. Da diese symbolischen Tauschakte eine relative Autonomie besäßen, hätten
sie auch die Veränderungen der Produktionsweise in der Moderne überdauert;
64
und weil das
hierarchische Verhältnis von Öffentlichem und Privatem und die geschlechtliche Zuordnung
bis heute fort existieren, bleiben die mit der biologischen und sozialen Reproduktion der
Familie verbundenen Tätigkeiten auch heute noch an Frauen delegiert. Entsprechend führte
der Eintritt von Frauen in die Erwerbsarbeit dazu, dass sie einerseits diese privaten Aufgaben
zusätzlich erledigen müssen, und andererseits auch auf dem Arbeitsmarkt tendenziell in
Bereichen beschäftigt sind, die mit diesen privaten Tätigkeiten verbunden sind und die
weiterhin gegenüber männlich konnotierten Berufsfeldern abgewertet bleiben.
65
Wie sich dasselbe System von Klassifikationsschemata über die Jahrhunderte hinweg von
der Kabylei bis in die Moderne gehalten hat, versucht Bourdieu mit dem Begriff der
geschichtlichen Enthistorisierungsarbeit zu fassen, also einer permanenten Aktivität, die dar-
auf zielt, das Geschlechterverhältnis zu naturalisieren und so der Geschichte zu entziehen. Er
will die ,,Geschichte der fortdauernden (Wieder-)Herstellung der objektiven und subjektiven
Strukturen der männlichen Herrschaft" beschreiben und damit auch eine ,,der Akteure und
Institutionen, die in Permanenz daran mitwirken, diese Permanenz sicherzustellen."
66
Diese
Reproduktionsarbeit wurde ihm zufolge ,,bis vor kurzem von drei Hauptinstanzen sicherge-
stellt, von der Familie, der Kirche und der Schule, die, objektiv aufeinander abgestimmt, auf
die unbewussten Strukturen eingewirkt haben." Dabei spiele die Familie die zentrale Rolle:
,,In ihr zwingt sich frühzeitig die Erfahrung der geschlechtlichen Arbeitsteilung und der legi-
timen Vorstellung dieser Teilung auf, die in die Sprache eingraviert ist und vom Recht
geschützt wird."
67
Des Weiteren komme auch dem Staat eine große Bedeutung zu, insofern
die modernen Staaten die Regeln des privaten Patriarchats in die eines öffentlichen Patriar-
63 Vgl. ebd.: S. 196f.
64 Vgl. Bourdieu (1997): S. 205ff und Bourdieu (2005): S. 78ff.
65 Vgl. Bourdieu (1997): S. 208ff.
66 Bourdieu (2005): S. 144f.
67 Ebd.: S. 148.
19

chats transformierten und die androzentrischen Prinzipien unter anderem in das Familien-
recht einprägten.
68
Ausgehend von der Feststellung, dass männliche Herrschaft heute ihre selbstverständliche
Evidenz verloren habe, befasst sich Bourdieu gegen Ende seines Buches mit aktuellen Trans-
formationsprozessen der Geschlechterordnung. Ohne diese hier im Einzelnen darstellen zu
können, sollen zumindest die zentralen Eckpunkte kurz zusammengefasst werden. Die wich-
tigsten Veränderungen sind für ihn einerseits die Öffnung von Bildungsinstitutionen für
Frauen und die damit verbundene größere ökonomische Unabhängigkeit und auf der anderen
Seite der Strukturwandel der Familie, bzw. die Pluralisierung der Familienformen. Vor allem
die Trägheit des Habitus und des Rechts tendierten jedoch dazu, die alten Strukturen zu ver-
längern. Auch verdeckten die sichtbaren Veränderungen der Lage von Frauen ihre unverän-
derte relative Position.
69
Weil die Gesellschaft weiterhin geschlechtlich organisiert ist, inkor-
porieren Frauen weiterhin die alten Wahrnehmungs, Bewertungs- und Handlungsschemata,
sodass sich auch die geschlechtliche Arbeitsteilung weiterhin unbewusst reproduziert.
70
Da
die Dualismen noch immer tief in den Strukturen und den Körpern verankert sind, erteilt
Bourdieu poststrukturalistischen Versuchen einer voluntaristischen performativen Umdeu-
tung von Geschlecht eine Absage.
Die beiden Werke Bourdieus zur männlichen Herrschaft enthalten jedoch einige Probleme.
So fruchtbar der Vergleich der traditionellen kabylischen mit modernen westlichen Gesell-
schaften zum Teil ist, so tendiert der Autor an einigen Stellen auch dazu, in ihm die Differen-
zen und Veränderungen zu übergehen. Das geht so weit, dass stellenweise nicht mehr klar ist,
auf welche Kultur sich die Analyse gerade bezieht. Auch die Kategorie des Habitus ist starrer
dargestellt, als in anderen seiner Arbeiten. Der Habitus ist dort nämlich nicht ausschließlich
beharrlich, sondern kann auch irritiert werden. Er bleibt nur konstant, wenn die objektiven
Strukturmuster ebenfalls unverändert bleiben. So tendiert Bourdieu in der männlichen Herr-
schaft dazu, das zu Erklärende und die Erklärung in einen Zirkelschluss zu stellen und damit
keine Entwicklungsdynamiken mehr begründen zu können.
71
Allerdings lässt sich an die Ana-
lysen produktiv anschließen, insbesondere wenn seine früheren Werke mitberücksichtigt wer-
den.
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass auch bei Bourdieu Vaterschaft keine systema-
tische Rolle für männliche Herrschaft und Männlichkeit spielt. Es gibt bei ihm nur eine
Stelle, an der Vaterschaft explizit thematisiert wird. Dort wird eine Situation aus Virginia
68 Vgl. ebd.: S. 151f.
69 Vgl. ebd.: S. 154ff.
70 Vgl. ebd.: S. 165.
71 Vgl. beispielsweise Scholz (2012a): S. 31.
20

Woolfs Fahrt zum Leuchtturm beschrieben, in der der Familienvater seinem Sohn als unver-
söhnlicher Repräsentant der Vernunft und des Realitätsprinzips gegen die weibliche Nach-
sicht seiner Mutter entgegentritt.
72
Insofern findet sich auch dort Vaterschaft nur in ihrer tradi-
tionellen Form: In der Familie ist der Vater nur anwesend, weil diese gerade im Sommerur-
laub ist und dort tritt er als Vertreter der Autorität und äußerlicher Gesetzmäßigkeiten auf.
73
Dabei ergeben sich aus seinen Darstellungen durchaus weitreichendere Implikationen für
väterliche Praxis. So lässt sich Bourdieus Beschreibung der symbolischen Verknüpfung von
Männlichkeit mit diskontinuierlichen und besonderen Ereignissen im Gegensatz zu weibli-
chen Prozessen des Kontinuierlichen, Gewöhnlichen und Begleitenden in Zusammenhang
mit der geschlechtlichen Arbeitsteilung bei der Betreuung von Kindern bringen. Wenn Väter
dort vor allem Aufgaben übernehmen, die mit Spielen, mit Ausflügen und Ähnlichem zu tun
haben, und weniger alltägliche des Sorgens und Pflegens, verweist das auf eine weiterbeste-
hende oder ähnliche symbolische Ordnung. Auch die libido dominandi ist für Vaterschaft
relevant. Gerade vor dem Hintergrund von sportlichen Aktivitäten oder auch der Hervorhe-
bung der Bedeutung von Vätern für die Entwicklung von Jungen in der psychologischen Lite-
ratur, ist die Frage zu stellen, welche Dispositionen Väter mit Kindern ausleben und an sie
weitergeben. Hier ist auch in der Diskursanalyse empirisch zu untersuchen, ob und in welcher
Form sich diese Aspekte wiederfinden.
Des Weiteren ist noch auf die Bedeutung diskursiver Sinngehalte für symbolische Gewalt
und männliche Herrschaft hinzuweisen, die bei Bourdieu nur an wenigen Stellen anklingt. So
schreibt er, dass die männliche Herrschaft keiner Rechtfertigung bedürfe, wenn sie hinrei-
chend abgesichert sei:
,,Es genügt, wenn sie sich in Praktiken und Diskursen niederschlägt, die das Sein im Modus der
Evidenz aussprechen und so daran mitwirken, dass es dem Sagen entspricht. Die herrschende
Geschlechterordnung drückt sich in Diskursen [...] oder auch graphischen Darstellungen [...] aus.
Aber sie kommt genausogut in technischen Gegenständen oder Praktiken zum Ausdruck"
74
.
Mit Bezug auf die Schwulen- und Lesbenbewegung erklärt er, es sei ,,das Ziel jeder symbo-
lisch subversiven Bewegung, durch eine symbolische Destruktions- und Konstruktionsarbeit
neue Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien durchzusetzen."
75
Gerade in der gegenwär-
tigen Gesellschaft, in der mediale Vermittlung und Massenmedien eine immer wichtigere
Rolle spielen, kommt folglich der diskursiven Ebene eine immer größere Bedeutung zu. Da
Diskurse grundsätzlich beweglicher sind als sozialisierte Habitus, können diskursive Ver-
72 Vgl. Bourdieu (1997): S. 190ff und Bourdieu (2005): S. 122ff.
73 Das entspricht genau der Funktion, die der Vater als Ernährer in der klassischen bürgerlichen Familie für sei-
ne Kinder erfüllen sollte: Bedeutung für seine Kinder erlangt er ,,weniger durch 'fathering', also nicht durch
eine spezifische Weise der Zuwendung zum Kind, sondern zuallererst dadurch, dass er die Außenwelt (sym-
bolisch) repräsentiert" (Meuser 2007: S. 52).
74 Bourdieu (1997): S. 158f.
75 Bourdieu (2005): S. 209f.
21

schiebungen eine Vorreiterrolle einnehmen für eine Veränderung praktischer Dispositionen.
2.3 Hegemoniale Männlichkeit als 'institutionalisierte Praxis' und 'generatives
Prinzip'
Michael Meuser und Sylka Scholz verknüpfen die männlichkeitssoziologischen Arbeiten
Connells und Bourdieus und entwickeln in kritischer Reflexion derselben ihre eigene Per-
spektive. Zuerst leistete Meuser eine solche Synthese in seiner Habilitationsschrift, die 1998
veröffentlicht wurde.
76
Daran schlossen Meuser und Scholz in späteren Arbeiten an und
erweiterten und präzisierten ihre Konzeption von Männlichkeit.
In seiner Habilitation stellt Meuser zu Beginn verschiedene Theorien zu Geschlecht und
Männlichkeit in Klassikern der Soziologie und der gegenwärtigen Geschlechterforschung dar,
um sich anschließend Connells Arbeiten zuzuwenden. Aus verschiedenen Gründen eignet
sich das Konzept der hegemonialen Männlichkeit für Meuser besonders gut, um es produktiv
weiterzuentwickeln: Einerseits gerade weil es keine ausformulierte Theorie ist, sondern auch
dem eigenen Anspruch nach in Entwicklung bleiben soll, andererseits lassen sich mit ihm
verschiedene, sich überlagernde Dominanzstrukturen begreifen. Darüber hinaus ermöglicht
es der Hegemoniebegriff, Macht nicht nur als einseitigen Prozess zu fassen, sondern hegemo-
niale Männlichkeit verweist als praktizierte Ideologie auf lebensweltliche Fundierungen
kultureller Deutungsmuster.
77
Für eine Präzisierung des Ansatzes wendet sich der Autor
gegen die Tendenz, nach einer konkreten Ausformung von Männlichkeit zu suchen, die eine
hegemoniale Position einnimmt, und schlägt dagegen vor, hegemoniale Männlichkeit als
generatives Prinzip der Konstruktion von Männlichkeit zu begreifen, deren Ergebnis sowohl
eine perfekte Verkörperung hegemonialer Männlichkeit als auch ­ in der Mehrzahl der Fälle
­ verschiedene untergeordnete Männlichkeiten sein können.
78
Um dieses Verständnis von hegemonialer Männlichkeit als generativem Prinzip näher zu
erläutern, rekurriert Meuser auf Bourdieus Arbeiten zum Habitus. Der Habitusbegriff stellt
für ihn den bisher ,,anspruchsvollsten Versuch dar, die Dimensionen von Sozialstruktur und
sozialem Handeln miteinander zu vermitteln."
79
Um ihn für die männlichkeitssoziologische
Forschung fruchtbar zu machen, überträgt Meuser den bei Bourdieu vor allem auf die Klas-
senlage bezogenen Begriff als geschlechtlichen Habitus, bzw. als männlichen Geschlechtsha-
bitus auf das Geschlechterverhältnis. In Bourdieus Arbeiten zur männlichen Herrschaft wird
nach Meuser ein solcher Geschlechtshabitus zwar angedeutet, allerdings keineswegs syste-
matisch entfaltet; in einem Interview bezweifelt er sogar explizit, ob es Sinn mache, von
76 Vgl. Meuser (2010a) [Erstauflage 1998].
77 Vgl. ebd: S. 107.
78 Vgl. Ebd.: S. 108.
79 Ebd.: S. 112.
22

einem solchen in gleicher Weise zu sprechen wie vom Klassenhabitus.
80
Die Übertragung ent-
stammt bei Meuser jedoch nicht einer rein theoretischen Überlegung, sondern ergibt sich aus
der Interpretation seines empirischen Materials ­ vor allem von Gruppendiskussionen mit
Männern. Mit dem Begriff des Geschlechtshabitus lässt sich das Konzept des doing gender
fundieren: Er ,,ist Basis von doing gender, garantiert als 'modus operandi' dessen Geordnet-
heit." Folglich ist die ,,soziale Existenz eines Geschlechts [...] an einen spezifischen Habitus
gebunden, der bestimmte Praxen generiert und andere verhindert."
81
Indem Geschlecht in
Form von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsdispositionen in die Körper eingeschrieben
wird, wird im Habitus die soziale Praxis naturalisiert. Dabei unterscheidet Meuser verschie-
dene Ausdrucksformen von Männlichkeit von ihrem gemeinsamen genierenden Prinzip: Der
gleiche männliche Geschlechtshabitus manifestiert sich in verschiedenen Ausprägungen, je
nachdem, welche weiteren sozialen Differenzierungslinien den lebensweltlichen Erfahrungs-
hintergrund noch prägen. Die verschiedenen Männlichkeitsformen ergeben sich für Meuser
folglich aus einer intersektionalen Perspektive.
82
Ein zentrales Moment des männlichen Habi-
tus ist dabei immer eine Invisibilisierung des Geschlechtlichen im Handeln von Männern; die
Stilisierung des Männlichen zum Allgemein-Menschlichen ist gleichzeitig die entscheidende
Strategie zur Gewährleistung von männlicher Dominanz.
83
Daran anschließend konzipieren Meuser und Scholz ihre Unterscheidung von zwei Dimen-
sionen hegemonialer Männlichkeit: Als institutionalisierte Praxis gesellschaftlicher Eliten
definiert sie eine normative Zielvorgabe von Männlichkeit. Dieses Ideal liegt handlungstheo-
retisch den Praxen der Individuen als generatives Prinzip der Konstruktion von Männlichkeit
zugrunde.
84
Während Connell diese beiden Ebenen miteinander vermischt, werden sie von
Meuser/Scholz analytisch getrennt. Einerseits geht es um eine konkrete Männlichkeitsform,
die als kulturelle Orientierung normative Kraft hat, und andererseits um die alltägliche Praxis
der Herstellung von Männlichkeit.
Um sinnvoll von hegemonialer Männlichkeit als institutionalisierter Praxis sprechen zu kön-
nen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Gesellschaft muss sozial differenziert
sein, damit überhaupt ein hierarchisches Verhältnis zwischen verschiedenen Männlichkeiten
bestehen kann; und es braucht zumindest eine minimale Durchlässigkeit zwischen den sozia-
len Gruppen, damit eine bestimmte Männlichkeit als hegemoniale normative Gültigkeit auch
für andere Gesellschaftsschichten beanspruchen kann. Hegemoniale Männlichkeit als institu-
80 Vgl. ebd.: S. 114.
81 Beide Zitate ebd.: S. 117, Hervorhebung im Original.
82 Vgl. ebd.: S. 120.
83 Vgl. ebd.: S. 122.
84 Erstmals systematisch entwickelt in Meuser/Scholz (2005). Vgl. auch: Meuser (2006a),
Meuser/Scholz (2011), Meuser/Scholz (2012) und Scholz (2012a).
23

tionalisierte Praxis kann folglich nur in modernen Gesellschaften existieren.
85
Dabei ist es die
von gesellschaftlichen Eliten gelebte Form von Männlichkeit, die gegenüber den anderen die
hegemoniale Position einnehmen kann. Kraft ihrer sozialen Position sind sie in der Lage, ihre
Praxis als normative Orientierungsfolie zu verallgemeinern. Das geschieht selbstverständlich
nicht bewusst oder intendiert, sondern durch ihre gesellschaftliche Machtposition. Vor allem
die Massenmedien spielen für den Prozess dieser Verallgemeinerung eine wichtige Rolle.
Während Connell davon ausgeht, dass sich zu jedem Zeitpunkt eine Männlichkeitsform als
hegemoniale durchsetzt, gehen Meuser/Scholz davon aus, dass mit der postfordistischen Dif-
ferenzierung gesellschaftlicher Machtzentren auch eine Pluralisierung hegemonialer Männ-
lichkeiten einhergeht, die in den sozialen Feldern von Wirtschaft, Medien, Politik, Profession
oder Militär organisiert sind. Dort existieren je verschiedene Konstruktionen hegemonialer
Männlichkeit, die miteinander in Konkurrenz stehen. Hegemonial können die jeweiligen
Männlichkeiten allerdings nur dann sein, wenn sie normative Gültigkeit über ihr Herkunfts-
milieu hinaus beanspruchen.
86
Hegemoniale Männlichkeit als generatives Prinzip fokussiert hingegen auf die Logik der
Konstruktion von Männlichkeit. Männlichkeit wird den Autor_innen zufolge im Modus der
Hegemonie hergestellt: sie folgt einer doppelten Distinktions- und Dominanzlogik gegenüber
anderen Männern und gegenüber Frauen. Im Anschluss an Bourdieu gehen sie davon aus,
dass sich der männliche Habitus in den ernsten Spielen des Wettbewerbs ausbildet, die die
Männer unter sich austragen. Es geht ihnen also um die kompetitive Struktur von Männlich-
keit, die libido dominandi, und um den homosozialen Charakter der Felder, in denen dieser
Wettbewerb ausgetragen wird.
87
Allerdings verschwimmen in ihren Ausführungen zum Teil die Begriffe hegemoniale Männ-
lichkeit, männlicher Habitus und libido dominandi:
,,Dabei [in ihrem Dominanzstreben] beziehen sich die Männer auf das jeweilige Leitbild von
Männlichkeit. Die hegemoniale Männlichkeit fungiert somit als generatives Prinzip der Erzeu-
gung des männlichen Habitus. In ihrer Strukturlogik entspricht hegemoniale Männlichkeit der
'libido dominandi', dem Bestreben, andere Männer und Frauen zu dominieren. Diese Strukturlogik
konkretisiert sich in einem historisch fassbaren hegemonialen Männlichkeitsideal."
88
An anderer Stelle schreibt Meuser:
,,Hegemoniale Männlichkeit ist der Kern des männlichen Habitus, ist das Erzeugungsprinzip eines
vom männlichen Habitus bestimmten doing gender, bzw. doing masculinity [...]. Als Grundlage,
bzw. generierendes Prinzip des männlichen Habitus benennt Bourdieu eine 'libido dominandi', die
das Handeln des Mannes sowohl gegenüber anderen Männern als auch gegenüber Frauen struktu-
riert."
89
85 Vgl. Meuser/Scholz (2005): S. 214f.
86 Vgl. ebd.: S. 213ff, Scholz (2012a): S. 244ff.
87 Vgl. Meuser/Scholz (2005): S. 218.
88 Meuser/Scholz (2012): S. 26.
89 Meuser (2010a): S. 123, Hervorhebungen im Original.
24

Und weiter:
,,Männlichkeit wird im Modus der Hegemonie hergestellt, hegemoniale Männlichkeit ist die Ori-
entierungsfolie des doing masculinity, die ernsten Spiele des Wettbewerbs sind immer Spiele um
Macht, Dominanz und Überlegenheit. Das Ergebnis dieses Herstellungsprozesses ist aber nicht
notwendigerweise und nicht einmal überwiegend die Konstitution einer hegemonialen Männlich-
keit. [...] Doch liegt auch der Herstellung untergeordneter Männlichkeiten das gleiche generative
Prinzip zugrunde. Auch diejenigen, die in diesen Machtspielen unterliegen, agieren dadurch, daß
sie sich auf diese Spiele einlassen [...], gemäß der Logik des generativen Prinzips der hegemonia-
len Männlichkeit. Ihr 'Spielsinn' ist nicht weniger als derjenige der Überlegenen von diesem Prin-
zip durchdrungen."
90
In verschiedenen Texten führt Meuser dieses Verständnis an Beispielen von männlichen
Jugendlichen mit türkischem Familienhintergrund aus:
91
Auch bei diesen Jugendlichen liegt
ihrer Konstruktion von Männlichkeit hegemoniale Männlichkeit als generatives Prinzip
zugrunde. Diese wird verstanden
,,als Streben nach Dominanz gegenüber Frauen und gegenüber anderen Männern". Sie ist
,,bestimmt durch ein doppeltes, die hetero-, wie die homosoziale Dimension umfassendes Hege-
moniebestreben."
92
Allerdings generiert hegemoniale Männlichkeit in diesem Fall in Konfiguration mit dem
ethnischen Hintergrund der jungen Männer soziale Praxen, die keine hegemoniale, sondern
eine untergeordnete Männlichkeit darstellen.
Wenn hegemoniale Männlichkeit Kern des männlichen Habitus und sein generatives Prinzip
ist, das Erzeugungsprinzip und die Orientierungsfolie für doing masculinity, gleichzeitig aber
die Grundlage und generierendes Prinzip des männlichen Habitus die libido dominandi ist
und hegemoniale Männlichkeit in ihrer Strukturlogik dieser entspricht, lassen sich Hegemo-
nie und Dominanz einerseits und hegemoniale Männlichkeit und männlicher Habitus anderer-
seits kaum noch differenzieren. Letztlich übersetzt Meuser hegemoniale Männlichkeit als
generatives Prinzip direkt in ein Streben nach Dominanz. Insofern wäre es möglicherweise
klarer, den Begriff hegemoniale Männlichkeit nur für bestimmte Formen von Männlichkeit
zu verwenden, die als Leitbilder gegenüber anderen Männlichkeiten hervorgehoben sind. An
einer solchen hegemonialen Männlichkeit als institutionalisierter Praxis müssen sich Männer
orientieren, wenn sie ihr eigenes regulatorisches Ideal von Männlichkeit entwerfen, an dem
sie ihr Handeln als Mann ausrichten.
93
Das generative Prinzip der Erzeugung des männlichen
Habitus und damit des Handelns von Männern wäre dann eben nicht Hegemonie, sondern die
libido dominandi, das männliche Dominanzstreben, das in den ernsten Spielen des Wettbe-
werbs erlernt wird. Die libido dominandi kann sich jedoch in verschiedenen hegemonialen
oder auch untergeordneten Männlichkeitsformen sehr unterschiedlich ausdrücken. Dieser
90 Ebd.: S. 126f, Hervorhebung im Original.
91 Vgl. ebd.: S. 127ff, Meuser (2006a): S. 165ff, Meuser/Scholz (2005): S. 219f.
92 Meuser (2010a): S. 129.
93 Vgl. Meuser/Scholz (2005): S. 213.
25

Gedanke kann in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht ausführlicher weiterverfolgt werden.
Unabhängig von der genauen begrifflichen Differenzierung können die wichtigen, von Meu-
ser und Scholz hervor gestrichenen Aspekte von Männlichkeit noch einmal zusammengefasst
werden: Gesellschaftlich existieren verschiedene Formen von Männlichkeit, wobei die der
zentralen Machtfelder eine allgemeine normative Gültigkeit beanspruchen, insofern hegemo-
nial sind. Für die Verallgemeinerung dieser Männlichkeiten spielen Massenmedien eine wich-
tige Rolle, denn sie transportieren sie in andere soziale Milieus und tragen ihren Teil zum
Einverständnis untergeordneter Männer und Frauen in die gesellschaftliche Ordnung bei. In
Verbindung mit anderen sozialen Differenzierungslinien konstituieren sich in der sozialen
Praxis von Männern mehrheitlich verschiedene untergeordnete Formen von Männlichkeit. All
diesen Männlichkeiten gemeinsam ist jedoch ihre kompetitive Logik, sie sind bestimmt durch
die libido dominandi gegenüber Frauen und anderen Männern. Und sie werden geformt in
den ernsten Spielen des Wettbewerbs, die Männer im homosozialen Raum austragen.
Für die Forschungsfrage ergeben sich daraus mehrere Implikationen. Einerseits ist Familie
üblicherweise ein Raum, der keineswegs durch Homosozialität gekennzeichnet ist, anderer-
seits braucht es für Sorge und Pflege andere Eigenschaften und Fähigkeiten, als im Wettbe-
werb und für die libido dominandi. Zu fragen wäre insofern, ob eine diskursive Verknüpfung
von Männern mit solchen Tätigkeiten dann keine Männlichkeit in diesem Sinne mehr konsti-
tuieren würde, oder ob dort das Potential für ein qualitativ neues Leitbild von Männlichkeit
läge. Diese Frage verweist auch auf das sogenannte Differenzierungsproblem zwischen
Männern und Männlichkeit. Scholz zufolge konstituieren ,,nicht alle Dimensionen des Han-
delns von Männern [...] Männlichkeit" und umgekehrt können auch Frauen ,,als männlich
angesehene Verhaltensweisen und Tätigkeiten ausüben und sie können gesellschaftliche Posi-
tionen einnehmen, die als 'männlich' gelten."
94
Hinzuzufügen wäre für den Kontext dieser
Arbeit, dass folglich auch Männer als weiblich angesehene Tätigkeiten ausführen können.
Allerdings lassen sich historisch verschiedene Beispiele dafür finden, dass bestimmte Tätig-
keitsbereiche eine ,,Geschlechtsumwandlung" erfahren haben, wenn sich die Mehrheitsver-
hältnisse zwischen Männern und Frauen in diesen Bereichen in größerem Ausmaß verscho-
ben. Insofern wäre die Hypothese zu formulieren, dass das Handeln von Männern in
bestimmten Bereichen zumindest ab einer kritischen Masse doch immer auch Männlichkeit
konstituiert; jedenfalls in einer Gesellschaft, die nach wie vor hochgradig geschlechtlich
organisiert ist. Letztlich müssen diese Fragen allerdings am empirischen Material diskutiert
werden. Denkbar wäre auch, dass Väterlichkeit diskursiv in den bisher hegemonialen Formen
von Männlichkeit dargestellt wird: Wenn beispielsweise Väter lediglich als Spielgefährten
94 Scholz (2012a): S. 52.
26

oder als Repräsentanten der ernsten öffentlichen Welt auftauchen und ihre besondere Bedeu-
tung für die Entwicklung von Jungen hervorgehoben wird. Solche Darstellungen würden
weiter auf die kompetitive Logik, die ernsten Spiele und auf den homosozialen Raum verwei-
sen.
2.4 Subjekt- und diskurstheoretischer Zugang zu Männlichkeiten
An dieser Stelle muss kurz etwas weiter ausgeholt und Scholz' forschungstheoretischer
Zugang zu Männlichkeiten erläutert werden, dem ich hier weitestgehend folge. Damit wird
zwar bereits auf Kapitel 3 vorgegriffen, für das Verständnis der nachfolgenden Ausführungen
halte ich diesen Vorgriff dennoch für sinnvoll. Scholz plädiert grundsätzlich ,,für eine Ver-
knüpfung von subjekt- und diskurstheoretischen Perspektiven zur Erforschung des sozialen
Wandels von Männlichkeit(en) und männlicher Herrschaft."
95
Sie vertritt einen qualititativ-
rekonstruktiven Forschungszugang mit dem Ausgangspunkt, dass ,,soziale Wirklichkeit auf
gesellschaftlichen Konstruktionen beruht, welche die Individuen in und mit ihren Handlun-
gen vollziehen." Folglich ist es die Aufgabe empirischer Forschung, ,,diese Konstruktionen
der sozialen Wirklichkeit zu rekonstruieren." Die Analyse richtet sich also ,,auf einen verste-
henden Nachvollzug der Relevanzstrukturen, die dem Handeln der Individuen zugrunde lie-
gen, und die Rekonstruktion der Wissensbestände und Regeln sozialen Handelns."
96
Die sub-
jektiven Relevanzstrukturen der Akteure sind ihr zufolge ,,immer von kulturellen Leitbildern
und Deutungsmustern von Männlichkeit(en) präfiguriert, die zu den individuellen Dispositio-
nen vermittelt werden müssen."
97
Es geht also um das Spannungsverhältnis zwischen kultu-
rellen Leitbildern und individuellen Aneignungen und Transformationen derselben, weshalb
die Verbindung eines subjekt- und diskurstheorischen Zugangs wichtig ist.
Subjekttheoretisch geht Scholz davon aus, dass sich Individuen in der Moderne im Medium
der Biographie vergesellschaften. Das bedeutet, dass sie über Prozesse der Selbstbeschrei-
bung, Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung ihre individuelle Orientierung herstellen.
Biographien sind allerdings nicht rein individuell, sondern in gesellschaftliche Strukturen
eingebunden, wobei unter anderem Geschlecht eine wichtige Rolle spielt. Dabei konstruieren
Individuen ihre Biographie um ein identisches Ich, das sich durch die permanenten Verände-
rungen hindurch als Einheit erlebt. In einem lebenslangen Prozess stellen die Individuen also
permanent eine biographische Identität her. Gesellschaftliche Strukturen werden dabei eigen-
logisch von den Individuen angeeignet, produziert und transformiert. So entsteht ein dialek-
tisches Spannungsverhältnis zwischen Struktur und Emergenz.
98
95 Ebd.: S. 15.
96 Ebd.: S. 55.
97 Ebd.: S. 56.
98 Vgl. ebd.: S. 57ff.
27

Die individuellen Biographie- und Identitätskonstruktionen sind dabei stark von gesell-
schaftlichen Diskursen geprägt. Diskurse bieten den Subjekten Orientierungs- und Deutungs-
wissen, an denen sie ihre Konstruktionen ausrichten und die es ihnen ermöglichen, ihren
Erfahrungen biographischen Sinn zuzuschreiben. Mit Reiner Keller geht sie davon aus, ,,dass
alles, was Individuen wahrnehmen über sozial konstruiertes, typisiertes, in unterschiedlichen
Graden als legitim anerkanntes und objektiviertes Wissen vermittelt ist."
99
Bei Keller werden
gegen andere Spielarten der Diskursanalyse auch Subjekte betrachtet: ,,Im Diskurs werden
Subjektpositionen zur Verfügung gestellt, wie diese von den Individuen angeeignet werden,
ist wiederum eine Frage nach der Aktualisierung von Diskursen in der Alltagswelt der Sub-
jekte."
100
Diskurse und Subjekte werden also in einem Wechselverhältnis gedacht, als zwei
Ebenen gesellschaftlicher Wirklichkeit, die sich gegenseitig beeinflussen. Dieser diskurstheo-
retische Ausgangspunkt ist unmittelbar anschlussfähig an die Kritische Diskursanalyse nach
Siegfried Jäger, die für diese Arbeit als Forschungsmethode gewählt wurde (s. Kap. 3.1). Hier
soll zunächst nur das Wechselverhältnis von Diskursen und Subjekten festgehalten werden,
das gerade für die Persistenz männlicher Herrschaft und hegemonialer Männlichkeit entschei-
dend ist: ,,Sie [männliche Herrschaft] reproduziert sich durch das Einverständnis der meisten
Individuen (Männer und Frauen) im Rahmen einer hegemonialen Kultur, aber auch durch
symbolische Gewalt, die in diese hegemoniale Kultur eingeschrieben ist."
101
Für die Herstel-
lung von Einverständnis, die hegemoniale Kultur und symbolische Gewalt spielen massen-
mediale Diskurse in der Gegenwartsgesellschaft eine wesentliche Rolle. Michael Meuser for-
muliert in diesem Sinne, dass im Informationszeitalter ,,die Massenmedien eine wachsende
Bedeutung als Ort der Erzeugung und symbolischen Repräsentation von Wirklichkeit" erhiel-
ten. Die Medien seien ,,der Ort, an dem die entscheidenden kulturellen Schlachten ausgetra-
gen werden."
102
Bevor auf die Fragen des Verhältnisses von Diskursen, Subjekten und sozia-
ler Praxis in Bezug auf das Thema Vaterschaft sinnvoll näher eingegangen werden kann,
muss zunächst noch der aktuelle gesellschaftliche Wandlungsprozess in den Blick genommen
werden.
2.5 Postfordistische Transformationen
103
Der Wandel von Männlichkeits- und Vaterschaftskonstruktionen hing und hängt seit der Ent-
stehung der kapitalistischen Moderne eng mit dem allgemeinen gesellschaftlichen Wandel
zusammen. In verschiedenen Entwicklungsphasen dominierten dabei mehr oder weniger sta-
99 Ebd.: S. 60.
100 Ebd.: S. 61.
101 Ebd.: S. 34.
102 Meuser (2006b): S. 41.
103 Teile dieses Kapitels wurden in leicht überarbeiteter Form übernommen aus Ackermann (2012a): S. 12ff.
28

bile Formationen, in denen eine bestimmte Art und Weise, die gesellschaftliche Produktion
und Reproduktion zu organisieren, mit bestimmten Formen der Regulation derselben ver-
bunden waren. Spätestens seit den 1970er-Jahren geriet die fordistische Gesellschaftsforma-
tion weltweit in eine Krise, die Veränderungsdynamiken in zentralen gesellschaftlichen
Bereichen auslöste, die bis heute andauern. Um diese Veränderungen begrifflich fassen zu
können, sollen hier kurz wenige Kategorien der neomarxistischen Regulationstheorie einge-
führt werden.
Regulationstheoretische Ansätze wurden als Reaktion auf die Krise des Fordismus entwi-
ckelt, um die Bestandsfähigkeit, Steuerung und Periodisierung kapitalistischer Gesellschaften
mithilfe eines komplexen Kategoriensystems untersuchen zu können. Für diese Arbeit ist es
ausreichend, den ökonomischen Akkumulationsprozess vom sozialen und politischen Regula-
tionsprozess zu unterscheiden. Die historisch-konkrete Art und Weise der Akkumulation
ergibt ein spezifisches Akkumulationsregime, in das sowohl die Organisation der Arbeit, die
Zusammensetzung der Produktivkräfte wie auch die Form der Reproduktion der Arbeitskraft
und das Verhältnis von Produktion und Konsumtion fallen. Ökonomie wird dabei also
wesentlich weiter gefasst, als im reduktionistischen orthodoxen Marxismus. Dieser ökonomi-
schen Seite steht ein Prozess der Regulation derselben gegenüber, der in seinem spezifischen
Gefüge eine konkrete Regulationsweise ergibt. Hierzu gehören beispielsweise das Ausmaß an
Konzentration und Zentralisation von Unternehmen, die Bezahlung und Fragmentierung der
Arbeiter_innenklasse, die staatliche Geldpolitik, der Zusammenhang der verschiedenen
Nationalstaaten und ihre Einbindung in supranationale Institutionen oder Ähnliches. Grund-
sätzlich spielt der Staat als zentrale Instanz zur Regulierung der unterschiedlichen Bereiche
eine entscheidende Rolle. Spezifische Zusammensetzungen von Akkumulationsregime und
Regulationsweise ergeben historisch und regional besondere Gesellschaftsformationen. Bil-
det sich dabei eine beständige und kohärente historische Formation heraus, die nicht nur auf
einzelne Regionen beschränkt bleibt, wird dies als übergreifende Entwicklungsweise bezeich-
net. Die idealtypische Entwicklungsweise der Regulationstheorie stellte der Fordismus dar,
der zu unterscheiden ist von den nationalstaatlich je besonderen Arrangements, also beispiels-
weise der konkreten Gesellschaftsformation Deutschlands dieser Zeit.
104
In seiner Doktorarbeit integriert Lars Kohlmorgen das Geschlechterverhältnis in die Regula-
tionstheorie, indem er das entsprechende Kategoriensystem erweitert. Die kapitalistische Pro-
duktionsweise ist ihm zufolge auf unbezahlte Reproduktionsarbeit angewiesen;
105
als Resultat
und Bedingung des Akkumulationsprozesses ist sie notwendiger Bestandteil desselben. Die
104 Vgl. Kohlmorgen (2004): S. 18ff.
105 Diese Erkenntnis ist für viele marxo-feministische Gesellschaftskritiken fundamental.
29

in diesem Bereich zusammengefassten Tätigkeiten bezeichnet er als Reproduktionsweise, die
einen wichtigen Teil eines spezifischen Akkumulationsregimes ausmacht. Da im Kapitalis-
mus die Reproduktion allerdings der Produktion untergeordnet ist und in substanzieller
Abhängigkeit von dieser steht, ergibt sich hier eine strukturelle Asymmetrie. Durch die histo-
risch-kulturell entstandene Zuständigkeit von Frauen für diese Sphäre ist auch die asymmetri-
sche Geschlechterordnung bestimmt. Die gesellschaftliche Geschlechterordnung beschreibt
Kohlmorgen in den Begriffen von Birgit Pfau-Effinger, auf deren Kategorisierung sich auch
Scholz bezieht.
106
Scholz übernimmt dabei Irene Döllings systematische Unterscheidung zwischen einem
gesellschaftlichen Geschlechtervertrag und individuellen Geschlechterarrangements. Ein
Geschlechtervertrag enthält die kulturellen Leitbilder und rechtlichen Normen, über die
Männer und Frauen in die Gesellschaft integriert werden: ,,Diese Leitbilder geben Regeln
und Verhaltensmuster vor hinsichtlich der Fragen, welche gesellschaftlichen Bereiche die
hauptsächlichen Sphären der Integration von Frauen bzw. Männern in der Gesellschaft sind;
inwieweit Gleichheit, Ungleichheit oder Komplementarität die Lebensbereiche der Ehepart-
ner bestimmen; welcher gesellschaftlichen Sphäre die Kindererziehung vorrangig zugeordnet
wird; und welchen gesellschaftlichen Stellenwert die Familie im Vergleich zu anderen
Lebensformen hat."
107
Im Geschlechtervertrag sind folglich die wesentlichen Dimensionen
einer konkreten Reproduktionsweise festgehalten. Ein Geschlechterarrangement bezeichnet
hingegen die individuelle Umsetzung eines Geschlechtervertrages in persönlichen Beziehun-
gen.
108
Scholz betont dabei, dass in einer Gesellschaft gleichzeitig verschiedene Geschlech-
terverträge kursieren können, die beispielsweise in einem Verhältnis von Hegemonie und
Unterordnung stehen. Auch Kohlmorgen geht von einem gesamtgesellschaftlichen
Geschlechtervertrag und verschiedenen klassen- und milieuspezifischen Modifikationen
aus.
109
Im empirischen Teil dieser Arbeit wird es folglich darum gehen, den Wandel des
gesellschaftlichen Geschlechtervertrages, bzw. von verschiedenen Geschlechterverträgen zu
untersuchen.
Mit der nun entfalteten Terminologie lässt sich die gesamtgesellschaftliche Transformation
seit den 1970er-Jahren hinreichend beschreiben. Grundsätzlich ist die moderne Geschlechter-
ordnung seit ihrer Entstehung durch das Auseinandertreten der öffentlichen und privaten
Sphäre und der geschlechtlichen Zuweisung von Männern und Frauen zu diesen bestimmt.
Der Akkumulationsprozess ist auf die unbezahlte Reproduktion der Arbeitskraft angewiesen.
106 Vgl. ebd.: S. 37ff.
107 Scholz (2012a): S. 43.
108 Vgl. Pfau-Effinger (2000) und Dölling (2003).
109 Vgl. Scholz (2012a): S. 43 und Kohlmorgen (2004): S. 38.
30

