Industrielles Marketing. Examenswissen leicht gemacht


Skript, 2015

36 Seiten

Karsten M. Schneider (Autor:in)


Leseprobe


Inhalte

1. Darstellung und Bedeutung

2. Allgemeine Marktkennzeichen

3. Anlagengeschäft

4. Systemgeschäft

5. Produkt- und Rohstoffgeschäft

6. Zuliefer- und Dienstleistungsgeschäft

7. Gewerbliche Beschaffung

8. Phasen der Geschäftsentwicklung
8.1 Problemweckung und -erkennung
8.2 Bedarfsbestimmung/Anforderungskriterien
8.3 Marktsondierung/Kontaktberücksichtigung
8.4 Anfrageneinholung
8.5 Angebotserstellung
8.6 Bewertungskriterien/Angebotsvergleich
8.7 Anbieterpräferenz
8.8 Nachverhandlung
8.9 Kaufabwicklung
8.10 Nachbereitung

Abbildungsverzeichnis:

1. Geschäftstypen im industriellen Marketing

2. Kriterien zur Einteilung von Systemgeschäften

3. Lieferanten-Pyramide

4. Kaufklassen-Einteilung

5. Modelle der organisationalen Beschaffung

6. Zusammensetzung des Buying Centers

7. Phasen der Geschäftsentwicklung

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Darstellung und Bedeutung

Bereits hinsichtlich des Begriffs „Industrielles Marketing“ ergeben sich Abgrenzungsprobleme. So ist alternativ von Investitionsgütermarketing die Rede oder von B-t-B-Marketing oder Techni- schem Vertrieb. Allerdings deckt Industrielles Marketing durchaus Bereiche ab, die normalerwei- se nicht unter dem Begriff Investitionsgut zu subsumieren sind (z.B. der Vorrat an Fotokopierpa- pier im Geschäftsbetrieb). Der Begriff B-t-B-Marketing deckt auch die Beziehungen zu Wieder- verkäufern (Handel) ab, die aber unter dem Rubrum „Handelsmarketing“ gefasst werden. Schließlich handelt es sich durchaus nicht nur um den Vertrieb, sondern ebenso um die Themen Produkt, Preis, Kommunikation etc.

Die Bedeutung ist hoch, qualifizierte Schätzungen gehen von ca. 2,50 € Umsatz im B-t-B-Be- reich je 1 € Umsatz bei privaten Endabnehmern aus. Tatsächlich beschäftigt man sich aber weit überwiegend mit dem B-t-C-Geschäft, also dem deutlich kleineren Bereich. Dabei hat das In- dustrielle Marketing bereits zahlreiche Meilensteine gesetzt. So ist der heute zentrale internatio- nale Bezug im Management bei Industriegütern schon immer wesentlich ausgeprägter gewesen als bei Konsumgütern. Viele industrielle Anbieter können ohne nennenswerte Präsenz auf den Auslandsmärkten ohnehin nicht mehr zukunftsfähig existieren. Auch die Orientierung an der Kundenbeziehung entstammt dem industriellen Sektor. Die Märkte dort waren immer schon spe- zifischer als im Konsumgüterbereich, die Notwendigkeit zum modernen Beziehungsmanagement damit deutlich wichtiger. Und schließlich war Industrielles Marketing auch schon immer durch einen hohen Anteil an kaufbegleitenden (sekundären) Dienstleistungen charakterisiert, ein The- mengebiet, dem sich der Konsumgüterbereich erst verzögert zugewandt hat. Umso erstaunlicher mutet es an, dass Marketingdenkweise vor allem im Konsumgüterbereich ausgeprägt ist und we- niger im Industriebereich.