Die reproduktiven Tätigkeiten wurden in den verschiedenen Gesellschaftsformationen der
Moderne primär von Frauen in Form privater Haus- und Familienarbeit verrichtet. Eine sta-
bile Formation beruht auf einer Kohärenz von Akkumulationsregime inklusive Reprodukti-
onsweise und Regulationsweise.
110
Der Fordismus stellte eine solche Formation dar, die durch ihren internationalen Charakter
als übergreifende Entwicklungsweise zu fassen ist. In Bezug auf Deutschland wird von einer
fordistischen Formation seit dem Ende des zweiten Weltkrieges gesprochen. Zu unterschei-
den wäre die westdeutsche Variante von der ostdeutschen staatssozialistisch organisierten
Formation; in der vorliegenden Arbeit wird allerdings in erster Linie die westdeutsche fokus-
siert.
111
Das fordistische Akkumulationsregime war geprägt von tayloristisch organisierter
Fließbandproduktion, die standardisierte Waren für den Massenkonsum herstellte. Das Lohn-
niveau war relativ hoch, sodass sich die Alleinversorger- und Hausfrauenehe mit einem
männlichen Alleinverdiener schichtenübergreifend verallgemeinern konnte. Die Reprodukti-
onsweise war also dominiert vom Modell der bürgerlichen Familie. Frauen übernahmen den
größten Teil der reproduktiven Tätigkeiten inklusive der Betreuung von Kindern, die privat
innerhalb der Familie organisiert war. Die Regulationsweise beruhte auf der mit großer Legi-
timation ausgestatteten Repräsentantivdemokratie mit den zugehörigen Massenorganisatio-
nen wie Parteien und Gewerkschaften. Der Staat stellte umfangreiche wohlfahrtsstaatliche
Absicherungssysteme bereit, griff regulierend in die Wirtschaft ein und stellte einen national
protegierten Markt her.
Die Krise der fordistischen Entwicklungsweise wurde in Deutschland seit Mitte der 1970er-
Jahre offensichtlich, auch wenn sich erste Anzeichen schon früher zeigten. Für ihren Aus-
bruch lassen sich multikausale Erklärungen finden. Sie hängt gleichzeitig mit binnenwirt-
110 Es existieren zahllose Ansätze, wie sich die verschiedenen Gesellschaftsformationen seit Entstehung der ka-
pitalistischen Moderne konzeptuell erfassen lassen. Aus Platzgründen wird in dieser Arbeit auf eine breitere
Auseinandersetzung mit solchen Ansätzen verzichtet und es werden lediglich die Umbrüche seit der Krise
des Fordismus in den Blick genommen. Es besteht weitestgehender wissenschaftlicher Konsens darüber,
dass der Fordismus eine relativ stabile Formation darstellte, die spätestens seit den 1970er-Jahren in eine
Krise geriet. Wie die sich seitdem herausbildende Entwicklungsweise treffend zu bezeichnen wäre ist hinge-
gen umstritten. Gängig ist beispielsweise die Bezeichnung Neoliberalismus, die jedoch unter anderem durch
ihre weite Verbreitung als politisches Schlagwort im Populärdiskurs nur wenig präzise ist. Postfordismus
verweist hingegen konkret auf die Krise und Transformation der fordistischen Arrangements, weshalb in der
vorliegenden Arbeit dieser Begriff gewählt wurde. Vgl. dazu auch Scholz (2012a): S. 44f.
111 Das Akkumulationsregime und der Geschlechtervertrag der DDR wirken im vereinigten Deutschland seit
1989 nach, auch wenn nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur BRD versucht wurde, das westdeutsche
Modell zu übertragen. Die gesellschaftlichen Eliten wurden größtenteils aus Westdeutschland importiert,
was auch in Bezug auf den öffentlichen Diskurs zu einer inferioren Position Ostdeutschlands führte. Nichts-
destotrotz existieren weiterhin in Ost- und Westdeutschland modifizierte Geschlechterverträge und vor allem
Geschlechterarrangements, die sich nur langsam angleichen. In der vorliegenden Arbeit werden nur Medien
untersucht, die vor 1989 in Westdeutschland erschienen; für den zweiten Zeitpunkt muss jedoch berücksich-
tigt werden, dass der Beitritt Ostdeutschlands auf Dauer auch den gesamtdeutschen Diskurs verschoben hat.
Auf die Unterschiede der ost- und westdeutschen Geschlechterverträge und -arrangements wird in Kapitel
2.6 noch kurz eingegangen. Vgl. dazu Scholz (2012a): S. 37ff und 72ff.
31

schaftlichen Ursachen wie der Sättigung der Konsumnachfrage zusammen, als auch mit
zunehmenden Transnationalisierungstendenzen der Akkumulation bei weitestgehend natio-
nalstaatlich verbleibenden Regulationsprozessen.
112
Die zentralen, miteinander zusammen-
hängenden Entwicklungen in diesem Kontext können mit wenigen Schlagworten benannt
werden: Entstehung neuer Transport- und Kommunikationstechnologien, Transnationalisie-
rung der Produktion und eine neue internationale Arbeitsteilung, Prekarisierung von Arbeit,
Flexibilisierung, Liberalisierung und Deregulierung. Gleichzeitig kommt es infolge ökonomi-
schen Wohlstands, Bildungsreformen, Individualisierungsprozessen und der zweiten Frauen-
bewegung zu einer zunehmenden Erwerbsorientierung von Frauen. Durch die Inkohärenz
dieser Emanzipationsbestrebungen und der Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen des
Arbeitsmarktes mit der weiteren primären Zuständigkeit von Frauen für die Reproduktion
entsteht eine Krise der fordistischen Reproduktionsweise. Die traditionelle Kleinfamilie mit
männlichem Ernährer wird zunehmend unterminiert und es kommt zu einer Pluralisierung
der Lebensformen. Es ergibt sich ein zu regulierendes Reproduktionsproblem, dem vor allem
durch zunehmend warenförmig organisierte (nach wie vor in erster Linie weibliche) Repro-
duktionsarbeit begegnet wird.
113
Dabei lassen sich je nach Milieu sehr unterschiedliche
Geschlechterarrangements nachweisen. Vor allem in höheren Einkommensschichten sind
neue Leitbilder entstanden, die die Frau nicht mehr auf ihre Hausfrauenrolle reduzieren. In
ärmeren Schichten hingegen halten sich eher traditionelle Bilder, was ihrer Praxis insofern
entgegensteht, dass gerade hier Frauen oft erwerbstätig sein müssen, um das Familienein-
kommen zu bestreiten.
114
Es lässt sich jedoch allgemein eine zunehmende Akzeptanz und
Normalisierung weiblicher Erwerbsarbeit und damit eine Verschiebung der kulturellen Leit-
bilder feststellen, was nicht heißen soll, dass sich nun egalitäre Leitbilder durchgesetzt hätten,
oder dass die geschlechtliche Arbeitsteilung aufgehoben wäre. Trotzdem ist ein beträchtlicher
kultureller Wandel in Richtung Geschlechteregalität zu konstatieren.
115
Dabei bleiben traditio-
nelle Muster insofern bestehen, dass der männliche Beitrag zur Reproduktion nach wie vor
gering bleibt, wenn auch in oberen Schichten auf einem etwas höheren Niveau als in niedri-
geren. Es findet eine gemäßigte Veränderung und Modernisierung der Reproduktionsweise
statt, die sich in dem neuen Modell der modernisierten männlichen Versorgerehe ausdrückt.
Dieses beinhaltet eine Erwerbstätigkeit von Mann und Frau, bei gleichbleibender Zuständig-
keit von Frauen für eventuelle Kinder und den Großteil der Reproduktion. Insofern nimmt
der Mann die Hauptverdienerrolle ein und die Frau ist Zuverdienerin in Teilzeitarbeit.
116
112 Vgl. Kohlmorgen (2004): S. 161ff.
113 Vgl. ebd.: S. 173ff.
114 Vgl. ebd.: S. 261ff.
115 Vgl. ebd.: S. 280ff.
116 Vgl. Pfau-Effinger (2001).
32

Die genannten Prozesse halten bis in die Gegenwart an und beziehen sich seit der Wieder-
vereinigung auch auf Ostdeutschland, wo sich die Transformation besonders schnell und vor
anderen Ausgangsbedingungen vollzog. Scholz beschreibt ausführlich, wie der Wandel der
Erwerbsarbeit seit den 1990er-Jahren den fordistischen Geschlechtervertrag weiter unter-
gräbt. Sie bezeichnet den Wandel als Herausforderung der industriegesellschaftlichen Männ-
lichkeitskonstruktion. Diese ist ihr zufolge charakterisiert durch
,,eine Ausrichtung auf lebenslange, kontinuierliche und die materielle Existenz sichernde
Erwerbsarbeit, eine hohe Identifikation mit dem Beruf, oft auch mit dem Betrieb bzw. der Firma.
Sie ist von der Berufsorientierung bestimmt, während die Familienorientierung sekundär ist.
Gleichwohl sind aber Beruf und Familie über die Position des Familienernährers in einer hierar-
chisierenden Weise miteinander verknüpft. In Bezug auf die Erwerbsarbeit ist das Männlichkeits-
konstrukt durch die Kriterien Rationalität, Kalkulation und Kontrolle bestimmt, die sich auch im
Familienbereich niederschlagen, insofern emotionale und fürsorgliche Beziehungen zu Kindern
als weibliche Verhaltensweisen gelten."
117
Diese Verknüpfung von Männlichkeit und Erwerbsarbeit wird durch die aktuellen Transfor-
mationen der Erwerbsarbeit herausgefordert, das Ideal des Familienernährers kann von einer
zunehmenden Anzahl von Männern nicht mehr realisiert werden. Die fordistischen
Geschlechterarrangements erschöpfen sich in der Praxis und stellen damit traditionelle Kon-
struktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit und die fordistische Reproduktionsweise in
Frage. Empirisch lässt sich eine abnehmende Erwerbsintegration von Männern feststellen,
mit der ein Aufstieg von Frauen in die Haupternährerposition zusammenhängt. Diese Ent-
wicklung stellt sowohl den westdeutschen Geschlechtervertrag der modernisierten männli-
chen Versorgerehe als auch den ostdeutschen des Doppel-Versorgermodells in Frage.
118
Vor
dem Hintergrund dauerhafter struktureller Arbeitslosigkeit entstehen unfreiwillige Einverdie-
nerinnenfamilien entgegen weiterhin hoher Zustimmung zu den bestehenden Geschlechter-
verträgen. Diese lassen sich nicht mehr in das persönliche Geschlechterarrangement übertra-
gen. Männliche Identität bleibt jedoch trotz Arbeitslosigkeit oder prekärer Beschäftigung mit
dauerhafter Erwerbsarbeit verknüpft, ihr Verlust kann durch die Position innerhalb der Fami-
lie nur unzureichend kompensiert werden: ,,Für das männliche Selbstverständnis ist der Beruf
die zentrale Orientierungsfolie. Männlichkeit kann offensichtlich gar nicht anders gedacht
werden, sie kann nur vom Beruf her konzipiert werden. Der Bereich der Familie ist augen-
scheinlich nicht identitätsrelevant."
119
Diese Verknüpfung von männlicher Identität und Beruf ist trotz der beschriebenen Transfor-
mationen sehr beharrlich. Ihre Bedeutung für Männer nimmt tendenziell sogar zu, wenn sich
ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verschlechtern. Es lässt sich konstatieren, dass Männer
weiterhin eine starke Berufsorientierung aufweisen und ihren Lebenslauf um Arbeit zentrie-
117 Scholz (2012a): S. 69.
118 Vgl. ebd.: S. 72ff.
119 Meuser (2007): S. 36. Vgl. auch Scholz (2012a): S. 78ff.
33

ren.
120
Die Ursache für die Langlebigkeit dieser industriegesellschaftlchen Männlichkeitskon-
struktion sieht Scholz darin, ,,dass Männlichkeit mit Erwerbsarbeit immer noch sowohl struk-
turell als auch kulturell-symbolisch verknüpft ist. Erst allmählich bricht das Ernährerleitbild
auf, das in den Institutionen Arbeitsmarkt und Familie verfestigt ist, und entwickelt sich zu
einem [...] Adult-Worker-Model. Auf der kulturell-symbolischen Ebene mangelt es zudem an
Erzähl- und Identitätsmustern, die Männlichkeit jenseits von Erwerbsarbeit konstruieren."
121
Inwiefern sich ein Wandel solcher Erzähl- und Identitätsmuster auf symbolischer Ebene fin-
den lässt, wird das Thema des empirischen Teils dieser Arbeit sein.
Festgehalten werden muss an dieser Stelle, dass traditionelle Männlichkeitskonstruktionen
vor dem beschriebenen Hintergrund zunehmend prekär werden: ,,Die bisherige hegemoniale
Form verliert in den Transformationsprozessen ihre Passfähigkeit und es konstituieren sich
neue Männlichkeiten, die um die hegemoniale Position konkurrieren, die alte Form jedoch
bisher nicht gänzlich ablösen."
122
Die Homosozialität der traditionell männlichen Berufswelt
ist bereits weitgehend erodiert, die räumliche und zeitliche Entgrenzung von Leben und
Arbeit weicht die klassische Sphärentrennung auf und die Normalisierung diskontinuierlicher
und unsicherer Berufsbiographien, des Niedriglohnsektors und von Arbeitslosigkeit bedroht
die berufszentrierte männliche Identitätskonstruktion.
123
Die Veränderungen des Akkumulati-
onsregimes und der Regulationsweise üben ebenso Druck auf die Reproduktionsweise aus,
auch wenn bisher der Geschlechtervertrag der modernisierten männlichen Versorgerehe
weiterhin hegemonial zu sein scheint. Diese Prozesse haben selbstverständlich auch großen
Einfluss auf das Verhältnis von Männlichkeit und Vaterschaft, das im nächsten Kapitel
betrachtet wird.
2.6 Vaterschaft und Väterlichkeit
Mit der Durchsetzung der modernen Sphärentrennung, entsprechend polarisierten
Geschlechtscharakteren und dem Leitbild der bürgerlichen Familie in den deutschen Gebie-
ten im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die früheren Hausväter zu Berufsmenschen und
verschwanden immer weiter aus der familialen Betreuung und Erziehung von Kindern. Ihre
Beteiligung an der Familie drückte sich nicht mehr in einem Engagement in der Familie aus,
sondern für sie und zwar außerhalb von ihr in Form von Erwerbsarbeit. Diese Entwicklung
ging einher mit einer diskursiven Aufwertung von Müttern, die fortan gemäß ihrer Position in
der bürgerlichen Gesellschaft von Natur aus für diese Aufgaben zuständig und geeignet sein
120 Vgl. Scholz (2012a): S. 96ff.
121 Ebd.: S. 99.
122 Ebd.: S. 244.
123 Vgl. Meuser (2007): S. 33ff und Meuser (2010b): S. 329ff.
34

sollten.
124
Während sich die bürgerliche Familie in Westdeutschland erst in den 1950er und
1960er-Jahren schichtenübergreifend in der sozialen Praxis verallgemeinerte, begann bereits
eine diskursive Problematisierung dieser Entwicklung unter den Stichworten Vaterlosigkeit
oder abwesende Väter. Helge Pross stellte in den 1970er-Jahren fest, dass Vaterschaft für
Männer nur eine geringe persönliche Bedeutung hat. Selbstauskünfte von Vätern lehrten,
,,daß sie die Vaterrolle faktisch als Nebenrolle einstufen. [...] An die Stelle des übermächti-
gen Vaters ist der distanzierte Vater getreten: Er herrscht nicht über die 'Seinen', ist aber auch
nicht ihr aktiver Partner. In der Praxis scheint Vaterschaft weder mit großen persönlichen
Anstrengungen noch mit besonderem Engagement verknüpft."
125
Seit Mitte der 80er-Jahre
entsteht schließlich unter den Begriffen neue Väter oder involvierte Vaterschaft wieder ein
gegenläufiger Diskurs und es lässt sich ein Einstellungswandel von Vätern konstatieren, der
ebenso mit einem gestiegenen familialen Engagement einhergeht ­ auch wenn sich empirisch
eine Kluft zwischen diesen gewandelten Einstellungen zu Vaterschaft und der sozialen Praxis
von Vätern zeigt.
126
Nach Michael Meuser ist der neue Vater kennzeichnet durch seine Anwe-
senheit bei der Geburt, durch eine Beziehung zu seinen Kindern seit dem Säuglingsalter,
durch seine Beteiligung an der alltäglichen Pflege der Kinder, anstatt nur mit ihnen zu
spielen, und durch eine gleich enge Beziehung zu Töchtern wie zu Söhnen. Ihm zufolge ist
dieses neue Vaterschaftsideal inzwischen zu einem Leitbild sowohl für die Familienpolitik als
auch für die Mehrheit der Männer aufgestiegen.
127
Inwiefern sich ein solches Muster als Leit-
bild im öffentlichen Diskurs durchgesetzt hat, wird empirisch zu prüfen sein.
Die Lücke zwischen einem Einstellungswandel von Vätern und beharrlicher Praxis ist
Scholz zufolge für die Debatten seit den 1990er-Jahren konstitutiv. Um die Entwicklungen
näher untersuchen zu können, schlägt sie eine begriffliche Differenzierung von Vaterschaft
und Väterlichkeit vor: ,,Das Alltagsleben mit Kindern, die Aufgaben der Kinderbetreuung
(Fürsorge, Versorgung, Pflege, Spielen) sowie emotionale Bindungen werden begrifflich als
Väterlichkeit gefasst. Unter Vaterschaft sind hingegen die sozial und rechtlich geregelten Ver-
antwortlichkeiten sowie die Weitergabe von Besitz, kultureller Bildung, Standesbewusstsein
und verinnerlichter Familientradition zu sehen."
128
In der industriegesellschaftlichen Männ-
lichkeitskonstruktion, die an den Familienernährer gebunden war, spielte Väterlichkeit in die-
sem Sinne kaum eine Rolle. Die Aufgabe des Vaters war es, die Familie materiell zu versor-
gen: ,,Ihr Beitrag zur Familienarbeit war demnach vor allem finanzieller Art und wurde
124 Dieser Prozess ging selbstverständlich nicht linear vonstatten und vor allem lief er für verschiedene Gesell-
schaftsschichten sehr unterschiedlich ab. Vgl. Hausen (1976), Trepp (1996), Verheyen (2011) und Acker-
mann (2012b).
125 Pross (1978): S. 135f.
126 Vgl. Matzner (2004): S. 9.
127 Vgl. Meuser (2007): S. 49, Meuser (2009): S. 227.
128 Scholz (2012a): S. 111.
35

außerhalb der Familie erbracht. Die in der Familie notwendige Sorge- und Hausarbeit wurde
weitgehend durch die (Ehe-)Partnerinnen geleistet."
129
Ein solches Geschlechterarrangement
lässt sich jedoch einerseits für immer weniger Männer realisieren, andererseits lässt sich auch
ein Wandel des hegemonialen Geschlechtervertrages in Richtung einer Wiederintegration von
Vätern in die Familie beobachten. Trotzdem bildet Erwerbsarbeit weiterhin den zeitlichen
Schwerpunkt im Leben von Männern. Männer sind zwar auch im Familienleben präsent und
führen ein Freizeitleben, an der klassischen Arbeitsteilung hat sich jedoch wenig geändert.
Für eine männliche Identität bleibt die Berufsorientierung gegenüber der Familie konstitu-
tiv.
130
In der Diskursanalyse wird insofern zu untersuchen sein, ob Väterlichkeit als fürsorgli-
che Praxis eine Rolle in den Medien spielt, in welches Verhältnis Sorge zu Männlichkeit
gesetzt wird und ob dabei alternative Identitätsmuster jenseits von Lohnarbeit produziert wer-
den.
In den Einstellungen von Männern lässt sich bereits eine allmähliche Aufwertung von Väter-
lichkeit gegenüber der reinen Ernährerfunktion nachweisen. Die Karriereorientierung bleibt
der Familie gegenüber weiterhin vorrangig und auch innerhalb der Fürsorgetätigkeiten blei-
ben Bereiche mit exklusiven Zuständigkeiten von Männern und Frauen nach klassischen
Geschlechtermustern bestehen, nichtsdestotrotz wollen Männer als Väter auch innerhalb der
Familie für ihre Kinder da sein. Allerdings wird dieses veränderte Vaterschaftsideal kaum in
die Praxis umgesetzt. Insbesondere bei egalitär orientierten Paaren setzt mit der Geburt des
ersten Kindes regelmäßig der berühmte Traditionalisierungsschub ein. Neue Väter stellen
insofern weiterhin die kleinste empirische Gruppe von Vätern in Deutschland dar. Der gesell-
schaftliche Wandel von Vaterschaft bezieht sich bisher vor allem auf einen normativen Rah-
men, während seine Umsetzung unter anderem von den Anforderungen des Arbeitsmarktes
und der Beharrlichkeit der inkorporierten Habitus verhindert wird.
131
Der Einstellungswandel von Männern hängt mit einem Prozess zusammen, der sich als Dis-
kursivierung von Vaterschaft bezeichnen lässt. Bereits Anfang der 80er-Jahre erschienen die
ersten Sachbücher über Vaterschaft, die sich für eine neue Väterlichkeit einsetzten. Das ver-
änderte Vaterbild war dabei Teil eines breiteren Männlichkeitsdiskurses, in dem versucht
wurde, die alte Konstruktion von Männlichkeit für traditionell weiblich konnotierte Eigen-
schaften und Fähigkeiten zu öffnen. Die neue Väterlichkeit sollte es Männern ermöglichen,
ihren Erfahrungsraum zu erweitern. Der Diskurs ging vor allem von einer überschaubaren
profeministischen Männerbewegung aus, die damit auch auf egalitäre Geschlechterarrange-
ments zielte. In den 90er-Jahren kippte dieser Diskurs zeitweise in die entgegengesetzte Rich-
129 Scholz (2012b): S. 88.
130 Vgl. ebd.: S: 84ff.
131 Vgl. Scholz (2012a): S. 112f, Meuser (2007): S. 59ff, Meuser (2009).
36

tung und bediente wieder traditionelle Muster: Die Vater-Sohn-Beziehung wurde in den Vor-
dergrund gestellt, der Vater sollte mit dem Sohn außerhäusliche Aktivitäten durchführen und
ihn in die männliche Erwachsenenwelt einführen. Die Beziehung zu Töchtern und alltägliche
reproduktive Tätigkeiten blieben hingegen ausgeklammert.
132
Gleichzeitig etablierte sich ein
immer größer werdender Markt an Ratgebern und biographischen Erzählungen zu Vater-
schaft. Auch in den Massenmedien bleibt das Thema präsent und wurde mittlerweile selbst
von der bundesdeutschen Politik aufgegriffen, wie gerade die Debatten um die Einführung
des Elterngeldes und die sogenannten Vätermonate zeigen. Und auch in den Wissenschaften,
allen voran der Psychologie, wird Vaterschaft zunehmend als Forschungsgegenstand ent-
deckt. Diese zunehmende Diskursivierung beendet die fraglose Gegebenheit traditioneller
Geschlechterarrangements. Sie lässt Vaterschaft von einer Vorgabe zu einer Aufgabe werden,
sodass sie von Männern bewusst gestaltet werden muss.
133
Das Spannungsverhältnis, in dem
dabei Männlichkeit und Väterlichkeit stehen und das eine wichtige Rolle für die mangelnde
Übertragung in die Praxis spielt, wird in diesen Diskursen allerdings nicht explizit themati-
siert. Stephan Höyng kommt vor diesem Hintergrund trotz der aktuellen Entwicklungen zu
dem Schluss, ,,dass in unserer Gesellschaft Fürsorge (care) immer noch unvereinbar mit der
vorherrschenden Vorstellung von Männlichkeit ist."
134
Studien belegen jedoch, dass sich in einigen Milieus unter bestimmten Voraussetzungen
durchaus eine pragmatische Modernisierung von Vaterschaft in den sozialen Praxen voll-
zieht. Für die betreffenden Männer hat das Zusammenleben mit ihren Kindern einen hohen
Stellenwert und sie reduzieren bewusst ihr Engagement im Beruf, um mehr Zeit in die Pflege
und Erziehung ihrer Kinder zu investieren. Diese Orientierungsverschiebung kann zu einer
Verunsicherung ihrer Männlichkeit führen, allerdings existieren auch Beispiele für eine
gelungene Integration dieser Tätigkeiten in die eigene Männlichkeitskonstruktion. Interessan-
terweise funktioniert dieses Geschlechterarrangement gerade bei solchen Paaren, die ihre
Arbeitsteilung nicht geschlechterpolitisch rahmen. Ausgangspunkt für das Arrangement ist
die Berufstätigkeit beider Partner, die eine pragmatische Aufteilung der reproduktiven Tätig-
keiten nach sich zieht. Es ist davon auszugehen, dass eine solche pragmatische Aushandlung
und Normalisierung eines egalitäreren Geschlechterarrangements erst als Folge der feminis-
tischen Deutungskämpfe und Diskursverschiebungen durch die zweite Frauenbewegung
denk- und damit praktizierbar geworden ist, dass es also auf kulturell-symbolischer Ebene
mittlerweile Erzähl- und Identitätsmuster gibt, die eine männliche Identität jenseits der
Berufsorientierung grundsätzlich ermöglichen. Solche pragmatischen Modernisierungen fin-
132 Vgl. Meuser (2007): S. 55ff.
133 Vgl. ebd.: S. 58.
134 Höyng (2009): S. 351, zitiert nach Scholz (2012a): S. 114.
37

den sich vor allem im jungen akademischen und Facharbeitermilieu, während die Lücke zwi-
schen egalitären Einstellungen und sozialer Praxis in den Mittelschichten am weitesten aus-
einanderklafft.
135
In der DDR setzte eine ähnliche Entwicklung bereits in den 80er-Jahren ein. Vor dem Hin-
tergrund der Normalität weiblicher Lohnarbeit, öffentlicher Kinderbetreuung und der beson-
deren gesellschaftlichen Rolle der Familie als Freiraum vor dem Staat entwickelte sich dort
eine Selbstverständlichkeit männlichen Engagements in der Familie. Die Reproduktionsweise
gestaltete sich im Zusammenhang mit einem anderen Akkumulationsregime und einer weit-
reichenden staatlichen Regulation deutlich egalitärer. Diese unterschiedlichen Geschlechter-
verträge und -arrangements wirken im vereinigten Deutschland nach. In Ostdeutschland stellt
weiterhin eine Doppelerwerbstätigkeit die kulturelle Norm dar. Staatliche Kinderbetreuung
wird selbstverständlich in Anspruch genommen und beide Partner beteiligen sich an repro-
duktiven Tätigkeiten. Während Väterlichkeit in Ostdeutschland entsprechend milieuübergrei-
fend im Modus der Selbstverständlichkeit praktiziert wird, existieren in Westdeutschland
schichtspezifisch sehr unterschiedliche Arrangements. Unter bestimmten Voraussetzungen
verwirklichen Paare aus dem jungen akademischen oder Arbeiter_innenmilieu eine relativ
egalitäre Arbeitsteilung, während in der Mittelschicht eine eher auf Außenwirkung abzielende
Väterlichkeit dominiert, die den eigenen Idealen entsprechend inszeniert wird.
136
Mit Karsten
Kassner geht Scholz davon aus, dass vor allem den pragmatischen Modernisierungen von
Männlichkeit eine nicht unerhebliche Bedeutung für den Wandel der Geschlechterordnung
zukommt: ,,Im Zusammenspiel mit den Diskursivierungen von Vaterschaft könnten auf diese
Weise Väterlichkeit und damit Fürsorgearbeit in das Männlichkeitskonstrukt integriert und
somit die aufgezeigten kulturell-symbolischen Barrieren für die Beteiligung von Männern an
der Familienarbeit aufgehoben werden."
137
Eine solche Wiederintegration von Väterlichkeit
und Männlichkeit sieht sie als den Kern des Problems an: ,,Nur wenn Fürsorge(-arbeit) zum
Bestandteil von Männlichkeit wird, kann der Familienbereich dauerhaft und in größerem
Maße als bisher zum gleichrangigen oder zentralen Lebensbereich von Männern werden und
kann weitergehend die Frage nach der gesellschaftlichen Reproduktion zwischen den
Geschlechtern neu verhandelt werden."
138
Da die diskursiv produzierten, kulturell-symboli-
schen Dimensionen von Männlichkeit sich als besonders beharrlich erweisen, gelte es, ,,eine
neue Semantik von Männlichkeit und Väterlichkeit zu kreieren."
139
Inwiefern im massen-
medialen Diskurs Väterlichkeit und Sorge mit Männlichkeit zusammengebracht werden und
135 Vgl. Scholz (2012a): S. 114f.
136 Vgl. ebd.: S. 115ff.
137 Ebd.: S. 118.
138 Scholz (2012b): S. 96.
139 Scholz (2012a): S. 254.
38

eine neue Semantik entsteht, wird im empirischen Teil dieser Arbeit zu überprüfen sein. Eine
solche Integration auf diskursiver Ebene würde jedenfalls eine wichtige Rolle für eine verän-
derte soziale Praxis spielen.
Michael Matzner entwirft in seiner empirischen Studie über subjektive Vaterschaftskonzepte
von Vätern ein Modell, mit dem sich erfassen lässt, welche sozialen Einflussfaktoren es
Männern ermöglichen oder erschweren, eine aktive Vaterschaft zu praktizieren. In diesem
Modell findet sich auch die diskursiv-symbolische Ebene als Faktor wieder, der die Entwick-
lung eines subjektiven Vaterschaftskonzeptes beeinflusst. Aus leitfadengestützten Interviews
mit Vätern entwickelt Matzner eine Typologie und Theorie subjektiver Vaterschaftskonzepte
und deren Umsetzung. Die vier von ihm identifizierten Idealtypen von Vaterschaft bezeichnet
er als traditionellen Ernährer, modernen Ernährer, ganzheitlichen Vater und familienzentrier-
39

ten Vater. Diese Typen unterscheiden sich in verschiedensten Dimensionen wie der subjekti-
ven Bedeutung von Vaterschaft, ihrer Reflexivität, definierten Vaterfunktionen, der Vateriden-
tität, der familialen Praxis und des Geschlechterarrangements, der Vater-Kind-Beziehung
usw. Der ganzheitliche und der familienzentrierte Vater stellen die beiden Formen dar, die ein
egalitäres bis überwiegendes familiales Engagement aufweisen und dem entsprechen, was
medial als neue Väter verhandelt wird.
140
Die subjektiven Vaterschaftskonzepte haben Matz-
ner zufolge einen relationalen Charakter. Sie stehen im Verhältnis zur sozialen Umgebung des
Vaters und seinen sozialstrukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen. Väterliche Praxis
ist folglich ein Produkt des Zusammenwirkens von Persönlichkeit und Gesellschaft, sie ent-
steht aus einer psychischen und einer sozialen Dimension heraus.
141
In seinem Modell des
subjektiven Vaterschaftskonzeptes und der sozialen Praxis von Vaterschaft versucht Matzner
die verschiedenen Einflussfaktoren konzeptuell zu erfassen (Abb. 1). Als subjektives Vater-
schaftskonzept versteht er
,,die Vorstellungen eines Vaters über seine Vaterschaft. Die Vorstellungen spiegeln sich in Auffas-
sungen, Überzeugungen, Einstellungen und Normen hinsichtlich der Bereiche Vaterschaft, Mut-
terschaft, Elternschaft, Kindheit und Erziehung wider. Subjektive Vaterschaftskonzepte ermögli-
chen die Handlungsplanung als Vater und geben damit Verhaltenssicherheit."
142
Die Grundzüge eines solchen Konzeptes sind schon in der frühen Persönlichkeitsentwicklung
des Mannes angelegt. Im Laufe der Sozialisierung entwickeln Männer bestimmte Lebensein-
stellungen, Lebenspläne und Relevanzstrukturen. So bilden werdende Väter aus der persönli-
chen Sozialisation, der eigenen sozialen Lage und sozio-kulturellen Einflüssen heraus ihr
subjektives Vaterschaftskonzept, das fortlaufend durch die Erfahrungen als Vater beeinflusst
wird. Für die Umsetzung eines solchen Vaterschaftskonzeptes in die soziale Praxis spielen
verschiedene Hauptdeterminanten eine Rolle: Interaktionen und Aushandlungen vor allem
mit der Partnerin
143
und den Kindern, materielle Ressourcen wie das (Familien-)Einkommen
und Kinderbetreuungsangebote, Berufstätigkeit des Vaters und die soziale Lage sind die
wichtigsten Variablen für die Realisierung des jeweiligen Vaterschaftskonzeptes. Sie deter-
minieren, ob es sich in die Praxis umsetzen lässt oder sich ein Vereinbarkeitsdilemma
ergibt.
144
Für die vorliegende Arbeit ist hervorzuheben, dass diskursive Deutungs- und Identi-
tätsmuster Voraussetzungen bilden, an denen sich Väter orientieren müssen, wenn sie ihr sub-
jektives Vaterschaftskonzept entwickeln. Insofern soll die vorliegende Diskursanalyse einen
Baustein zum Verständnis dessen beitragen, wie im Zusammenspiel der diskursiv-symboli-
140 Vgl. Matzner (2011): S. 229ff, ausführlich in Matzner (2004): S. 339ff. In der Forschung existieren ver-
schiedene Typologien von Vaterschaftskonzepten und väterlicher Praxis, die sich letztlich alle auf ähnliche
Indikatoren beziehen. Vgl. bspw. Scholz (2012a): S. 112f, Meuser (2009): S. 220.
141 Vgl. Matzner (2011): S. 233.
142 Matzner (2004): S. 436.
143 Matzner bezieht sich ausschließlich auf heterosexuelle Paare.
144 Vgl. ebd.: S. 437ff.
40

schen Ebene, von Einstellungen und Identitäten, Interaktionen und strukturellen Vorausset-
zungen die soziale Praxis von Vätern zustande kommt.
2.7 Zwischenfazit
An dieser Stelle sollen die für die folgende Diskursanalyse wesentlichen Aspekte der disku-
tierten Ansätze noch einmal festgehalten und Leitfragen abgeleitet werden. Grundsätzlich
existieren in der Moderne verschiedene Formen von Männlichkeit, die miteinander in Kon-
kurrenz um die hegemoniale Position stehen. Hegemoniale Männlichkeit legitimiert sowohl
die Unterordnung anderer Männlichkeitsformen als auch von Frauen. In Connells Ansatz
wird Vaterschaft allerdings nicht berücksichtigt. Eine mögliche Interpretation wäre auch,
diese Leerstelle als Ausdruck dessen zu begreifen, dass Vaterschaft in der hegemonialen
Männlichkeitsform tatsächlich keine bedeutsame Rolle spielt. Darüber hinaus weist der
Ansatz einige Schwächen und Unklarheiten auf. Der Hegemoniebegriff verweist jedoch auf
die Ebene massenmedialer Diskurse. Eine bestimmte Praxis kann nur dann eine hegemoniale
Position einnehmen, wenn sie durch symbolisch-kulturelle Vermittlungen über ihren Träger-
kreis hinaus erfolgreich Anspruch auf Allgemeinheit erhebt. Auch bei Vaterschaft konkurrie-
ren letztlich verschiedene Formen um die hegemoniale Position. In der Analyse wird zu klä-
ren sein, welche Vaterschaftskonstruktionen medial als normal dargestellt werden, welche als
abweichend und welche erst gar nicht erwähnt werden.
Sowohl bei Connell als auch bei Bourdieu spielt es für das Geschlechterverhältnis eine ent-
scheidende Rolle, dass Unterschiede zwischen Männern und Frauen naturalisiert werden.
Gerade auch in Bezug auf Vaterschaft und Mutterschaft werden die Geschlechterverträge
über Naturalisierungen legitimiert ­ sei es in Form von Zuschreibungen bestimmter Eigen-
schaften oder in Bezug auf körperlicher Merkmale. Auch solche Deutungsmuster und ihre
Verschiebungen über die Zeit sind für diese Arbeit von großem Interesse.
Von Bourdieu sind selbstverständlich die Begriffe des Habitus und der den Habitus erzeu-
genden symbolischen Gewalt zu übernehmen. Massenmediale Diskurse leisten einen wichti-
gen Beitrag zur symbolischen Gewalt, indem dort beispielsweise die primäre Zuständigkeit
von Frauen für die private Sphäre und reproduktive Tätigkeiten ständig neu produziert wird.
Sollte diese Verknüpfung diskursiv brüchig werden und zunehmend auch an Männer der
Anspruch gestellt werden, solche Tätigkeiten zu übernehmen, würde dies eine entscheidende
Veränderung der bürgerlichen Geschlechterordnung bedeuten. Dazu müsste aber ebenso das
zentrale Element des männlichen Habitus, die libido dominandi, überwunden werden. Für
den Kampf um Positionen, Anerkennung und Ehre in der öffentlichen Sphäre ist diese Lust
zu dominieren zentral, mit fürsorglichen Aufgaben ist sie jedoch nur begrenzt kompatibel.
41

Insofern ist zu untersuchen, welche Rolle die libido dominandi im Vaterschaftsdiskurs spielt
oder ob dabei andere Formen von Männlichkeit konstruiert werden. Werden Väter beispiels-
weise nur als Spielkameraden angesehen, oder sollen sie auch die Pflege von Kleinkindern
übernehmen? Auch die Frage der homosozialen Räume ist für die Diskursanalyse bedeutsam.
Sollen Väter lediglich ihre Söhne in männliche Welten einführen, oder werden sie auch mit
Bereichen in Verbindung gebracht, die nicht männlich konnotiert sind? Mit Bourdieu ist
schließlich zu fragen, ob die diskursiven Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien von
Männern als Vätern sich in dem Untersuchungszeitraum verändern, was auch Einfluss auf die
Produktion der praktischen Dispositionen hätte.
Gemäß der für die bürgerliche Gesellschaft konstitutiven Verknüpfung von Männern und
Männlichkeit mit der öffentlichen Sphäre und den entsprechenden Eigenschaften wird zu
untersuchen sein, in welches Verhältnis diskursiv Väterlichkeit und Männlichkeit gestellt
werden. Wird Fürsorglichkeit diskursiv mit Männlichkeit zusammengebracht und, wenn ja,
auf welche Weise? Werden dabei Subjektpositionen angeboten, die Männern eine Identität
jenseits von Berufs- und Karriereorientierung ermöglichen? Die männliche Hegemonie
beruht in der Moderne zu großen Teilen auf der Invisibilisierung ihrer Geschlechtlichkeit in
der öffentlichen Sphäre und der Stilisierung des Männlichen zum Allgemein-Menschlichen.
Im reproduktiven Bereich ist dieses Verhältnis umgekehrt: Dort stellen Frauen die Norm dar,
von der ausgegangen wird, wenn Geschlecht nicht explizit thematisiert wird. Insofern ist
auch zu fragen, ob Männer dabei im Modus der Selbstverständlichkeit dargestellt werden,
oder ob sie stets als exotische Ausnahmen präsentiert werden, die trotz ihres Mannseins auch
Sorgetätigkeiten übernehmen. Letztlich geht es darum zu überprüfen, ob sich im Vater-
schaftsdiskurs Anzeichen dafür finden lassen, die kulturell-symbolischen Barrieren abzu-
bauen, die eine Umsetzung aktiver Vaterschaft in die Praxis behindern; oder, mit Matzner
gesprochen, darum, die Voraussetzungen für die Entstehung eines subjektiven Vaterschafts-
konzeptes zu untersuchen, in dem Väterlichkeit eine zentrale Rolle spielt.
Alle beobachteten Veränderungen müssen dabei vor dem Hintergrund der Krise betrachtet
werden, in die die fordistische Gesellschaftsformation in Deutschland seit den 1970er-Jahren
geraten ist. Die Analyse des Vaterschaftsdiskurses steht in keinem geringeren Rahmen als der
Frage, welche Reproduktionsweise sich in der neuen Formation durchsetzen wird. Damit
wird auch relevant, welche Geschlechterarrangements diskursiv repräsentiert werden und
welcher gesellschaftliche Geschlechtervertrag so legitimiert wird, bzw. ob sich beispielsweise
ein hegemonialer von einem untergeordneten Geschlechtervertrag unterscheiden lässt.
Ebenso zu beachten ist, welche Rolle Veränderungen in der Reproduktionsweise wie der Aus-
bau öffentlicher Kinderbetreuung für den Geschlechtervertrag spielen. Gleichzeitig haben
42

auch die Transformationen des Akkumulationsprozesses einen Einfluss auf Vaterschaftskon-
struktionen. Fortschreitende Prekarisierung und die Entgrenzung von Leben und Arbeit set-
zen den Rahmen, in dem die Geschlechterarrangements ausgehandelt werden müssen. Wenn
die gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozesse die Voraussetzungen für die industrie-
gesellschaftliche Männlichkeitskonstruktion immer weiter untergraben, müssen über kurz
oder lang im Diskurs andere Subjektpositionen produziert werden, die mit den veränderten
Ausgangsbedingungen kompatibel sind. Ob diese eine männliche Identität jenseits des Beru-
fes ermöglichen oder Männlichkeit und Berufsorientierung lediglich neu konfigurieren, wird
empirisch zu überprüfen sein.
3 Analyse des Vaterschaftsdiskurses
3.1 Kritische Diskursanalyse als Forschungsmethode
145
Als Analysemethode wurde die Kritische Diskursanalyse (KDA) nach Siegfried Jäger ver-
wendet. Jäger stellt sich in der Konzeption der KDA explizit in die Tradition Foucaults. Eine
Diskursanalyse bedeutet nach Foucault, das Wissen zu bestimmen, das sprachlich und nicht-
sprachlich performierten Diskursen zugrunde liegt. Es geht also nicht um reine Semantik,
sondern darum nachzuzeichnen, welche Aussagen in einem bestimmten sozialhistorischen
Kontext überhaupt möglich oder besser wahrheits- und damit diskursfähig sind und wie diese
in Verbindung mit Macht wirksam werden. Die KDA versteht sich als kritisch, da sie auf der
einen Seite durch das Aufzeigen von raum-zeitlicher Eingebundenheit von Aussagen generell
Wahrheitskritik übt und auf der anderen Seite als Teilnehmerin an Diskursen diese auch
beeinflusst.
146
Der Diskurs wird von der KDA bestimmt als ,,Fluss von Wissen bzw. sozialen
Wissensvorräten durch die Zeit", der ,,die Vorgaben für die Subjektbildung und die Struktu-
rierung und Gestaltung von Gesellschaften" macht. Insofern bezeichnet Jäger Diskurse auch
als ,,transsubjektive Produzenten gesellschaftlicher Wirklichkeit und sozio-kultureller Deu-
tungsmuster."
147
Die konzeptuellen Ausgangspunkte der KDA überschneiden sich in den
wesentlichen Aspekten mit Scholz' Überlegungen zu einer Verknüpfung von subjekt- und dis-
kurstheoretischen Perspektiven, auch wenn bei Scholz der eigenlogischen Aneignung der
Diskurse durch die Subjekte ein größeres Gewicht beigemessen wird. Die KDA teilt die sel-
ben Grundannahmen und ist folglich als Methode gut geeignet für eine Diskursanalyse, die
an einen solchen theoretischen Standpunkt anschließt.
In der Arbeit wird sich an Jägers methodisch-terminologischen Vorschlägen zur Strukturie-
rung sprachlich performierter Diskurse orientiert. Hierzu werden verschiedene Diskurs-
145 Teile dieses Kapitels wurden in leicht überarbeiteter Form übernommen aus Ackermann et al. (2015):
S. 81ff.
146 Vgl. Jäger (2012): S. 7ff.
147 Ebd.: S. 26f.
43

stränge unterschieden, die sich auf mehreren Diskursebenen aus unterschiedlichen Diskurs-
fragmenten zusammensetzen, deren kleinste Einheiten jeweils einzelne Aussagen bilden. Ein
Diskursstrang ist dabei die Gesamtheit von Aussagen, die ein bestimmtes Thema behandeln.
Das bedeutet, dass in dieser Arbeit der Diskursstrang Vaterschaft untersucht wird, der ver-
knüpft ist beispielsweise mit dem Strang Männlichkeit, Familie, Mutterschaft usw. Ein sol-
cher Diskursstrang beinhaltet wiederum verschiedene Unterthemen, wobei das Abgrenzungs-
merkmal von Unterthemen und Diskurssträngen darin liegt, dass Diskursstränge auch unab-
hängig voneinander verhandelt werden, während Unterthemen immer mit dem ihnen zugehö-
rigen Strang verknüpft sind. Diskursfragmente hingegen sind konkrete einzelne Texte oder
Textteile, die ein solches Thema behandeln, in diesem Fall also einzelne Artikel. Die Frag-
mente werden gebildet durch Aussagen, die sich als ,,Atome des Diskurses" isolieren lassen
und deren Bildung durch den Gesamtdiskurs determiniert ist. Eine Aussage ist der inhaltliche
Kern einer Äußerung, die als konkretes Ereignis an einem bestimmten Ort zu einem bestimm-
ten Zeitpunkt gemacht wird. Eine Aussage muss auch nicht unbedingt sprachlich ausgedrückt
werden, sie kann auch implizit zwischen den Zeilen stehen oder in Form von Bildern, Tabel-
len, Grafiken usw. transportiert werden.
148
Diskursebenen bezeichnen in diesem Zusammenhang die verschiedenen Felder, in denen
diskursive Kämpfe stattfinden. Sie sind als soziale Orte zu verstehen, in denen diese Kämpfe
nach je eigenen Regeln ausgetragen werden. Diese wären beispielsweise Wissenschaft, Mas-
senmedien, Politik oder Erziehung. Dabei sind diese Ebenen wiederum nicht als voneinander
abgeschottet zu betrachten, sondern sie beziehen sich aufeinander, nutzen sich gegenseitig
und durchdringen sich teilweise. Auch die einzelnen Diskursstränge ziehen sich quer durch
die verschiedenen Ebenen.
149
Im Anschluss an Jürgen Link werden von Jäger wissenschaftli-
che Spezialdiskurse vom nicht-wissenschaftlichen Interdiskurs unterschieden, die sich jedoch
gegenseitig beeinflussen. In der vorliegenden Arbeit wird mit der Ebene Massenmedien ein
Teil des Interdiskurses untersucht, wobei dort regelmäßig Bezug auf die Ebenen Wissen-
schaft, Politik und Erziehung genommen wird. Das Magazin Eltern nimmt innerhalb des
massenmedialen Diskurses darüber hinaus eine besondere Rolle ein, die weiter unten disku-
tiert werden wird.
Die Entwicklung eines Diskursstrangs lässt sich nach Jäger am Besten anhand von diskursi-
ven Ereignissen nachzeichnen. Diskursive Ereignisse sind Begebenheiten, die medial breit
rezipiert werden und durch ihre Bedeutsamkeit den gesamtgesellschaftlichen Diskurs oder
einen bestimmten Diskursstrang in seiner Richtung oder Qualität beeinflussen. Durch ein dis-
148 Vgl. ebd.: S. 80f.
149 Vgl. ebd.: S. 83f.
44

kursives Ereignis verdichten sich die verschiedenen Diskurspositionen, da sie innerhalb kur-
zer Zeit breit diskutiert werden. Für eine Diskursanalyse bietet es sich folglich an, die Menge
an analysierbarem Material durch gezielte synchrone Schnitte an diskursiven Ereignissen zu
sortieren. So können durch die Untersuchung ausgewählter, typischer Diskursfragmente zu
verschiedenen Zeitpunkten Veränderungen in der Zeit valide festgestellt werden. Mit dem
synchronen Schnitt wird also versucht, die synchrone ­ gleich-zeitige ­ Dimension eines Dis-
kursstrangs zu ermitteln, und durch den Vergleich verschiedener Schnitte wird seine dia-
chrone Entwicklung ins Auge gefasst.
150
Der Gesamtverlauf einer Kritischen Diskursanalyse besteht für Jäger aus zehn Schritten:
151
In einer Einleitung sollen die Zielsetzung, der theoretische Hintergrund und die Methode
knapp erläutert werden. Darauf folgt in einem zweiten Schritt die Benennung und ausführli-
che Begründung des Untersuchungsgegenstandes, wobei seine gesellschaftliche Brisanz deut-
lich werden soll. Diese Aspekte wurden in den ersten beiden Kapiteln dieser Arbeit ausge-
führt. Danach soll die Materialgrundlage bestimmt werden, was im folgenden Kapitel
geschieht. Den vierten Schritt bildet die Strukturanalyse, die das Herzstück einer Kritischen
Diskursanalyse bildet. Mit ihr soll die Struktur des Diskurses erfasst werden. Das aus-
gewählte Material wird dabei zunächst in Tabellenform aufbereitet. Erfasst werden formale
Daten wie das Erscheinungsdatum, Titel, Autor_in, Bebilderung etc. Daneben geht es jedoch
vor allem um die Ermittlung von Aussagen als gemeinsamem Nenner der verschiedenen vor-
gefundenen Äußerungen. Auch Auffälligkeiten wie bestimmte Wirkungsmittel oder beispiels-
weise Widersprüche zwischen der beanspruchten Diskursposition und getätigten Aussagen
werden dabei festgehalten. In erster Linie aus der Häufung und Form von Aussagen wird die
Struktur des Diskurses ermittelt. Aussagen, die besonders häufig auftreten, lassen einen
bestimmten Schwerpunkt erkennen. Auch der Zusammenhang, in den verschiedene Aussagen
gestellt werden, ist relevant für die Struktur. Auf dieser Materialaufbereitung beruht die Aus-
wahl eines oder mehrerer Artikel für die Feinanalyse. Ein solcher Artikel soll die vorgefun-
dene Struktur des synchronen Schnittes möglichst idealtypisch repräsentieren. Wichtig ist
dabei vor allem, dass er die zentralen Aussagen enthält, aber auch typische Wirkungsmittel
sind ein Auswahlkriterium. In der Feinanalyse wird das Diskursfragment sehr detailliert
sowohl formal als auch inhaltlich ausgewertet und in seinem Kontext interpretiert. Aus dem
Zusammenhang von Struktur- und Feinanalyse(n) ergibt sich schließlich die synchrone
Dimension des Diskursstrangs. Als sechsten Schritt nennt Jäger die Ermittlung des diskursi-
ven Kontextes des untersuchten Materials, also seiner zeiträumlichen Eingebundenheit, was
150 Vgl. ebd.: S. 80ff.
151 Vgl. ebd.: S. 90ff.
45

sich jedoch schon aus den vorherigen Analysen ergibt. Danach folgt die zusammenfassende
Diskursanalyse, die sich aus den Ergebnissen der Struktur- und Feinanalyse sowie ihres Kon-
textes speist. Jäger betont an verschiedenen Stellen, dass es sich bei alledem nur um Vor-
schläge zur Strukturierung handelt, die nicht abstrakt-allgemein festgelegt werden können
und je nach Forschungsgegenstand und -design angepasst werden müssen. In der vorliegen-
den Arbeit werden für die ZEIT und den SPIEGEL jeweils zuerst die Ergebnisse der Struktur-
analyse zusammengefasst und diese dann an einer Feinanalyse konkreter veranschaulicht. Bei
der Eltern musste aus Platzgründen auf Feinanalysen verzichtet werden. Nach den Einzelana-
lysen folgt in dieser Arbeit noch eine Betrachtung der diachronen Entwicklung des Diskurses.
Die letzten drei Schritte sind nach Jäger eine prägnant ausformulierte Kritik des untersuchten
Diskurses, Vorschläge zur Vermeidung oder Bekämpfung festgestellter problematischer
Strukturen und abschließende Überlegungen zur Vollständigkeit der Analyse. Diese drei
Aspekte werden schließlich in Fazit und Ausblick aufgegriffen.
Zwei weitere Konzepte sollen an dieser Stelle zumindest noch kurz genannt werden, die
Jäger von Link übernimmt und die er als ,,diskurstragende Kategorien" bezeichnet: Norma-
lismus und Kollektivsymbolik.
152
Mit dem Normalismus löst Link zufolge in der modernen
westlichen Gesellschaft Normalität die vorher zentrale Stellung von Normativität ab. Im
Gegensatz zu Normativität, bei der soziale Regeln sozialem Handeln vorgeschaltet sind, lässt
sich Normalität erst im Nachhinein sicher feststellen. Zentrale Voraussetzung für den Durch-
bruch des Normalismus war die weitgehende statistische Verdatung der Gesellschaft: Erst
wenn ausreichend Daten über verschiedene soziale Bereiche erfasst werden, lassen sich Aus-
sagen über die Normalität von Sachverhalten treffen. Link versteht den Normalismus als Ant-
wort auf die dynamischen Wachstumspotentiale moderner kapitalistischer Gesellschaften. Im
Gegensatz zu Normativität ist Normalität konstitutiv variabel und damit anpassungsfähiger
an gesellschaftlichen Wandel, bietet auf der anderen Seite den Subjekten jedoch weiterhin
Orientierung und eine begrenzte Sicherheit. Dabei bereiten verschiedene Normalisierungs-
strategien einige Probleme, da Normalismus in der vorliegenden Analyse jedoch keine
zentrale Rolle spielt, soll darauf hier nicht näher eingegangen werden.
153
Auch Kollektivsym-
bole tauchen im untersuchten Material vergleichsweise selten auf, weswegen sie hier nur kurz
umrissen werden sollen. Kollektivsymbole sind von allen Menschen einer bestimmten
Gesellschaft geteilte Bilder, mit denen die gesellschaftliche Wirklichkeit interpretiert wird.
Sie sind ,,die Gesamtheit ihrer am weitesten verbreiteten Allegorien und Embleme, Meta-
phern, Exempelfälle, anschaulichen Modelle und orientierenden Topiken, Vergleiche und
152 Vgl. ebd.: S. 53ff.
153 Vgl. ausführlich: Link (2006).
46

Analogien."
154
Durch ihre symbolische Wirkungskraft überbrücken sie Widersprüche und
erzeugen Plausibilität, da sie kollektiv geteilt und verstanden werden.
155
3.1.1 Materialauswahl
Grundsätzlich stellt Jäger zufolge die Auswahl des Materials vor eine Vielzahl von Proble-
men. Vor allem der Umfang des Materialkorpus ist eine schwierige Frage. Die KDA hat den
Anspruch, ganze Diskurse bzw. Diskursstränge
156
qualitativ vollständig zu erfassen. Dabei
widerspricht Jäger Foucault, der davon ausging, dass das unendliche Archiv der Diskurse
weder vollständig zu beschreiben, noch zu umreißen wäre. Letzteres ist nach Jäger durch eine
begründete Eingrenzung des Materials in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zumindest
ansatzweise möglich. Durch die zeit-räumliche Eingrenzung beispielsweise auf bestimmte
diskursive Ereignisse könne das theoretisch unendliche Material auf eine analysierbare
Menge reduziert werden. Die offene Materialgrundlage bezeichnet Jäger als Korpus, einen
begründet reduzierten Materialkorpus als Dossier.
157
Auch für diese Arbeit ergaben sich aus der Materialmenge verschiedene Probleme. Zwar
grenzen die beiden synchronen Schnitte um die Einführung des Erziehungsgeldes zum
1.1.1986 und die Einführung des Elterngeldes zum 1.1.2007 das Material räumlich auf die
Bundesrepublik Deutschland ein, jedoch wurden zu diesen beiden Ereignissen Artikel über
sehr lange Zeiträume und in so vielen Medien veröffentlicht, dass es unmöglich gewesen
wäre, sie vollständig zu erfassen. Darüber hinaus stellte sich das Problem der Zugänglichkeit:
Da die Analyse vor allem auf den diachronen Wandel des Vaterschaftsdiskurses zielt, sollten
dieselben Medien zu den beiden Zeitpunkten ausgewertet werden. Nur so ist gewährleistet,
dass sich feststellbare Veränderungen tatsächlich auf einen veränderten Diskurs zurückführen
lassen und nicht der unterschiedlichen Materialauswahl geschuldet sind. Für den Jahrgang
1985 existieren nur sehr wenige digitalisierte Zeitungsarchive. Der Zeitaufwand für die Arti-
kelauswahl aus nicht digitalisierten Zeitungen ist jedoch so hoch, dass er für das Vorhaben
der vorliegenden Arbeit nicht zu bewältigen gewesen wäre.
Ausgewertet wurden schließlich Artikel aus der Wochenzeitung DIE ZEIT, dem Nachrich-
tenmagazin DER SPIEGEL und dem Familienmagazin Eltern. Damit wurden drei Medien
ausgewählt, die eine eher linke politische Ausrichtung haben. Für 1985 war es leider nicht
möglich, ein großes Medium mit einer konservativen Diskursposition in die Analyse mit auf-
154 Jäger (2012): S. 55.
155 Vgl. ausführlich: Drews et al. (1985).
156 Die beiden Begriffe werden von Jäger zum Teil parallel verwendet und zum Teil gegeneinander abgegrenzt.
Wenn in dieser Arbeit von einem bestimmten Diskurs wie dem Vaterschaftsdiskurs die Rede ist, ist das im
Sinne eines Diskursstrangs zu verstehen. Wenn hingegen der Diskurs im Allgemeinen angesprochen wird, ist
der breitere gesamtgesellschaftliche Wissensvorrat gemeint.
157 Vgl. ebd.: S. 91ff, 123f, 129ff.
47

zunehmen. Sowohl DIE WELT als auch die FAZ haben für diesen Zeitpunkt kein digitales
Archiv, der FOCUS erscheint hingegen erst seit den 1990er-Jahren. Damit ist davon auszu-
gehen, dass in der Analyse nicht das vollständige Sagbarkeitsfeld erfasst wird und die
Gesamtstruktur des Diskurses konservativer ist als die des erfassten Materials. Trotzdem soll-
ten sich damit zumindest die Grenzen des Mitte-Links-Diskurses zum Thema Vaterschaft auf-
zeigen lassen.
Der SPIEGEL ist die bekannteste Wochenzeitschrift Deutschlands. Ursprünglich mit einer
klar linken Ausrichtung gegründet, gilt er mittlerweile als liberal und wirtschaftsfreundlich.
Mit einer verbreiteten Auflage von fast 900.000 Exemplaren im ersten Quartal 2015 ist er das
auflagenstärkste und eines der einflussreichsten bundesweiten politischen Printmedien. Seine
Reichweite beträgt über acht Prozent in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren,
also ca. 5,6 Millionen Personen.
158
Die ZEIT ist mit einer verbreiteten Auflage von über
500.000 und einer Reichweite von 2,2 Millionen Leser_innen die größte und nach Selbstaus-
sage die führende meinungsbildende Wochenzeitung in Deutschland. Ihre politische Ausrich-
tung ist bürgerlich-liberal und ihr Zielpublikum hat eine überdurchschnittliche formale Bil-
dung. Für eine Zeitung druckt sie außergewöhnlich lange Artikel und lässt unterschiedliche
Standpunkte zu Wort kommen. Nach ihrem Selbstverständnis tritt sie für freiheitliche, demo-
kratische und soziale Prinzipien ein.
159
Für die Debatte um das Erziehungsgeld wurden alle Artikel ausgewertet, die von Juni 1984
bis Dezember 1985 erschienen und den Begriff Erziehungsgeld zumindest erwähnen. Insge-
samt ergab das ein Dossier von 13 SPIEGEL- und 18 ZEIT-Artikeln. Da das Erziehungsgeld
bereits im Bundestagswahlkampf 1983 von Heiner Geißler, dem späteren Minister für
Jugend, Familie und Gesundheit, in die Diskussion eingebracht wurde, erschienen auch vor
dem Untersuchungszeitraum vereinzelt Artikel, in denen dieser Vorschlag thematisiert wurde.
Erst im Juli 1984 fasste die Regierung unter Helmut Kohl jedoch den Beschluss, das Erzie-
hungsgeld einzuführen, sodass nach einigem Hin und Her der Bundestag ein Jahr später dem
von Heiner Geißler ausgearbeiteten Gesetzesentwurf zustimmte und die neue Regelung zum
01.01.1986 in Kraft trat. Damit fängt der gewählte Zeitraum die Konkretisierungsphase des
Erziehungsgeldes und auch die darum geführten Diskussionen vollständig ein.
Bei der Debatte um das Elterngeld musste der Analysezeitraum weiter eingegrenzt werden.
Aufgenommen wurden alle Artikel, die von Mai bis Dezember 2006 erschienen sind und in
denen der Begriff Elterngeld vorkommt, was ein Dossier von 24 SPIEGEL- und 32 ZEIT-
Artikeln ergab. Die weitere zeitliche Eingrenzung musste vorgenommen werden, weil die
158 Vgl. Spiegel-Verlag (2015a), Spiegel-Verlag (2015b), Hanke (2011).
159 Vgl. Zeitverlag Gerd Bucerius (2014), Hanke (2011).
48

reine Artikelmasse andernfalls den Rahmen dieser Arbeit gesprengt hätte.
160
Das Vorhaben
zur Einführung des Elterngeldes stand zwar bereits im November 2005 im Koalitionsvertrag
von CDU/CSU und SPD, der entsprechende Kabinettsbeschluss wurde jedoch erst im Juni
2006 gefällt, sodass der Bundestag im September der Einführung der neuen Regelung zum
01.01.2007 zustimmte. Die bloße Menge der bereits vor dem gewählten Zeitraum erschiene-
nen Artikel lässt vermuten, dass der Diskurs um das Elterngeld mit den ausgewerteten Frag-
menten möglicherweise nicht qualitativ vollständig erfasst wurde. Jedoch fallen die entschei-
denden politischen Beschlüsse in den Zeitraum des synchronen Schnittes, sodass davon aus-
zugehen ist, dass dabei keine zentralen Diskurselemente herausgefallen sind.
Das monatlich erscheinende Familienmagazin Eltern ist für eine klassische Diskursanalyse
ein eher untypisches Medium. Mit einer verkauften Auflage von mehr als 200.000 Stück und
einer Reichweite von 1,2 Millionen Personen ist sie das mit Abstand bedeutsamste Magazin
in Deutschland, dass sich an Eltern und werdende Eltern richtet.
161
Bei knapp 900.000 Gebur-
ten in Deutschland pro Jahr lässt sich seine Relevanz ungefähr erahnen. Die Eltern wurde
ausgewählt, weil sie sich spezieller an die Zielgruppe Familien wendet und nicht auf Nach-
richten fokussiert, sondern offener normative Maßstäbe darüber produziert, wie richtige oder
gute Elternschaft aussehen soll: ,,Ehe- und Beziehungsratgeber, aber auch Erziehungsratgeber
formulieren diskursive Deutungsangebote für die ideale Lebensform, angemessene
Geschlechterrollen und vor allem die 'richtige' Vorstellung von Liebe und Erziehung."
162
Das
gilt für die Eltern in gleicher Weise, auch wenn es sich dabei nicht um ein reines Ratgeberfor-
mat handelt. Väter und Mütter, die das Magazin lesen, bekommen dort Deutungsmuster
bereitgestellt, an denen sie sich in ihrer familialen Praxis orientieren ­ und sei es in Abgren-
zung zu ihnen. Rudolf Helmstetter schreibt über Ratgeber, sie seien eine Form der ,,Aufberei-
tung von Wissensbeständen in pragmatischer Absicht, das heißt, es geht ihnen nicht (wie der
Wissenschaft) um Wahrheit oder Neuheit des Wissens, sondern um seine zweckmäßige
Anwendung", sie seien eine ,,Anleitung zur Praxis."
163
Dieses unmittelbarere Verhältnis zu
Praxis macht die Eltern für eine Diskursanalyse zu einem besonders interessanten Gegen-
stand.
Die Auswahlkriterien und die Analyse der Eltern mussten gegenüber ZEIT und SPIEGEL
aus mehreren Gründen verändert werden. Während die Stichwörter Erziehungsgeld bzw.
Elterngeld dort einen Zugang zu den Diskurssträngen Elternschaft und Vaterschaft und damit
160 Wäre für diese Debatte ein analoger Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2006 untersucht worden, hätte
das ein Dossier von mehr als 100 Artikeln ergeben. Die im Vergleich wesentlich höhere Anzahl der publi-
zierten Artikel könnte als Hinweis darauf interpretiert werden, dass die Arbeitsteilung zwischen Vätern und
Müttern 2006 eine größere gesamtgesellschaftliche Brisanz gewonnen hat.
161 Vgl. Eltern (2015): S. 4.
162 Scholz/Lenz (2013): S. 50.
163 Helmstetter (2010): S. 58, zitiert nach Scholz/Lenz (2013): S. 54.
49

zum diskursiv hergestellten Geschlechtervertrag verschafften, sind Eltern- und Vaterschaft
hier ein Dauerthema. Eine Einschränkung der Diskursanalyse auf die wenigen Artikel, die
Erziehungs- und Elterngeld erwähnen, hätte im Verhältnis zu der Vielzahl an Vaterschaft und
den Geschlechtervertrag betreffenden Artikeln nur eine geringe Aussagekraft gehabt.
164
Des
Weiteren stellte sich im Laufe der Vorarbeiten für diese Arbeit heraus, dass eine methodisch
saubere und umfassende Analyse des Vaterschaftsdiskurses in dem gegebenen Rahmen nicht
zu bewältigen gewesen wäre. Eine methodisch abgesicherte und qualitativ vollständige Ana-
lyse des Vaterschaftsdikurses in der Eltern bräuchte wesentlich mehr Platz und Zeit, als im
Rahmen einer diachronen Analyse verschiedener Medien zu unterschiedlichen Zeitpunkten
zur Verfügung steht. Um dieses Medium trotzdem nicht gänzlich aus der vorliegenden Arbeit
zu streichen, wurde folgendes Vorgehen gewählt: Für den Zeitpunkt 1985 wurden die Hefte
1/1985 bis 12/1985 durchgesehen und Auffälligkeiten bezüglich der Darstellung von Vater-
schaft, Väterlichkeit und des Geschlechtervertrages festgehalten. Für den zweiten Zeitpunkt
wurden auf die gleiche Weise die Hefte des zweiten Halbjahres 2006 betrachtet, sowie eine
Sonderbeilage zum Elterngeld von Februar 2007.
165
Darauf aufbauend wird in den jeweiligen
Kapiteln die grobe Diskursstruktur der Eltern zum jeweiligen Zeitpunkt beschrieben. Dem
liegt aber keine systematisch durchgeführte Strukturanalyse der unzähligen Artikel zugrunde,
die das Thema Vaterschaft behandeln oder streifen; und auch eine ausführliche Feinanalyse
wurde entsprechend nicht durchgeführt. Als ersten Zugang zu diesem Medium und als
Kontrastierung der Diskursstruktur in ZEIT und SPIEGEL erscheint mir dieses Vorgehen für
die Fragestellung ausreichend, wenn auch nicht optimal. In jedem Fall wäre eine weiter-
gehende, systematischere Auswertung der Eltern aufgrund ihrer oben beschriebenen Rele-
vanz für (werdende) Eltern und deren Praxis lohnenswert.
3.1.2 Diskursanalytische Vorarbeiten
Während die relative Beharrlichkeit geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung innerhalb von
Familien gut untersucht ist und viele Daten zu Einstellungen und der sozialen Praxis von
Vätern vorliegen, bildet der Vaterschaftsdiskurs eine auffällige analytische Leerstelle. Mir
sind nur drei diskursanalytische Artikel bekannt, die sich mehr oder weniger in dem Feld der
vorliegenden Arbeit bewegen. Deren Ergebnisse sollen hier noch zusammengefasst werden,
um die Forschungsfragen zu erweitern.
Unter dem Titel ,,Der gute Vater" untersuchen Franziska Höher und Sabine Mallschützke
den Wandel von Vaterschaftskonstruktionen in Erziehungsratgebern für Väter.
166
Dabei über-
164 Im kompletten Jahrgang 1985 wird das Erziehungsgeld beispielsweise lediglich in vier Artikeln erwähnt.
165 In das Quellenverzeichnis wurden hier nur diejenigen Artikel aufgenommen, auf die in der Arbeit unmittel-
bar verwiesen wird.
166 Vgl. Höher/Mallschützke (2013).
50

prüfen sie vor allem, ob es im Zuge der Auflösung des einheitlichen Vaterbildes des Fami-
lienernährers und des Aufkommens der Diskursfigur des neuen Vaters zur Entstehung eines
väterlichen Pendants zur Konstruktion Mutterliebe kommt. Auch ihr Ausgangspunkt ist das
Spannungsverhältnis, in dem Männlichkeitskonstruktionen mit Väterlichkeit stehen: Da Für-
sorglichkeit und Emotionalität weiterhin als weibliche Eigenschaften gelten, behindert die
Geschlechterkonstruktion von Vätern die Umsetzung aktiver Vaterschaft. Sie vermuten
zunächst, dass sich unter dem Stichwort Vaterliebe Konstruktionen finden ließen, die solche
Eigenschaften auch mit Vätern ­ und damit mit der explizit männlichen Elternrolle ­ ver-
knüpfen. Dazu analysieren und vergleichen sie drei Väterratgeber aus den 1950er- und
1960er-Jahren mit drei Ratgebern aus den 2000er-Jahren. Ihr Fazit fällt ambivalent aus:
Schon in den 1950er- und 1960er-Jahren lassen sich Vorläufer des neuen Vaterbildes finden;
es wird in allen drei Ratgebern ein gesteigertes väterliches Engagement gefordert, das über
die reine finanzielle Versorgung der Familie hinausgeht. Im Gegensatz zu aktuellen Ratge-
bern wird die Beziehung zwischen Vater und Kind jedoch in keinem Fall über gemeinsamen
Körperkontakt hergestellt, pflegerische Tätigkeiten werden grundsätzlich Müttern zugeschrie-
ben und der entsprechende Geschlechtervertrag über Natürlichkeit legitimiert. Das Vaterleit-
bild dreht sich vor allem um dessen Autorität und Vorbildcharakter, Vaterliebe im Sinne einer
intimen, auf Emotionen begründeten Liebe des Vaters zum Kind hat keinen eigenständigen
Wert. In den 2000er-Jahren wird von Vätern eine deutlich stärkere Hinwendung zur Familie
und besonders zu Kindern gefordert. Diese Hinwendung wird durch zwei verschiedene Legi-
timationsmuster abgesichert. Erstens wird auf Bindungstheorien rekurriert, in denen Pflegetä-
tigkeiten einen großen Wert für die Entstehung einer engen Beziehung zu einem Kind beige-
messen werden. Väter müssen sich also bewusst dazu entscheiden, Verantwortung zu über-
nehmen und sich auch in diesem Bereich engagieren. Das zweite Legitimationsmuster funk-
tioniert über die Zuschreibung von komplementären Mutter- und Vaterrollen. Unabhängig
davon, ob diese Komplementarität über Natur oder Kultur begründet wird, wird dem Vater
eine wichtige Funktion für Kinder zugeschrieben, weil er für die klassischen männlichen
Bereiche steht. Er öffnet den Kindern Zugang zur Welt außerhalb der Familie, lässt sie unab-
hängiger werden usw. Trotz solcher traditioneller Zuschreibungen zeichnet sich die Bezie-
hung zwischen Vater und Kind den Autorinnen zufolge in den aktuellen Ratgebern durch
neue Merkmale wie Sensibilität, Gefühle und Fürsorge aus und ist viel stärker emotionalisiert
als in den früheren Dokumenten: ,,Alle analysierten Ratgeber tun sich sichtlich schwer, expli-
zit von Vaterliebe zu sprechen. Im Vergleich der beiden Untersuchungszeiträume ist jedoch
eine zunehmende Emotionalisierung der Vater-Kind-Beziehung zu erkennen, die sich mögli-
51

cherweise weiter intensiviert."
167
Für die vorliegende Arbeit lassen sich verschiedene Fragen
aus dieser Untersuchung aufnehmen: Findet sich auch in dem hier analysierten Material eine
zunehmende Emotionalisierung der Vater-Kind-Beziehung zu den beiden Zeitpunkten? Über
welche Legitimationsmuster wird eine solche Zuwendung zu Kindern begründet? Wird sie
über Bindungstheorien, Komplementarität oder ganz andere Muster abgesichert, und in wel-
chem Verhältnis stehen diese zueinander?
Meike Sophia Baader analysiert in ihrem Artikel ,,Vaterschaft im Spannungsverhältnis zwi-
schen alter Ernährerrolle, neuen Erwartungen und Männlichkeitsstereotype [sic]" die Thema-
tisierung von Vaterschaft in Printmedien im Zeitraum von 2001 bis 2006.
168
Ihr Material-
korpus besteht aus Artikeln aus psychologischen und pädagogischen semi-wissenschaftlichen
Zeitschriften, der ZEIT, des SPIEGEL, des FOCUS, der TAZ und zwei Life-Style-Magazi-
nen. Zunächst stellt sie fest, dass das Thema Vaterschaft in den deutschen Printmedien in dem
ausgewählten Zeitraum sehr präsent ist und sich das mediale Interesse stärker auf den Vater
als auf die Mutter richtet. Dabei konstatiert sie eine Popularisierung des Themas insofern,
dass sich aus dem eher wissenschaftlichen Interesse an Vaterschaft in den 1990er-Jahren
zunehmend auch ein massenmediales entwickelt hat. Baader arbeitet zwei Typen von Beiträ-
gen heraus, die Vaterschaft unter unterschiedlichen Aspekten betrachten. Der erste Typus
betont die Entwicklungsbedeutsamkeit von Vätern für Kinder. Männer gehen laut diesen Arti-
keln anders mit Kindern um als Frauen und das sei auch gut so. Weil Kinder folglich mit
Vätern andere Erfahrungen machen, ist deren Anwesenheit wichtig für ihre Entwicklung.
Dieser Topos deckt sich mit dem von Höher/Mallschützke beschriebenen Legitimationsmus-
ter der Komplementarität. Der zweite Artikeltypus dreht sich um engagierte Vaterschaft und
die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie. Die Thematisierung der Doppelbelas-
tung von Vätern zeugt ihr zufolge von einer historisch neuen Situation, weil Vereinbarkeit bis
dato lediglich in Bezug auf Frauen diskutiert wurde. Dabei identifiziert sie zwei verschiedene
Möglichkeiten, dieses Problem zu behandeln. Die dominante Variante geht weiterhin von
einer primären Berufsorientierung von Männern aus und bespricht, wie die geringen ver-
bliebenen Zeitkapazitäten in der Familie genutzt werden sollten. Familiale Tätigkeiten wer-
den dabei häufig in Kategorien der Arbeitswelt verhandelt und beispielsweise als ,,zweiter
Job" bezeichnet.
169
Die Vaterrolle ist dabei nicht an alltäglicher Fürsorge orientiert, sondern
eher am Vater als Spielkameraden; Hausarbeiten kommen entsprechend erst gar nicht als
Thema vor. Darüber hinaus wird das väterliche Engagement in erster Linie im Verhältnis zu
Söhnen thematisiert. Baader konstatiert, dass das produzierte Vaterbild wesentlich weniger
167 Ebd.: S. 256.
168 Vgl. Baader (2006)
169 Vgl. ebd.: S. 124.
52

normativ festgelegt ist als das Mutterbild und vor allem durch Suchbewegungen nach einer
neuen Rolle jenseits des reinen Familienernährers gekennzeichnet ist. Die zweite, wesentlich
seltenere Variante verhandelt engagierte Vaterschaft als Alternative zur traditionellen Karrie-
reorientierung und präsentiert die Familie als Lebensbereich, in dem sich Männer jenseits des
Berufes selbst verwirklichen können. Für die vorliegende Arbeit ist dieses Muster höchst
relevant. Sollte sich über den Untersuchungszeitraum feststellen lassen, dass es verstärkt auf-
taucht, könnte es eine Möglichkeit sein, die symbolisch-kulturellen Barrieren von aktiver
Vaterschaft abzubauen, weil es eine Subjektposition bereitstellt, die auch väterliche Fürsorge
an zentraler Stelle integrieren kann. Gerade die Verknüpfung mit individueller Selbstverwirk-
lichung schließt dabei an traditionell männliche Lebensziele an und könnte eine Verknüpfung
von Männlichkeit und Väterlichkeit herstellen, die weniger spannungsgeladen ist. Darüber
hinaus nimmt Baader noch die bildliche Repräsentation von Vaterschaft in den Blick. Sie
beschreibt zwei dominante Bildtypen, die beide auf dem Spannungsverhältnis zwischen
Vaterschaft und Männlichkeit beruhen: Einmal werden Männer und Kinder auf deutlich
unterschiedlichen Ebenen dargestellt, meistens ist der Kopf des Mannes weit über dem des
Kindes. Damit wird bildlich eine klare Differenz und Hierarchie hergestellt, die die Autorität,
den Erwachsenenstatus und die Schutzfunktion des Vaters unterstreicht. Mütter hingegen
werden eher auf der gleichen Ebene mit Kindern abgebildet, in Gesten der Annäherung und
Ähnlichkeit bis hin zur Verschmelzung. Der zweite Bildtyp infantilisiert den Vater, indem er
beispielsweise mit einem Schnuller im Mund oder einer Babyflasche in der Hand gezeigt
wird. So wird die Aussage transportiert, dass Väter, die sich mit ihren Kindern beschäftigen ­
vor allem wenn es um den Bereich der Sorge geht ­ ihren männlichen Erwachsenenstatus
verlieren und selbst zum Kind werden. Entsprechend versteht auch Baader das Spannungs-
verhältnis zwischen Männlichkeit und Väterlichkeit als das ,,Kernproblem des ganzen The-
mas 'Vaterschaft'"
170
.
Tomke König wiederum untersucht in ihrer Analyse ,,Familiale Geschlechterarrangements
zwischen staatlicher Regulierung und 'privater Angelegenheit'" den medialen Diskurs um die
Einführung des Elterngeldes.
171
Dabei spielt Vaterschaft zwar eine gewisse Rolle, eine syste-
matische Auswertung der produzierten Vaterschaftsbilder findet jedoch nicht statt. Ausgewer-
tet wurden von ihr insgesamt 285 Artikel aus der Bild, FAZ, TAZ, SPIEGEL, Stern und der
ZEIT, die zwischen Januar 2006 und Mai 2007 erschienen waren. In diesen lassen sich ihr
zufolge drei Topoi identifizieren: Die Familie als private Angelegenheit, das Kindeswohl und
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der erste Topos dreht sich darum, dass sich der
170 Ebd.: S. 127.
171 Vgl. König (2007).
53