Wenn man sich fragt, warum Marketing im industriellen Sektor relativ gering ausgeprägt ist, so liegt dies sicherlich an dessen technischer Prägung. Ingenieure sind von der Leistungsfähigkeit ihrer Produkte überzeugt, sie glauben, dass der Markt die Qualität schon erkennt und sich die Produkte ihre Zielgruppe „selber suchen“. Marketing wird dort geradezu abgelehnt, weil es nur für austauschbare Konsumgüter als erforderlich angesehen wird. Teilweise gibt es sogar eine feindliche Einstellung zum Marketing als Sozialtechnik. Doch die Ansichten wandeln sich glück- licherweise auch hier. Die Zeiten, in denen es ausreichte, ein Produkt mit „Made in Germany“ zu versehen, um es damit weltweit als innovativ begehrlich zu machen, sind wohl endgültig vorbei. Heute bedeutet es eher teuer und technisch konservativ. Zudem ist der internationale Wettbewerb deutlich intensiver geworden, so dass Unternehmen sich aktiv um ihre Kunden bemühen müssen. Sie finden dabei übrigens meist deutlich bessere Voraussetzungen vor als Konsumgüterhersteller, so kennen sie ihre Kunden, können diese direkt ansprechen und „pro Kopf“ deutlich hohe Bud- gets zur Akquisition und Bindung dotieren als im meist anonymen privaten Endkundenmarkt.

Insofern kann Industrielles Marketing definiert werden als alle Leistungen, die von Organisationen (Nicht-Konsumenten) beschafft werden, um mit ihrem Einsatz (Ge-/Verbrauch) weiter veredelte Güter für die Fremdbedarfsdeckung zu erstellen (als Produzenten) oder um sie im Wesentlichen unverändert an andere Organisation weiter zu veräußern (als Händler), die diese Leistungserstellung dann vornehmen.

2. Allgemeine Marktkennzeichen

Allgemein kann der Markt für Industriegüter durch folgende Kennzeichen charakterisiert wer- den:

- Es sind eine überschaubare Anzahl von Anbietern und eine begrenzte Zahl von Nachfragern ge- geben. Dies erfordert und ermöglicht ein Beziehungsmanagement mit hoher gegenseitiger Bin- dungsdauer.
- Es herrschen stabile, langjährige Marktpartnerbeziehungen vor, d.h. die immer gleichen Akteure treten in Transaktion miteinander. Dies erfordert einen behutsamen Umgang.
- Wegen der Transparenz der Märkte kommen der anbieterseitigen Reputation (Signaling) und dem nachfragerseitigen Vertrauen (Screening) hohe Bedeutung zu. Daher rührt die hohe Bedeutung von Referenzen.
- Es sind häufig detaillierte, lange Vor- und Nachverhandlungen gegeben, da ein Kauf bzw. Verkauf erhebliche prozessuale Folgen mit sich bringt.
- Die Entscheidungsfindung ist, zumindest vordergründig formalisiert und rational, d.h. folgt ob- jektiven Argumenten. Tatsächlich sind jedoch Emotionen auch hier bestimmend, werden wohl nur durch eine Pseudorationalität verbrämt. Dabei sind häufig Kollektiventscheide vorzufin- den.
- Bei den Transaktionen sind meist hohe Geldbeträge für Nachfrager involviert sowie hohe Projektwerte für Anbieter. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind also erheblich, erst recht bei häufig diskontinuierlicher Geschäftsentwicklung.
- Es sind meist kurze Absatzwege gegeben, d.h. Direktabsatz mit Disintermediation selbstständiger Handelsstufen. Dies bedeutet, dass Anbieter vielfache Funktionen im Absatzkanal zu übernehmen haben.
- Typischerweise ist eine hohe Abhängigkeit von Folgemärkten gegeben, da die Akteure auf vorgeschalteten Wertschöpfungsstufen tätig sind. Daraus resultieren schwer berechenbare Peitscheneffekte (Bullwhip) in der Supply Chain.
- In vielen Fällen ist eine kundenindividuelle Leistungserstellung erforderlich, d.h. es handelt sich um maßgeschneiderte Leistungen, die grundsätzlich eine Losgröße = 1 haben. Damit sind große wirtschaftliche Herausforderungen verbunden, zumal die endgültige Ausgestaltung häu- fig erst unter Abnehmereinfluss erfolgt.
- Im Regelfall werden komplexe Hardware-Software-Kombinationen vermarktet, d.h. nicht nur das „nackte“ Produkt, sondern auch mehr oder minder ausgeprägte Kundendienste (hoher Dienstleistungsanteil).
- Wegen der Komplexität und Risikohaltigkeit vieler Projekte finden sich dort häufig Anbieterkoalitionen als temporäre Gelegenheitsgesellschaften.
- Nachfragerseitig werden deshalb Dritte (Experten/Influencer) in den Kaufentscheid einbezogen, weil diese vermeintlich vorurteilsfrei und hoch qualitativ urteilen können.
- Die Vergabe erfolgt bis zu sehr niedrigen Grenzen herunter im Regelfall durch Ausschreibung (teils auch international) mit mindestens drei Geboten (Triple Pitch).
- Die Märkte sind durch ein hohes Maß an Internationalität gekennzeichnet.