Staat aus der Regulierung der Familie herauszuhalten hätte. Sowohl die Förderung einer
Berufstätigkeit von Müttern kleiner Kinder als auch ein finanzieller Anreiz für Väter, die sich
um Kinder kümmern, wird mit dieser Begründung kritisiert. Mit dem vordergründig
geschlechtsneutralen Argument, der Staat dürfe sich nicht in die Entscheidungen von Fami-
lien einmischen, werden damit traditionelle Geschlechterarrangements befürwortet. Der
Topos Kindeswohl dreht sich vor allem um die Frage, ob es für kleine Kinder besser sei, von
den leiblichen Eltern betreut zu werden oder in professionelle Betreuung zu kommen. Beide
Positionen werden mit Verweis auf die wissenschaftliche Ebene abgesichert. Implizit ist
jedoch in beiden Argumentationsmustern klar, dass die Mütter für die Betreuung der Kinder
zuständig sind. Die Bedeutsamkeit von Vätern wird zwar auch erwähnt, sollten sie aber auf-
grund von Lohnarbeit den Anspruch auf familiales Engagement nicht erfüllen können,
erwächst daraus kein moralischer Vorwurf, wie es bei Müttern der Fall ist.
172
Der dritte Topos
betrifft die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ist laut König für die aktuelle binäre
Geschlechterordnung zentral. In ihrem Material wird durchgängig davon ausgegangen, dass
eine Vereinbarkeit für Männer und Frauen möglich sein sollte. König geht davon aus, dass
das bereits die moderne Zuordnung von Männern und Frauen zu der öffentlichen und priva-
ten Sphäre fundamental in Frage stellt. Trotzdem hält sie auch fest, dass grundsätzlich Mütter
gemeint sind, wenn geschlechtsneutral von Doppelbelastung die Rede ist.
173
Auf Grundlage dieser drei diskursanalytischen Vorarbeiten lassen sich folgende Forschungs-
fragen für die vorliegenden Arbeit aufnehmen: Lässt sich zwischen 1985 und 2006 eine
zunehmende Emotionalisierung der Vater-Kind-Beziehung feststellen und mit welcher
Begründung wird diese gegebenenfalls legitimiert? Sollte sie vor allem über Komplementari-
tät von Frauen und Männern begründet werden, ist davon auszugehen, dass ein traditionelles
Vaterschaftskonzept dahinter steht. In welcher Weise wird eine Doppelbelastung von Vätern
thematisiert und wird dabei weiterhin eine primäre Berufsorientierung vorausgesetzt oder
wird eine Familienorientierung als alternative männliche Subjektposition angeboten? Werden
über den Topos Familie als private Angelegenheit traditionelle Geschlechterarrangements
verteidigt und geschlechterpolitische Interventionen abgewehrt? Welche Rolle spielt der
Topos Kindeswohl und wird mit ihm die Zuständigkeit von Müttern für die Kinderbetreuung
verknüpft? Und zuletzt wird auch zu untersuchen sein, wie Väter bildlich dargestellt werden
172 Ebd.: S. 62: ,,Es ist eher bedauerlich (für sie und die Kinder), wenn Väter aufgrund ihrer Erwerbsarbeit nur
wenig Zeit für die Familie haben. In dem Sinne gibt es keine Rabenväter [...]. Frauen müssen gegenüber ih-
ren Kindern die Erziehungsverantwortung übernehmen, Männer können dies tun" (Hervorhebung im Origi-
nal). Im selben Jahr wurde jedoch schon diese ,,neue, bislang unbekannte Spezies entdeckt: Die 'Rabenväter'.
33 Prozent der befragten Männer und Frauen [in der Vorwerk Familienstudie 2007] halten diesen Begriff für
passend, um solche Männer zu bezeichnen, die die Erziehung der Kinder der Mutter überlassen" (Meuser
2009: S. 215). Ob dieser Einstellungswandel auch mit einem der diskursiven Ebene korrespondiert, wird im
Folgenden zu untersuchen sein.
173 Vgl. ebd.: S. 63f.
54

und ob sie über die Zeit zunehmend auch auf der gleichen Bildebene wie Kinder und bei-
spielsweise auch bei fürsorglichen Tätigkeiten gezeigt werden. Zusammen mit den in Kapitel
2.7 aufgeworfenen Fragen sollte damit eine ausreichende Basis gelegt sein, um das Material
bezüglich der für Vaterschaft und Väterlichkeit relevanten Dimensionen zu untersuchen.
3.2 Debatte um die Einführung des Erziehungsgeldes
3.2.1 Diskursstruktur in ZEIT und SPIEGEL
Die Einführung des Erziehungsgeldes steht im Kontext der sogenannten geistig-moralischen
Wende, die von Helmut Kohl als Losung für den Bundestagswahlkampf 1983 ausgegeben
wurde. Der Begriff wurde anschließend als Chiffre für die Ablösung der seit mehr als zehn
Jahren regierenden sozialliberalen Koalition durch die schwarz-gelbe Regierung unter Hel-
mut Kohl verwendet sowie dem damit verbundenen umfassenden Anspruch nicht nur auf eine
andere Politik, sondern auch auf eine konservative gesamtgesellschaftliche Restauration. Der
Wendebegriff wird in den Debatten entsprechend regelmäßig sowohl kritisch als auch
beschreibend aufgegriffen. Das Kabinett Kohl trat damit auch explizit gegen die kulturellen
Umwälzungen an, die in Westdeutschland im Nachgang der Student_innen- und vor allem
der Frauenbewegung durchgesetzt wurden. Gleichzeitig verweist der Regierungswechsel
auch auf die andauernden wirtschaftlichen Krisenerscheinungen. Der (erneute) Einbruch des
Wirtschaftswachstums seit 1980 und die enorm steigende Arbeitslosigkeit stellten SPD und
FDP vor Probleme, in denen ihre unterschiedlichen Positionen nicht mehr miteinander ver-
mittelbar waren. Als Konsequenz trat die FDP 1982 aus der Koalition aus und schloss sich
mit der CDU/CSU zusammen, was zu vorgezogenen Neuwahlen im März 1983 und dem
Beginn der Ära Kohl führte.
Das Erziehungsgeld ist dabei eng verknüpft mit der Person Heiner Geißler. Dieser war in
dem relevanten Zeitraum durchgängig CDU-Generalsekretär und unter Kohl bis September
1985 Familienminister. Er kündigte bereits im Wahlkampf 1983 an, das Erziehungsgeld ein-
führen zu wollen, was schließlich auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Nach
der Wahl setzte die schwarz-gelbe Regierung als zentrales Ziel die Senkung der Staatsausga-
ben, sodass weitreichende Kürzungen in verschiedenen Bereichen vorgenommen wurden und
auch Geißlers Erziehungsgeld vorerst auf Eis gelegt wurde. 1985 standen schließlich Land-
tagswahlen in NRW, Berlin und im Saarland an und die CDU musste um Wählerschichten
kämpfen, die sie durch die sozialen Einschnitte zu verlieren drohte. In diesem Kontext
startete Heiner Geißler eine Offensive, mit der er vor allem Frauen für die CDU zurück-
gewinnen wollte und in der er unter anderem das Erziehungsgeld auf den Weg brachte. Nach-
dem der Bundestag im Juli 1985 seinem Gesetzentwurf zum Erziehungsgeld zugestimmt
55

hatte, trat er als Minister zurück, um sich wieder vollständig der Arbeit als CDU-Generalse-
kretär zu widmen. Das Erziehungsgeld selbst löste das vorher durch die sozialliberale Koali-
tion eingeführte Mutterschaftsurlaubsgeld ab und wurde im Gegensatz zu diesem an Mütter
oder Väter ausgezahlt, die sich vorrangig um die Betreuung eines Kleinkindes kümmerten.
Bei seiner Einführung konnte es maximal zehn Monate bezogen werden und nach kontrover-
sen Diskussionen innerhalb der Koalition konnte sich Geißler damit durchsetzen, dass es mit
einer Beschäftigungsgarantie verbunden wurde, der alte Arbeitgeber den_die
Arbeitnehmer_in also nach der Erwerbsunterbrechung wieder anstellen musste. Der Anteil
von Vätern an den Bezieher_innen betrug dabei bis in die 2000er-Jahre weniger als zwei Pro-
zent und viele Frauen kehrten nach dem Erziehungsurlaub nicht wieder in ihren Beruf
zurück.
174
Die Debatte um das Erziehungsgeld ist vor allem von zwei Elementen gekennzeichnet, die
für den Vaterschaftsdiskurs entscheidend sind: Einerseits wird regelmäßig explizit von Erzie-
hungsgeld ,,für Mütter oder Väter" geschrieben, während implizit durchgängig Mütter
gemeint sind; und andererseits existiert ein starker Topos um die Ermöglichung von Berufstä-
tigkeit für Mütter bei gleichzeitiger Dethematisierung von möglichen familialen Engage-
ments von Vätern. Von beiden Strukturen existieren jedoch auch Abweichungen, die im Fol-
genden ebenso dargestellt werden.
In elf der 31 ausgewerteten Artikel findet sich die Formulierung des Erziehungsgeldes bzw.
der Arbeitsplatzgarantie für Mütter und/oder Väter, die sich in erster Linie um ein Kind küm-
mern. Es wird also explizit eine geschlechtliche Unspezifik der Maßnahme betont. In 16 Arti-
keln wird Erziehungsgeld ohne weitere Attribute genannt, was ebenso impliziert, die Maß-
nahme habe keine geschlechtliche Dimension. Im Gegensatz dazu wird lediglich in vier Arti-
keln von Erziehungsgeld oder Arbeitsplatzgarantie für Mütter/Frauen geschrieben, wobei nur
in einem Fall begründet wird, warum sich das tatsächlich geschlechtsneutral formulierte
Gesetz nur an Frauen richten sollte.
175
In allen analysierten Fragmenten ­ auch in denen, die
für Mütter und Väter schreiben ­ ist jedoch grundsätzlich klar, dass das Erziehungsgeld sym-
bolisch ausschließlich mit Müttern verknüpft ist und Väter keine Zielgruppe der Regelung
sind. An einem Beispiel lässt sich dieses Muster gut verdeutlichen:
,,Die CDU, meinte Harald Schenk trocken, entdecke, daß junge Frauen sich nicht nur an das Haus
binden oder dorthin komplementieren lassen wollen. Bei Frauen unter 35 Jahren gebe es, demo-
skopisch betrachtet, schon eine 'rot-grüne' Merhheit. [...] Skepsis blieb bei einem Teil der Frauen,
ob ihnen nur aus diesem Grund 'Verbalschleifen' geflochten würden ­ ohne Konsequenzen. Das
Erziehungsgeld (600 Mark für junge Mütter oder Väter für ein Jahr, mit Arbeitsplatzgarantie) fan-
174 Vgl. Gesterkamp (2007): S. 104.
175 Dabei lässt sich eine Verschiebung zwischen der ZEIT und dem SPIEGEL feststellen: drei der vier Frag-
mente, in denen explizit von Erziehungsgeld für Mütter/Frauen geschrieben wird, sind aus dem SPIEGEL,
während acht der elf Fragmente mit der Formulierung für Mütter und/oder Väter aus der ZEIT sind.
56

den die meisten von ihnen richtig."
176
Hier tut sich der Widerspruch innerhalb von zwei Sätzen auf: Das Erziehungsgeld ist eine
,,Verbalschleife" für Frauen, die ,,für junge Mütter oder Väter" gilt. Die Struktur ist letztlich
immer dieselbe. In einem anderen Artikel, dessen Thema die Arbeitsplatzgarantie beim Erzie-
hungsgeld ist, und in dem gleich drei mal die für-Mütter-und-Väter-Formulierung vorkommt,
heißt es entsprechend:
,,Jeder Vater und jede Mutter, die das Erziehungsgeld in Anspruch nähmen, müßten die Garantie
haben, nach einem Jahr wieder auf ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren zu können. [...] Der
Vorstoß weckte bei den Liberalen Otto Graf Lambsdorff und Bangemann, aber auch beim Vor-
sitzenden des CDU-Wirtschaftsrates, Heinrich Weiss, offenbar das soziale Gewissen. Einhellig
protestierten sie mit dem Argument, eine Arbeitsplatzgarantie werde nur dazu führen, daß junge
Frauen im gebärfähigen Alter erst gar nicht beschäftigt würden."
177
Würde man die Formulierung beim Wort nehmen, das Erziehungsgeld richte sich an Mütter
und Väter gleichermaßen, wäre das Gegenargument des Einstellungshindernisses für Frauen
logisch völlig unsinnig. Letztlich ist die Verschleierung der geschlechtlichen Dimension als
Versuch zu werten, der politischen Maßnahme einen egalitären Schein zu geben, den sie ganz
offensichtlich nicht hat. Hier zeigt sich, dass die Invisibilisierung von Geschlecht im Kontext
reproduktiver Tätigkeiten lediglich die symbolische Verknüpfung von Frauen mit diesem
Bereich verdeckt und damit verstärkt.
Die zweite zentrale Struktur des Diskurses hängt eng mit der ersten zusammen: Es herrscht
grundlegende Einigkeit darüber, dass Frauen mit Kindern eine Berufstätigkeit ermöglicht
178
werden sollte; es existiert aber keine komplementäre Diskussion darüber, ob sich Männer
respektive Väter möglicherweise um Kinder kümmern könnten oder gar sollten. Da
Geschlecht jedoch eine relationale Kategorie ist, kann eine solche einseitige Ausrichtung, die
die andere Seite vollständig ausblendet, nicht funktionieren. Durch die Verknüpfung von aus-
schließlich Frauen mit dem Erziehungsgeld ist auch unhinterfragt, dass auf jeden Fall Mütter
ihre Erwerbstätigkeit für Kinder unterbrechen müssen, ohne in Betracht zu ziehen, dass Väter
dies ebenso tun könnten. Eine männliche Subjektposition jenseits von Erwerbsarbeit wird in
diesem Zusammenhang nicht angeboten. Diese Struktur lässt sich nicht an Beispielen ausfüh-
ren, denn sie beruht ja gerade auf dem Fehlen der komplementären Fragestellung.
Zu dieser hegemonialen Diskursstruktur existieren fünf Gegenbeispiele, die der linken Aus-
richtung der analysierten Medien geschuldet sind und sich sicherlich in dieser Form nicht in
konservativen Zeitungen finden lassen würden. In einem SPIEGEL-Artikel von Alice
Schwarzer zum Thema Abtreibung zitiert die Autorin eine Arbeitsgruppe der Regierung, die
176 Hofmann, Gunter: Wundersame Wandlungen. In: DIE ZEIT, 01.03.1985: S. 8.
177 Ohne Autor_in: Baby-Stopper. In: DER SPIEGEL, 25.02.1985: S. 30f.
178 Das heißt nicht, dass auch Einigkeit darüber bestünde, ob Frauen diese Möglichkeit wahrnehmen sollten.
Dieser Aspekt wird in der Feinanalyse noch ausgeführt werden.
57

fordert, Frauen hätten sich dem ,,biologischen Zwang und der ethischen Pflicht von Schwan-
gerschaft und Mutterschaft zu stellen" ­ ein Zitat, das in verschiedenen Fragmenten kritisiert
wird. Darauf bezugnehmend schreibt sie aber weiter:
,,Man beachte: Zwang zur Schwangerschaft und Mutterschaft. Das eine dauert neun Monate, das
andere 20 Jahre. Das eine ist angeboren, das andere könnte von Männern ebensogut verrichtet
werden wie von Frauen. Wird aber gemeinhin nicht. Genau darum geht es auch: um das Wieder-
anbinden von Frauen an die 'weiblichen' Pflichten."
179
Zumindest thematisiert sie damit, dass sich Männer theoretisch auch um Kinder kümmern
könnten, auch wenn diese Möglichkeit im Artikel keine weitere Rolle spielt.
180
In drei Artikeln wird in diesem Kontext ein mögliches anderes Geschlechterarrangement
thematisiert, in zwei davon sogar verknüpft mit der expliziten Forderung, dass auch Väter
Verantwortung für Kinder übernehmen müssten. In einer Reportage über die Krise der Ehe
wird das Zukunftsideal eines Eheberaters zitiert, das folgendermaßen aussieht: ,,Berufstätig-
keit und Familie für beide Partner, sechs Stunden Arbeit am Tag." Dieses Ideal wird an einer
Studie über ,,Hausmänner und Teilzeitarbeiter" illustriert, wobei erstere als ,,Männer ganz
ohne Beruf und Karriere" ,,ihres Lebens nicht froh" werden. Die zugrundeliegende Aussage,
dass Männer und Berufsorientierung in jedem Fall zusammengehören, wird auch im Rest des
Artikels produziert. So taucht in den 18 [!] Absätzen, die die Autoren diesem neuen Partner-
schaftsmodell widmen, Väterlichkeit kein einziges Mal auf. Die Hausmänner beschweren
sich nur über das ,,wirklich ekelhafte" Saubermachen und ,,[d]as Problem Kinder" reduziert
sich tatsächlich darauf, dass sich ,,die Frau", die nach der Geburt ,,erschöpft und innerlich
vom Kinde erfüllt" ist, ,,überfordert" fühlt, wenn ,,der Mann" wieder Sex von ihr will. Damit
reproduzieren die Autoren, die letztlich auch zu dem Ergebnis kommen, dass solche neuen
Beziehungen nicht funktionieren können, genau die traditionellen Muster, die ihr Bezugsehe-
berater mit seinem Konzept überwinden will: Während die Frau davon erfüllt ist, für ihr
Kind zu sorgen, hat der Mann kein anderes Interesse als endlich wieder Sex zu haben. Die
Verwendung des Stilmittels des kollektiven Singulars in diesem Absatz stellt das beschrie-
bene Paar als Stellvertreter_innen für alle Angehörige ihres Geschlechts dar.
181
Auch der Ehe-
berater hält allerdings an einer Komplementarität von Männern und Frauen fest, wenn er
davon ausgeht, dass jeder Mann ,,weibliche Anteile in sich [trägt], jede Frau männliche.
179 Schwarzer, Alice: ,,Heiner Geißler hat recht". In: DER SPIEGEL, 01.10.1984: S. 38 (Hervorhebung J.A.).
Das Zitat aus der Arbeitsgruppe wird zwar in einigen Fragmenten kritisiert, Schwarzer ist allerdings die Ein-
zige, die den Kern der Aussage trifft: Dass Mütterlichkeit und damit der traditionelle Geschlechtervertrag
hierbei durch eine Naturalisierung des Sozialen abgesichert wird.
180 Im Gegenteil wird auch dort die symbolische Verknüpfung von ausschließlich Frauen und familialer Sorge
weiter verstärkt, wenn sie beispielsweise schreibt: ,,Mutterschaft, das bedeutet mehr als neun Monate
Schwangerschaft, das bedeutet mindestens 20 Jahre sozialer Verantwortung für ein Kind." Dieses Zitat ist
auch neben einem Bild von Schwarzer noch einmal besonders hervorgehoben.
181 Der kollektive Singular wird im Material auffällig häufig verwendet. Er hat eine pauschalisierende Wirkung
und lässt Differenzierungen zwischen verschiedenen Angehörigen eines Geschlechts verschwinden.
58

Mann und Frau sind gleich und doch verschieden."
182
Thematisiert werden auch die Pro-
bleme, die sich für Frauen durch das Aussteigen aus dem Beruf ergeben, ohne auf irgendeine
Art und Weise in Betracht zu ziehen, dass sich auch Männer um Kinder kümmern könnten.
Der Artikel ist in seinem Changieren zwischen neuen Anforderungen und alten Mustern ein
gutes Beispiel für den untersuchten Diskurs, auch wenn er durch die explizite Thematisierung
neuer Geschlechterarrangements eine Ausnahme darstellt.
Gunter Hofmann geht hingegen in einem ZEIT-Artikel einen Schritt weiter, wenn er fordert,
dass eine ,,Rekonstruktion der Familie für die kommenden Jahrzehnte" auf einer ,,neuen
Gegenseitigkeit" der Partner_innen beruhen müsse:
,,Wie? Möglich ist das nur, wenn die Arbeitswelt Voraussetzungen schafft. Wenn Frauen nicht
mehr ausschließlich für Kinder und Küche (neben dem Beruf), Männer nicht ausschließlich für
den Beruf 'zuständig' sind und davon in jeder Hinsicht abhängen. Wenn die Väter, nach der Eman-
zipation der Frauen, eine andere Rolle übernehmen, sofern sie die Chance dazu erhalten."
183
Das weitreichendste Ausreißerfragment stellt jedoch ein ZEIT-Interview mit der Professorin
für Arbeitsrecht Heide Pfarr dar. Darin wird sie konkret, welche politischen Maßnahmen für
solche neuen Geschlechterarrangements notwendig wären: Um mehr Männer dazu zu bewe-
gen, Betreuungszeiten zu übernehmen, müsste ihr zufolge das Erziehungsgeld einerseits an
das Einkommen gebunden und andererseits verpflichtend von beiden Elternteilen genommen
werden, wenn es nicht verfallen soll.
184
Damit hat sie die Entwicklung zum Elterngeld bereits
vollständig vorgezeichnet.
Allerdings wird eine solche Diskursposition auch innerhalb linker, sich eindeutig als pro-
feministisch verstehender Medien 1985 nur von einer kleinen Minderheit bezogen. Sie zeugt
von Bruchlinien im traditionellen Geschlechtervertrag, der zwar noch eine hegemoniale Posi-
tion innehat, aber allein durch die Sagbarkeit solch gegenläufiger Ansichten in großen Leit-
medien begründungsbedürftig wird. Dieser Bruch drückt sich auch deutlich in dem Fragment
aus, das für die Feinanalyse im nächsten Kapitel ausgewählt wurde.
Vorher sollen hier jedoch noch verschiedene weitere Aspekte festgehalten werden, die den
Diskurs um das Erziehungsgeld kennzeichnen. Das Thema bietet Raum für zahlreiche Dis-
kursstrangverknüpfungen, die häufigsten betreffen Armut/soziale Ungleichheit, Abtreibung
und Migration. Die letzten beiden stehen im Zusammenhang mit einem Deutungsmuster, das
sich als Gegenüberstellung von Familienpolitik und Bevölkerungspolitik beschreiben lässt: In
verschiedenen Fragmenten wird diskutiert, dass das Erziehungsgeld auch als Maßnahme
gegen die sinkende Geburtenrate zu verstehen sei, wobei Bevölkerungspolitik im Gegensatz
zu Familienpolitik als etwas Anrüchiges dargestellt wird.
185
Eine solche Argumentation ver-
182 Alle Zitate: Horx, Mathias/Stock, Ulrich: Wehe, wehe, Ehe. In: DIE ZEIT, 25.10.1985: S. 18.
183 Hofmann, Gunter: Aufbruch zu alten Ufern. In: DIE ZEIT, 22.02.1985: S. 7.
184 Vgl. Gerste, Margit: Schöne neue Frauenwelt? In: DIE ZEIT, 15.03.1985: S. 75.
185 Vgl. bspw.: ,,Solange sich hinter der beschworenen Familienpolitik nur Beschäftigungs- oder Bevölke-
59

weist auf den Topos ,,Familie als private Angelegenheit", auch wenn dieser in den untersuch-
ten Fragmenten nicht explizit zu finden war. Auch hier ist davon auszugehen, dass dies der
Diskursposition des SPIEGEL und der ZEIT geschuldet ist, da dieser Topos in erster Linie
von Konservativen bedient wird.
Väterlichkeit taucht im analysierten Material überhaupt nicht auf und wird entsprechend
auch nicht ins Verhältnis zu Männlichkeit gesetzt. Das zitierte Interview ist das einzige Frag-
ment, in dem sich die Aussage findet, dass Männer Kinder betreuen sollten und ihnen damit
,,wirklich ein neuer Lebensbereich erschlossen" werde: ,,Alle diejenigen, die es gemacht
haben, sagen ja, daß sie sich dadurch verändert hätten."
186
Hier scheint die Spannung zwi-
schen Männlichkeit und Väterlichkeit auf und es ist das einzige Mal, dass eine männliche
Subjektposition jenseits der Berufsorientierung als etwas Erstrebenswertes angedeutet
wird.
187
In der zitierten Reportage über die Krise der Ehe wird hingegen die Möglichkeit einer
gelingenden solchen männlichen Subjektposition schlicht ausgeschlossen. Männer, die sich
fürsorglich um Kinder kümmern, sind ganz offensichtlich noch schwer denkbar, denn selbst
wenn darüber geschrieben wird, dass sie Familienarbeit übernehmen, werden ausschließlich
andere Bereiche als die Betreuung von Kindern aufgeführt.
188
Dementsprechend lässt sich im
Diskurs um das Erziehungsgeld auch in keiner Weise eine emotionale Vater-Kind-Beziehung
finden.
Als Geschlechterverträge tauchen im Material vor allem Doppelverdienerehen und die
Hausfrauen- und Alleinernerährerehe auf, wobei gemäß der linken Diskursposition der bei-
den Medien die Doppelverdienerehe
189
die dominante Position einnimmt. Dabei ist allerdings
unhinterfragt, dass auch bei diesem Modell die Frau ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt
eines Kindes unterbricht. Familienernährerinnen kommen entsprechend nicht vor, nur in der
zitierten Reportage über die Krise der Ehe werden Hausmänner als Möglichkeit erwähnt,
allerdings mit dem Hinweis versehen, dass diese ,,ihres Lebens nicht froh" werden könnten.
In dem feinanalysierten Fragment wird die Figur des Hausmannes als Illustration verwendet,
rungspolitik tarnt ­ da marschiert die CSU voran ­, stellt sie sich selber in Frage" (Hofmann: Aufbruch zu
alten Ufern. A.a.O.). Die Gegenüberstellung ist hochgradig ideologisch, da Familienpolitik per definitionem
immer auch Bevölkerungspolitik ist.
186 Gerste: Schöne neue Frauenwelt? A. a. O.
187 Das zugrunde liegende Deutungsmuster der persönlichen Entwicklung durch Sorgetätigkeiten findet sich
mehrfach in der Eltern und wird im nächsten Kapitel näher ausgeführt.
188 Neben dem bereits zitierten Beispiel wird in einem anderen Fragment von einer elfköpfigen Familie berich-
tet, in der aufgrund der Arbeitslosigkeit des Vaters nur die Mutter nebenbei als Putzkraft jobbt: ,,Ihr Mann
unterstützt sie ein bißchen bei der Hausarbeit, kauft ein, erledigt die Schreibarbeiten mit den Behörden, stellt
Anträge und geht, wenn's sein muß, persönlich hin" (Mölke, Margit: Viele Kinder sind kein Segen. In: DIE
ZEIT, 10.05.1985: S. 71). Es ist bemerkenswert, dass selbst bei neun Kindern der Bereich der Fürsorge of-
fensichtlich nicht als unterstützenswert in Betracht kommt, ganz abgesehen von der Tatsache, dass es um
Unterstützung der Frau geht und nicht um eigene Verantwortungsübernahme.
189 Ob es sich dabei tatsächlich um Doppelversorgerehen oder um modernisierte Versorgerehen handelt, ist
dem Material nicht zu entnehmen.
60

auch wenn sie im Artikel selbst keine Rolle spielt. Darüber hinaus werden in verschiedenen
Fragmenten alleinerziehende Frauen erwähnt, diese Konstellation wird jedoch in jedem Fall
als Problem beschrieben.
Der Vereinbarkeitstopos spielt für den Diskurs eine zentrale Rolle, wird aber ausschließlich
in Bezug auf Frauen verhandelt. Der für die Feinanalyse ausgewählte Artikel bildet hiervon
die einzige Ausnahme, veranschaulicht allerdings auch, dass damit die Struktur des hegemo-
nialen Diskurses gebrochen wird. Kitas bzw. Krippen werden als (in Westdeutschland) relativ
neue Struktur der Reproduktionsweise selten thematisiert. In zwei Fällen werden sie als
erstrebenswert im Zusammenhang mit der Vereinbarkeitsfrage für Frauen besprochen. In
einem Fall wird hingegen im Kontext eines allgemeinen moralischen Verfalls von ,,der
Abschiebung der Kinder in Kindertagesstätten"
190
geschrieben. Dass solche Einrichtungen
nur so wenig thematisiert werden, zeugt davon, dass sie noch Mitte der 1980er-Jahre in West-
deutschland eine nur marginale gesellschaftliche Stellung hatten; dass sie selbst in der ZEIT
auch als moralisch verwerflich dargestellt werden, lässt die Brisanz einer solchen Reproduk-
tionsweise erkennen, die mit dem Ideal der guten Mutter kollidiert. Eine solche Position wäre
in konservativeren Medien in dieser Zeit mit Sicherheit die dominante gewesen.
Die bildlichen Darstellungen in den Fragmenten sind für den Vaterschaftsdiskurs größten-
teils uninteressant. In erster Linie sind die Artikel mit Fotos von Politiker_innen illustriert,
wobei eine extreme Unterrepräsentation von Frauen ins Auge sticht.
191
Die einzigen Bilder,
für die sich eine nähere Betrachtung lohnt, finden sich in dem für die Feinanalyse ausgewähl-
ten Artikel und werden im nächsten Kapitel ausgewertet.
Allgemein ist festzuhalten, dass der Zugang zum Vaterschaftsdiskurs über die Debatten um
das Erziehungsgeld andere Ergebnisse liefert, als die beiden vorgestellten Diskursanalysen,
die gezielt Fragmente auswerten, die Vaterschaft zum Hauptthema haben. Das Erziehungs-
geld verweist unmittelbar auf die Betreuung von Kindern und damit auch auf Geschlechterar-
rangements. Wenn Väterlichkeit in diesen Debatten schlicht nicht auftaucht, ist das ein klares
Ergebnis: Die Betreuung von Kindern ist diskursiv nicht mit Männern und Vätern verknüpft.
Die Frage, ob überhaupt und wie genau Väterlichkeit in Massenmedien Mitte der 1980er-
Jahre dargestellt wird, wäre nur durch ein anderes Untersuchungsdesign zu klären. Was die
Analyse jedoch zeigt, ist, dass solche Darstellungen ­ wie auch immer sie konkret aussehen
würden ­ gegen eine hegemoniale Diskursstruktur stünden, für die Männlichkeit mit Berufs-
orientierung einhergeht und eine Betreuung von Kindern durch Väter nur schwer denkbar ist.
190 Nawrocki, Joachim: Im Jahr 2030: Raum ohne Volk? In: DIE ZEIT, 22.02.1985: S. 52.
191 Bei einem Frauenanteil von knapp zehn Prozent an den den Abgeordneten des Bundestages und weniger als
sieben Prozent in der CDU-Fraktion in der entsprechenden Wahlperiode ist das allerdings wenig verwunder-
lich.
61

Allerdings richtet sich bereits ein nicht zu unterschätzender Gegendiskurs auf, der genau dies
einfordert. Das nächste Kapitel wird diese Entwicklung illustrieren.
3.2.2 Feinanalyse des Artikels ,,Ich mache mein Frühstück selber"
Für die Feinanalyse wurde der Artikel ,,Ich mache mein Frühstück selber" vom 15.10.1985
ausgewählt.
192
Der Zeitpunkt ist für die Debatte um das Erziehungsgeld relativ früh, insofern
hat das Fragment auch keinen Bezug zu anderen Artikeln des Heftes. Er ist für den SPIEGEL
mit über 30.000 Zeichen ungewöhnlich lang und darüber hinaus über 14 Seiten sehr weit
gestreckt, da sich dazwischen auch Werbeseiten und kleinere Artikel befinden. Wie die meis-
ten SPIEGEL-Artikel, die das Erziehungsgeld thematisieren, ist er der Rubrik Deutschland
zugeordnet und hat das Format SPIEGEL-Gespräch. SPIEGEL-Gespräch ist eine traditio-
nelle Textsorte im SPIEGEL, die seit den späten 50er-Jahren bis heute existiert und in der
zwei Redakteur_innen eine Person des öffentlichen Lebens, meist eine_n Politiker_in inter-
viewen. Allerdings beruht das Gespräch nicht wie bei herkömmlichen Interviews nur auf Fra-
gen und Antworten, sondern die Journalist_innen beziehen klare Positionen, konfrontieren
ihre Gesprächspartner_innen und widersprechen ihnen offen. Das Format zielt auf politische
Kontroverse, Polarisierung und Meinungsbildung.
In dem ausgewählten Artikel ist Familienminister Heiner Geißler zu Gast in der SPIEGEL-
Redaktion und spricht laut Lead ,,über seine Rolle als Mann und über seine Familienpolitik".
Dass das Interview in der Redaktion des SPIEGEL stattfindet ist unüblich, zumeist ist der Ort
mit der interviewten Person verknüpft. Geißlers Gesprächspartnerinnen sind Marion Schrei-
ber und Valesqua von Roques, die dabei eine klare feministische Position beziehen. Schreiber
war von 1970 bis 1986 SPIEGEL-Redakteurin und ist Autorin von Büchern über Widerstand
im Nationalsozialismus und Themen wie Geburtshilfe oder Familien aus feministischer Per-
spektive. Von Roques war über 20 Jahre SPIEGEL-Mitarbeiterin in verschiedenen Positionen
und hatte bereits in den 1960er-Jahren in der Vorwärts veröffentlicht, der Parteizeitung der
SPD. Auch dass beide Gesprächspartner_innen Frauen sind, ist durchaus ungewöhnlich.
Geißlers Hintergrund wurde im vorherigen Kapitel bereits beschrieben. Durch diese Konstel-
lation treffen in dem Fragment zwei unterschiedliche Diskurspositionen aufeinander ­ inso-
fern ist es für den Diskurs um das Erziehungsgeld kein typisches Fragment. Allerdings ver-
dichten sich durch die Konfrontation in ihm verschiedene Diskurspositionen und es lassen
sich zentrale Merkmale des Diskurses aufzeigen.
Den Anlass des Artikels bildet Geißlers neue Familienpolitik, mit der er versucht, Frauen für
die CDU zu gewinnen, indem er an Positionen der Frauenbewegung anschließt. Der Artikel
192 Schreiber, Marion/von Roques, Valesqua: ,,Ich mache mein Frühstück selber". In: DER SPIEGEL,
15.10.1985: S. 115-128.
62

funktioniert größtenteils durch den Kontrast dieses Vorhabens zu einer konservativen Fami-
lienideologie. Die Redakteurinnen konfrontieren den Familienminister durchgängig mit dem
Gegensatz seines postulierten Selbstanspruches zu der Praxis der CDU. Bemerkenswert ist
dabei, dass Geißler so fast über den gesamten Artikel in eine defensive Haltung gebracht
wird, obwohl er seinerzeit als brillanter Redner und Polemiker galt.
193
Als Quellen des
Wissens der Redaktion fungieren dabei verschiedene Zitate von Geißler und anderen CDU-
Politikern, Informationen zu seinem familiären Hintergrund, Berichte der Regierung und
anderer politischer Institutionen sowie Aussagen von nicht näher benannten ,,Experten".
Geißler bezieht sich hingegen vor allem auf persönliche Erfahrungen in der Familie und in
seinem Wahlkreis ­ also auf Alltagswissen ­, sowie auf seine politischen Projekte als
Minister. Beide Seiten bedienen sich verschiedener Statistiken, Informationen über frühere
wie geplante Regierungsmaßnahmen und normativer Maßstäbe. Die Argumentationsstrategie
der Interviewerinnen beruht vor allem auf Konfrontation, während Geißler meist mit persön-
lichen und politischen Erfahrungen und Ansichten kontert.
Inhaltlich lässt sich der Text in sechs Abschnitte und einen Informationskasten über Heiner
Geißler gliedern. Der Informationskasten ist in die erste Artikelseite eingebettet und
beschreibt Geißlers familiären Hintergrund sowie seine berufliche und politische Karriere. Er
schließt mit zwei Zitaten Geißlers, die die Argumentation und Vorgehensweise im Interview
vorwegnehmen:
,,Über die Rolle der Frau dachte der heute 54jährige schon früh nach, etwa 1969: 'Ich bin nicht
der Auffassung, daß es für die Persönlichkeitsbildung der Frau unabweisbar sein muß, sie von der
Haushaltsführung und der Erziehung der Kinder zu befreien.' Jüngste Forderung: 'Praktizierte
Partnerschaft in der Familie bedeutet, daß der Mann von seinem Paschathron heruntersteigt.'"
Der Widerspruch zwischen dem Eintreten für einen traditionellen Geschlechtervertrag der
Hausfrauenehe und seiner aktuellen Frauenoffensive ist damit an zentraler Stelle gesetzt.
Die Dramaturgie des Interviews selbst sieht folgendermaßen aus: Es beginnt mit Geißlers
persönlichem Geschlechterarrangement, was den Artikel zunächst anschaulich und konkret
macht. Danach werden verschiedene Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Geschlech-
tervertrages behandelt, wie Frauenerwerbstätigkeit, die finanzielle Situation von Familien
und das Scheidungsrecht, um am Ende wieder den Bogen zu Geißlers Geschlechterarrange-
ment zurück zu spannen. Der erste inhaltliche Abschnitt lässt sich folglich mit dem Titel
Geißlers Geschlechterarrangement beschreiben; in ihm versucht der Minister den Vorwurf
einer ,,traditionellen Rollenverteilung" abzuwehren. Der zweite Abschnitt dreht sich um das
Thema Frauenerwerbstätigkeit. Dabei wird vor allem die Frage diskutiert, wie Frauen nach
,,ihrer Familienphase" wieder der Berufseinstieg gelingen kann, wobei Teilzeitarbeit, Krippen
193 Willy Brandt warf ihm gar vor, ,,seit Goebbels der schlimmste Hetzer in diesem Land" zu sein. Vgl. Ohne
Autor_in: ,,Der schlimmste Hetzer in diesem Land". In: DER SPIEGEL, 20.05.1985: S. 28-30.
63

und Kindergärten sowie familiale Arbeitsteilung andiskutiert werden. Der dritte Teil könnte
die Überschrift (finanzielle) Situation von Familien und Familienpolitik der Regierung erhal-
ten. Hier werden Sozialkürzungen, soziale Ungleichheit, Maßnahmen zur Familienförderung,
Abtreibung und Bevölkerungspolitik besprochen. Der vierte Teil dreht sich um die Förde-
rung von Frauenerwerbstätigkeit. Dort werden der Frauenanteil in der SPIEGEL-Redaktion
und in CDU-Institutionen sowie die Möglichkeiten von ,,affirmative action"
194
erörtert. Im
fünften Abschnitt geht es um das Scheidungs- und Unterhaltsrecht sowie die in diesem
Bereich geplanten Reformen und die materielle Absicherung von Frauen nach Ehescheidun-
gen. Der letzte inhaltliche Part kann grob mit dem Titel gesellschaftlicher Geschlechterver-
trag zusammengefasst werden, wobei in ihm recht unterschiedliche Themen angeschnitten
werden. Es wird um Hausfrauenehe und ,,Emanzipationsideologie" gestritten, Gewalt in und
moralische Ansprüche an Familien thematisiert und am Ende mit der Position Geißlers in sei-
ner Familie geschlossen. Grafisch ist der Text nicht durch Zwischenüberschriften oder Ähnli-
ches unterteilt. Er ist mit sechs Bildern illustriert, die im weiteren Verlauf noch analysiert
werden, und enthält darüber hinaus einige kurze hervorgehobene Zitate, die allerdings ohne
das zugehörige Interview nicht für sich sprechen.
195
Er enthält Diskursstrangverknüpfungen
zu sozialer Ungleichheit/Armut, Abtreibung und Bevölkerungspolitik. Im Folgenden wird das
Fragment zunächst durchgegangen und die relevanten Aspekte dargestellt, im Anschluss folgt
eine knappe Analyse der Abbildungen sowie eine abschließende Gesamtbewertung.
Das Interview beginnt mit der Frage nach Geißlers Doppelbelastung:
,,SPIEGEL: Herr Geißler, wie werden Sie eigentlich mit Ihrer doppelten Belastung fertig?
GEISSLER: Welche meinen Sie? Als Generalsekretär und Minister?
SPIEGEL: Die eben nicht. Wir meinen Ihre Doppelbelastung in Beruf und Familie."
Doppelbelastung wird schon seit den 1950er-Jahren als stehender Begriff für die doppelte
Belastung von Frauen durch Familie und Arbeit verwendet. Dass Geißler die Frage lediglich
auf seine politischen Ämter bezieht, ist bereits vielsagend. Seine Antwort auf die anschlie-
ßende Frage, was er denn konkret zu Hause mache, zeigt allerdings auf, dass er tatsächlich
nicht von einer Doppelbelastung betroffen ist:
,,Ich schmeiße in der Regel den Garten, ich mache mein Frühstück selber, und wenn ich abends
nach Hause komme, dann koche ich mir auch das, was ich gerne esse. Früher, als die Kinder klein
waren, habe ich zum Beispiel bei allen dreien morgens die Windeln gemacht. Ich hab' das auch
gern getan."
In erster Linie bezieht sich sein familiales Engagement also darauf, seine eigenen Mahlzeiten
194 Unter Affirmative Action werden verschiedene Maßnahmen und Programme zur Förderung gesellschaftlich
benachteiligter Gruppen zusammengefasst. Der Begriff stammt aus den USA, in Deutschland hat sich die
entsprechende Diskussion größtenteils auf Quotenregelungen verkürzt.
195 ,,Das Erziehungsgeld ist ein Befreiungsschlag", ,,Ich maße mir nicht an, alle Konflikte lösen zu können",
,,Nicht so tun, als sei das nur ein Nasenwasser", ,,... den Leuten ein schlechtes Gewissen eingeredet",
,,Politik kann nicht alle zu guten Menschen machen", ,,Es müssen moralische Grundsätze vorhanden sein".
64

zuzubereiten. Darüber hinaus macht er ,,in der Regel" den Garten und ,,früher" hat er auch
morgens die Kinder gewickelt. Der letzte Satz ist allerdings hervorzuheben. Explizit unter-
streicht Geißler, dass die Fürsorge für seine kleinen Kinder etwas Positives gewesen sei und
insofern auch intrinsisch motiviert war. Unabhängig davon, was Geißler tatsächlich getan
oder nicht getan hat oder wie er das empfunden hat, wird an dieser Stelle eine männliche
Subjektposition angedeutet, in die fürsorgliche Tätigkeiten integriert sind ­ auch wenn es sich
lediglich auf das morgendliche Windelwechseln, vermutlich vor der Arbeit, bezieht. Das ist
jedoch das einzige Mal, dass in den untersuchten Fragmenten Väterlichkeit konkret auftaucht
und stellt damit die absolute Ausnahme dar. Dass Geißler nicht von einer Doppelbelastung
betroffen ist, zeigt auch seine letzte Äußerung des Interviews, als es wieder auf sein
Geschlechterarrangement zurückkommt:
,,In den letzten zwei Jahren ist die Familie bei mir sicherlich etwas zu kurz gekommen. Das
bedaure ich."
Dass er keine Zeit mehr für familiales Engagement hatte, ist somit persönlich bedauerlich
und nicht beispielsweise moralisch verwerflich, wie es wohl bei Frauen in dieser Situation
dargestellt worden wäre. Die fehlende Zeit in der Familie ist deshalb nicht weiter problema-
tisch, weil an Männer nicht der Anspruch gestellt wird, Verantwortung für die Arbeit in der
Familie zu übernehmen, da die diskursive und symbolische Verknüpfung zu diesem Bereich
fehlt.
Die Einstiegsfrage des Interviews wird mit Geißlers Forderung begründet, ,,praktizierte
Partnerschaft" bedeute, ,,daß der Mann von seinem Paschathron heruntersteigt." Diese wird
von den Redakteurinnen mit der Formulierung paraphrasiert, er wolle ,,den deutschen Mann
von seinem Paschathron herunterstürzen."
196
Die Verschiebung von einem eigenständigen
Heruntersteigen zu einem von außen herbeigeführten Sturz ist bemerkenswert und drückt
durchaus die unterschiedlichen Positionen dazu aus, wie ein Wandel des Geschlechterverhält-
nisses herbeizuführen sei. Des Weiteren ist anzumerken, dass die Symbolisierung männlichen
Chauvinismus durch den Begriff ,,Pascha" auch eine rassistische Komponente hat, sofern die-
ser so mit einer fremden, orientalischen Kultur verknüpft wird. Auf die Frage, was Geißler
seinen Söhnen beibringe, damit diese später nicht zu ,,Paschas" werden, antwortet er:
,,Sie müssen lernen, daß die Arbeit in der Familie nichts Minderwertiges ist gegenüber der norma-
len beruflichen Tätigkeit. Dann werden sie als Erwachsene nicht negativ über die sogenannte Nur-
Hausfrau reden ..."
Damit macht er einerseits deutlich, dass es ihm nicht darum geht, Geschlechterarrangements
zu ändern, sondern lediglich darum, weiblich konnotierte Familienarbeit mit Anerkennung zu
versehen. Andererseits drückt er auch unfreiwillig aus, dass familiale Tätigkeiten eben doch
196 Auch hier fällt der kollektive Singular auf, der im Material häufig verwendet wird.
65

gegenüber Lohnarbeit untergeordnet sind, wenn er sie als das Andere der normalen berufli-
chen Tätigkeit beschreibt.
Nachdem Geißler noch erklärt, welche Aufgaben seine Söhne zu Hause übernehmen, ant-
wortet er auf den Vorwurf eines ,,herkömmlichen Musters" der Arbeitsteilung:
,,Nein, wir machen gerade das, was anfällt. Und außerdem: Es kann halt nicht jeder alles gleich
gut machen."
Dass Geißler zunächst widerspricht, um dann doch die kritisierte Praxis zu legitimieren ist
typisch für sein permanentes Changieren zwischen neuen geschlechteregalitären Anforderun-
gen und dem traditionellen Geschlechtervertrag. Es zeigt, dass die Legitimität des alten
Geschlechtervertrages 1985 bereits so weit erodiert war, dass er auch für Konservative
begründungsbedürftig geworden war. Die Begründung lässt er mit seiner Formulierung
jedoch offen. Denkbar wäre entweder eine Individualisierung oder eine Naturalisierung als
Grund, warum ,,halt nicht jeder alles gleich gut machen" kann. In jedem Fall entzieht er mit
dieser weil-es-so-ist-Formulierung die geschlechtliche Arbeitsteilung der Gesellschaft und
damit auch einer möglichen politischen Intervention.
Im zweiten inhaltlichen Abschnitt, der sich um Frauenerwerbstätigkeit dreht, wird deutlich,
dass beide im Fragment vorhandenen Diskurspositionen eine Ermöglichung von Berufstätig-
keit für Mütter befürworten. Wenn Geißler jedoch unwidersprochen die Frage stellt, wie
erreicht werden könne, dass ,,die Frau in dieser Zeit, in ihrer Familienphase, den beruflichen
Anschluss behält", wird damit auch ausgedrückt, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit in jedem
Fall unterbrechen müssen, während eine solche ,,Familienphase" für Männer offensichtlich
nicht vorgesehen ist.
In diesem Abschnitt wird auch über die Rolle von Teilzeitarbeit für Frauen diskutiert, wobei
Schreiber/von Roques diese mit einem starken Kollektivsymbol angreifen: Teilzeitarbeit
schiebe Frauen ,,in ein Getto ohne Entfaltungsmöglichkeiten ab". Das Getto steht dabei für
einen Ort, an dem diskriminierte Minderheiten leben, die untergeordnet, ausgeschlossen und
isoliert vom Rest der Gesellschaft sind und keine Chance haben, von dort zu entkommen
oder aufzusteigen. Dort leben Frauen nicht nur, sondern sie werden durch Teilzeitarbeit dort-
hin abgeschoben. Das Symbol wirkt auf jeden Fall, Geißlers knappe und wenig überzeugende
Antwort lautet: ,,Ich sehe das ein bißchen anders." Im Zusammenhang mit Teilzeitarbeit wird
über Krippen und Kindergärten auch die gesellschaftliche Reproduktionsweise thematisiert,
wobei Einigkeit darüber besteht, dass diese Institutionen für eine bessere Vereinbarkeit aus-
gebaut werden müssen. Dass das Thema überhaupt besprochen wird macht das Fragment
auch in dieser Hinsicht zu einer Ausnahme.
An dieser Stelle muss ein längerer Ausschnitt aus dem Interview zitiert werden, an dem sich
66

verschiedene Dinge aufzeigen lassen:
,,SPIEGEL: Uns scheint verräterisch, daß es, wann immer Sie über das Thema [Teilzeitarbeit]
sprechen, bei Ihnen es nur um Frauen geht, die dann mehr Zeit für ihre Kinder hätten. Daraus
lesen wir den Versuch ab, das traditionelle Rollenbild festzuschreiben, nach dem die Frau für die
Erziehung zuständig ist und der Beruf für sie eine Nebensache bleibt.
GEISSLER: Sie haben Recht, wenn Sie mich sozusagen kalt erwischt haben in einer Sprache, die
das alte Rollenverständnis angeblich wiedergibt. Aber es ist eigentlich mehr die Gewohnheit,
etwas verkürzt zu reden.
SPIEGEL: Das klang aber eben so, als wollten Sie eigentlich lieber Minister für die Erhaltung des
Patriarchats sein.
GEISSLER: Da verstehen Sie mich aber bewußt falsch. Das ist nicht das, was ich will oder was
wir wollen. Ich kann mir ohne weiteres vorstellen, daß die Aufgaben zu Hause auch vom Mann
wahrgenommen werden. Von ihrer beruflichen Qualifikation her sind die Frauen den Männern
nicht unterlegen. Ganz im Gegenteil.
SPIEGEL: Aber Ministerpräsident Franz Josef Strauß hat doch die Karten offen auf den Tisch
gelegt, als er wörtlich forderte, das von der Union geplante Erziehungsgeld solle so hoch ausfallen
und so lange gezahlt werden, daß die Frauen ihre Arbeitsplätze aufgeben.
GEISSLER: Ich kenne dieses Zitat nicht. Das Erziehungsgeld soll mehr Wahlfreiheit für beide
Elternteile ermöglichen und insoweit mehr Gleichberechtigung für die Frau schaffen.
SPIEGEL: ... die Gleichberechtigung, zu Hause zu bleiben.
GEISSLER: Bisher muß eine Frau, die sich für die Aufgabe in der Familie entscheidet, soziale
Nachteile in erheblichem Umfang in Kauf nehmen. Da kann sich das Einkommen halbieren.
Diese massive soziale Benachteiligung wollen wir abbauen. Das Erziehungsgeld ist hier ein
Befreiungsschlag."
Die Formulierung, es erscheine den Redakteurinnen verräterisch, bringt noch einmal das Ziel
des Textes auf den Punkt: Geißler soll nachgewiesen werden, dass er den Feminismus nur
vordergründig benutzt und insofern Verrat an ihm begeht. Insgesamt gelingt ihnen dieses Vor-
haben: Geißler wird mit dem Vorwurf vor sich her getrieben, dass er eigentlich einen traditio-
nellen Geschlechtervertrag unterstütze und er versucht sich von einem solchen zu distanzie-
ren. Dabei verwenden die beiden Redakteurinnen das Adjektiv traditionell im ganzen Text als
negative Abgrenzungsfolie und Geißler lässt sich auf diese Konnotierung ein. Dass er sich als
Konservativer im Zusammenhang mit dem Geschlechterverhältnis gegen Tradition abgrenzt,
zeugt von den Bruchlinien im alten Geschlechtervertrag und von den Widersprüchen des Ver-
suches, von konservativer Seite an die Frauenbewegung anzuschließen.
Der Ausspruch Geißlers, er könne sich ,,vorstellen, daß die Aufgaben zu Hause auch vom
Mann wahrgenommen werden", zeigt die einseitige Ausrichtung des Diskurses auf Frauen.
Vorstellbar ist ja grundsätzlich vieles, aber eine gezielte Förderung von familialem Engage-
ment von Männern ist offenbar keine Überlegung. Auch eine männliche Subjektposition, die
familiale Tätigkeiten enthält, wird mit dieser vagen und unverbindlichen Formulierung nicht
angeboten. Der Ausschnitt zeigt gut, dass der Diskurs auf die Ermöglichung von Erwerbsar-
beit für Frauen ausgerichtet ist und mögliches familiales Engagement von Männern dethema-
tisiert. Mit der Erwähnung einer Vorstellbarkeit familialen Engagements von Männern stellt
67

das Fragment bereits eine Ausnahme dar. Trotzdem spielt diese Vorstellbarkeit im Rest des
Artikels keine Rolle. Sie wird sogar damit begründet, dass Frauen beruflich genauso qualifi-
ziert sind wie Männer. Fälschlicherweise unterstellt diese Begründung, dass sich die Über-
nahme familialer Tätigkeiten von Männern aus Frauenerwerbsarbeit automatisch ergebe ­
oder gar bereits aus ihrer reinen Qualifikation.
Weiterhin bleiben symbolisch ausschließlich Frauen mit der Betreuung von Kindern ver-
knüpft, worin auch ein wichtiger Grund dafür liegt, dass diese Unterstellung falsch ist. Wenn
Geißler beispielsweise behauptet, das Erziehungsgeld solle ,,mehr Wahlfreiheit für beide
Elternteile ermöglichen", aber gleichzeitig nicht dagegen widerspricht, dass es um ,,die
Gleichberechtigung [für die Frau], zu Hause zu bleiben" gehe und stattdessen beschreibt, wie
das Erziehungsgeld Frauen unterstützt, ,,die sich für die Aufgabe in der Familie" entscheiden,
wird diese symbolische Verknüpfung eindeutig. Letztlich steckt darin das sich durch den gan-
zen Diskurs ziehende Muster, die Maßnahme einerseits als geschlechtsneutrale zu benennen
und sie gleichzeitig nur mit Frauen zu verknüpfen.
Der Abschnitt (finanzielle) Situation von Familien und Familienpolitik der Regierung, der
circa ein Drittel des ganzen Artikels ausmacht, wird an dieser Stelle übersprungen, da er kei-
nen direkten Bezug zu Vaterschaft und Geschlechterarrangements hat. In ihm finden sich die
typischen Diskursstrangverknüpfungen zu sozialer Ungleichheit und Abtreibung und auch
dort bleibt die symbolische Verknüpfung von ausschließlich Frauen mit Familie offensicht-
lich.
197
Auch auf den Abschnitt zur Förderung von Frauenwerbstätigkeit soll hier nicht näher
eingegangen werden, da an ihm keine neuen Aspekte aufgezeigt werden können. Selbiges gilt
für den Part zum Scheidungs- und Unterhaltsrecht, bei dem lediglich erwähnenswert ist, dass
in der Diskussion eindeutig mindestens von einer männlichen Haupt- wenn nicht Alleinver-
sorgerehe ausgegangen wird, womit der gültige hegemoniale Geschlechtervertrag zum Aus-
druck gebracht wird. Die Möglichkeit von Familienernährerinnen und Hausmännern kommt
dabei nicht vor.
Der letzte inhaltliche Abschnitt soll hingegen näher betrachtet werden. Die Interviewerinnen
leiten zu ihm mit der Formulierung über, die Unterhaltsrechtsreform verschärfe ,,das Risiko
der Hausfrauenehe." Damit ist ihre Diskursposition bezüglich des Geschlechtervertrages
noch einmal verdeutlicht: Das traditionelle Arrangement der Hausfrauenehe stellt eine Gefahr
dar, die abgewehrt werden muss. Darauf folgt eine Diskussion zu von Geißler auf einem Par-
teitag getätigten Äußerungen über eine ,,Meinungsdiktatur verklemmter Feministinnen", die
Hausfrauen mithilfe einer ,,breit angelegte[n] Emanzipationsideologie [...] ein schlechtes
197 Männer werden in dem Abschnitt gar nicht erst erwähnt, Frauen/Mädchen/Mütter hingegen 24 Mal.
68

Gewissen eingeredet" hätten.
198
Um zu verhindern, dass Hausfrauen deshalb ,,unglücklich
sind, weil sie sich isoliert fühlen", will Geißler hingegen eine ,,Verbesserung der allgemeinen
Bewusstseinslage zugunsten der Frauen herbeiführen." An diesem Abschnitt wird die
Unmöglichkeit von Geißlers Vorhaben offenbar: Er verstrickt sich in Widersprüche, weil er
sich als Profeminist zu verkaufen sucht und sich von ,,traditionellen Rollenbildern" distan-
ziert, gleichzeitig aber tatsächlich den alten Geschlechtervertrag unterstützen will und natür-
lich auf einem Parteitag ein anderes Zielpublikum adressiert als in einem SPIEGEL-Inter-
view. So changiert er ständig zwischen diesen beiden gegensätzlichen Positionen und die
Redakteurinnen können ihn seines Verrats überführen. Dieses Changieren, so meine These,
ist allerdings kein individuelles Problem der Person Heiner Geißler, sondern drückt die Ero-
sion des alten Geschlechtervertrages der Hausfrauen- und Alleinversorgerehe aus. Der
Geschlechtervertrag ist ­ unter anderem durch die Frauenbewegung ­ unter Druck geraten
und büßt spätestens in den 1980er-Jahren diskursiv seine hegemoniale Position ein, worauf
auch Konservative zu reagieren versuchen. Allerdings ist zu diesem Zeitpunkt keine eindeu-
tige Reaktion auf diesen Druck auszumachen. Es existieren konservative Diskurspositionen
wie die der CSU, die den alten Geschlechtervertrag offensiv gegen den Wandel verteidigen.
Auf der anderen Seite steht Geißlers Versuch einer Modernisierung, die zwar einerseits die
Hausfrauenehe befürwortet, auf der anderen Seite aber auch Doppelversorgerehen als legitim
anerkennen und zumindest ermöglichen will. Die symbolische Verknüpfung von ausschließ-
lich Frauen mit den familialen Tätigkeiten bleibt allerdings auch bei Diskurspositionen beste-
hen, die für einen neuen Geschlechtervertrag eintreten.
Zuletzt soll noch ein kurzer Blick auf die Bebilderung des Artikels geworfen werden. Insge-
samt ist er mit fünf Fotografien und einer Karikatur illustriert, wobei erstere jeweils mit
einem Zitat aus dem Interview unterschrieben sind. Die erste Abbildung zeigt die Interview-
situation in der SPIEGEl-Redaktion und trägt das Zitat ,,Die Arbeit in der Familie ist nichts
Minderwertiges". Auf dem zweiten Bild sind Heiner Geißler und seine Familie auf Fahrrä-
dern zu sehen. Darunter steht: ,,Es kann nicht jeder alles gleich gut machen". Dabei werden
zwei Drittel des Bildes von Geißler und seinen drei Söhnen eingenommen, die auf einer
gemeinsamen Bildebene einen leichten Halbkreis bilden und in die Kamera schauen. Im letz-
ten Drittel befindet sich abgesetzt Geißlers Ehefrau, die neben ihrem Fahrrad steht und auf
den Rest der Familie blickt. Es ist davon auszugehen, dass Geißler und seine Kinder deshalb
198 Die Metapher der ,,Meinungsdiktatur" und die Delegitimierung feministischer Kämpfe mit dem Begriff der
,,Emanzipationsideologie" zeugt von der eigentlichen Wortgewalt Geißlers, die in dem Fragment aufgrund
seiner abwehrenden Haltung nur an wenigen Stellen zum Ausdruck kommt. Meinungsdiktatur ist heute ein
verbreiteter Kampfbegriff rechter Bewegungen gegen die sogenannte political correctness, der Begriff
Emanzipations-Ideologie impliziert, dass Frauen gesellschaftlich nicht benachteiligt wären und gewesen sei-
en.
69

auf einer gemeinsamen Bildebene dargestellt werden, weil es sich einerseits um eine sportli-
che Aktivität außerhalb des Hauses handelt, und weil es sich um drei Söhne handelt. Insofern
wird auf dem Bild zwar Vaterschaft repräsentiert, jedoch mit klassischen männlichen Attribu-
ten verknüpft und keine Väterlichkeit im Sinne fürsorglicher Zuwendung gezeigt.
Im Gegensatz dazu steht das nächste Bild, das unterschrieben ist mit: ,,Hausmann: 'Die Auf-
gaben zu Hause können auch vom Mann wahrgenommen werden'" Dort sitzt im Bildvorder-
grund ein Kleinkind in einem Kinderstuhl in der Küche und hält einem Mann, in der Bildlo-
gik seinem Vater, eine Trinkflasche entgegen. Dieser ist dem Kind zugewandt und beugt sich
zu ihm herunter, die Köpfe sind noch nicht ganz auf der selben Höhe. Vor dem Mann auf dem
Herd stehen verschiedene Töpfe, in einer Hand hält er einen Lappen, mit dem er allem
Anschein nach gerade die Arbeitsfläche neben dem Herd abgewischt hat. Er hat einen freund-
lichen Gesichtsausdruck und scheint mit dem Kind zu sprechen. Im Unterschied zu den in
Kapitel 3.3 erörterten Ergebnissen der Bildanalyse von Meike Sophia Baader wird dabei
keine Spannung zwischen Männlichkeit und Vaterschaft aufgebaut, es lassen sich keine
Anzeichen von Ironie oder Entmännlichung finden. Im Gegenteil zeigt die Szene männliche
Sorge- und Hausarbeit als eine alltägliche Normalität. Auf dem Bild werden Väterlichkeit
und Männlichkeit konfliktfrei miteinander verbunden und es ist insofern der einzige Fall, bei
dem im untersuchten Material die gesuchte männliche Subjektposition jenseits der Ernährer-
rolle angeboten wird. Sie steht dabei im Gegensatz dazu, dass eine solche Position im Inter-
view letztlich nicht vorkommt.
199
Auf der selben Seite befindet sich als Konterpart ein Bild von mehreren Frauen, die in einer
Fabrik an Nähmaschinen arbeiten. Es trägt den Untertitel: ,,Berufstätige Frauen: 'Von der
Qualifikation her nicht unterlegen'". Damit wird auf der Bildebene unterstrichen, dass es
einen Zusammenhang von lohnarbeitenden Frauen und reproduktiven Tätigkeiten von
Männern gibt und das Geschlechterverhältnis wird insofern als relationales gezeigt. Damit
steht die Darstellung gegen die übrigen Fragmente des untersuchten Diskurses. Nicht reprä-
sentiert ist allerdings, dass die meisten berufstätigen Frauen trotzdem für den Haushalt
zuständig sind und auch das gezeigte Berufsfeld ist ein hochgradig geschlechtstypisches. Das
fünfte Bild zeigt eine Kindertagesstätte und ist mit ,,Quatsch bei den Öffnungszeiten" unter-
schrieben. Die beiden gezeigten Betreuerinnen sind Frauen.
Die Karikatur, die auf der letzten Artikelseite abgebildet ist, steht der beschriebenen Darstel-
lung eines Hausmanns wiederum entgegen. Sie ist der Titanic entnommen und zeigt Heiner
Geißler am rechten Bildende im Anzug mit zwei übervollen Einkaufstüten in den Händen. An
199 Tatsächlich ist schon das Zitat in der Bildunterschrift konkreter als das Original, wo Geißler lediglich for-
muliert, er könne sich ,,vorstellen, daß die Aufgaben zu Hause auch vom Mann wahrgenommen werden."
70

einem Tisch sitzt Helmut Kohl mit wütendem Gesichtsausdruck und einer Glocke in der
Hand, um ihn herum sitzen drei weitere Männer, vermutlich Minister. Darunter steht: ,,Tut
mir leid, Herr Bundeskanzler, daß ich schon wieder zu spät dran bin, aber im HL-Markt gab's
Tiefkühlbroccoli im Angebot!" Die Karikatur bezieht ihren Witz aus dem Konflikt zwischen
Männlichkeit und reproduktiven Tätigkeiten. Sie hat die Aussage, dass Menschen, die sich
um die private Reproduktion kümmern, in öffentlichen Funktionen unzuverlässig sind und
deshalb immer wieder zu spät kommen. Sie haben falsche Prioritäten gesetzt, denn wenn sie
immer nach Angeboten Ausschau halten, können sie nicht pünktlich zu wichtigen Treffen
kommen. Dieser Gegensatz von Männlichkeit und Reproduktion bildet die Grundlage für die
bildliche Darstellung von Vätern, die Baader für die 2000er-Jahre beschrieben hat.
3.2.3 Diskursstruktur in Eltern
Auch in der Eltern wird 1985 die primäre Zuständigkeit von Frauen für Kinderbetreuung dis-
kursiv reproduziert. Zwar wird dort regelmäßig von Müttern und Vätern geschrieben und es
finden sich in jedem Heft auch Väter und Väterlichkeit, in der übergroßen Mehrzahl der
Fragmente werden jedoch Mütter adressiert, vor allem dann, wenn es nicht ausdrücklich um
Väter geht.
Wie bereits erwähnt wird das Erziehungsgeld im Jahrgang 1985 lediglich in vier Artikeln
thematisiert. In einem Artikel wird es ohne weitere Attribute genannt, in den drei Übrigen
wird wieder von Erziehungsgeld für Mütter und/oder Väter geschrieben. In allen vier ist
allerdings klar, dass es sich eigentlich an Mütter richtet, wobei dies in nur einem Fall begrün-
det wird: Weil Männer mehr verdienen und Familien sich deren Verdienstausfall in der Regel
nicht leisten können. Interessant ist dabei der Artikel ,,Mutterschaftsurlaub jetzt auch für
Väter".
200
Er hat eine Zwischenüberschrift ,,Neu: Erziehungsurlaub für Mutter und Vater" und
ist mit einem kleinen Bild eines Vaters mit einem Baby im Arm illustriert. Angesprochen
werden aber ausschließlich Mütter, denen nur an einer Stelle erklärt wird, dass ,,Sie oder ihr
Mann Erziehungsurlaub nehmen"
201
bzw. sich diesen teilen können. Ansonsten werden
Männer nur in Klammern mitgenannt.
202
Dass der Artikel den Aufmacher hat, dass Väter nun
Erziehungszeiten nehmen können, aber trotzdem im Text ausschließlich Frauen mit Kindern
verknüpft, zeugt von den Schwierigkeiten, die die Vorstellung männlicher Kinderbetreuung
1985 bereiten konnte.
Allerdings finden sich in diesem Jahrgang auch andere Darstellungen von Vaterschaft und
Väterlichkeit. Beim Durchsehen fällt zunächst auf, dass sich die Eltern in verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen sehr weit links positioniert, ohne dabei in einem politisierenden
200 Vgl. ohne Autor_in: ,,Mutterschaftsurlaub jetzt auch für Väter. In: Eltern, 12/1985: S. 77.
201 Hervorhebung im Original.
202 ,,Für alle werdenden Mütter im Beruf (und für ihre Männer)", ,,alle berufstätigen Mütter (oder Väter)".
71

Stil aufzutreten. So setzen sich Autorinnen
203
beispielsweise für kostenlose Kinderbetreuung,
individuelle Erziehung jenseits von Rollenbildern und gegen Strafen ein, thematisieren anti-
autoritäre Erziehungsansätze, Sexualaufklärung, individuelles Scheitern am Anspruch
geschlechteregalitärer Erziehung und berichten positiv über Immigrant_innen. Diese Diskurs-
position wirkt sich auch auf die Darstellung von Vaterschaft und des Geschlechtervertrages
aus.
Der in der Eltern produzierte Geschlechtervertrag lässt sich folgendermaßen zusammenfas-
sen: Die Norm, von der in Fragmenten ausgegangen wird, wenn nicht ausdrücklich auf ein
abweichendes Arrangement verwiesen wird, stellt die modernisierte Versorgerehe dar. Dabei
wird fest von der weiblichen Familien- und männlichen Berufsorientierung ausgegangen.
Frauen gehen zwar auch arbeiten, machen aber auf jeden Fall nach der Geburt eines Kindes
eine längere Babypause und bleiben auch danach primär für die Kinder zuständig. Entspre-
chend oft finden sich Aussagen darüber, dass Väter ihre Kinder nur abends sehen, während
Mütter sich auch tagsüber um sie kümmern. Je jünger die Kinder sind, desto klarer ist die
weibliche Zuständigkeit. In Familien mit älteren Kindern tritt die Erwerbsorientierung wieder
hinzu. Obwohl weibliche Berufstätigkeit als etwas erstrebenswertes dargestellt wird und
Frauenerwerbstätigkeit ein Dauerthema ist, wird größtenteils lediglich von einer Zuverdie-
nerinnenposition ausgegangen ­ auch wenn dies nur an wenigen Stellen explizit ausgedrückt
wird.
Darüber hinaus sind jedoch vielfältige weitere Familienformen repräsentiert. Die Hausfrau-
enehe wird nicht ausschließlich als Abgrenzungsfolie verwendet, sondern es kommen auch
Hausfrauen zu Wort, die ihr Arrangement befürworten. Alleinerziehende Mütter werden nicht
als Problem, sondern als mögliche Konstellation dargestellt, der von der Gesellschaft Pro-
bleme bereitet werden, weil sie auf ein traditionelles Geschlechterarrangement ausgerichtet
ist. Mehrfach findet sich die Formulierung ,,alleinerziehende Mütter und Väter" und in einer
Reportage über Alleinerziehende ,,schildern sechs Mütter und ein Vater ­ stellvertretend für
eine Million Betroffene in der Bundesrepublik"
204
ihre Schwierigkeiten. Dabei wird der
alleinerziehende Vater in derselben Weise gezeigt wie die anderen Personen, ohne sein
Geschlecht hervorzuheben oder überhaupt nur gesondert zu erwähnen. So entsteht das Bild
einer Normalität von männlicher Kinderbetreuung, auch wenn im Vorspann des Artikels und
auch in der Eltern allgemein tendenziell alleinerziehende Mütter gemeint sind, wenn nicht
ausdrücklich auch Männer angesprochen werden (und zum Teil sogar selbst dann). Auch
Hausmänner tauchen im untersuchten Material einige Male auf und zwar nicht als bloß theo-
203 Männliche Autoren kommen 1985 nur in Einzelfällen vor.
204 Diele, Beate: Allein mit den Kindern. In: Eltern, 9/1985: S. 59-62.
72

retische Figuren, sondern hin und wieder als tatsächliche Beispiele aus der sozialen Praxis.
Insofern wird dort eine reale Subjektposition angeboten, in der sich ein Mann primär um Kin-
der und Haushalt kümmert, wenn auch nur relativ selten. Dass Frauen in diesen Fällen die
Position einer Familienernährerin einnehmen, wird nicht thematisiert. Zusammenfassend
lässt sich sagen, dass in der Eltern größtenteils ein modernisierter Geschlechtervertrag vertre-
ten wird, in dem Frauen primär für Haushalt und Kinderbetreuung zuständig sind, aber auch
arbeiten gehen und Männer primär die Versorgerrolle einnehmen, sich nach Feierabend und
am Wochenende aber ebenso um Kinder kümmern und dabei auch Väterlichkeit praktizieren.
Allerdings sind neben einem solchen Arrangement auch verschiedene abweichende repräsen-
tiert, die dann auch nicht abwertend behandelt werden.
Es existieren zwar einige Fragmente, in denen Väter zur Entlastung von Müttern bei der
Kinderbetreuung offenbar keine denkbare Option sind
205
oder ungefähr auf der gleichen
Ebene rangieren wie Nachbarinnen
206
, an sich wird Väterlichkeit aber regelmäßig und positiv
rezipiert. In zwei Fällen geht es sogar um Kinderbetreuung durch Männer, die nicht selbst
Väter sind: In der Kategorie ,,Das raten Eltern-Leser", in der Leser_innen auf Fragen von
Leser_innen antworten können, wird einmal nach Meinungen und Erfahrungen mit männli-
chen Erziehern in Kindergärten gefragt. Alle sieben abgedruckten Antworten stehen dem
grundsätzlich positiv gegenüber; teilweise unter Hervorhebung der Qualitäten als Spielkame-
rad, teilweise aber auch unter ausdrücklicher Befürwortung männlicher Sorge und Pflege.
207
Wenige Ausgaben später wird in der selben Kategorie nach männlichen Babysittern gefragt.
Dabei ist von fünf abgedruckten Antworten nur eine negativ, wobei die Leserin vorsorglich
hinzufügt, dass ihre Position ,,altmodisch klingen" mag.
208
Den verschiedenen Fragmenten, die Vaterschaft behandeln, liegen die Aussagen zugrunde,
dass sich Väter fürsorglich um Kinder kümmern können, sollen und wollen. Das fängt bereits
damit an, dass in jeder Ausgabe ein Comic abgedruckt ist, in der ein Vater den Alltag mit sei-
ner ungefähr achtjährigen Tochter bestreitet. Eine Mutter taucht hierbei in keinem Fall auf.
Auch wenn sich die Themen eher um Fragen der Erziehung als um Sorgetätigkeiten drehen,
entsteht das Bild einer Normalität alltäglicher väterlicher Praxis. Darüber hinaus existieren
viele Beispiele, in denen zwar klar von einer primären weiblichen Zuständigkeit ausgegangen
wird, Väter in ihrer Unterstützung jedoch als fürsorglich und emotional beschrieben werden.
205 In einem Artikel über Vereinbarkeit werden beispielsweise vier mögliche Lösungen vorgestellt: Betreuung
in Rotation mit anderen Müttern, die Kinder alleine nach Hause gehen lassen, ein Hort oder die Kinder mit
auf die Arbeit nehmen. Väter kommen dort nicht vor. Vgl. ohne Autor_in: Wohin nach der Schule? In: El-
tern, 11/1985: S. 112.
206 ,,Wenn sie Hilfe bekommen können, vom Partner, von der Großmutter oder der Nachbarin, dann nehmen
Sie sie an" (ohne Autor_in: Jetzt kann der Haushalt erst mal warten. In: Eltern, 11/1985: S. 102).
207 Ohne Autor_in: Männer bringen frischen Wind in den Kindergarten. In Eltern, 3/1985: S. 126-127.
208 Ohne Autor_in: ,,Ein fremder Mann wäre mir verdächtig". In: Eltern, 7/1985: S. 136.
73

In einem Artikel, der eigentlich davon handelt, wie Mütter ihre Kinder zu einem besseren
Schlaf bewegen können, wird vorgeschlagen, dass sie für ein paar Tage wegfahren sollten:
,,Das unruhig schlafende Kind muß nachts von einer vertrauten Person (am Besten dem
Vater) getröstet und gehätschelt werden"
209
. Ein weiterer Artikel, in dem es um die Kommuni-
kation eines Säuglings mit seiner Mutter geht, schließt mit einem Abschnitt: ,,Wann es beson-
ders auf den Vater ankommt". Dort wird zunächst begründet, dass bisher ,,fast ausschließlich
von der Mutter die Rede" war, weil diese ,,in den allermeisten Fällen [...] das Neugeborene
in den ersten Monaten ganz allein" betreut. Die mögliche väterliche Unterstützung wird dann
allerdings sehr fürsorglich und empathisch beschrieben: Es geht um einen Partner,
,,der das Kind trösten kann, ihm hilft, Verständnis zeigt. Liebe ist schließlich nicht nur Muttersa-
che! Es gibt Väter, die ihrem Kind besser zuhören können als die Mutter. Die schneller merken,
was es braucht. Manchmal kommt das daher, daß sie nach einem Arbeitstag ein offeneres Ohr für
das Kind haben, daß sie sich noch mehr auf das Baby freuen können in den wenigen Stunden, die
sie zusammen sind."
210
Auch in einem Fragment, das sich um den medizinischen Fortschritt bei Kaiserschnitten
dreht, werden Väter beim liebevollen Schmusen mit Neugeborenen abgebildet und beschrie-
ben. Weil die Frauen meist nach der Operation noch in Narkose liegen, gäben ,,83% der Väter
[...] ihrem Kaiserschnitt-Baby den ersten Hautkontakt". Ein Bild ist folgendermaßen unter-
schrieben:
,,Ein ungewöhnlicher Anblick ­ aber heute in vielen Kliniken üblich: Der Vater liegt in einem Kli-
nikbett und schmust mit dem Neugeborenen ­ die Mutter ist noch in Narkose im Operations-
saal."
211
Es wird also ausdrücklich darauf hingewiesen, dass liebevolle körperliche Zuwendung durch
Väter zwar ein ,,ungewöhnlicher Anblick", aber eben ,,in vielen Kliniken üblich", also eigent-
lich normal sei. Die drei zitierten Beispiele stehen für die dominante Diskursstruktur in der
Eltern: Väter können und sollen sich einfühlsam um Kinder kümmern, aber nur als Unterstüt-
zung für Mütter nach Feierabend oder wenn diese verhindert sind.
Dabei werden auch mehrfach Leserbriefe von involvierten Vätern abgedruckt: In der Kate-
gorie ,,Das raten Eltern-Leser" macht sich beispielsweise ein Vater, der für eine längere Zeit
aus beruflichen Gründen nur noch am Wochenende bei seiner Familie sein kann, Sorgen um
die Beziehung zu seiner kleinen Tochter: Sie ,,liebt ihren Papi sehr". Er fragt, was er tun
kann, damit ihn seine ,,Tochter nicht 'vergißt'"
212
Auch hier wird eine männliche Subjektposi-
tion gezeigt, die zwar eine primäre Berufsorientierung aufweist, für die aber eine emotionale
209 Ohne Autor_in: Ruhigere Nächte für Mütter. In: Eltern, 8/1985: S. 8-10.
210 Asgodom, Sabine: 7 Dinge, die ihr Baby Ihnen sagen will. In: Eltern, 11/1985: S. 43-46. Wie bei der in Ka-
pitel 3.3 vorgestellten Untersuchung ,,Der gute Vater" wird hier eine emotionale Vater-Kind-Beziehung ge-
zeichnet und dabei sogar auf die Liebessemantik zurückgegriffen, ohne den Terminus Vaterliebe zu benut-
zen, der an dieser Stelle auf jeden Fall nahe gelegen hätte.
211 Vierheller, Brigitte: So sicher ist heute der Kaiserschnitt. In: Eltern, 7/1985: S. 4-8.
212 Ohne Autor_in: Wochenend-Vater: Die Mutter muß die Erinnerung wachhalten! In: Eltern, 9/1985: S. 131.
74

Bindung zu ihren Kindern und Engagement in der Familie ebenso wichtig ist. An anderer
Stelle beschreiben vier Personen, wer in ihrem Arrangement das Baby nachts versorgt hat.
Neben zwei Frauen, die diese Aufgabe alleine erfüllten, erklärt eine Mutter ihr Arrangement,
in dem der Vater alle fürsorglichen Aufgaben bis auf das Stillen übernahm. In der vierten
Antwort beschreibt ein Vater, dass die Nacht in seine alleinige Zuständigkeit fiel:
,,War ich erst mal wach, habe ich die Minuten nach dem Füttern, das Warten aufs Bäuerchen, sehr
genossen. Den kleinen Zwerg versorgt zu haben, den warmen Körper an der Schulter zu spüren,
wo er sich wohlig anlehnte war eine ganz wichtige Erfahrung für mich."
213
In einer dritten Einsendung fragt ein Vater, was es zu beachten gäbe, wenn er seinen Job auf
eine halbe Stelle reduzieren möchte. Wenn sein Kind da ist, wolle er, ,,um nicht nur ein Feier-
abend-Vater zu werden, nur noch halbtags arbeiten."
214
In diesen Leserbriefen wird nicht nur
dargestellt, dass Väter fürsorglich sein können und sollen, sondern dass sie dies auch von sich
aus wollen und positiv erfahren. Im letzten Beispiel geht dies sogar so weit, dass ein Vater
sein berufliches Engagement zugunsten der Familie reduziert, die für traditionelle Männlich-
keit konstitutive Berufsorientierung also an Relevanz verliert.
Männliche Teilzeitarbeit wird auch in einem Fragment thematisiert, in dem Hausfrauen mit
berufstätigen Müttern über ihr jeweiliges Geschlechterarrangement debattieren. Darin findet
sich ein Abschnitt mit der Überschrift ,,Väter ­ erhalten Frauen von ihnen Unterstützung?"
Mit dem Unterstützungsbegriff wird zunächst wieder eine primäre Zuständigkeit von Frauen
für die Familie in beiden Arrangements reproduziert. Der Abschnitt endet allerdings mit einer
Studie über Väter,
,,die sich für eine Teilzeitarbeit entschieden haben, um die Berufstätigkeit der Partnerin, Haushalt
und Kinder in ihrer Familie unter einen Hut zu bringen. Die Bereitschaft der Väter, sich auf diese
Weise an der Familienarbeit zu beteiligen ist noch neu, wird aber in Zukunft deutlich zuneh-
men."
215
Auch hier werden also Männer dargestellt, die ihre Prioritäten von der Berufs- zu einer Fami-
lienorientierung verschieben und durch familiales Engagement Müttern die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie ermöglichen können. Dass hier ein Bild von Elternschaft produziert wird,
in dem beide Elternteile eine Berufs- und Familienorientierung aufweisen, ist durchaus
bemerkenswert. Solche Arrangements werden mit Verweis auf eine wissenschaftliche Studie
zwar als noch selten, aber als zukünftige Normalität gezeichnet.
In einem anderen Artikel tragen zwei Bilder, die einen Vater beim Streicheln und Massieren
eines nackten Babys zeigen, folgende Bildunterschrift:
,,Babypflege ist heute auch für die meisten Väter selbstverständlich. Sie erleben dabei nicht nur
intensiver, wie sich ihr Baby entwickelt, sondern lernen an sich selbst ganz neue Eigenschaften
213 Ohne Autor_in: Wer versorgt das Baby nachts? In: Eltern, 6/1985, S. 108.
214 Ohne Autor_in: Halbtagsjob für einen jungen Vater ­ aber wie? In: Eltern, 8/1985: S. 125.
215 Ohne Autor_in: Berufstätige gegen Hausfrau. In: Eltern, 8/1985, S. 36-41.
75

kennen: daß sie behutsam und sanft ­ 'mütterlich' ­ mit dem kleinen Wesen umgehen können."
216
Dass Körperpflege von Babys Mitte der 80er-Jahre für die Mehrheit der Väter eine Selbstver-
ständlichkeit sei, ist sicherlich eine gewagte These. Die Spannung zu Männlichkeit findet
sich in der Darstellung durchaus wieder, wenn die benötigten väterlichen Eigenschaften als
,,mütterlich" bezeichnet werden. Allerdings wird hier eine Subjektposition angeboten, die sol-
che weiblich konnotierten Eigenschaften in die Männlichkeitskonstruktion integriert und
zwar über ein Deutungsmuster, das dieses Kennenlernen ,,ganz neue[r] Eigenschaften" als
erstrebenswerten persönlichen Fortschritt wertet ­ dasselbe Muster liegt auch der zitierten
Beschreibung des Vaters zugrunde, der sein Baby nachts alleine versorgt hat.
In einem anderen Artikel, der sich explizit um Vaterschaft dreht, findet sich ebenso eine
erstaunliche Beschreibung von Vätern: Diese werden ausführlich als selbstverständlich invol-
viert und engagiert schon während der Schwangerschaft beschrieben, es geht um ihre Emo-
tionen und Verletzungen, wenn sie in ihrer Position abgewertet werden und um Gefühle des
Ausgeschlossenseins, weil sie nicht selbst schwanger werden und gebären können. Der Arti-
kel endet mit der Warnung, dass Männer über das Lesen von Schwangerschaftsratgebern,
Begleitung bei Arztterminen und Geburtsvorbereitungskursen und ,,allem Engagement für die
neue Rolle" nicht ,,alle die anderen Dinge des Lebens" vergessen sollten, ,,die doch auch
wichtig sind ­ den Beruf, die Freunde, die Hobbys." Erst dieses Zusammenspiel mache ,,das
Vatersein und -werden zu dem, was es ist ­ eine der schönsten Rollen im Drehbuch eines
Männerlebens."
217
Dieses Fragment bietet eine väterliche Subjektposition, die tatsächlich völ-
lig abgekoppelt ist von herkömmlichen Männlichkeitskonstruktionen. Mit Verletzungsoffen-
heit, Emotionalität und einer so starken Familienorientierung, dass dahinter alle anderen
Lebensbereiche zu verschwinden drohen, wird hier ein geradezu revolutionäres Bild gezeich-
net. Traditionelle Männlichkeit taucht in dem Artikel nur insofern auf, dass die mit ihr ver-
bundenen Zuschreibungen diese involvierten Väter tief verletzen.
Ähnlich werden Väter auch in einem Fragment dargestellt, das sich um Scheidungen und
das Sorgerecht dreht. Es beginnt mit Erzählungen von Vätern, die sich hauptsächlich um die
Betreuung ihrer Kinder kümmern, die weinen, wenn sie von diesen getrennt werden und die
gerichtlich das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekommen haben. Auch hier wird von
weitreichenden Veränderungen in der Praxis von Vätern ausgegangen:
,,Seit Männer sich verstärkt von Anfang an bei Pflege und Erziehung ihrer Kinder beteiligen, erle-
ben sie sich viel bewußter in ihrer Vaterrolle, lieben ihre Kinder in einer neuen Weise und fürchten
216 Ohne Autor_in: Babypflege: Viel mehr als nur waschen und wickeln. In: Eltern, 12/1985: S. 24-27.
217 Wanning, Julia: Vater werden ist doch schwer... In: Eltern, 9/1985: S. 32-37. Dass das Vatersein jedoch le-
diglich als ,,eine der schönsten Rollen im Drehbuch eines Männerlebens" bezeichnet wird, enthält auch eine
Aussage über den Stellenwert dieser Rolle: Sie ist zwar schön, kann aber auch abgelegt werden und in kei-
nem Fall werden Männer auf sie reduziert. Ob eine analoge Formulierung auch in Bezug auf Mütter gewählt
worden wäre, erscheint fraglich.
76

sich vor Entfremdung, wenn es zur Scheidung kommt."
218
Im Verlaufe des Artikels werden immer wieder Beispiele genannt, in denen Väter um das
Sorgerecht ihrer Kinder kämpften und in denen Gerichte entschieden, dass ein Kind eine
intensivere Beziehung zu seinem Vater hat, dass dieser besser auf es eingehen könne und zur
Betreuung geeigneter sei als die Mutter. Völlig unabhängig davon, ob diese Entscheidungen
gerechtfertigt waren oder nicht oder ob es eventuell bessere Lösungen für die Kinder gegeben
hätte, werden hier Männer beschrieben, die die alleinige Verantwortung für ihre Kinder über-
nehmen ­ und zwar nicht weil sie durch einen Todesfall oder Ähnliches keine andere Wahl
haben, sondern weil sie selbst das wollen. Der Artikel ist getragen von der Aussage, dass
Männer sich grundsätzlich genauso gut um Kinder kümmern können wie Frauen ­ und in
manchen Fällen sogar besser. Damit wird in dem Fragment die symbolisch-kulturelle Ver-
knüpfung von Fürsorge und Weiblichkeit vollständig aufgebrochen und eine problemlose
Verknüpfung mit Männlichkeit geleistet.
Die Darstellung einer Selbstverständlichkeit väterlicher Fürsorge in der Eltern geht sogar so
weit, dass dieser Bereich von Kritik an der geschlechtlichen Arbeitsteilung ausgenommen
wird. In einem Artikel werden mit Bezug auf die Brigitte-Studie ,,Der Mann" von 1985
Männer als faule ,,Paschas" beschrieben, die nach wie vor den Haushalt ihren Frauen überlas-
sen und deren ,,Reden und Handeln [...] sich noch nicht" deckten:
,,Keine Frage: Viele Väter kümmern sich am Feierabend um ihre Kinder, damit die Mütter den
Haushalt machen können. Glücklich ist diese Lösung dennoch nicht. Denn berufstätige Mütter
freuen sich auch auf ihre Kinder"
219
Der Artikel suggeriert, es gäbe eine ungleiche Arbeitsverteilung nur bezüglich Waschen,
Putzen und Kochen, während die Kinderbetreuung mindestens egalitär aufgeteilt sei.
Die Bebilderung der Eltern bedient dieselbe Struktur wie die textlichen Darstellungen. In
der Mehrzahl der Fälle sind Frauen mit Kindern zu sehen, aber auch Männer werden regel-
mäßig mit Kindern gezeigt. Dabei sind sie bei allen möglichen Tätigkeiten abgebildet: Beim
Füttern, Halten, Baden, Kuscheln, Massieren, Anziehen oder Spielen. Keineswegs sind
Männer dabei häufiger beim Raufen oder Spielen mit Kindern zu finden als bei fürsorglichen
Tätigkeiten, im Gegenteil. So wird auch bildlich eine primäre symbolisch-kulturelle Ver-
knüpfung von Frauen mit Kinderbetreuung produziert, wobei auch Männlichkeit und Für-
sorge in einem spannungsfreien Verhältnis dargestellt werden.
Zusammenfassend lässt sich für die Eltern sagen, dass dort ein modernisierter Geschlechter-
vertrag vertreten wird, in dem eine weibliche Familien- und männliche Berufsorientierung
überwiegt. Allerdings sollen dabei Frauen auch arbeiten und Männer sich auch um Kinder
218 Diele, Beate: Scheidung. Und wer bekommt das Sorgerecht? In: Eltern, 10/1985, S. 36-42.
219 Wetscher, Rosemarie: Der Pascha. Fleißig im Beruf ­ aber zu Hause...? In: Eltern, 12/1985: S. 68-70.
77