Bei Industriellem Marketing handelt es sich um sehr heterogene Transaktionsbedingungen. So gelten die o.g. Kennzeichen je nach Transaktionsart mal mehr und mal weniger. Um zu präziseren Zuordnungen zu gelangen, besteht die Möglichkeit der Einteilung nach den Kriterien Individualität der Leistung und zeitliche Verkettung des Abschlusses (siehe Abb. 1: Geschäftstypen im industriellen Marketing):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Geschäftstypen im industriellen Marketing

- Beim Anlagengeschäft handelt es sich um ein hohes Maß an Individualität und eine kurze zeitliche Verkettung. Es ist ein Projektgeschäft gegeben. In verwandter Weise ist das Immobiliengeschäft einzuordnen.
- Beim Systemgeschäft handelt es sich um ein hohes Maß an Standardisierung der Leistung und eine lange zeitliche Verkettung der Abschlüsse (Initialkauf und systemtreue Folgekäufe).
- Beim Produktgeschäft handelt es sich ebenfalls um ein hohes Maß an Standardisierung, aber um eine kurze zeitliche Verkettung. Die Bedingungen sind ähnlich denen von Konsumgütern. Ausdrücklich zu nennen ist in diesem Zusammenhang das Rohstoffgeschäft. Verwandt dazu ist das Energiegeschäft (einmalig verarbeiteter Rohstoff).
- Beim Zuliefergeschäft handelt es sich um ein hohes Maß an Individualität der Leistung und eine lange zeitliche Verkettung. Es ist ein Key Account-Geschäft gegeben. Vergleichbar dazu ist das Dienstleistungsgeschäft alternativ oder additiv zu Sachleistungen einzuordnen.

Diese Einteilung ist nicht ganz trennscharf, sie vermag jedoch Geschäftstypen zu berücksichtigen, die in anderen Typologien nicht enthalten, wirtschaftlich aber von hoher Relevanz sind.

3. Anlagengeschäft

Das Anlagengeschäft scheint das „typischste“ Geschäft im Industriellen Marketing zu sein. Es ist durch folgende Merkmale charakterisiert:

- Es erfolgt eine kundenindividuelle, meist einmalige Leistungserstellung in Sorten- oder Ein- zelauftragsfertigung. Die Losgröße ist = 1. Daraus erwächst eine erhebliche Fixkostenproble- matik mit fehlender Kostendegression. Evtl. Rationalisierung ergibt sich durch Modularisie- rung der komplexen Leistung oder Plattformkonzepte als einheitlicher Produktionsbasis, für die dann Degressionseffekte auszumachen sind.
- Die Abwicklung ist sehr langfristig angelegt und umfasst verschiedene „Episoden“ als in sich homogene Transaktionsabschnitte, innerhalb derer jeweils umfassende Entscheidungen zu treffen sind. Aus Anbietersicht ist vor allem die Episode des Closing von hoher Spannung.
- Es handelt sich um extensive Kaufentscheide, die ein hohes Risiko implizieren, so dass umfassende Informationen als erforderlich angesehen werden. Dazu wird eine breite Auswahl von Anlagen gesichtet und dann sukzessive auf die subjektiv optimale Option verdichtet.
- Die Geschäftsausrichtung ist international, weil nur auf dieser Basis genügend Geschäftspo- tenzial für spezialisierte Anbieter (Hidden Champions) auszumachen ist, denn zwischen den Anschaffungen liegen häufig lange Zeitintervalle, oft ist auch nur ein Einmalabschluss mög- lich. Zudem ist der Bedarf für Anlagen sehr gering verbreitet.
- Es besteht die Notwendigkeit zu einer Absatzfinanzierung (Financial Engineering, z.B. als Bestellerkredit der Bank aus eigener Bonität). Im Auslandsgeschäft kommen Absicherungen gegen Zahlungsausfall hinzu, gegen Preisentwertung und auch gegen Kursschwankungen. Im Regelfall behauptet der Interessent, zwar über Kaufinteresse, nicht aber genügend Finanzmittel zur Anschaffung der Anlage zu verfügen. Entweder gelingt es dann, ihm ein Finanzierungskonzept anzubieten, das vorteilhafter ist als die Finanzierung, die er selber darstellen kann, oder ein Abschluss kommt nicht zustande. Häufig werden lange Zahlungsziele vereinbart, meist mit zeitlich verteilten Abschlagszahlungen (pro rata temporis).
- Bei öffentlicher Auftragsvergabe ist eine Ausschreibung ab sehr niedrigen Auftragswerten zwingend, ab bestimmten, ebenfalls niedrigen Werten auch europaweit. Abstimmungen der Bieter sind dabei sehr risikoreich, erst recht, wenn sie schriftlich fixiert werden (was daher un- bedingt zu vermeiden, aber bei internationalen Konkurrenten, die man meist nicht so genau kennt, nachvollziehbar ist). Hilfreich sind computergestützte Kalkulationssysteme, die zugleich die Zuschlagswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von definierten Parametern optimieren.
- Typisch für das Anlagengeschäft ist eine hohe Diskontinuität des Auftragseingangs. Daraus erwachsen erhebliche Kapazitätsauslastungs- und Bereitschaftskostenprobleme. Diese betref- fen einerseits die Gefahr der Illiquidität bei negativem Cash-flow und anderseits die weithin fehlende Abbaubarkeit von Fixkosten (Remanenz).
- Im Anlagengeschäft sind leistungsergänzende Kundendienste unerlässlich. Abnehmer erwar- ten „Turnkey Projects“, also betriebsfertige Anlagen vorzufinden, erstellt aus einer Hand (One Face to the Customer). Dies erfordert eine Kundensichtweise anstelle einer Produktsicht, wie das für modernes Marketing durchaus zwingend ist. Dadurch kann auch bei Kostennachteilen noch eine Präferenz für das eigene Angebot geschaffen werden.
- Häufig kommt es zur Bildung von Gelegenheitsgesellschaften, die arbeitsteilig (substitutiv) oder ergänzend (komplementär) ausgerichtet sind. Gründe sind einerseits die Reduktion eines Klumpenrisikos und andererseits die Darstellung eines schlüsselfertigen Projekts. Mögliche Ausprägungen sind (ohne eigene Rechtsform) Arbeitsgemeinschaften oder Werkgemeinschaften sowie (mit eigener Rechtsform) Konsortien und Partizipationen (abgestuft nach Innen- oder Außenwirkungen).
- Unerlässlich ist auch ein Kundenbeziehungsmanagement (CRM), da im Anlagengeschäft enge Märkte gegeben sind, die Wege der Beteiligten sich also immer wieder kreuzen dürften. Es handelt sich daher mehr noch als in anderen Märkten um „People Business“, d.h. die Che- mie der Entscheider zählt.
- Die endgültige Ausgestaltung der Anlage erfolgt im Regelfall erst unter Abnehmereinfluss, d.h. keine Anlage wird so realisiert wie sie geplant wurde. Dies erfordert eine strikte projektbe- gleitende Kalkulation und eine konsequente Protokollierung aller Änderungen, da es erfah- rungsgemäß später über dafür anfallende zusätzliche Kosten Dissens gibt.
- Referenzen spielen eine marktschließende Rolle. Projekte werden zumeist nur an Anbieter ver- geben, die nachweisen können, dass sie vergleichbare Projekte bereits erfolgreich realisiert ha- ben. Neuen Anbietern fehlt eine solche Referenz. Daher ist es durchaus üblich, Projekte zur Akquise zu subventionieren, nur um sie bei anderen Projektgebern als Referenz nachweisen zu können (denkbar sind eine Anlagenreferenz, Know-how-Referenz, Kompetenzreferenz oder Koalitionsreferenz). Dies erfordert aber zugleich, dass jedes Projekt referenzfähig gehalten wird, also keine Unzufriedenheiten verbleiben. Daraus folgt die erhebliche Bedeutung der Nachkaufphase.

Im Anlagengeschäft wird häufig ein Phasenkonzept zugrunde gelegt. Dieses sieht die Phasen von Voranfrage/Projektentwicklung, Angebotserstellung/Kundenverhandlung, Projektabwicklung und Betrieb/Gewährleistung vor. In diesen Phasen sind jeweils marktbezogene Aufgaben zu erfüllen:

- In der Voranfrage-/Projektentwicklungsphase handelt es sich um folgende: Projektidee (möglichst durch proaktives Tätigwerden), Bedarfserkundung (Kundenqualifizierung), Projekt- entwicklung (Scope of Work), Durchführbarkeitsprüfung (Feasibility Study), Erstellung der Angebotsunterlagen (obligatorisch und zusätzlich).
- In der Angebotserstellungs-/Kundenverhandlungsphase handelt es sich um folgende: Tech- nisches Engineering, finanzielles Engineering (vorteilhafte Absatzfinanzierung), institutionelle Realisierung (Betreibermodell, Public Private Partnership, Pay on Performance etc.), Vorver- tragsausfertigung (Letter of Intend).
- In der Projektabwicklungsphase handelt es sich um folgende: Detail-Engineering, Projektorganisation (über Planungstechniken wie Netzplan o.Ä.), Lieferung/Montage der Anlage, Inbetriebsetzung der Anlage, Abnahme durch Kunden.
- In der Betriebs-/Gewährleistungsphase handelt es sich um folgende: Zahlung des Kaufpreises, Reklamation und evtl. Nachbesserung, Aufarbeitung im Zeitablauf (Revamping/Refurbis- hing), Referenzfähigkeit erhalten.

Den Kaufphasen stehen spiegelbildlich die Verkaufsphasen gegenüber. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die Initiierungs-/Konzipierungsphase der Anlage, die Sondierung-/Anfragephase, die Angebotserstellungs-/Anbieterpräferenzphase sowie die Anbieterauswahl-/Nachverhand- lungsphase.

Bei Immobilien sind darüber hinausgehend weitere Besonderheiten zu berücksichtigen, vor al- lem die

- Standortgebundenheit der Immobilie (absolutes Monopol),
- Heterogenität des Angebots, jedes Objekt ist ein Unikat,
- Dauerhaftigkeit der Investition durch lange Lebensdauer,
- im Allgemeinen hohen Investitionsvolumina,
- hohen Transaktionskosten (Eigentumsübergang), insb. Initialkosten,
- beschränkte Teilbarkeit des Projekts,
- beschränkte Substituierbarkeit des Objekts
- geringe Markttransparenz für Nachfrager,
- Abhängigkeit von anderen Märkten, vor allem Kreditmarkt,
- geringe Angebotselastizität (Leerstand).

Die Geschäftsphasen erstrecken sich über die Projektentwicklung, das Projektmanagement und schließlich die Objektbetreibung. Immobilien erfüllen praktisch alle Kriterien von Anlagen, werden jedoch in der Darstellung zumeist vernachlässigt.

4. Systemgeschäft

Beim Systemgeschäft ist der Kaufentscheid für ein Produkt abhängig von anderen, vorausgegan- genen und potenziell nachfolgenden Kaufentscheiden, und zwar eigenen wie fremden. Am An- fang steht ein Initialkauf, dem gleichartige oder verschiedenartige Folgekäufe folgen. Gründe für diese zeitliche Verkettung sind ökonomische durch Budgetrestriktion (Staffelung der An- schaffung), risikobezogene mit der Hoffnung auf Erfahrungszuwachs, zeitliche infolge techni- schen Fortschritts, organisatorische im Rahmen innerbetrieblicher Anpassungen (z.B. ERP-Sys- tem, Unternehmensverbindung), netzwerkbedingte durch Abwarten des Diffusionsprozesses oder erzwungene infolge mangelnder Ad hoc-Verfügbarkeit. Oft erfolgt daher nicht die Anschaffung eines „kompletten“ Systems, sondern zunächst nur eines „zentralen“ Systemkerns, der dann weitere Anschaffungen folgen.