kümmern. Väterlichkeit im Sinne alltäglicher fürsorglicher Praxis wird als Selbstverständ-
lichkeit behandelt oder über das Deutungsmuster einer positiv erfahrenen persönlichen
Weiterentwicklung mit Männlichkeit verknüpft. Vater-Kind-Beziehungen sind emotional und
sollen das auch sein. Auch wenn der Terminus selbst nicht benutzt wird, findet sich in einigen
Darstellungen auf jeden Fall Vaterliebe. Körperkontakt zwischen Vätern und Kindern in
Form von pflegerischen Tätigkeiten oder Zuneigung taucht mehrfach auf und wird in keinem
Fall problematisiert. Selbst männliche Subjektpositionen, in denen eine Familienorientierung
überwiegt, werden in wenigen Fällen angeboten. Damit dominiert in der Eltern bereits 1985
das Leitbild des aktiven und involvierten Vaters.
3.2.4 Zwischenfazit
Der Diskurs in ZEIT und SPIEGEL und der der Eltern unterscheidet sich in einigen Punkten
beträchtlich, weist aber auch grundlegende Übereinstimmungen auf. Die Form, in der das
Erziehungsgeld besprochen wird, ist die gleiche: Dass dabei von Vätern und Müttern
geschrieben wird, aber nur Frauen symbolisch mit der Maßnahme verknüpft bleiben, zeugt
von den Bruchlinien des traditionellen Geschlechtervertrages. Auf der Textoberfläche wird
die ausschließliche Zuständigkeit von Frauen für Kinder bereits aufgebrochen, während die
diskursive Tiefenstruktur diese weiter reproduziert.
Den hegemonialen Geschlechtervertrag bildet in allen drei untersuchten Medien die moder-
nisierte Versorgerehe, in der Frauen zwar auch arbeiten gehen, aber weiterhin die primäre
Zuständigkeit für die Kinderbetreuung behalten. So wird auch der Vereinbarkeitstopos aus-
schließlich in Bezug auf Frauen behandelt. Während sich die Aussage, dass sich Männer um
Kinder kümmern könnten oder sollten, in der ZEIT und im SPIEGEL nur in wenigen Fällen
findet, durchzieht sie den gesamten Diskurs der Eltern. Der fast vollständigen Dethematisie-
rung von möglichem familialem Engagement von Vätern in Ersteren steht die durchgängige
Darstellung von Väterlichkeit in Letzterer gegenüber. So wird in der Eltern männliche Kin-
derbetreuung auch im Kontext der Vereinbarkeit für Frauen als eine Möglichkeit besprochen.
Dort können und sollen Männer nicht nur Kinder betreuen, sie wollen dies auch. Das neue
Leitbild der involvierten Vaterschaft ist in den politischen Printmedien noch überhaupt nicht
zu finden, während es in dem Familienmagazin bereits hegemonial ist. Die Verknüpfung von
Väterlichkeit und Männlichkeit gelingt dabei erstaunlich problemlos. Wie relevant das Deu-
tungsmuster der persönlichen Entwicklung durch Fürsorgetätigkeiten hierfür ist, lässt sich
schwer sagen. Es bietet Männern auf jeden Fall eine Möglichkeit, mit der Spannung produk-
tiv umzugehen.
Allerdings bleibt in allen untersuchten Medien die primäre symbolisch-kulturelle Verknüp-
78

fung von Frauen mit Kinderbetreuung bestehen. Nach der Geburt eines Kindes unterbrechen
in jedem Fall Mütter ihre Berufstätigkeit für eine längere Zeit, ein umgekehrtes Arrangement
ist nicht denkbar. Während bei ZEIT und SPIEGEL jedoch offenbar keine männliche Sub-
jektposition jenseits von Erwerbsarbeit denkbar ist, existieren solche Angebote in der Eltern
durchaus ­ wenn auch nur in wenigen Fällen.
Die Bruchlinien des alten Geschlechtervertrages der Hausfrauen- und Alleinversorgerehe
sind in den untersuchten Medien deutlich erkennbar. Die Möglichkeit, dass Väter sich um
Kinder kümmern können, ist in ZEIT und SPIEGEL 1985 nur vereinzelt als abweichende
Diskursstruktur zu finden, während sie in der Eltern bereits eine hegemoniale Position inne
hat. Dort findet sich als abweichende Struktur bereits die Möglichkeit, dass Männer dies in
erster Linie tun können und die Berufs- hinter die Familienorientierung zurücktritt. Insofern
in ihr schon 1985 eine solche Subjektposition angeboten wird und Männer symbolisch-kultu-
rell mit Kinderbetreuung verknüpft werden, nimmt die Eltern hier eine Vorreiterrolle ein.
3.3 Debatte um die Einführung des Elterngeldes
3.3.1 Diskursstruktur in ZEIT und SPIEGEL
Die Einführung des Elterngeldes zum 01.01.2007 wurde 2006 von der Großen Koalition
unter Angela Merkel beschlossen. Nach sieben Jahren Rot-Grüner Bundesregierung verlor
die SPD im Mai 2005 bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen deutliche Stimmenan-
teile. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder interpretierte die Wahlniederlage im
Kontext der Agenda 2010 und erklärte unmittelbar nach der Landtagswahl, eine Neuwahl des
Bundestages anzustreben, um die Bürger_innen über die Fortführung der Reformen abstim-
men zu lassen. Er stellte im Parlament die Vertrauensfrage, was zu vorgezogenen Bundes-
tagswahlen im September 2005 führte. Das Wahlergebnis brachte weder Rot-Grün noch
Schwarz-Gelb eine Regierungsmehrheit, sodass sich letztendlich eine Große Koalition unter
Angela Merkel zusammenfand. Sowohl in der ZEIT als auch im SPIEGEL wird entsprechend
häufig beklagt, dass eine Große Koalition weder von den Unionsparteien noch von der SPD
gewünscht war und die Regierung nicht konstruktiv zusammenarbeiten würde. Ein Kernziel
nach dem Regierungswechsel war, wie auch schon 1985, die Konsolidierung des Staatshaus-
halts. Diesmal sollte eine geringere Neuverschuldung jedoch nicht in erster Linie über Sozial-
kürzungen erreicht werden, sondern über Steuererhöhungen. In vielen Fragmenten wird das
Elterngeld folglich im Kontext des Staatshaushalts diskutiert, was sich beispielsweise auch
daran zeigt, dass ein Drittel der ausgewerteten ZEIT-Artikel dem Ressort Wirtschaft zugeord-
net sind.
Das Vorhaben der Einführung eines einkommensabhängig gezahlten Elterngeldes für ein
79

Jahr als Ablösung des bisherigen Erziehungsgeldes war schon im Wahlprogramm der SPD zu
finden, wobei die einkommensabhängige Zahlung explizit Vätern die Entscheidung zur
Elternzeit erleichtern sollte. Das Elterngeld wird dort in einen unmittelbaren Zusammenhang
mit einem angestrebten Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder gestellt. Im sel-
ben Kontext fand das Elterngeld auch seinen Weg in den Koalitionsvertrag, wobei dort
bereits die zwei Partnermonate mit aufgenommen wurden. In der Präambel des Koalitions-
vertrags wird als zentrales Anliegen unter anderem des Elterngeldes formuliert, dass mehr
Kinder in Deutschland geboren werden sollen. Nachdem sich die CSU dagegen gewehrt
hatte, dass Familien nur dann einen Anspruch auf die vollen zwölf Monate Elterngeld haben,
wenn beide Elternteile mindestens zwei Monate davon in Anspruch nehmen, wurde sich als
Kompromiss darauf geeinigt, dass der Anspruch in diesem Fall auf 14 Monate verlängert
wird, statt ihn im gegenteiligen Fall auf zehn Monate zu verkürzen. Mit dieser Regelung
wurde das ,,Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit" im September 2006 verabschiedet, der
Bundesrat stimmte ihm im Oktober zu. Das Elterngeld beträgt pauschal 67 Prozent des vor-
herigen Nettoeinkommens, jedoch mindestens 300 und maximal 1800 Euro. Alleinerziehende
können die vollen vierzehn Monate Elterngeld in Anspruch nehmen.
Der Diskurs um das Elterngeld stellt in vielerlei Hinsicht eine Fortsetzung des Diskurses um
das Erziehungsgeld dar. Es haben sich Tendenzen verstärkt, die sich 1985 bereits angedeutet
hatten, ohne dabei einen qualitativen Bruch zu vollziehen. Auch in der Debatte um das
Elterngeld ist klar, dass sich die Maßnahme grundsätzlich an Frauen richtet und auch Kinder-
betreuung im Allgemeinen symbolisch mit Weiblichkeit verknüpft bleibt. Es ist unstrittig,
dass das Elterngeld primär berufstätige Frauen dazu motivieren soll, Kinder zu bekommen
und anschließend in Elternzeit zu gehen. Es existieren auch wieder Beispiele, in denen die
Maßnahme vordergründig geschlechtsneutral beschrieben wird, während implizit die Ver-
knüpfung mit Frauen offenbar bleibt. Dieses Muster ist aber wesentlich seltener geworden.
Gleichermaßen ist auch unhinterfragt, dass Männer in der Regel maximal die zwei ,,Väter-
monate" nehmen sollen. So taucht der geschlechtsneutralere Begriff Partnermonate in kei-
nem der 56 untersuchten Fragmente auf, obwohl er sogar in dem entsprechenden Gesetzes-
text verwendet wird. In elf Fragmenten werden diese hingegen als ,,Vätermonate" bezeichnet.
Anders als 1985 bilden allerdings Artikel, in denen familiales Engagement von Vätern gefor-
dert oder dargestellt wird, nicht mehr die absolute Ausnahme. Im Gegenteil lässt sich für
ZEIT und SPIEGEL 2006 konstatieren, dass Kinderbetreuung durch Väter regelmäßig thema-
tisiert und in jedem Fall als etwas Positives dargestellt wird. Ließ sich die Aussage ,,(mehr)
männliche Kinderbetreuung ist wünschenswert" 1985 noch als zartes Aufscheinen eines
untergeordneten Gegendiskurses fassen, so hat sie sich 2006 zumindest für die beiden unter-
80

suchten Medien als hegemonial durchgesetzt. Dass sich auch weite Teile der CDU öffentlich
für die ,,Vätermonate" einsetzten, zeugt davon, dass dies nicht auf den Mitte-Links-Diskurs
beschränkt ist, auch wenn diese Aussage in konservativen Milieus umkämpft war. Der von
der CSU geprägte Begriff des ,,Wickelvolontariats" steht für genau diesen Kampf im konser-
vativen Lager. Wickelvolontariat wurde als abwertende Bezeichnung gegen die sogenannten
Vätermonate ins Feld geführt. In den ausgewerteten Fragmenten wird der Begriff allerdings
nur dreimal aufgegriffen. Zweimal wird er in seinem Ursprungskontext zitiert, Alice Schwar-
zer wendet ihn in einem Interview gar positiv:
,,SPIEGEL: Werden die Männer die Vätermonate annehmen?
Schwarzer: In Schweden tut das schon jeder dritte Vater. Aber bereits die Debatte hat sich gelohnt.
'Wickelvolontariat' nennen manche Männer das. Da geht die Post ab."
220
Während Konservative mit dem Begriff den Versuch lächerlich machen wollen, Väter für
Fürsorgetätigkeiten auszubilden, bedeutet die Debatte über eine solche Ausbildung für
Schwarzer bereits eine positive Veränderung. Vor dem Hintergrund dessen, dass männliche
Fürsorge für Kinder noch 1985 nur sehr schwer vorstellbar war, lässt sich die breite Diskus-
sion hierüber durchaus als weitreichende Veränderung fassen.
Sowohl der Begriff Wickelvolontariat als auch Schwarzers Äußerung machen jedoch auch
die Beschränkung dieser Veränderung deutlich: Auch wenn in ZEIT und SPIEGEL ein breiter
Konsens darüber existiert, dass familiales Engagement von Männern wünschenswert ist, blei-
ben symbolisch primär Frauen mit der Kinderbetreuung verknüpft, während Männer dort
bloß sekundär mithelfen sollen. Im Wickelvolontariat werden die Väter selbstverständlich
von den Müttern zu Fürsorgetätigkeiten ausgebildet, Mütter ,,wollen Unterstützung von den
Vätern und vom Staat"
221
oder Väter müssen für Elterngeld ,,mindestens 2 Monate
mitwickel[n]"
222
. Durchgängig ist klar, dass alles männliche Engagement freiwillige Aushilfs-
tätigkeit in einem eigentlich weiblichen Bereich ist. Entsprechend überschaubar sind auch die
Ziele, wenn explizit mehr väterliches Engagement eingefordert wird. Alice Schwarzer bei-
spielsweise ist begeistert, wenn in Schweden ,,schon jeder dritte Vater" die Vätermonate
nimmt und will, dass der Staat zu einem Klima beiträgt, ,,in dem Männer, die in die Väterzeit
gehen, dafür nicht belächelt werden."
223
Für eine gestandene Feministin sind das nicht gerade
revolutionäre Forderungen. In einer enthusiastischen Reportage über die familienfreundliche
Politik in Finnland finden sich ähnlich begrenzte Anforderungen:
,,Eltern werden heute geboten: insgesamt 105 Tage Mutterschaftsurlaub, 158 Tage Elternurlaub
pro Kind, den sich Mutter und Vater untereinander aufteilen können. [...]
220 Gorris, Lothar et al.: Panik im Patriarchat. In: DER SPIEGEL, 29.05.2006: S. 96.
221 Ebd.: S. 94.
222 Fraune, Burkhard et al.: Die Koalition der Unwilligen. In: DER SPIEGEL, 08.05.2006: S. 25, Hervorhe-
bung J.A.
223 Gorris et al.: Panik im Patriarchat. A.a.O: S. 98.
81

Auch der Vaterschaftsurlaub von 18 (verteilbaren) Tagen, der oft um die Geburt des Babys herum
genommen wird, kann durch einen zusätzlichen Bonus getoppt werden: Nimmt der junge Vater
zumindest zwölf Tage des Elternurlaubs in Anspruch, bekommt er zwölf weitere Tage obendrauf.
'In unserem Freundeskreis', sagt Pernilla, 'haben fast alle Väter diese Gelegenheit genutzt.'"
224
Es scheint, dass sich das Leitbild der engagierten Vaterschaft darauf beschränkt, dass Väter
überhaupt irgendeinen Anteil an den Sorgetätigkeiten übernehmen. Selbst wenn sie nur einige
Wochen mit der Erwerbstätigkeit aussetzen, sind diese Ansprüche bereits abgegolten. Nichts-
destotrotz ist das bereits eine große Veränderung gegenüber dem Diskurs 1985: Männliche
Fürsorge ist nun grundsätzlich denkbar und wünschenswert, wenn auch nur in einem
geringen Rahmen. Damit wird eine männliche Subjektposition geboten, die zumindest nicht
in fundamentalem Widerspruch zu fürsorglichen Tätigkeiten steht.
Und auch die Abweichungen von dieser hegemonialen Struktur sind entsprechend weitrei-
chender. Indem Väterlichkeit und Männlichkeit diskursiv nicht mehr in einen grundsätzlichen
Widerspruch zueinander gebracht werden, eröffnen sich neue Optionen. So findet sich bei-
spielsweise in einem ZEIT-Kommentar zum Elterngeld zunächst durchgängig die klassische
Verknüpfung von Frauen und Kinderbetreuung. Es geht um Vereinbarkeit für Mütter und
darum, dass berufstätige Frauen durch das Elterngeld zum Kinderkriegen motiviert werden
sollen. Im letzten Absatz nimmt der Artikel jedoch eine plötzliche Wendung. Eine gut
bezahlte Anwältin mit befristetem Arbeitsverhältnis erklärt, dass für sie ,,eine lange Baby-
pause" aufgrund der Befristung leider nicht möglich sei:
,,Jetzt hat sie mit ihrem Mann ausgerechnet, wie viel Elterngeld er kriegen würde, wenn er als Kli-
nikarzt ein Jahr aussetzt. Es lohnt sich. 'Und für ihn', sagt die Anwältin, 'ist das im Kopf ein riesi-
ger Unterschied, ob er nur Windeln wechselt ­ oder ob er damit auch richtig Geld reinholt.'"
225
Die Möglichkeit, dass sich der Vater in erster Linie um das Kind kümmert, ist 2006 diskursfä-
hig geworden. Das Fragment steht jedoch noch auf der Grenze zwischen der hegemonialen
Diskursstruktur und einem weiterreichenden untergeordneten Diskurs. Für den Klinikarzt
kommt die Übernahme der Hauptverantwortung für das Kind nur in Betracht, weil er damit
auch Geld verdienen kann, die Fürsorge also gewissermaßen auch Erwerbsarbeit ist. Darüber
hinaus ist die gesellschaftlich-strukturelle Abwertung von privaten Sorgetätigkeiten in der
Formulierung des nur-Windeln-wechselns repräsentiert.
In anderen Fragmenten gewinnt das neue Leitbild des engagierten und involvierten Vaters,
der sich aus eigener Motivation um seine Kinder kümmert, und folglich auch dazu in der
Lage ist, die hauptsächliche Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, klarere Konturen. In
einer Reportage über Politikerinnen, die gleichzeitig auch Mütter sind, spielen Väter neben
Kitas eine zentrale Rolle für die Vereinbarkeit von Politikkarriere und Familie. An einer
224 Nimtz-Köster, Renate: Das Hoch im Norden. In: SPIEGEL special, 24.10.2006: S. 74.
225 Viering, Jonas: Her mit dem Kind. In: DIE ZEIT, 14.06.2006: S. 23.
82

Stelle wird dort darauf hingewiesen, ,,dass es moderne Väter gibt, auf die man sich verlassen
kann, die nichts dagegen haben, sich ebenfalls um die Kinder zu kümmern oder gar der Fami-
lie zuliebe umzuziehen." Während hier noch das Bild von Vätern angeboten wird, die nichts
,,dagegen haben, sich ebenfalls um die Kinder zu kümmern", wird kurz darauf eine Politike-
rin zitiert, die sich darüber beschwert, ,,[d]ass die Leute hier niemals auf den Gedanken kom-
men, dass ein Mann das großartig findet"
226
. Allerdings bleibt in der Regel auch in den Frag-
menten, in denen eine solche neue männliche Subjektposition angeboten wird, die primäre
Verknüpfung von Weiblichkeit und Kinderbetreuung bestehen. Meist sind es Mütter, die über
solche engagierten Väter sprechen.
Die einzige Ausnahme hiervon bildet eine Artikelsammlung in der ZEIT über ,,Väter auf
neuen Wegen". Im Vorspann nimmt die Autorin das neue Elterngeld und das Ziel, mehr Väter
zur Kinderbetreuung zu motivieren, zum Anlass, um den familiären Hintergrund von drei
Politikern zu beschreiben, die ,,sich mehr um ihre Kindern kümmern oder gekümmert haben,
als dies im Politikbetrieb üblich ist". Dabei unterstützten alle drei Politiker ,,die Idee der
Väter-Monate" und legten Wert darauf, ,,dass sie nicht in erster Linie den Müttern, sondern
vor allem auch den Vätern selbst nützt" ­ auch hier findet sich also das Deutungsmuster des
persönlichen Fortschritts durch Sorge. Des Weiteren wird hier im Gegensatz zu allen anderen
ausgewerteten Fragmenten Vereinbarkeit in Bezug auf Väter diskutiert, auch wenn hierfür im
Vorspann noch erklärt werden muss, dass ,,Vereinbarkeit von Familie und Beruf [...] nicht
nur ein Frauenthema"
227
ist. Im ersten Artikel geht es um den FDP-Generalsekretär Dirk Nie-
bel, der ,,einige Jahre Teilzeit gearbeitet [hat], als seine drei Söhne klein waren". Rückbli-
ckend beschreibt er dies als ,,eine schöne und doch merkwürdige Zeit". Erstaunlich sei für
ihn gewesen, dass Mitte der neunziger Jahre noch bei vielen die Haltung verbreitet gewesen
sei: ,,So was macht ein Mann eigentlich nicht."
228
Im zweiten Artikel berichtet Gregor Gysi
von seinen Erfahrungen als alleinerziehender Vater in der DDR der 70er-Jahre. Dort sei er
jedoch ,,mit dieser Rolle genauso ein Exot wie alleinstehende Väter in Westdeutschland"
gewesen. Gysi erzählt vor allem davon, dass er als alleinerziehender Vater sehr viel mehr
Unterstützung durch sein soziales Umfeld bekommen habe, als Mütter in einer ähnlichen
Situation. Darüber hinaus geht es ihm aber auch darum, ,,dass man bei einem Mann die Ver-
pflichtungen als Vater einfach nicht ernst nahm"
229
, was für ihn eine Kontinuität bis zu Sor-
gerrechtsstreitigkeiten in der heutigen Zeit aufweist. Der letzte Artikel dreht sich um den
SPD-Abgeordneten Anton Schaaf, der ,,seine Tochter notfalls auch im Bundestag" wickelt.
226 Emundts, Corina: Heimliche Muttis. In: DIE ZEIT, 28.09.2006, S. 65.
227 Niejahr, Elisabeth: Väter auf neuen Wegen. In: DIE ZEIT, 14.06.2006, S. 24.
228 Niejahr, Elisabeth: Der Teilzeit-Vater. In: DIE ZEIT, 14.06.2006, S. 24.
229 Niejahr, Elisabeth: Der Alleinerziehende. In: DIE ZEIT, 14.06.2006, S. 24.
83

Darin wird beschrieben, wie er seine Tochter trägt, wohin er den Kinderwagen stellt, oder
dass er kurz eine Sitzung verlassen muss, ,,falls Nora Marlene weint oder gewickelt werden
muss". Er berichtet, dass er neben Anerkennung durchaus auch ablehnende Reaktionen im
Bundestag erfährt. Geschlossen wird das Fragment mit Schaafs Überzeugung,
,,dass auch ohne spezielle finanzielle Anreize immer mehr Väter den Wunsch entwickeln, Zeit mit
ihren Kindern zu verbringen ­ selbst wenn es im Job Nachteile bringt. 'Erfüllend, toll, spannend,
einfach wunderbar' findet er selbst diese Zeit: 'Ich kann jedem Mann nur empfehlen, diese Erfah-
rungen nicht zu verpassen.'"
230
In keiner der drei Beschreibungen wird eine Spannung zwischen Männlichkeit und Väterlich-
keit aufgebaut. Das vorherrschende Deutungsmuster ist, dass es auch für die Männer selbst
wünschenswert ist, sich um ihre Kinder zu kümmern. Im letzten Zitat wird gar die Familien-
über die Karriereorientierung gestellt. Einen Konflikt gibt es in den Artikeln nur zwischen
gesellschaftlichen Ansprüchen an Männer und ihrer Vaterrolle. Insofern wird eine männliche
Subjektposition produziert, die gegen gesellschaftliche Widerstände fürsorgliche Tätigkeiten
in ihr Selbstbild integriert.
Darüber hinaus wird in allen drei Darstellungen die Notwendigkeit von öffentlichen Kinder-
betreuungsangeboten hervorgehoben. Auch das ist eine Veränderung zum Diskurs um das
Erziehungsgeld. In sehr vielen Fragmenten wird 2006 öffentliche Kinderbetreuung themati-
siert und diese wird in jedem Fall als wünschenswert beschrieben ­ wenn auch meist im Kon-
text der Vereinbarkeit für Frauen. Hier zeichnet sich auf jeden Fall eine neue Reproduktions-
weise ab, in der Kitas und Krippen eine gesellschaftliche Normalität sind, auch wenn Kon-
sens darüber besteht, dass solche Angebote in Deutschland noch nicht in ausreichender Zahl
zur Verfügung stehen. Wie bereits geschildert, wird die Vereinbarkeitsfrage in der übergroßen
Mehrheit der Fragmente weiterhin als Frauenproblem behandelt, neu ist allerdings, dass sie in
Einzelfällen auch in Bezug auf Männer diskutiert wird. Darüber hinaus ist auch neu, dass im
Kontext von Vereinbarkeit Väter in einigen Artikeln in den Fokus rücken ­ dass also denk-
und sagbar ist, dass Männer durch familiales Engagement Frauen Berufstätigkeit bzw. Kar-
riere ermöglichen können.
Bezüglich des Geschlechtervertrages haben in den untersuchten Medien Arrangements mit
männlicher und weiblicher Berufstätigkeit die hegemoniale Position inne. Das Leitbild
bewegt sich zwischen der Doppel- und der modernisierten Versorgerehe. Es wird zwar
weiterhin in der Regel davon ausgegangen, dass die Frau nach der Geburt eines Kindes ihre
Erwerbstätigkeit unterbricht, allerdings ist auch ein gegenteiliges Arrangement zumindest
denkbar geworden. Die Hausfrauen- und Alleinversorgerehe taucht lediglich als Abgren-
zungsfolie auf, wobei in mehreren Artikeln thematisiert wird, dass ein solches Arrangement
230 Niejahr, Elisabeth: Der Improvisierer. In: DIE ZEIT, 14.06.2006, S. 24.
84

nach wie vor weit verbreitet ist und staatlich gefördert wird. Darüber hinaus findet sich auch
die sogenannte Pluralisierung der Lebensformen auf der diskursiven Ebene wieder. Vor allem
die Diskriminierung von nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften wird in den Fragmenten
mehrfach angesprochen, aber auch Alleinerziehende haben sich diskursiv normalisiert. Waren
Alleinerziehende 1985 immer Teil eines Problemdiskurses, werden sie 2006 schlicht als eine
mögliche Lebensform neben anderen angesprochen. Dabei wird in den meisten Fällen
selbstverständlich von alleinerziehenden Frauen ausgegangen. Neben dem Bericht über Gre-
gor Gysi existieren allerdings auch zwei Fragmente, in denen von ,,alleinerziehenden Müttern
und Vätern" geschrieben wird. Homosexuelle Paare sind hingegen auch 2006 nicht diskursiv
repräsentiert. Auch Familienernährerinnen spielen de facto keine Rolle. Lediglich in einem
Artikel taucht ein solches Arrangement auf, dort allerdings interessanterweise völlig unkom-
mentiert im Modus der Selbstverständlichkeit.
231
Die Figur des Hausmannes wird nur in dem
bereits zitierten Interview mit Alice Schwarzer angesprochen, dort grenzt sich Schwarzer
jedoch von einer solchen Arbeitsteilung ab: ,,Was Frauen nicht bekommt, bekommt Männern
noch weniger."
232
Ein sich durch den gesamten Diskurs ziehendes Deutungsmuster ist die Annahme einer kla-
ren gesellschaftlichen Entwicklungsrichtung: Die traditionelle Hausfrauenehe hat ausgedient
und moderne involvierte Väter sind die Zukunft. Vor allem in vier Artikeln, die sich mit dem
(erneuten) Modernisierungsversuch der CDU beschäftigen, kommt dieses Deutungsmuster
klar zum Ausdruck. Es findet sich aber beispielsweise auch in Gegenüberstellungen der skan-
dinavischen Staaten und Deutschland. Auf der einen Seite stehen dabei die Begriffe Moderne
bzw Modernisierung, auf der anderen Konservatismus und Tradition. Um Modernisierung
wird dabei ein umfassendes Bedeutungsfeld aufgebaut, während für Tradition in erster Linie
die sorgende Hausfrau und Mutter und der männliche Familienernährer steht. Mit Moderni-
sierung werden erwerbstätige Mütter und fürsorgliche Väter, karriereorientierte Frauen,
unverheiratete Paare, die sogenannte Homo-Ehe und allgemein alle Lebensformen jenseits
des Hausfrauen- und Alleinversorgerhaushalts verknüpft. Den Tenor bildet dabei die Aussage,
dass das traditionelle Familienbild den ,,Anschluss an eine veränderte Wirklichkeit" verloren
habe und keine Orientierung mehr bieten könne für eine Gesellschaft, ,,die andere Wege
ging"
233
. Verdichtet wird dieses Deutungsmuster beispielsweise in der Gegenüberstellung von
modernen Vätern in ,,Wickelmonaten" und dem konservativen Politiker, der ,,ehemalige[r]
231 ,,Seit die Seiferts verheiratet sind, sparen sie knapp 8000 Euro im Jahr. Weil die Anwältin in einer großen
Kanzlei sehr gut verdient, während ihr Mann mit einem winzigen Stipendium an seiner Promotion arbeitete,
profitiert das Ehepaar extrem vom Ehegattensplitting" (Niejahr, Elisabeth: Illusion Familie. In: DIE ZEIT,
04.05.2006, S. 25).
232 Gorris et al: Panik im Patriarchat. A.a.O.: S. 100.
233 Greis, Matthias: Kursverluste. In: DIE ZEIT, 17.08.2006: S. 6.
85

Kommandeur einer Panzerdivision" ist, oder in dem Kollektivsymbol einer Gesellschaft, die
sich auf der ,,Straße der Modernisierung"
234
bewege. Das Symbol der Straße drückt dabei die
Richtungsgebundenheit des Fortschritts zu neuen Familienformen aus.
Im Gegensatz zu dem Diskurs um das Erziehungsgeld findet sich 2006 keine wertende
Gegenüberstellung mehr zwischen Familien- und Bevölkerungspolitik. Dass das Elterngeld
die Geburtenrate erhöhen soll und zwar vor allem die von gebildeten und gut verdienenden
Frauen, ist durchgängig klar. In einem Artikel wird darauf Bezug genommen, ,,[d]ass sich
deutsche Politiker so lange um das Thema Demografie herumdrückten", weil Bevölkerungs-
politik in Deutschland ,,[d]urch den Rassenwahn der Nationalsozialisten [...] für lange Zeit
diskreditiert"
235
war. Auch dort wird allerdings für positiv befunden, dass das Thema nun
offensiv angegangen werde. Was dagegen in mehreren Artikeln kritisiert wird, ist das Wie
dieser Bevölkerungspolitik und dabei wird es unter anderem auch wieder mit dem Diskurs zu
Armut und sozialer Ungleichheit verschränkt. Diskursstrangverschränkungen zu Migration
und Abtreibungen kommen hingegen nur noch in Einzelfällen vor.
Die beiden von Tömke König im Diskurs um das Elterngeld identifizierten Topoi Familie
als private Angelegenheit und Kindeswohl spielen in den ausgewerteten Artikeln keine Rolle.
Die Frage des Kindeswohls wurde in keinem einzigen Fragment diskutiert und die Position,
dass der Staat sich nicht in Familien einmischen sollte, wird nur in einem einzigen Artikel
vertreten.
236
Auch dabei ist wiederum davon auszugehen, dass diese Topoi stärker in konser-
vativen Medien aufgegriffen wurden.
Die Bebilderung der Artikel setzt sich auch 2006 wieder größtenteils aus Fotografien von
Politiker_innen zusammen. Dabei sind wesentlich mehr Frauen repräsentiert als noch 1985,
was nicht nur, aber größtenteils mit der Person Angela Merkel zusammenhängt.
237
Darüber
hinaus finden sich auch vereinzelt Abbildungen, auf denen Kinder zu sehen sind. Im profes-
sionellen Bereich werden dabei ausschließlich weibliche Betreuerinnen gezeigt.
238
Auf drei
weiteren Bildern sind ebenfalls ausschließlich Frauen mit Kindern abgebildet: Beim Spielen
im Garten, auf einer Decke in einem Park liegend und einmal im Kontext von Vereinbarkeit
in einem Großraumbüro, in dem ein Kleinkind neben dem Schreibtisch seiner Mutter sitzt.
239
234 Fleischhauer, Jan et al.: Abschied vom Sauerbraten. In: DER SPIEGEL, 26.06.2006: S. 25.
235 Pötzl, Norbert F.: Handeln statt Jammern. In: SPIEGEL special, 24.10.2006: S. 14.
236 Dort allerdings im Zuge einer liberalistischen Generalabrechnung mit der Idee eines ,,erzieherischen Staa-
tes". So wird dieser Topos auch nicht mit einer Verteidigung traditioneller Geschlechterarrangements ver-
bunden, sondern ein solcher vorgeschobener Liberalismus sogar offen angegriffen. Vgl. Lau, Jörg: Ruf nach
der Supernanny. In: DIE ZEIT, 18.05.2006: S. 5.
237 Vgl. zur Bedeutung der medialen Repräsentation Angela Merkels im Kontext der sich aufweichenden
männlichen Dominanz des politischen Feldes Scholz (2012a): S. 132ff.
238 Meyer, Cordula: Die Schule verweiblicht. In: DER SPIEGEL, 29.05.2006: S. 36 und Pötzl, Norbert F.: Die
Rushhour des Lebens. In: SPIEGEL special, 24.10.2006: S. 65.
239 Nimtz-Köster: Das Hoch im Norden. A.a.O.: S. 72f sowie Pötzl: Die Rushhour des Lebens. A.a.O.: S. 63f
und 66.
86

Des Weiteren sind auf vier Bildern Familien mit Vätern und Müttern fotografiert. Eines
davon ist zwar mit ,,Mütter" unterschrieben, auf ihm befinden sich jedoch auch mehrere
Väter.
240
Auf einem anderen ist in einer Nahaufnahme das Gesicht einer Mutter zu sehen, die
mit ihrem Baby schmust, das Gesicht des Vaters ist zwar leicht unscharf im Hintergrund,
nimmt dabei aber immer noch ein knappes Viertel des Bildes ein.
241
Auf den beiden letzten
Bildern, die beide mit ,,Familie" untertitelt sind, sind jeweils ein Vater, eine Mutter und vier
Kinder zu sehen. Auf beiden befindet sich jedoch der Vater auf der selben Bildebene und in
Interaktion mit den Kindern, während die Mutter leicht nach hinten versetzt gezeigt wird.
242
Interessanterweise handelt es sich bei beiden Fotografien um dieselbe Familie.
Bei den Abbildungen zeigt sich letztlich dieselbe Struktur, die auch den Rest des untersuch-
ten Diskurses kennzeichnet: Primär sind nach wie vor Frauen symbolisch mit der Betreuung
von Kindern verknüpft. Im Gegensatz zu 1985 ist aber väterliches Engagement nun explizit
erwünscht und sowohl sprachlich als auch bildlich dargestellt. Während in der hegemonialen
Diskursstruktur väterliche Fürsorge eher als Unterstützung von Frauen gezeichnet wird, exis-
tieren auch mehrere Beispiele, in denen Väterlichkeit und eigenständige Verantwortungsüber-
nahme für Kinder als intrinsisch motivierte Subjektposition angeboten wird. Es ist davon aus-
zugehen, dass die Debatte um das Elterngeld, die die Rolle von Vätern als eines ihrer Themen
hatte, diesen untergeordneten Diskurs verstärkt hat. Im Vergleich zu 1985 lässt sich festhal-
ten, dass Väterlichkeit und männliche Fürsorge sehr viel leichter denkbar geworden sind und
sich insofern die kulturell-symbolischen Barrieren für Sorgetätigkeiten von Männern zumin-
dest verkleinert haben. Väterlichkeit und Männlichkeit werden in keinen grundsätzlichen
Widerspruch zueinander gestellt und es lassen sich Anzeichen für eine neue Semantik in die-
sem Bereich finden. Allerdings sind auch die hier untersuchten Fragmente von einer
geschlechteregalitären Verknüpfung von Kinderbetreuung mit Männern und Frauen noch weit
entfernt und darüber hinaus sind sie keinesfalls repräsentativ für den gesamtgesellschaftli-
chen Interdiskurs.
3.3.2 Feinanalyse des Artikels ,,Das Hoch im Norden"
Auch einige der für 2006 ausgeführten Aspekte sollen an dieser Stelle an einem ausgewählten
Artikel konkreter dargestellt werden. Dazu wird der Artikel ,,Das Hoch im Norden" aus dem
SPIEGEL special vom 24.10.2006 feinanalysiert.
243
Ausgaben von SPIEGEL special erschei-
nen laut Verlag seit 2001 unregelmäßig zu verschiedenen Themen in einer Druckauflage von
240 Fleischhauer et al.: Abschied vom Sauerbraten. A.a.O.: S. 25.
241 Nimtz-Köster: Das Hoch im Norden. A.a.O.: S. 74.
242 Fraune et al.: Die Koalition der Unwilligen. A.a.O.: S. 25 sowie Kurbjuweit, Dirk et al.: Die Profilneuroti-
ker. In: DER SPIEGEL, 03.06.2006: S. 26.
243 Nimtz-Köster: Das Hoch im Norden. A.a.O: S. 72-74.
87

250.000 Exemplaren, die ausschließlich über den Einzelverkauf vertrieben werden. Die Aus-
gabe, der das Fragment entnommen ist, trägt den Titel ,,Jung im Kopf. Die Chancen der
alternden Gesellschaft" und dreht sich um den demografischen Wandel und Bevölkerungs-
politik.
Die Autorin Renate Nimtz-Köster ist seit Mitte der 80er-Jahre Wissenschaftsredakteurin
beim SPIEGEL, schreibt aber hin und wieder auch für die Süddeutsche Zeitung. Außerdem
ist sie Co-Autorin eines Buches über einen Politikskandal um das Luftfahrt- und Rüstungs-
unternehmen EADS/Airbus. Der Artikel streckt sich über drei Seiten, wobei knapp die Hälfte
davon von Überschrift, Lead und zwei Bildern eingenommen werden. Der Lead lautet:
,,FINNLAND: Warum bekommen die Nordeuropäer mehr Kinder als die Deutschen? Eine reiche
Palette staatlicher Hilfen macht es den jungen Eltern leichter, der Alltag mit Kleinkindern ist ent-
spannt."
Auf die beiden Bilder wurde im vorherigen Kapitel bereits eingegangen: Auf einem ist eine
Mutter beim Spielen mit ihren beiden Kindern im Garten zu sehen, das andere ist die Nahauf-
nahme der Gesichter eines Kindes, seiner Mutter und seines Vaters. Alle gezeigten Personen
sehen glücklich und zufrieden aus, das zweite Bild trägt die Unterschrift: ,,Familie Saariko:
Strampelanzug vom Staat." Damit fassen die Abbildungen den Lead noch einmal graphisch
zusammen: Der Alltag mit Kindern ist entspannt, der Staat sorgt für das materielle Auskom-
men. Optisch ist das Fragment nicht durch Zwischenüberschriften oder Ähnliches unterglie-
dert. Im Heft steht es zwischen zwei weiteren Artikeln, die Deutschland im internationalen
Vergleich familienpolitische Rückständigkeit attestieren. Sein Anlass ist die vergleichsweise
niedrige Geburtenrate in Deutschland, in Form einer Reportage veranschaulicht er die Kin-
derfreundlichkeit der finnischen Politik und Gesellschaft. Seine Kernaussage ist, dass mit
ähnlichen politischen Maßnahmen die Geburtenrate auch in Deutschland erhöht werden
könnte. Diese Aussage wird schon im Lead zum Ausdruck gebracht.
Seine Wirkung erhält der Artikel, indem die Autorin durchgängig lebensweltliche Geschich-
ten mit wissenschaftlichen oder politischen Einschätzungen abwechselt. Dabei wird lediglich
der Lead ausbuchstabiert: Zuerst wird die kinderfreundliche finnische Gesellschaft anhand
einzelner Situationen und Personen beschrieben, darauf folgen Zahlen über die Geburtenent-
wicklung. Anschließend werden die verschiedenen staatlichen Leistungen einzeln ausgeführt,
um auch diese dann wieder an lebensweltlichen Beispielen zu veranschaulichen. Diese Argu-
mentationsstrategie durchzieht den ganzen Artikel, was ihn sehr anschaulich und überzeu-
gend macht. Die verwendeten Quellen des Wissens sind einerseits Alltagserfahrungen in
Finnland, andererseits finnische Presseartikel, ein wissenschaftlicher Experte, verschiedene
Statistiken sowie Statements aus der finnischen Politik. Das Fragment wird vor allem durch
Zitate strukturiert, wobei die Autorin auch in den nicht-lebensweltlichen Parts viel wörtliche
88

Rede verwendet. Die Protagonistinnen sind allesamt Frauen, ein Mann wird nur in seiner
Position als Wissenschaftler zitiert. Die verwendeten Adjektive und Substantive haben über-
wiegend positive Konnotationen, was der Intention des Artikels entspricht.
244
Diejenigen mit
negativer Konnotation stehen vor allem im Zusammenhang mit Deutschland oder einer über-
wundenen Krise in den skandinavischen Ländern der 90er-Jahre. Die einzigen negativ besetz-
ten Begriffe, die auf das heutige Finnland bezogen sind, beziehen sich auf die hohen Lebens-
haltungskosten.
Inhaltlich lässt sich der Artikel in sechs Abschnitte gliedern: Er beginnt mit einer Einleitung
über die Kinderfreundlichkeit in Finnland. Dabei wird zunächst der entspannte Alltag mit
vielen Kindern beschrieben und die Hauptfigur vorgestellt, eine deutsche Tierärztin, die
gemeinsam mit ihrem finnischen Freund nach Finnland gezogen ist. Abgeschlossen wird die
Einleitung mit statistischen Daten zur finnischen Geburtenrate. Darauf folgt ein Vergleich der
finnischen und schwedischen Familienförderung. Dort erklärt ein Demograf, warum die
Geburtenrate in Schweden konjunkturabhängig ist und wie dies in Finnland ausgeglichen
werde. Er endet mit einer Aufzählung der Leistungen, die Familien in Finnland in Anspruch
nehmen können. Der dritte Abschnitt dreht sich um Kinderbetreuung und die Rolle von
Vätern und Kitas in diesem Kontext. Anschließend geht es um Vereinbarkeit von Familie und
Beruf. Dabei wird die finnische Arbeitsplatzgarantie erläutert, Vereinbarkeit als ein zentrales
Ziel finnischer Politik beschrieben und familienfreundliche Arbeitgeber an einem Beispiel
illustriert. Im fünften Abschnitt wird das Babypaket der finnischen Sozialversicherung vorge-
stellt, auf das Familien einen Rechtsanspruch haben. Abgeschlossen wird der Artikel von
einem Statement der deutschen Hauptfigur, die die Errungenschaften in Finnland würdigt,
aber bedauert, dass Mütter dort nicht längere Zeit als Hausfrau aus dem Beruf aussteigen
können.
Der Artikel ist von den Leitbildern der Doppelversorgerehe und einer engagierten Vater-
schaft geprägt. Er enthält einige typische Aussagen, die im Folgenden an Textausschnitten
erläutert werden sollen. Das Fragment beginnt folgendermaßen:
,,Ausgerechnet ins feierliche Jawort hinein schrillt in der schönen alten Kirche von Porvoo Baby-
geschrei: Aus verschiedenen Reihen [...] melden sich die Kleinen zu Wort ­ doch genervt vom
Gebrüll fühlt sich niemand: Im Gegenteil, die Erwachsenen lächeln geradezu ermunternd.
Wo auch immer gefeiert wird [...] - überall im Lande sind viele Kinder, auch die ganz kleinen,
dabei. 'Völlig normal' sei es, 'dass unsere Freunde ihre Kinder auch abends mitbringen' [...].
Katja [...] scheint es, 'dass man hier ein normaleres Sozialleben mit Kindern führen kann als in
Deutschland'. Kinder zu haben, so glaubt die junge Wissenschaftlerin, bedeute in Finnland nicht,
'dass die Frau zur Übermutti mutieren und sich sozial isolieren muss'."
Zunächst wird damit die Aussage weiter ausgeführt, dass die finnische Kultur im Gegensatz
244 Eine willkürliche Auswahl der Substantive: Spitze, Boom, Angebote, Förderung, Weiterbildung, Unterstüt-
zung, Extraprämie, Bonus, Einklang, usw; für die Adjektive: feierlich, schön alt, ermunternd, normal, besser,
leichter, lockerer, großzügig, vorbildlich, steigend, engagiert, modern und Ähnliches.
89

zur deutschen kinderfreundlich sei. In der Szene ist niemand genervt, im Gegenteil freuen
sich alle über schreiende Babys. Die Formulierung impliziert, dass die Situation sich in
Deutschland eben anders abspielen würde, mit genervten statt lächelnden Erwachsenen. Mit
zwei Normalismen wird die finnische Gesellschaft beschrieben: Kinder an sich sind eine
Normalität und auch Eltern können ,,ein normaleres Sozialleben" führen. Auf der Gegenseite
der finnischen Normalität steht die abnormale deutsche Mutation: die sozial isolierte Über-
mutti. Analog dazu wird an einer späteren Stelle eine Mitarbeiterin des finnischen General-
konsulats zitiert, die erklärt, dass finnische Mütter motiviert seien, weiterhin einen Beruf aus-
zuüben: ,,Das Wort von der Rabenmutter gibt es bei uns nicht." Der finnische Geschlechter-
vertrag der Doppelversorgerehe wird einem deutschen der Hausfrauenehe auf Kosten der
Frauen gegenübergestellt.
Darauf folgen Ausführungen über die höheren Lebenshaltungskosten in Finnland und die
Einschätzung, dass trotz dessen dort wegen der ,,objektiv besseren Rahmenbedingungen"
mehr Kinder geboren würden. Dies wird mit Auszügen aus einer Zeitung zur Geburtenzahl in
Finnland belegt. Anschließend tritt ein Wissenschaftler auf, der eine ,,Achterbahnfahrt" der
schwedischen Geburtenziffern ausgemacht hat. Da in Schweden in den 90er-Jahren im Zuge
einer Wirtschaftskrise die Einkommen sanken und die Arbeitslosigkeit stieg, wurden ihm
zufolge auch weniger Kinder geboren. In Finnland sei diese Krise durch das ,,Kinderbetreu-
ungsgeld" abgefedert worden:
,,Dies schloss eine monatliche Unterstützung für Eltern ein, die ihre Kinder zu Hause selbst ver-
sorgen. Arbeitslos gewordene Frauen konnten sich mit Hilfe des großzügigen Betreuungsgeldes
über die schwierigen Zeiten retten, bis sie wieder in einen Job zurückfanden."
An dieser Stelle zeigt sich die weiterhin bestehende symbolische Verknüpfung von Frauen
mit der Kinderbetreuung: Die Unterstützung für Eltern, die ihr Kind zu Hause versorgen, half
arbeitslos gewordenen Frauen, obwohl sie ja tatsächlich auch arbeitslos gewordenen
Männern hätte helfen können. Allerdings steckt darin auch wieder das Leitbild der Doppel-
versorgerehe; es geht nur um eine temporäre Überbrückung, bis die Frauen wieder Arbeit fin-
den.
Im Zuge der Darstellung der finnischen Leistungen für Familien folgt daraufhin der bereits
im vorherigen Kapitel zitierte Abschnitt über den Mutterschafts-, Vaterschafts- und Elternur-
laub. Auch dieser Passage liegt die Aussage zugrunde, dass Kinderbetreuung ­ selbst in Finn-
land ­ überwiegend Frauensache ist. Dort taucht zwar väterliche Fürsorge auf, allerdings
bringt die positive Hervorhebung, dass viele Väter zusätzlich zu den 18 Tagen Vaterschaftsur-
laub noch 12 der 158 Tage Elternurlaub nehmen, um 12 weitere Tage Bonus zu bekommen,
klar zum Ausdruck, dass von Männern weiterhin eine primäre Berufsorientierung erwartet
wird. Eine Mutter erzählt daraufhin, dass ihr Mann sich ,,ohnehin als engagierter Vater"
90

erwiesen habe: Als sie während des Mutterschutzes eine Fortbildung im Ausland machte,
betreute er ,,dort das Baby und arbeitete vom Laptop aus." Wenige Sätze später wird dieses
Muster noch einmal sehr anschaulich demonstriert: ,,Auch Savannas Mann Pasi wird seine
Möglichkeit voll ausnutzen und somit noch die zwei zusätzlichen Wochen gewährt bekom-
men." Es ist schlicht falsch, dass er seine Möglichkeit voll ausnutzt, denn er könnte theore-
tisch die vollen 158 Tage Elternurlaub nehmen. Die Anforderungen an Männer sind auch in
dem hier produzierten Leitbild begrenzt. Die grundsätzliche Integration von Väterlichkeit in
eine männliche Subjektposition ist dabei durchaus neu; insofern jedoch weiterhin keine län-
gere Erwerbsunterbrechung erwartet wird und die männliche Berufsorientierung weiterhin
vor der Familienorientierung steht, während primär Frauen mit Kinderbetreuung verknüpft
bleiben, ist es von Gleichberechtigung nach wie vor weit entfernt. Allerdings erwähnt die
Autorin ebenso, dass der finnische Staat versuche, ,,beim 'Elternfrei' die Väter noch mehr zu
motivieren und zu fördern." Damit steckt in dem Fragment auch die Aussage, dass noch mehr
männliches Engagement erstrebenswert und durch staatliche Intervention erreichbar ist.
Im Kontext von Kinderbetreuung dreht sich des Weiteren ein kurzer Absatz um Kitas, wobei
diese wie in den anderen analysierten Artikeln als wünschenswerte Einrichtungen dargestellt
werden. Die beiden Absätze über Vereinbarkeit unterstreichen wiederum, dass diese aus-
schließlich in Bezug auf Frauen gedacht wird. Männer kommen darin nur in der Position des
Arbeitgebers vor. Der Abschnitt über das Babypaket der finnischen Sozialversicherung ent-
hält keine für das Thema der vorliegenden Arbeit relevanten Aussagen und wird hier entspre-
chend nicht näher betrachtet.
Das Ende des Artikels ist allerdings bemerkenswert und soll vollständig wiedergegeben
werden:
,,'Die Frauen haben hier total viel erreicht', resümiert Katja, die deutsche Freundin, 'wenn sie
berufstätig sein wollen, haben sie hier mit Kindern viel mehr Möglichkeiten.' Nur eine 'nicht wirk-
lich', bedauert die junge Wissenschaftlerin: die freie Wahl, tatsächlich drei Jahre bei ihrem Kind
zu bleiben. 'Das können sich die meisten gar nicht leisten', sagt Katja, die selbst auf dem Land mit
einer 'Ganztagsmutter' großgeworden ist. Es ärgert sie, dass zu Hause über die deutschen Bedin-
gungen nur geschimpft werde, denn: 'Für mich wird's in Finnland als Mutter gar nicht die Chance
geben, groß zu Hause zu bleiben.'
Der Artikel nimmt dabei eine plötzliche Wendung. Aus der deutschen Übermutti, die schnell
mit dem Vorwurf Rabenmutter konfrontiert wird, falls sie einem Beruf nachgehen will, wird
hier eine positiv besetzte Ganztagsmutter. Läuft die Reportage also doch auf die Verteidigung
des Hausfrauenmodells hinaus? Nach der ausführlichen Beschreibung einer rundum harmoni-
schen finnischen Gesellschaft ist eine solche Lesart schwierig. Es entsteht eher der Eindruck,
dass die deutsche Frau ­ sogar als promovierte Wissenschaftlerin ­ trotz allem zurück an den
Herd will. Das Ende ließe sich also als abschließende Zuspitzung des Gegensatzes zwischen
91

dem fortschrittlichen Finnland und der traditionellen deutschen Kultur interpretieren.
Insgesamt kann das analysierte Fragment mit seiner Thematisierung von Vaterschaft und
Väterlichkeit als typisches Beispiel jenes stärker werdenden Leitbildes des neuen, engagier-
ten oder involvierten Vaters gelten. Dabei wird zwar keine grundsätzliche Spannung zwi-
schen Väterlichkeit und Männlichkeit aufgebaut, die neuen Anforderungen an Väter bleiben
jedoch begrenzt, weil eine primäre Berufsorientierung von Männern nicht hinterfragt wird.
3.3.3 Diskursstruktur in Eltern
Die Diskursstruktur in der Eltern ist 2006 im Verhältnis zum ersten Querschnitt ambivalent.
Einerseits ist das produzierte Vaterschaftsleitbild vollständig durch das Ideal des neuen
Vaters geprägt und schließt insofern auch fürsorgliche Väterlichkeit mit ein. Andererseits
wird dabei die primäre Zuständigkeit von Frauen für Kinderbetreuung nicht nur reproduziert,
im Gegensatz zu 1985 ist auch kein von der hegemonialen Struktur abweichender Diskurs
mehr auszumachen, der männliche Subjektpositionen jenseits der Berufsorientierung anbie-
ten würde. Das macht sich auch in der konkreten Repräsentation väterlicher Praxis bemerk-
bar, die nun regelmäßig in Verbindung mit traditionell männlichen Attributen verhandelt
wird.
Auf der Textoberfläche lässt sich zunächst feststellen, dass ­ ähnlich wie 20 Jahre zuvor ­
sehr regelmäßig über ,,Vater und Mutter" oder ,,Papa und Mama" geschrieben wird, während
in der absoluten Mehrzahl der Fälle implizit Mütter gemeint sind. Zwar ist schon das Edito-
rial mit ,,Liebe Leserin, lieber Leser" gegendert, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes
gesagt wird, werden in den Artikeln aber immer Mütter angesprochen. In einem Fragment
erklärt ein langjähriger Eltern-Autor seine Adressierung: ,,Mit 'Mütter' meine ich hier alle, die
im Leben eines Babys eine wichtige Rolle übernommen haben, gleichgültig, ob Mann oder
Frau."
245
Männer, die sich um Kinder kümmern, werden als Frauen angesprochen. Mit einem
solchen generischen Femininum wird die diskursive Verknüpfung von Weiblichkeit und Kin-
derbetreuung fortgeschrieben. In den Fragmenten, in denen es ausdrücklich um Väter geht,
wird diesen lediglich eine Unterstützerposition für die Mütter zugewiesen, was sich auch in
der mehrfach auffindbaren Schreibweise ,,Mütter (und Väter)" ausdrückt. Im gesamten Team
der Eltern sind 2006 nur zwei von 35 Personen männlich
246
und auch bei den Leser_innen-
kommentaren finden sich nur vereinzelt Männer.
Diese Struktur prägt auch die Beschäftigung mit dem Elterngeld. Allgemein ist hervorzuhe-
ben, dass die Debatten über das Elterngeld im untersuchten Zeitraum überhaupt keine Rolle
245 Grothe, Hans: Entschlüsseln Sie den Baby-Code! In: Eltern, 8/2006: S. 59. Grothe schreibt bereits seit der
Veröffentlichung der ersten Ausgabe 1966 für die Eltern und hatte dort seit Anfang der 80er-Jahre bis 2008
eine monatliche Kolumne, in der er als ,,bekanntester Erziehungsexperte Deutschlands" vorgestellt wurde.
246 Vgl. Lewicki, Marie-Luise: Editorial. In: Eltern, 10/2006: S. 3.
92

spielen. Lediglich ein kurzer Artikel aus der Dezemberausgabe informiert über die Einfüh-
rung der neuen Regelung zum 01.01.2007, wobei die Partnermonate nicht einmal erwähnt
werden.
247
Allerdings ist der Ausgabe vom Februar 2007 eine Infobroschüre zur neuen Rege-
lung beigelegt, auf die an dieser Stelle näher eingegangen werden soll. Die gesamte Bro-
schüre richtet sich an Mütter, die direkt angesprochen werden, während über Väter bis auf
eine Ausnahme nur in der dritten Person geschrieben wird. In einem Kapitel werden unter der
Überschrift ,,Partnerschaft: Wenn Mutter und Vater sich um das Kind kümmern" verschie-
dene, aus mütterlicher Perspektive gestellte, Beispielfragen beantwortet.
248
Der Titel legt
zunächst nahe, dass hier egalitäre Geschlechterarrangements besprochen werden könnten.
Doch schon die erste Antwort verrät, dass in der Broschüre keine weiter reichenden Ansprü-
che an Väter gestellt werden, als die beiden Partnermonate zu nehmen:
,,Mein Mann will die Vätermonate nehmen. Was ist am günstigsten?
Im Sinne des Gesetzes ist der klassische Weg: Ein Jahr lang bleibt die Mutter zu Hause und
bekommt Elterngeld. Dann kehrt sie in den Beruf zurück, der Vater bleibt zu Hause und bekommt
für zwei Monate Elterngeld."
Der ,,klassische Weg" wird also völlig unkritisch wiedergegeben und mit keiner Silbe hinter-
fragt. Immerhin wird anschließend noch erwähnt, dass ein Wechsel auch früher schon mög-
lich ist. Der nächste Absatz dreht sich um die Frage, ob der Vater während des Mutterschut-
zes zu Hause bleiben könne, um ,,mir mit dem Baby und dessen großen Bruder [zu] helfen".
Auch die darauf folgende Antwort ist bezeichnend:
,,Ja natürlich. Dann bekommen Sie zwei Monate Mutterschaftsgeld, Ihr Mann zwei Monate
Elterngeld. Wenn Ihr Mann danach wieder in den Beruf geht und Sie zu Hause bleiben, bekom-
men Sie Elterngeld, bis das Baby ein Jahr alt ist, also noch zehn Monate lang."
Auch hier ist selbstverständlich vorausgesetzt, dass Männer lediglich die zwei Partnermonate
nehmen und ansonsten arbeiten gehen. Im dritten Absatz wird anschließend erklärt, dass
Alleinerziehende Anspruch auf die vollen 14 Monate Elterngeld haben. Dabei ist fraglos
gegeben, dass in diesem Fall die Mutter alleinerziehend ist und der Vater an einem anderen
Ort wohnt.
249
Mit der vierten Frage wird das einzige Mal in der gesamten Broschüre die Mög-
lichkeit eines egalitären Geschlechterarrangements aufgeworfen: ,,Um die Babyzeit voll zu
genießen, würden wir am liebsten beide zu Hause bleiben. Ist das möglich?" In der Antwort
wird erläutert, dass dann beide Elternteile sieben Monate lang parallel Elterngeld beziehen
können. Bemerkenswert ist hierbei, dass ein solches Arrangement lediglich im Zusammen-
hang mit der Begründung besprochen wird, ,,die Babyzeit voll genießen" zu können, und
247 Ohne Autor_in: Geld: Bitte bis Neujahr warten, Baby! In: Eltern, 12/2006: S.129.
248 Vgl. ohne Autor_in: Das neue Elterngeld. Beilage zu: Eltern, 2/2007: S. 12-16.
249 Dass der Anteil von Vätern an Alleinerziehenden von Säuglingen verschwindend gering ist, soll an dieser
Stelle nicht verschwiegen werden. Dass diese Möglichkeit jedoch diskursiv nicht repräsentiert ist, behindert
auch ihre Umsetzung in der sozialen Praxis. Warum die Regelung für Alleinerziehende unter dem Titel
,,Wenn Mutter und Vater sich um das Kind kümmern" verhandelt wird, bleibt rätselhaft.
93

nicht beispielsweise im Kontext von Gleichstellung oder Geschlechterpolitik. Der letzte
Absatz des Kapitels dreht sich schließlich um die Möglichkeit, das Elterngeld über einen län-
geren Zeitraum zu strecken, weil man ­ und das heißt in diesem Fall Frau ­ ,,nicht schon in
einem Jahr wieder arbeiten" wird.
In der Broschüre wird durchgehend von einer männlichen Berufs- und weiblichen Familien-
orientierung ausgegangen. Die Möglichkeit, dass sich auch Männer überwiegend um ein
Kind kümmern könnten, kommt nicht vor. Entsprechend wird auch insgesamt sechsmal der
Begriff Vätermonate verwendet, während nur an einer Stelle der Begriff Partnermonate auf-
taucht ­ wobei auch dort Mütter adressiert werden. Doch selbst die ,,Vätermonate" genießen
keinen allzu großen Stellenwert. In dem Kapitel ,,Gefahr für den Kündigungsschutz" wird in
einem Absatz erklärt, wann Männer ihrem Arbeitgeber mitteilen sollten, dass sie die ,,Väter-
monate" nehmen wollen. Das ist auch der einzige Fall, in dem Männer direkt angesprochen
werden. Dabei wird davor gewarnt, wie ein ,,Chef, der von solchen Ideen gar nichts hält",
den Kündigungsschutz umgehen könnte, wenn ihm mitgeteilt wird, ,,dass Sie sich bald um
Ihr Kind kümmern wollen"
250
. Schon die wenig wertschätzende Zusammenfassung von
männlicher Sorge als ,,solche Ideen" unterstreicht deren Status. Unmittelbar daran anschlie-
ßend wird diese jedoch mit einem reichlich konstruierten Beispiel noch weiter abgewertet:
Wenn Frauen länger als ein Jahr in Elternzeit gehen wollen, diese aber während der beiden
,,Vätermonate" unterbrechen und also Vollzeit arbeiten wollen, greift in diesem Zeitraum
nicht mehr der besondere Kündigungsschutz; der Arbeitgeber könnte seine Angestellte dann
also theoretisch unter vorgeschobenen Gründen kurzfristig entlassen. Im Folgenden werden
zwar zwei Möglichkeiten diskutiert, wie der umfassendere Kündigungsschutz erhalten wer-
den kann, aber da ,,[b]eide Lösungen [...] nicht ideal" sind, wird ein erstaunlicher Schluss
gezogen:
,,Fazit: In der Theorie sind die zwei Vätermonate ein Signal, dass Väter für ihre Kinder genauso
wichtig sind wie Mütter. In der Praxis kann es besser sein, auf die Bonusmonate zu verzichten."
251
Schon in der Theorie geht es bei den Partnermonaten aber nicht darum, dass Väter genauso
wichtig sind wie Mütter, sondern lediglich darum, dass sie sich auch um ihre Kinder küm-
mern. Dass aber der Ansatz, männliche Sorge auf diese Weise gesetzlich zu fördern, in der
Eltern keine Unterstützung findet und Männern dort bei der Kinderbetreuung eine reine
Hilfsposition zugeschrieben wird, ist bemerkenswert ­ besonders im Vergleich mit dem Dis-
kurs in der Eltern der 1980er-Jahre.
Der in der Eltern produzierte Geschlechtervertrag hat sich seit dem ersten Schnitt kaum ver-
ändert. Frauen sind primär für die Familie zuständig und Männer primär für den Beruf, wobei
250 Ohne Autor_in: Das neue Elterngeld. A.a.O.: S. 21.
251 Ebd.: S. 22.
94

Frauen zusätzlich auch arbeiten gehen können. In jedem Fall unterbrechen Frauen nach der
Geburt eines Kindes ihre Berufstätigkeit für einen gewissen Zeitraum, was sich in dem
Begriff der Babypause verdichtet. Dabei dominiert das Arrangement der modernisierten Ver-
sorgerehe, obwohl an mehreren Stellen die Position vertreten wird, dass die Hausfrauenehe
genauso legitim sei.
252
Diese beiden zentralen Geschlechterarrangements sind unter anderem in zwei Artikelserien
repräsentiert, die sich über den gesamten Untersuchungszeitraum strecken: In der Serie ,,Wir
haben ein Baby" wird ein Elternpaar von März 2006 bis Februar 2007 über das erste Lebens-
jahr ihrer Tochter begleitet. Dabei geht der Vater weiter arbeiten, während die Mutter sich zu
Hause um das Kind kümmert und ,,ihren Job als Fulltime-Mutter" genießt. Sie will zwar
,,wieder in ihren Beruf zurück", wenn das Kind älter ist, aber ,,[i]mmer vorausgesetzt, sie fin-
det eine Stelle, denn die Stadt hat ihren Vertrag nicht verlängert, als sie schwanger wurde."
253
Mit der Zeit hat sich bei ihnen ,,die klassische Aufgabenteilung eingespielt [...]. Jeder macht
seinen Job."
254
Eine solche ,,klassische Aufgabenteilung" wird nicht problematisiert, sofern es
Mutter und Kind damit subjektiv gut geht. Die formulierte Einschränkung für die Rückkehr
in den Beruf ­ sofern sie eine Stelle findet ­ drückt aus, dass dies zwar wünschenswert wäre,
aber keine zentrale Stellung hat. Ein umgekehrtes Arrangement ist nicht denkbar, wie in
einem Konflikt klar ausgedrückt wird:
,,Tanja murmelt leise vor sich hin: 'Wir könnten ja mal eine Weile tauschen. Ich gehe arbeiten und
du bleibst zu Hause bei Lynn!' Dieser Vorschlag ist nicht ernst gemeint. Er ist eher Ausdruck von
Tanjas Ratlosigkeit."
255
In der zweiten Serie kommentiert eine Eltern-Redakteurin unter dem Titel ,,Alltag mit zwei
Kindern" Erlebnisse aus ihrem Familienalltag. Die Serie beginnt vor März 2005 und läuft
länger als bis Juli 2009. Dabei ist der Vater Hauptverdiener, während die Mutter neben ihrer
Berufstätigkeit die Verantwortung für die Kinder trägt. Die Autorin hat durchaus geschlech-
teregalitäre Anforderungen an ihr Arrangement und teilweise scheint eine Reflexion ihrer
Arbeitsteilung auf: ,,Nein, nein, bei uns ist das alles ganz anders! Unsere Rollenverteilung ist
fair. Jochen kümmert sich auch um die Kinder, und ich kümmere mich auch ums Geldverdie-
nen."
256
Das auch an dieser Stelle repräsentiert den Kern der modernisierten Versorgerehe:
Neben der primären geschlechtsspezifischen Zuständigkeit sollen sich Väter und Mütter auch
in dem jeweils anderen Bereich engagieren, während die Hauptverantwortung für den
252 Bspw.: ,,Berufstätige Mütter müssen sich von nicht berufstätigen oft vorwerfen lassen, sie kümmerten sich
nicht ausreichend um ihre Kinder. Die anderen bekommen zu hören, sie seien bequem und ließen sich ver-
sorgen. Es gibt in dieser Frage kein Richtig oder Falsch" (Schindler, Margarethe: ,,Wir erziehen mehr aus
dem Bauch raus". In: Eltern, 7/2006: S. 44).
253 Ebd.
254 Schindler, Margarethe: Halbes Tempo bei den Riefengrafs. In: Eltern, 9/2006: S. 50.
255 Schindler, Margarethe: Theater in der Mittagszeit. In: Eltern, 11/2006: S. 59.
256 Füssenich, Stefanie: Wenn Eltern Paare bleiben wollen. In: Eltern, 9/2006: S. 62.
95

geschlechtstypischen Bereich unangetastet bleibt. Diese Zuständigkeit wird auch durch die
häufige Verwendung des Unterstützungs- und Hilfebegriffs in Verbindung mit familialen
Tätigkeiten von Männern ausgedrückt.
Neben diesen beiden Arrangements macht sich auch in der Eltern die Pluralisierung der
Lebensformen bemerkbar. So wird mehrfach über Alleinerziehende berichtet, im Gegensatz
zu 1985 allerdings ausschließlich über Mütter. Die Konstellation Hausmann/Familienernähre-
rin taucht im Untersuchungszeitraum nur einmal auf, interessanterweise jedoch genau umge-
kehrt als beim ersten Querschnitt: Diesmal kommt eine Familienernährerin zu Wort, ohne
über die Position des Hausmannes zu sprechen. Dabei ist auch Thema, dass ein solches
Arrangement gesellschaftlich nicht anerkannt ist. Die Protagonistin schreibt davon, dass man-
che sie vielleicht Rabenmutter nennen würden, obwohl sie doch nur tue, ,,was unzählige
Männer tun: mit ganzem Einsatz arbeiten, um meinen Lieben etwas zu bieten!"
257
Dass Haus-
männer im Unterschied zu 1985 nicht mehr repräsentiert sind, ist auf jeden Fall bemerkens-
wert. Lediglich in einer Kontaktanzeige findet sich ein Vater, der nach anderen Vätern in
Elternzeit sucht, ,,zum Erfahrungsaustausch und für gemeinsame Unternehmungen."
258
Darüber hinaus werden in einem Fragment weitere Familienformen besprochen. Der Artikel
drückt die Diskursstruktur in der Eltern geradezu idealtypisch aus. Unter dem Titel ,,Vita
kunterbunt" soll über die Vielfältigkeit der modernen Familienformen berichtet werden. Er
beginnt mit einer Seite über ,,[d]ie klassische Familie". Dort wird ein Arrangement mit zwei
Kindern vorgestellt, bei dem der Vater arbeitet und die Mutter in Elternzeit ist, bis beide Kin-
der im Kindergarten sind. Danach will sie wieder halbtags arbeiten. Das Arrangement trägt
die Überschrift ,,Normalität kann sehr viel Nähe schaffen" und endet mit der Aussage, dass
,,80 Prozent aller Kinder in Deutschland [...] bis zum 13. Geburtstag bei beiden Eltern"
259
lebten. Obwohl diese Zahl nichts über das jeweilige Geschlechterarrangement sagt, suggeriert
sie eine solche Aussage. Damit ist die modernisierte Versorgerehe zentral als klassisch, als
Normalität und damit auch als Norm gesetzt. Auf den nächsten Seiten folgen die verschiede-
nen Abweichungen von dieser Norm: ,,Die Patchworkfamilie", ,,Die Alleinerziehende", ,,Der
Drei-Generationen-Haushalt" und ,,Das gleichgeschlechtliche Paar", wobei jede Familien-
form mit statistischen Daten über ihre Verbreitung in Deutschland endet. Obwohl die Eltern
sich betont liberal gibt und erklärtermaßen zeigen will, dass heute im Unterschied zu ,,vor 40
Jahren die typische Familie" durch vielfältige Formen abgelöst worden sei, wird in dem Arti-
257 Winklbauer, Isabel: Mama muss arbeiten gehen. In: Eltern, 7/2006: S. 144. Schon der Titel des Artikels
drückt die Norm der weiblichen Familienorientierung aus. In dem zitierten Beispiel muss die Frau keines-
wegs arbeiten gehen; sie hat sich mit ihrem Ehemann auf ein solches Arrangement geeinigt, weil sei ihren
Beruf gerne ausübt.
258 Ohne Autor_in: Kontakte. In: Eltern, 12/2006: S. 124.
259 Schrand, Petra: Vita kunterbunt. In: Eltern, 10/2006: S. 76.
96

kel deutlich die normative Kraft der ,,klassischen Familie" verstärkt: Der Abschnitt über eine
alleinerziehende Mutter dreht sich ausschließlich um das Fehlen des Vaters und versteift sich
gar zu der Aussage, dass sie ,,eigentlich gar keine vollständige Familie mehr sind"
260
, wäh-
rend sich das lesbische Paar rechtfertigt: ,,Was braucht ein Kind wirklich? Zwei Eltern und
Liebe."
261
Bezüglich des Vaterschaftsdiskurses ist der neue Vater in der Eltern 2006 das unangefoch-
tene Leitbild. Dieses Vaterschaftsideal ist nach Meuser gekennzeichnet durch vier Elemente:
Anwesenheit bei der Geburt, eine Beziehung zu Kindern seit dem Säuglingsalter, Beteiligung
an alltäglicher Pflege und eine gleich enge Beziehung zu Töchtern und Söhnen. Die Anwe-
senheit bei der Geburt wird dabei in jedem Fall vorausgesetzt. Stolz schaut die Redaktion
beispielsweise in ihrer Jubiläumsausgabe zurück, weil die Selbstverständlichkeit ,,von
ELTERN erkämpft wurde [...], dass Väter heute bei der Geburt willkommen sind."
262
In
einem Gespräch zwischen einem Eltern-Redakteur und einem gerade gewordenen sowie
einem werdenden Vater wird deutlich, dass das Vaterschaftsideal in dieser Hinsicht über die
reine Anwesenheit bei der Geburt hinaus geht und auch eine Auseinandersetzung im Vorhi-
nein miteinschließt: So wird sich auch über Wehenschmerzen, Massagen, Frauenärzte und
Geburtsvorbereitungskurse ausgetauscht.
263
Auch der Anspruch, schon seit dem Säuglingsal-
ter eine enge Beziehung zu seinem Kind zu haben, wird immer wieder formuliert. Teilweise
werden sogar Tipps gegeben, wie eine Bindung zum Kind bereits vor der Geburt hergestellt
werden kann. Es finden sich auch mehrere Beispiele, in denen Väter davon berichten, dass es
ihnen am Anfang schwer fiel, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Dabei zeichnet sich in
der Eltern eine ambivalente Struktur ab: Einerseits wird eine enge Beziehung seit der Geburt
als Ideal produziert, gleichzeitig wird aber regelmäßig auch davon ausgegangen, dass Väter
gerade aufgrund ihrer Männlichkeit eine wichtige Rolle für Kinder spielen ­ die männlichen
Zuschreibungen sind allerdings erst ab einem gewissen Alter in der Interaktion mit Kindern
umsetzbar. In diesem Punkt reiben sich die neuen Anforderungen mit den fortwirkenden alten
Zuschreibungen. Auch die Beteiligung an alltäglicher Pflege findet sich immer wieder.
Sowohl Väter als auch Mütter als auch die redaktionellen Expert_innen erwarten eine solche
Beteiligung. Gleichzeitig ist allerdings klar, dass Mütter dort die Profis sind, denen die Väter
als ungelernte Hilfskräfte zur Hand gehen. Dass Väter zu Töchtern eine gleich enge Bezie-
hung haben sollen wie zu Söhnen, lässt sich für die Eltern nur negativ feststellen: Es findet
sich kein Hinweis darauf, dass Söhne für Väter eine besondere Position einnehmen würden.
260 Ebd.: S. 77.
261 Ebd.: S. 80.
262 Lewicki, Marie-Luise: Editorial. A.a.O.: S. 3.
263 Vgl.: Brünjes, Stephan: Ich werde Vater. Was kommt da auf mich zu? In: Eltern, 7/2006: S. 126-128.
97

Was jedoch mehrfach auftaucht, ist eine unterschiedliche Ausgestaltung der Beziehung nach
traditionellen geschlechtlichen Attributen. Dieses Feld ist allerdings keine Frage von Vater-
schaft oder Mutterschaft, sondern von geschlechtsspezifischer Erziehung und wäre eine
eigene Untersuchung wert.
Was sich auf jeden Fall feststellen lässt, ist dass die Vater-Kind-Beziehung als eine hochgra-
dig emotionalisierte beschrieben wird. An verschiedenen Stellen wird in diesem Kontext auch
der Liebesbegriff verwendet. Eine Kolumne trägt dies sogar im Titel: ,,Die Liebe der
Väter"
264
. Der Begriff Vaterliebe selbst taucht nicht auf, aber sein Inhalt ist vorhanden. In die-
sem Kontext wird auch des Öfteren eine Entwicklungsbedeutsamkeit von Vätern für Kinder
hervorgehoben und zwar genau in dem Sinne, den auch Baader herausgearbeitet hat:
,,Väter reagieren im Spiel kreativ und originell. Sie fordern ihr Kind heraus, weil sie weniger
Angst haben, es zu überfordern, und scheuen auch vor etwas Risiko nicht zurück. Das macht Kin-
der auf Dauer selbstbewusst, denn sie entwickeln Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Das Spiel
mit Papa ist für die Entwicklung des Kindes also extrem wichtig."
265
Aufgrund ihrer Andersartigkeit seien Väter also wichtig für Kinder, sie können und sollen
zwar auch Sorgetätigkeiten verrichten, aber ihre eigentliche Funktion liegt in den Bereichen
von Spielen, Toben und Fordern. Dabei taucht allerdings auch ein neues Deutungsmuster auf:
Hans Grothes erster Tipp für Väter lautet: ,,Folgen Sie Ihrem Gefühl". Der Vater soll im
Umgang mit Kindern nicht die Mutter nachahmen, sondern seinem ,,eigenen Gefühl trauen
und folgen"
266
, also gewissermaßen dem männlichen Pendant zum Mutterinstinkt.
Ein weiterer Aspekt, der in dieser Form völlig neu ist, ist die Rede vom Rabenvater. An
einer Stelle taucht der Begriff gegendert auf: Wenn Eltern gelernt haben, was ihr Baby von
ihnen will und es beruhigen können, dann fühlen sie sich ,,nicht gleich als Rabenvater oder
-mutter"
267
, wenn es weint. In einem anderen Fragment hingegen hat ein Vater Selbstzweifel,
weil er sich wünscht, sein Kind ,,könnte schon sprechen und spielen." Er fragt seine
Gesprächspartner: ,,Bin ich ein Rabenvater?"
268
Der Begriff ist Ausdruck der gestiegenen
Ansprüche an Väter: Sie können sich nicht nur von Anfang an um ihre Kinder kümmern, sie
sollen und wollen das auch ­ und können an diesem Anspruch auch scheitern.
Es lässt sich also zusammenfassen: In der Eltern 2006 ist die modernisierte Versorgerehe
der hegemoniale Geschlechtervertrag, wobei auch die Hausfrauenehe regelmäßig als norma-
les Arrangement vorkommt. Andere Familienformen und Geschlechterarrangements werden
zwar als legitim beschrieben, dabei aber deutlich als abweichend und damit untergeordnet
markiert. Väterlichkeit im Sinne einer Beteiligung an alltäglicher Sorge und Pflege wird
264 Grothe, Hans: Die Liebe der Väter. In: Eltern, 9/2006: S. 89-91.
265 Ohne Autor_in: Eine Runde Papa, bitte! In Eltern, 12/2006: S. 87.
266 Grothe: Die Liebe der Väter. A.a.O: S. 89.
267 Grüneberg, Sabine: Gebrauchsanweisung für Babys. In: Eltern, 7/2006: S. 36.
268 Brünjes: Ich werde Vater. Was kommt da auf mich zu? A.a.O: S. 128.
98

sowohl erwartet als auch von Männern selbst gewünscht. Dabei steht jedoch die primäre
männliche Berufsorientierung nicht infrage und Sorge wird als eigentlich weiblicher Bereich
reproduziert, in dem Väter nur eine Hilfsposition einnehmen. Das Vaterschaftsleitbild enthält
Engagement und Involviertheit, während die mütterliche Hauptverantwortung für Kinder
erhalten bleibt.
269
Abweichende männliche Subjektpositionen, in denen die Familienorientie-
rung überwiegt, sind im Gegensatz zu 1985 nicht zu finden. Entsprechend wird auch Verein-
barkeit ausschließlich in Bezug auf Frauen diskutiert. Die Lösung für das Vereinbarkeitspro-
blem von berufstätigen Frauen ist dabei klar: Kitas und Krippen. Diese neue Reproduktions-
weise wird regelmäßig als wünschenswert thematisiert, allerdings immer verknüpft mit dem
Problem der zu geringen Kapazitäten. Väter spielen 2006 im Kontext der Ermöglichung von
Vereinbarkeit keine Rolle.
Der Inhalt väterlichen Engagements hat sich im Verhältnis zu 1985 verschoben. Väter sollen
sich zwar auch selbstverständlich an Sorge und Pflege beteiligen, darüber hinaus sind jedoch
traditionell männliche Attribute besonders wichtig. Die komplementäre Andersartigkeit zu
Müttern wird hervorgehoben und geschlechtstypisches Verhalten und Interessen wie Risiko-
freude, Autos, Fußball oder Ähnliches betont. Das drückt sich auch in den bildlichen Darstel-
lungen aus: In erster Linie sind Männer beim Spielen, Toben und Turnen mit Kindern zu
sehen, bei fürsorglichen Tätigkeiten hingegen seltener.
270
Auch das Deutungsmuster der per-
sönlichen Weiterentwicklung durch Sorge findet sich 2006 nicht mehr. Der Vaterschaftsdis-
kurs in der Eltern ist damit traditioneller geworden. Während sich 1985 ­ wenn auch nur
untergeordnete ­ Diskursstränge ausmachen ließen, die die symbolisch-kulturelle Verknüp-
fung von Fürsorge und Weiblichkeit aufbrachen und Väterlichkeit ohne jede Spannung zu
Männlichkeit präsentierten, wird väterliche Sorge nun zwar selbstverständlich erwartet, aber
in jedem Fall in ein Spannungsverhältnis zu diesem eigentlich weiblich codierten Bereich
gesetzt und dabei traditionell männliche Eigenschaften hervorgehoben. So wird mit der
Durchsetzung des Leitbildes des neuen Vaters die alte geschlechtliche Codierung der Sphären
verstärkt.
3.3.4 Zwischenfazit
Auch 2006 bestehen zwischen der Diskursstruktur in der Eltern sowie in ZEIT und SPIEGEL
269 Eine Äußerung eines Experten unter der Überschrift ,,Väter müssen da sein" bringt diese Struktur auf den
Punkt: ,,Die Mutter mag 90 Prozent der Erziehung übernehmen, aber der Vater muss trotzdem jederzeit für
seine Kinder da sein" (ohne Autor_in: 40 Erziehungs-Wahrheiten, die alle Eltern kennen sollten. In: Eltern,
10/2006: S. 31).
270 Eine der wenigen bildlichen Darstellungen zärtlicher Väterlichkeit ist interessanterweise eine ganzseitige
Werbung des Familienministeriums für die ,,neuen Regelungen zur Elternzeit und zum Elterngeld", die
,,gerechte Grundlagen dafür [schafft], dass sich berufstätige Eltern in Zukunft Arbeit und Erziehung besser
teilen können" (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Kinder kriegen aktive Väter.
In: Eltern, 10/2006: S. 126). Das ist der einzige Fall, in dem in der Eltern die Elterngeldregelung mit Ge-
schlechtergerechtigkeit verknüpft wird.
99

grundlegende Gemeinsamkeiten und Unterschiede. In allen drei Medien bleibt Kinderbetreu-
ung symbolisch-kulturell mit Weiblichkeit verknüpft. Entsprechend ist unhinterfragt, dass
sich das Elterngeld hauptsächlich an Frauen wendet und für Männer lediglich die Partnermo-
nate vorgesehen sind. Dies wird auch durch die durchgängige Verwendung des Begriffs der
Vätermonate verdeutlicht, der geschlechtsneutrale Begriff Partnermonate taucht nur einmal
in der Eltern auf, wobei auch dort im Kontext klar ist, dass diese sich an Männer richten.
Während jedoch diese gesetzliche Förderung väterlichen Engagements in ZEIT und
SPIEGEL positiv rezipiert wird, erhält sie in der Eltern keine Unterstützung. Allerdings wird
in allen untersuchten Medien positiv über fürsorgliche Tätigkeiten von Vätern berichtet. Die
Aussage, dass sich Väter um Kinder kümmern können, sollen und wollen dominiert nun
übergreifend. Involvierte und engagierte Vaterschaft hat sich eindeutig als diskursives Ideal
durchgesetzt. In der Eltern lassen sich alle Elemente finden, die nach Meuser das Leitbild des
neuen Vaters kennzeichnen.
271
Dabei bleibt aber eine primäre Berufsorientierung von
Männern und eine primäre Familienorientierung von Frauen hegemonial, der Geschlechter-
vertrag der modernisierten Versorgerehe behält seine normative Geltungskraft. Männern wird
folglich in der Regel nur eine unterstützende Position bei der alltäglichen Pflege und Sorge
zugewiesen. In der Eltern findet sich 2006 kein davon abweichender Diskurs mehr, in dem
männliche Subjektpositionen jenseits der Erwerbsorientierung angeboten werden. In der kon-
kreten Ausgestaltung von Väterlichkeit spielen dort traditionell männliche Attribute eine
wichtige Rolle, was sich auch in der Betonung einer Entwicklungsbedeutsamkeit von Vätern
aufgrund ihrer Komplementarität zu Müttern zeigt. Nichtsdestotrotz wird die Vater-Kind-
Beziehung als eine hochgradig emotionalisierte beschrieben, in der auch väterliche Liebe
selbstverständlich vorausgesetzt wird. Die gestiegenen Ansprüche an Väter machen sich auch
in dem Auftauchen des Begriffs Rabenvater bemerkbar, trotzdem stehen Väterlichkeit und
Männlichkeit in einem Spannungsverhältnis.
In ZEIT und SPIEGEL lässt sich hingegen ein untergeordneter Diskurs ausmachen, der von
der hegemonialen Struktur abweicht. Dort ist die Möglichkeit, dass Männer sich in erster
Linie um Kinder kümmern können, sagbar geworden. Entsprechend wird vereinzelt väterli-
ches Engagement auch im Kontext von Vereinbarkeit für Frauen thematisiert oder die Verein-
barkeitsproblematik sogar in Bezug auf Männer besprochen. In der Eltern finden sich solche
Thematisierungen 2006 nicht. Die Figur des Hausmannes und eine entsprechende Subjektpo-
sition jenseits der Erwerbsorientierung ist in keinem der Medien zu finden. Während in ZEIT
und SPIEGEL auch alleinerziehende Väter repräsentiert sind, tauchen sie in der Eltern nicht
271 Dass sich dies für ZEIT und SPIEGEL nicht nachweisen lässt, heißt nicht, dass es dort nicht hegemonial ist.
Die Form dieser beiden Medien und die Artikelauswahl führen aber dazu, dass sich nicht zu allen Elementen
Aussagen finden lassen.
100

mehr als Möglichkeit auf. Bezüglich der Reproduktionsweise haben sich medienübergreifend
Kitas und Krippen als wichtige Institutionen durchgesetzt, über die regelmäßig in positiver
Weise berichtet wird. Dabei sind jedoch in jedem Fall die zu geringen Betreuungskapazitäten
das zentrale Thema. Eine Reproduktionsweise, in der Frauen die Möglichkeit haben sollen,
ihre Kinder in solchen Einrichtungen betreuen zu lassen, scheint sich als normatives Ideal
durchzusetzen, dem die gesellschaftliche Praxis bisher nicht gerecht wird.
Für den Vaterschaftsdiskurs lässt sich zusammenfassen, dass sich 2006 in allen drei unter-
suchten Medien eine involvierte Vaterschaft als Leitbild durchgesetzt hat, die fürsorgliche
Tätigkeiten miteinschließt, ohne die symbolisch-kulturelle Verknüpfung von Weiblichkeit mit
diesem Bereich aufzubrechen. Die Sphären scheinen durchlässiger zu werden, ohne ihre
geschlechtlichen Konnotationen zu verringern.
3.4 Entwicklung des Diskurses
An dieser Stelle soll die diachrone Entwicklung des untersuchten Diskurses in den drei
Medien noch einmal zusammengefasst werden. Interessanterweise hat sich der Vaterschafts-
diskurs dabei gegensätzlich entwickelt: In ZEIT und SPIEGEL wurde familiales Engagement
von Vätern 1985 dethematisiert, während fürsorgliche Väterlichkeit 2006 regelmäßig bespro-
chen und erwartet wird. In der Eltern hingegen fanden sich schon 1985 weitreichende Dar-
stellungen von Väterlichkeit und männliche Subjektpositionen jenseits der Erwerbsorientie-
rung, während solche Positionen 2006 vollständig fehlen und die Beschreibungen väterlicher
Praxis plötzlich an traditionell männlichen Attributen orientiert ist.
Konkrete Väterlichkeit wurde in ZEIT und SPIEGEL 1985 praktisch nicht besprochen. Es
ließ sich lediglich ein untergeordneter Diskurs ausmachen, in dem die Forderung nach mehr
männlicher Kinderbetreuung erhoben wurde. 2006 ist solche väterliche Fürsorge regelmäßig
zu finden und die Aussage, (mehr) männliche Kinderbetreuung sei wünschenswert, ist hege-
monial geworden. Im Gegensatz zu 1985 hat sich ein neues Vaterschaftsleitbild durchgesetzt,
in dem Väter sich in der Familie engagieren, und zwar nicht nur, weil dies von ihnen erwartet
wird, sondern auch weil sie selbst das wollen. Dabei bleiben sie in der Regel jedoch auf eine
Unterstützerposition für Frauen reduziert, die symbolische Verknüpfung von Kinderbetreu-
ung und Weiblichkeit bleibt ungebrochen. Allerdings wird in den Darstellungen kein Span-
nungsverhältnis zwischen Männlichkeit und fürsorglichen Tätigkeiten aufgebaut. Die Ver-
knüpfung von Männlichkeit und Väterlichkeit durch das Deutungsmuster der persönlichen
Weiterentwicklung durch Fürsorge schien bereits 1985 auf und war auch 2006 zu finden. Der
hegemoniale Geschlechtervertrag ist zu beiden Zeitpunkten die modernisierte Versorgerehe,
mit einer primären männlichen Berufs- und weiblichen Familienorientierung. Vereinbarkeit
101

ist folglich in beiden Fällen in erster Linie ein Frauenthema. Im Diskurs um das Elterngeld ist
jedoch die Möglichkeit sagbar geworden, dass Männer durch familiales Engagement Frauen
Vereinbarkeit ermöglichen können und das Thema wird in Einzelfällen sogar in Bezug auf
Männer verhandelt. So sind 2006 in signifikanten Ausnahmen auch andere Arrangements zu
finden; männliche Subjektpositionen mit überwiegender Familienorientierung sind denkbar
geworden. Für ZEIT und SPIEGEL lässt sich also konstatieren, dass sich die diskursiv produ-
zierten Barrieren für fürsorgliche Väterlichkeit über den Untersuchungszeitraum zumindest
verringert haben, auch wenn Sorgetätigkeiten weiterhin mit Weiblichkeit verknüpft bleiben.
In der Eltern hingegen stellt sich die Entwicklung anders dar. Auch dort wird zu beiden
untersuchten Zeitpunkten die primäre Zuständigkeit von Frauen für Kinderbetreuung repro-
duziert und der hegemoniale Geschlechtervertrag ist von der modernisierten Versorgerehe
geprägt. Das Vaterschaftsleitbild beinhaltet jedoch schon seit 1985 Involviertheit und Enga-
gement. Väter können, sollen und wollen sich um Kinder kümmern und Vater-Kind-Bezie-
hungen werden emotionalisiert und liebevoll beschrieben. Allerdings wird 2006 die primäre
Berufsorientierung von Männern nicht mehr in Frage gestellt und Männern wird lediglich
eine Unterstützerposition für Frauen zugewiesen, während sich 1985 weitreichende Abwei-
chungen von dieser hegemonialen Struktur fanden. Dort waren männliche Subjektpositionen
mit einer primären Familienorientierung repräsentiert, die mit der symbolischen Verknüpfung
von Weiblichkeit und Fürsorge brachen. So wurden beispielsweise mehrfach alleinerziehende
Väter oder Hausmänner beschrieben und väterliches Engagement wurde im Kontext der Ver-
einbarkeitsfrage für Frauen erwähnt. Solche Abweichungen von der hegemonialen Struktur
sind 2006 nicht mehr zu finden, der Vaterschaftsdiskurs in der Eltern ist eindimensionaler
geworden. Die konkrete Darstellung von Väterlichkeit wurde im Zeitverlauf sogar traditio-
neller. War sie 1985 vor allem durch alltägliche Sorge und Pflege geprägt, wird 2006 mehr-
fach positiv hervorgehoben, dass Väter anders mit Kindern umgehen würden als Mütter ­
nämlich männlicher. Das drückt sich auch in den bildlichen Darstellungen aus, bei denen
Männer nun häufiger beim Toben oder Spielen mit Kindern gezeigt werden. Väter sollen sich
weiterhin unterstützend an der Sorge und Pflege von Kindern beteiligen, besonders wichtig
ist allerdings ihr männliches Spielverhalten. So findet sich auch das Deutungsmuster des per-
sönlichen Fortschritts durch Sorge nicht mehr, das die spannungsfreie Integration fürsorgli-
cher Tätigkeiten in eine männliche Subjektpostion gewährleisten konnte. Auf diese Weise
werden die symbolisch-kulturellen Barrieren für Sorgetätigkeiten von Männern 2006 im Ver-
hältnis zu 1985 tendenziell wieder verstärkt, obwohl das Leitbild des neuen Vaters dominiert.
Männer wollen und sollen sich an Sorge und Pflege beteiligen, aber nur als Unterstützer in
einem eigentlich weiblichen Bereich.
102

Eine Gemeinsamkeit aller drei Medien ist die Thematisierung des Erziehungs- und Eltern-
geldes. Diese Maßnahmen richten sich in jedem Fall an Frauen, auch wenn dies bezüglich
des Erziehungsgeldes von der Formulierung ,,für Mütter und Väter" auf der Textoberfläche
verschleiert wird. Dass die Leistung im Gegensatz zum Mutterschaftsurlaubsgeld theoretisch
tatsächlich auch von Männern bezogen werden konnte, war ja durchaus eine Neuerung. Die
Form der Regelung und die ungebrochene diskursive und symbolische Verknüpfung von
Frauen und Kinderbetreuung führte jedoch in der Praxis dazu, dass dies nur in wenigen Fäl-
len geschah. Beim Elterngeld ist medienübergreifend klar, dass lediglich die Partnermonate
für Väter vorgesehen sind; während dies in ZEIT und SPIEGEL jedoch positiv rezipiert wird,
findet es in der Eltern keine Unterstützung. Auch die Entwicklung der Berichterstattung über
Kitas und Krippen ähnelt sich in den drei Medien. 1985 wurde nur vereinzelt über solche
Einrichtungen berichtet, wobei sie in einem Fragment aus der ZEIT sogar abwertend kom-
mentiert wurden. 2006 hingegen fanden sich in allen untersuchten Medien regelmäßig posi-
tive Darstellungen derselben, meist verknüpft mit der Vereinbarkeitsfrage für Frauen und
dem Verweis auf ihre zu geringen Betreuungskapazitäten. Hier ist der diskursive Wandel ein-
deutig.
4 Fazit und Ausblick
Abschließend sollen an dieser Stelle die Ergebnisse der Diskursanalyse noch einmal auf den
theoretischen Rahmen der Arbeit zurückbezogen werden, der Gesamtaufbau der Arbeit
kritisch reflektiert und sich aus ihr ergebende Anschlussfragen festgehalten werden.
Grundsätzlich stellt sich die beschriebene Entwicklung des Vaterschaftsdiskurses uneinheit-
lich dar. In allen untersuchten Medien hat der Geschlechtervertrag der modernisierten Versor-
gerehe über den gesamten Untersuchungszeitraum die hegemoniale Position inne. Frauener-
werbstätigkeit ist vorgesehen und Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein entsprechend
wichtiges Thema. Der fordistische Geschlechtervertrag der Hausfrauen- und Alleinversorger-
ehe hatte schon in den 1980er-Jahren seine normative Verbindlichkeit verloren. Dass dieses
Ergebnis so eindeutig ist, ist jedoch höchstwahrscheinlich der linken Diskursposition der
untersuchten Medien geschuldet. Vor allem in den Debatten in ZEIT und SPIEGEL ist deut-
lich zu erkennen, dass dieser Geschlechtervertrag gesamtgesellschaftlich 1985 noch
umkämpft war. Ein eindeutiges Ergebnis liefert der Diskurs zu öffentlicher Kinderbetreuung.
Waren Kindertagesstätten und Kinderkrippen 1986 noch ein randständiges Thema, haben sie
sich 2006 diskursiv normalisiert. Der hegemoniale Geschlechtervertrag und die postfordis-
tische Reproduktionsweise lassen sich also klar erkennen: Es bleibt bei einer geschlechtlich
differenzierten Hauptverantwortung für die Familie und den Beruf. Der Arbeitsmarkt soll
103

aber auch auf Frauen zugreifen können, bzw. positiver formuliert sollen auch Frauen arbeiten
gehen können, was ihnen vor allem durch den Ausbau öffentlicher Kinderbetreuung ermög-
licht werden soll. Männer sollen sich auf der anderen Seite auch um ihre Kinder kümmern,
jedoch in erster Linie am Wochenende und nach Feierabend als Unterstützung für ihre
Frauen. Der Anspruch, dass sich Väter auch um ihre Kinder kümmern und dass Frauen Kin-
der öffentlich betreuen lassen können wurde über den Untersuchungszeitraum verbindlicher.
Dabei decken sich die Veränderungen in ZEIT und SPIEGEL mit den Erwartungen, die sich
aus dem theoretischen Rahmen ergaben. Während fürsorgliche Väterlichkeit 1986 noch kaum
repräsentiert war, hat sich eine involvierte und engagierte Vaterschaft 2006 als diskursives
Ideal durchgesetzt. Eine primäre Berufsorientierung von Männern bleibt zwar auch zu dem
zweiten Zeitpunkt hegemonial, es werden allerdings auch männliche Subjektpositionen jen-
seits dieser Orientierung angeboten. Hier wurde einerseits Männlichkeit und Berufsorientie-
rung insofern neu konfiguriert, dass die Familienorientierung gegenüber dieser stärker wurde,
auch wenn sie weiterhin nachrangig bleibt. Andererseits finden sich durchaus neue Erzähl-
und Identitätsmuster, die Männlichkeit jenseits der Erwerbsarbeit konstruieren. Diese haben
zwar eine untergeordnete Position, aber ihre Sagbarkeit in großen Massenmedien bietet
Männern die Möglichkeit, sich an ihnen in ihrem Selbstverhältnis und ihrer Praxis zu orien-
tieren. Sie vereinfachen die Bildung eines subjektiven Vaterschaftskonzeptes, das Fürsorge an
zentraler Stelle integriert.
Die über den Untersuchungszeitraum ungebrochene geschlechtliche Codierung der Sphären
erschwert jedoch weiterhin sowohl die Entstehung von subjektiven Vaterschaftskonzepten
mit überwiegender Familienorientierung, als auch ihre Umsetzung in die Praxis. Selbst die
Umsetzung des Leitbildes des neuen Vaters, bei dem die primäre Erwerbsorientierung unan-
getastet bleibt, wird durch dieses Fortbestehen der Verknüpfung von Weiblichkeit und Kin-
derbetreuung erschwert. Denn die so entstehenden Wahrnehmungs- und Bewertungskatego-
rien führen subjektiv wie gesellschaftlich zu einer Kompetenzabsprache und zur Reduzierung
auf eine Unterstützungsposition in einem eigentlich weiblichen Bereich, was das Scheitern an
den veränderten Ansprüchen vorprogrammiert.
Eine offene Frage ist, warum sich der Vaterschaftsdiskurs in der Eltern in eine entgegenge-
setzte Richtung entwickelt hat. Während sie hier 1986 eine Vorreiterrolle einnahm, waren die
Darstellungen 2006 traditioneller als in ZEIT und SPIEGEL. In der Binnengeschichte der
Zeitschrift lassen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass dies mit einer grundsätzlich
veränderten Diskursposition erklärt werden könnte.
272
Renate Klingma kommt nach einer
Inhaltsanalyse der Eltern über 25 Jahre zu dem Ergebnis, dass diese in der Regel gesellschaft-
272 Vgl. Dorn (2002).
104

liche Trends begleitet und nur bei wenigen Themen ,,als Trendsetter neue Maßstäbe setzt ­
bei der Diskussion um Strafen, bei der Ablehnung der programmierten (Maschinen-)Geburt,
bei der Anwesenheit des Vaters im Kreißsaal, bei der Forderung nach 'rooming in' [...] und
bei der Betreuung von Krankenhauskindern durch ihre Mütter."
273
Bedenkt man, dass der
erste Untersuchungszeitpunkt am Anfang der Diskursivierung von Vaterschaft und des Dis-
kurses um neue Väter stand, müsste dieser Aufzählung die Rolle des Vaters hinzugefügt wer-
den. Eine mögliche Erklärung für die Entwicklung könnte sein, dass dieser neue Diskurs sei-
nerzeit von der profeministischen Männerbewegung angestoßen und durch seine gesamtge-
sellschaftlich randständige Position sehr offen geführt wurde. Er war eine Suchbewegung, die
durch die Irritation des traditionellen Geschlechterverhältnisses ausgelöst wurde. Im Prozess
seiner Durchsetzung als gesamtgesellschaftliches Leitbild hat er seine weitreichenden
Ansprüche verloren, die auf eine Überwindung der geschlechtlichen Codierung von öffentli-
cher und privater Sphäre und der entsprechenden Geschlechtscharaktere zielten. Die Beto-
nung einer Entwicklungsbedeutsamkeit von Vätern aufgrund ihrer komplementären
Geschlechtsrolle lässt sich mit Bezug auf Bourdieu als eine Strukturübung verstehen. Väter
sollen durch ihr Spielverhalten Kinder auf die ernsten Spiele des Wettbewerbs vorbereiten.
Diese Strukturübung ist unter postfordistischen Verhältnissen nicht mehr nur für Söhne, son-
dern auch für Töchter wichtig. Da aber weiterhin Männer für ihre Durchführung zuständig
sind, bleibt die geschlechtliche Konnotation der entsprechenden Handlungsdispositionen
bestehen. Eine ausführlichere Analyse der normativen Erwartungen bezüglich geschlechts-
spezifischer Erziehung in der Eltern wäre in diesem Kontext ein weiterer interessanter Unter-
suchungsgegenstand.
In jedem Fall hat der Vaterschaftsdiskurs einen wichtigen Beitrag für die Modernisierung
des Geschlechtervertrags und seine Anpassung an die veränderten postfordistischen Verhält-
nisse geleistet. Die Durchsetzung des neuen Vaterschaftsleitbildes ist nur vor dem Hinter-
grund der Normalisierung von Frauenerwerbstätigkeit, der gestiegenen Bedeutung sogenann-
ter soft skills und zunehmender Flexibilitätsanforderungen an die Subjekte zu verstehen.
Väterlichkeit wird dabei in Männlichkeitskonstruktionen integriert, jedoch vor allem der
Bereich des Spielens. Fürsorgliche und Pflegetätigkeiten bleiben hingegen tendenziell mit
Weiblichkeit verknüpft. Das Deutungsmuster der persönlichen Entwicklung durch Sorge hat
jedoch zumindest das Potential, die Spannung zwischen Männlichkeit und Fürsorge produk-
tiv zu wenden.
Bezüglich der Gesamtkonzeption der vorliegenden Arbeit sind selbstkritisch verschiedene
Dinge festzuhalten: Die referierten Arbeiten Connells und Bourdieus ergaben für die Diskurs-
273 Kingma (1996): S. 225.
105

analyse nur wenige Anschlussmöglichkeiten. Als Klassiker der Männlichkeitsforschung hät-
ten sie zwar nicht einfach übergangen werden können, wahrscheinlich hätte es jedoch aus-
gereicht, zentrale Annahmen der beiden Autor_innen knapp zu skizzieren. An ihrer Stelle
wäre eventuell eine ausführlichere Beschreibung der Sphärentrennung und der Entwicklung
der polarisierten Geschlechtscharaktere produktiv gewesen, die für die kapitalistische
Moderne konstitutiv sind und die auch das Verhältnis von Männlichkeit und Weiblichkeit
nach wie vor prägen. Gerade für das Thema Vaterschaft, für das die Spannung zwischen
Männlichkeit und reproduktiven Tätigkeiten ein Kernproblem darstellt, wäre eine solche Her-
angehensweise möglicherweise fruchtbarer gewesen.
Darüber hinaus hätte die Diskursanalyse umfangreicher ausfallen müssen, um dem formu-
lierten Anspruch der vorliegenden Arbeit tatsächlich gerecht werden zu können. Durch die
Auswahl der Medien bilden alle Ergebnisse lediglich den Mitte-Links-Diskurs zu Vaterschaft
ab. Die Aufnahme von Zeitungen mit einer konservativen Diskursposition wäre nötig gewe-
sen, um Aussagen über den gesamtgesellschaftlichen Vaterschaftsdiskurs und Geschlechter-
vertrag treffen zu können. Es ist anzunehmen, dass dort auch größere Verschiebungen zwi-
schen den beiden Untersuchungszeiträumen zu finden gewesen wären, weil die modernisierte
Versorgerehe und das Leitbild des neuen Vaters, die beide ursprünglich aus einem eher linken
Milieu stammten, im Untersuchungszeitraum zunehmend normative Geltungskraft auch über
dieses Milieu hinaus entwickelt haben. Außerdem wäre auch eine weitergehende, systema-
tischere Auswertung der Eltern wünschenswert gewesen. Aufgrund ihrer lange Zeit marktbe-
herrschenden Stellung als Familienmagazin in Deutschland, ihrer nach wie vor großen Reich-
weite und ihres unmittelbareren Verhältnisses zur Praxis von Vätern und Müttern, wäre eine
Analyse dieser Zeitschrift auch über das Thema Vaterschaft hinaus aus geschlechtersoziologi-
scher Perspektive sicher lohnenswert.
Nicht zuletzt fehlte in der vorliegenden Arbeit aus Platzgründen eine Auseinandersetzung
mit Daten zur sozialen Praxis von Vätern weitgehend. Gerade der Bezug der Diskursanalyse
auf die soziale Praxis wäre jedoch aufgrund des subjekt- und diskurstheoretischen For-
schungszugangs wünschenswert gewesen. Nichtsdestotrotz sind die vorliegenden Ergebnisse
unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen durchaus aussagekräftig. Auch unter
postfordistischen Verhältnissen und trotz der Durchsetzung des Leitbildes des neuen Vaters
ist eine Auflösung der diskursiven Verknüpfung von Sorge und Weiblichkeit nicht in Sicht.
Die Voraussetzungen für eine geschlechtergerechte gesellschaftliche Arbeitsteilung sind
weiterhin erst noch zu schaffen.
106

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6 Quellenverzeichnis
6.1 Diskussionen um das Erziehungsgeld
6.1.1 DER SPIEGEL
Schwarzer, Alice: ,,Heiner Geißler hat recht". In: DER SPIEGEL, 40/1984, 01.10.1984,
S. 35-38.
Schreiber, Marion/von Roques, Valeska: ,,Ich mache mein Frühstück selber". In: DER
SPIEGEL, 42/1984, 15.10.1984, S. 115-128.
Ohne Autor_in: Andere Farbe. In: DER SPIEGEL, 46/1984, 12.11.1984, S. 30-32.
Ohne Autor_in: Gibt Geißler auf? In: DER SPIEGEL, 3/1985, 14.01.1985, S. 14.
Ohne Autor_in: Einige Probleme. In: DER SPIEGEL, 3/1985, 14.01.1985, S. 19-20.
Martens, Heiko/Didzoleit, Winfried: Der Spitzensteuersatz ist nicht tabu. In: DER SPIEGEL,
9/1985, 25.02.1985, S. 26-30.
Ohne Autor_in: Baby-Stopper. In: DER SPIEGEL, 9/1985, 25.02.1985, S. 30-31.
Ohne Autor_in: Müdes Zucken. In: DER SPIEGEL, 13/1985, 25.03.1985, S. 20-21.
110

Ohne Autor_in: Mehr Bewegung. In: DER SPIEGEL, 13/1985, 25.03.1985, S. 21-23.
Koch, Dirk/Wirtgen, Klaus: ,,Die Lage ist gut, die Stimmung schlecht". In: DER SPIEGEL,
27/1985, 01.07.1985, S. 24-28.
Ohne Autor_in: Biologischer Zwang. In: DER SPIEGEL, 34/1985, 19.08.1985, S. 33-34.
Adam, P./Schreiber, M: ,,Mich hat niemand zurückgepfiffen". In: DER SPIEGEL, 36/1985,
02.09.1985, S. 53-59.
Ohne Autor_in: ,,Sterben bevor der Morgen graut". In: DER SPIEGEL, 43/1985, 21.10.1985,
S. 196-217.
6.1.2 DIE ZEIT
Gerste, Margrit: Was will Heiner Geißler? In: DIE ZEIT, 30/1984, 20.06.1984, S. 4.
Ohne Autor_in: Zeit spart Geld. In: DIE ZEIT, 39/1984, 21.09.1984, S. 31.
Zundel, Rolf: Die Lust an Ecken und Kanten. In: DIE ZEIT, 9/1985, 22.02.1985, S. 5.
Hofmann, Gunter: Aufbruch zu alten Ufern. In: DIE ZEIT, 9/1985, 22.02.1985, S. 7.
Nawrocki, Joachim: Im Jahr 2030: Raum ohne Volk? In: DIE ZEIT, 22.02.1985, S. 51-53.
Hofmann, Gunter: Wundersame Wandlungen. In: DIE ZEIT, 10/1985, 01.03.1985, S. 8.
Christ, Peter: Wenigstens nichts kaputtgemacht. In: DIE ZEIT, 12/1985, 15.03.1985, S. 25-
27.
Ohne Autor_in: Schöne neue Frauenwelt. In: DIE ZEIT, 12/1985, 15.03.1985, S. 75.
Michaels, Heinz: Den Wahltag fest im Visier. In: DIE ZEIT, 13/1985, 22.03.1985, S. 18.
von Münch, Eva Marie: Die Bibel gibt Kim Cotton recht. In: DIE ZEIT, 16/1985,
12.04.1985, S. 73-74.
Mölke, Margit: Viele Kinder sind kein Segen. In: DIE ZEIT, 20/1985, 10.05.1985, S. 71.
Kaiser, Carl-Christian: Zwischen Hammer und Amboss. In: DIE ZEIT, 28/1985, 04.07.1985,
S. 2.
Martens, Erika: Eine schwere Geburt. In: DIE ZEIT, 28/1985, 04.07.1985, S. 18.
Schueler, Hans: Reform in Gefahr. In: DIE ZEIT, 31/1985, 25.07.1985, S. 1.
Schwelien, Michael: Sozialklempnerei unterm Kreuz. In: DIE ZEIT, 33/1985, 08.08.1985, S.
40.
Gehrmann, Wolfgang: Dank dem kleinen Mann. In: DIE ZEIT, 42/1985, 10.10.1985, S. 21.
Horx, Matthias/Stock, Ulrich: Wehe, wehe, Ehe. In: DIE ZEIT, 44/1985, 24.10.1985, S. 17-
20.
Ohne Autor_in: Größerer Spielraum. In: DIE ZEIT, 52/1985, 19.12.1985, S. 24.
6.1.3 Eltern
Ohne Autor_in: Männer bringen frischen Wind in den Kindergarten. In Eltern, 3/1985,
S. 126-127.
Ohne Autor_in: Wer versorgt das Baby nachts? In: Eltern, 6/1985, S. 108.
Vierheller, Brigitte: So sicher ist heute der Kaiserschnitt. In: Eltern, 7/1985, S. 4-8.
Ohne Autor_in: ,,Ein fremder Mann wäre mir verdächtig". In: Eltern, 7/1985, S. 136.
Ohne Autor_in: Ruhigere Nächte für Mütter. In: Eltern, 8/1985, S. 8-10.
111

Ohne Autor_in: Halbtagsjob für einen jungen Vater ­ aber wie? In: Eltern, 8/1985, S. 125.
Ohne Autor_in: Berufstätige gegen Hausfrau. In: Eltern, 8/1985, S. 36-41.
Wanning, Julia: Vater werden ist doch schwer... In: Eltern, 9/1985, S. 32-37.
Diele, Beate: Allein mit den Kindern. In: Eltern, 9/1985, S. 59-62.
Ohne Autor_in: Wochenend-Vater: Die Mutter muß die Erinnerung wachhalten! In: Eltern,
9/1985, S. 131.
Diele, Beate: Scheidung. Und wer bekommt das Sorgerecht? In: Eltern, 10/1985, S. 36-42.
Asgodom, Sabine: 7 Dinge, die ihr Baby Ihnen sagen will. In: Eltern, 11/1985, S. 43-46.
Ohne Autor_in: Jetzt kann der Haushalt erst mal warten. In: Eltern, 11/1985, S. 102
Ohne Autor_in: Wohin nach der Schule? In: Eltern, 11/1985, S. 112.
Ohne Autor_in: Babypflege: Viel mehr als nur waschen und wickeln. In: Eltern, 12/1985, S.
24-27.
Wetscher, Rosemarie: Der Pascha. Fleißig im Beruf ­ aber zu Hause...? In: Eltern, 12/1985,
S. 68-70.
Ohne Autor_in: ,,Mutterschaftsurlaub jetzt auch für Väter. In: Eltern, 12/1985, S. 77.
6.2 Diskussionen um das Elterngeld
6.2.1 DER SPIEGEL
Fraune, Burkhard/Hammerstein, Konstantin von/Mahler, Armin/Nelles, Roland/Neubacher,
Alexander/Reiermann, Christian: Die Koalition der Unwilligen. In: DER SPIEGEL 19/2006,
08.05.2206, S. 22-32.
Steingart, Gabor/Reuter, Wolfgang: Wir haben den Staat überschätzt. In: DER SPIEGEL
19/2006, 08.05.2006, S. 39-43.
Fraune, Burkhard/Neukirch, Ralf/Palmer, Hartmut/Pfister, René: Gefahr von innen. In: DER
SPIEGEL 20/2006, 15.05.2006, S. 26-30.
Neukirch, Ralf: Für die Union gibt es Grenzen. In: DER SPIEGEL 20/2006, 15.05.2006,
S. 28.
Knaup, Horand: Links blinken, rechts regieren. In: DER SPIEGEL 20/2006, 15.05.2006,
S. 36.
Meyer, Cordula: Die Schule verweiblicht. In: DER SPIEGEL 22/2006, 29.05.2006, S. 36-37.
Gorris, Lothar/Voigt, Claudia/Stiekel, Bettina: Panik im Patriarchat. In: DER SPIEGEL
22/2006, 29.05.2006, S. 94-100.
Kurbjuweit, Dirk/Nelles, Roland/Pfister, René/Sauga, Michael: Die Profilneurotiker. In: DER
SPIEGEL, 23/2006, 03.06.2006, S. 24-26.
Neukirch, Ralf: Die Merkel-Loge. In: DER SPIEGEL, 24/2006, 12.06.2006, S. 30-32.
Kurbjuweit, Dirk/Allgöwer, Kristina/Brinkbäumer, Klaus/Buse, Uwe/Feldenkirchen,
Markus/Gutsch, Jochen-Martin/Hardinghaus, Barbara/Hoppe, Ralf/Kaiser, Mario/Kneip,
Ansbert/Kramer, Jörg/Matussek, Matthias: Deutschland, ein Sommermärchen. In: DER
SPIEGEL, 25/2006, 19.06.2006, S. 68-81.
Fleischhauer, Jan/Pfister, René/Neukirch, Ralf: Abschied vom Sauerbraten. In: DER
SPIEGEL, 26/2006, 26.06.2006, S. 24-26.
Knaup, Horand/Reiermann, Christian/Sauga, Michael: Im Teufelskreis. In: DER SPIEGEL,
112

29/2006, 17.07.2006, S. 22-25.
Aust, Stefan/Neukirch, Ralf/Steingart, Gabort: ,,Ich weiß, wohin ich will". In: DER
SPIEGEL, 29/2006, 17.07.2006, S. 26-29.
von Hammerstein, Konstantin/Pfister, René/Steingart, Gabor: Partei der Stille. In: DER
SPIEGEL, 33/2006, 14.08.2006, S. 22-27.
Knaup, Horand/Nelles, Roland/Sauga, Michael/Steingart, Gabor: Jetzt kommt Kurt. In: DER
SPIEGEL, 35/2006, 28.08.2006, S. 28-31.
Wortmann, Sönke: Zettels Traum. In: DER SPIEGEL, 39/2006, 25.09.2006, S. 156-164.
Pötzl, Norbert F.: Handeln statt Jammern. In: SPIEGEL special, 8/2006, 24.10.2006, S. 6-20.
Pötzl, Norbert F.: Die Rushhour des Lebens. In: SPIEGEL special, 8/2006, 24.10.2006, S. 62-
70.
Nimtz-Köster, Renate: Das Hoch im Norden. In: SPIEGEL special, 8/2006, 24.10.2006,
S. 72-74.
Fleischhauer, Jan/ Knaup, Horand/ Neubacher, Alexander/ Neukirch, Ralf/Palmer,
Hartmut/Pfister, René/Steingart, Gabor/Theile, Merlind: Koalition der Kraftlosen. In: DER
SPIEGEL, 44/2006, 30.10.2006, S. 20-32
Kurbjuweit, Dirk: In der Ich-Mühle. In: DER SPIEGEL, 44/2006, 30.10.2006, S. 34-48.
Gutsch, Jochen-Martin: Die letzte Versammlung. In: DER SPIEGEL, 49/2006, 04.12.2006, S.
82.
Aden, Mareke/Feldenkirchen, Markus/Neubacher, Alexander/Reuter, Wolfgang/Sauga,
Michael/Schmid, Barbara/Winter, Steffen: Das geteilte Land. In: DER SPIEGEL, 50/2006,
11.12.2006, S. 22-28.
Schwarzer, Alice: Schöner durch Feminismus. In: DER SPIEGEL, 50/2006, 11.12.2006,
S. 142.
6.2.2 DIE ZEIT
Niejahr, Elisabeth: Illusion Familie. In: DIE ZEIT, 19/2006, 04.05.2006, S. 25.
Heuser, Uwe Jean: Wer den Mehrwert schafft. In: DIE ZEIT, 19/2006, 04.05.2006, S. 1.
Herz, Wilfried: Reichlich riskant. In: DIE ZEIT, 04.05.2006, 19/2006, S. 27.
Hönicka, Marcus: Gleich benachteiligt. In: DIE ZEIT, 20/2006, 11.05.2006, S. 22.
Diez, Georg: Die sexuelle Gegenrevolution. In: DIE ZEIT, 20/2006, 11.05.2006, S. 60.
Lau, Jörg: Ruf nach der Supernanny. In: DIE ZEIT, 21/2006, 18.05.2006, S. 5.
Niejahr, Elisabeth/Hildebrandt, Tina: Die leise Machtmaschine. In: DIE ZEIT, 24/2006,
08.06.2006, S. 3.
Ulrich, Bernd: Kein Team, kein Geist. In: DIE ZEIT, 24/2006, 08.06.2006, S. 2.
Krupa, Matthias: Kleinmut. In: DIE ZEIT, 24/2006, 08.06.2006, S. 2.
Ulrich, Bernd: Schwarz, Rot, kein Gold. In: DIE ZEIT, 25/2006, 14.06.2006, S. 1.
Viering, Jonas: Das ändert sich. In: DIE ZEIT, 25/2006, 14.06.2006, S. 23.
Viering, Jonas: Her mit dem Kind. In: DIE ZEIT, 25/2006, 14.06.2006, S. 23.
Niejahr, Elisabeth: Väter auf neuen Wegen. In: DIE ZEIT, 25/2006, 14.06.2006, S. 24.
Niejahr, Elisabeth: Der Alleinerziehende. In: DIE ZEIT, 25/2006, 14.06.2006, S. 24.
113

Niejahr, Elisabeth: Der Improvisierer. In: DIE ZEIT, 25/2006, 14.06.2006, S. 24.
Niejahr, Elisabeth: Der Teilzeitvater. In: DIE ZEIT, 25/2006, 14.06.2006, S. 24.
Ohne Autor_in: Worte der Woche. In: DIE ZEIT, 26/2006, 22.06.2006, S. 2.
Mayer, Susanne: Im Land der Muttis. In: DIE ZEIT, 29/2006, 13.07.2006, S. 49.
Ulrich, Bernd: Putschisten aus Prinzip. In: DIE ZEIT, 29/2006, 13.07.2006, S. 4.
Hildebrandt, Tina: Wir sind dann schonmal weg. In: DIE ZEIT, 30/2006, 20.07.2006, S. 7.
Stolz, Matthias: Was darf rein? In: DIE ZEIT, 32/2006, 03.08.2006, S. 53.
Viering, Jonas: Der Fiskus, die Kinder und das Geld. In: DIE ZEIT, 34/2006, 17.08.2006, S.
22.
Greis, Matthias: Kursverluste. In: DIE ZEIT, 34/2006, 17.08.2006, S. 6.
Gaschke, Susanne: Es ist die Wirtschaft, meine Damen. In: DIE ZEIT, 38/2006, 14.09.2006,
S. 3.
Ulrich, Bernd: Was Kanzler kränkt. In: DIE ZEIT, 38/2006, 14.09.2006, S. 1.
Emundts, Corinna: Heimliche Muttis. In: DIE ZEIT, 40/2006, 28.09.2006, S. 65.
König, Jens/Klinger, Nadja: Rezepte gegen die Armut. In: DIE ZEIT, 43/2006, 19.10.2006, S.
5.
Kuhn, Fritz: Vieles ist möglich. In: DIE ZEIT, 47/2006, 16.11.2006, S. 12.
Hildebrandt, Tina: War da was? In: DIE ZEIT, 47/2006, 16.11.2006, S. 10.
Wagner, Beate: Geburtswehen. In: DIE ZEIT, 50/2006, 07.12.2006, S. 76.
Schmid, Klaus-Peter: Nette Bescherung. In: DIE ZEIT, 50/2006, 07.12.2006, S. 28.
Krupa, Matthias: Kinder machen Politik. In: DIE ZEIT, 52/2006, 21.12.2006, S. 4.
6.2.3 Eltern
Grüneberg, Sabine: Gebrauchsanweisung für Babys. In: Eltern, 7/2006, S. 36.
Schindler, Margarethe: ,,Wir erziehen mehr aus dem Bauch raus". In: Eltern, 7/2006, S. 42-
47.
Brünjes, Stephan: Ich werde Vater. Was kommt da auf mich zu? In: Eltern, 7/2006, S. 126-
128.
Winklbauer, Isabel: Mama muss arbeiten gehen. In: Eltern, 7/2006, S. 140-147.
Grothe, Hans: Entschlüsseln Sie den Baby-Code! In: Eltern, 8/2006, S. 59-63.
Schindler, Margarethe: Halbes Tempo bei den Riefengrafs. In: Eltern, 9/2006, S. 47-50.
Füssenich, Stefanie: Wenn Eltern Paare bleiben wollen. In: Eltern, 9/2006, S. 62-64.
Grothe, Hans: Die Liebe der Väter. In: Eltern, 9/2006, S. 89-91.
Lewicki, Marie-Luise: Editorial. In: Eltern, 10/2006, S. 3.
Ohne Autor_in: 40 Erziehungs-Wahrheiten, die alle Eltern kennen sollten. In: Eltern,
10/2006, S. 28-35.
Schrand, Petra: Vita kunterbunt. In: Eltern, 10/2006, S. 76-80.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Kinder kriegen aktive Väter.
In: Eltern, 10/2006, S. 126
Schindler, Margarethe: Theater in der Mittagszeit. In: Eltern, 11/2006, S. 54-59.
114

Ohne Autor_in: Eine Runde Papa, bitte! In: Eltern, 12/2006, S. 87.
Ohne Autor_in: Kontakte. In: Eltern, 12/2006, S. 124.
Ohne Autor_in: Geld: Bitte bis Neujahr warten, Baby! In: Eltern, 12/2006, S.129.
Ohne Autor_in: Das neue Elterngeld. Beilage zu: Eltern, 2/2007.
115
Fin de l'extrait de 115 pages

Résumé des informations

Titre
Vom abwesenden zum involvierten Vater? Eine Diskursanalyse der Diskussionen um die Einführung des Erziehungs- und Elterngeldes
Université
Dresden Technical University  (Instiut für Soziologie)
Note
1,0
Auteur
Année
2015
Pages
115
N° de catalogue
V353356
ISBN (ebook)
9783668394537
ISBN (Livre)
9783668394544
Taille d'un fichier
1422 KB
Langue
allemand
Annotations
"Alles in allem hat Jan Ackermann eine sehr anspruchsvolle Untersuchung des Vaterschaftsdiskurses vorgelegt, der neue Aspekte aufschließen kann, indem die Einführung von Erziehungsgeld und Elterngeld aus einer Männlichkeitsperspektive erstmalig vergleichend untersucht wird. Die Diplomarbeit zeichnet sich durch eine ausgesprochen gründliche Auseinandersetzung mit soziologischen Männlichkeitskonzepten, Vaterschaftskonzepten und Debatten der Geschlechterforschung aus. Auf dieser Grundlage wird die Untersuchung des ausgewählten Analysematerials schlüssig konzipiert." (Aus dem Gutachten)
Mots clés
Geschlechtersoziologie, Männlichkeitssoziologie, Väterforschung, Diskursanalyse
Citation du texte
Jan Ackermann (Auteur), 2015, Vom abwesenden zum involvierten Vater? Eine Diskursanalyse der Diskussionen um die Einführung des Erziehungs- und Elterngeldes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353356

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