Generell besteht ein Informationsdefizit in Bezug auf die zukünftige Systementwicklung mit fraglicher Aufwärtskompatibilität der Elemente. Deshalb sind das Ausmaß und die zeitliche Ab- folge von Folgeinvestitionen a priori unbekannt. Zumal auch der zukünftige Bedarf meist nicht hinreichend prognostizierbar ist. Die Konsequenz eines Systemwechsels bedingt eine erhebliche Kostenproblematik (Sunk Cost). Hinzu kommen Probleme der Redistribution/Entsorgung.

Systeme haben daher Vertrauensgutcharakter. Die hohe Intransparenz erfordert Kompetenzsignale vom Anbieter (z.B. Referenzen). Zudem sind Kundendienste erforderlich (Konfiguration, Integration, Folgedienste etc.). Häufig erfolgt auch eine Einbindung bestimmter Abnehmer in die Systementwicklung (Lead User). Insofern ist die Weiterentwicklung des Systems durch den Anbieter von zentraler Bedeutung. Gerade dies ist aber aus Nachfragersicht unsicher.

Aus Systemen kann eine hohe Anbieterabhängigkeit entstehen. Dieser Bindungseffekt (Lock in) kann zur Aufrüstung bestehender Systeme entgegen der Leistungsrationalität führen, weil man untergehende Kosten vermeiden oder sich einfach auch nicht die falsche Entscheidung der Vergangenheit eingestehen will. Insofern ist der Nutzenentgang bei Stay-Entscheid den Kosten bei Systemwechsel gegenüber zu stellen.

Systemgeschäfte lassen sich nach zahlreichen Kriterien einteilen (siehe Abb. 2: Kriterien zur Einteilung von Systemgeschäften). Nach der Systemrichtung gibt es:

- horizontale Erweiterungssysteme, die gleichartig-additiv ausgelegt sind, also eine quantitative Anpassung erlauben (z.B. mehrere Bürostühle im Besprechungsraum),
- vertikale Verkettungssysteme, die verschiedenartig-integrativ ausgelegt sind, also durch Ver- bindung unterschiedlicher interaktiver Teilsysteme über Schnittstellen entstehen (z.B. Sky-Pay- TV, Lkw-Mautsystem). Hier liegt daher keine einheitliche Architektur vor, sondern diese muss erst anwendungs- bzw. kundenindividuell hergestellt werden. Es handelt sich um ein Leis- tungsbündel aus Systembetreiber, Peripherielieferanten, Infrastruktur- und Mehrwertdienste- Bereitsteller.

Nach dem Leistungsumfang gibt es

- Teilsysteme (Stand alone), die bereits isoliert funktionsfähig sind, aber zu Systemen mit Zusatzleistungen erweitert werden können (z.B. ausbaufähiger Fotokopierer) und
- Systemkomponenten, die allein nicht funktionsfähig, sondern erst mit anderen sinnvoll nutz- bar sind (z.B. CD-ROM-Laufwerk). Bei beiden entsteht ein Systembindungseffekt, der Initial-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Kriterien zur Einteilung von Systemgeschäften

kauf bedingt systemtreue Folgekäufe und impliziert daher ein hohes Risiko hinsichtlich Leistungsfähigkeit, Anbieterbestand und Systemaktualität. Dies erfordert daher oft die Unterstützung durch den Anbieter oder unabhängige Berater.

Nach der Systemverbreitung gibt es

- Knappheitssysteme, für die gilt, dass ihr Wert umso höher ist, je seltener sie vorkommen (normale Preisreaktion) und
- Kritische Masse-Systeme, die eine gewisse Mindestverbreitung zu ihrer sinnvollen Nutzung bedingen. Für diese ist ihr Wert daher umso höher, je verbreiteter sie sind. So steigt der Wert Sozialer Netzwerke mit ihrer Teilnehmerzahl. Solange die Kritische Masse (Tipping Point) nicht erreicht ist, zögert jeder Interessent mit dem Kauf, so dass selbst leistungsfähige Systeme oft an nicht hinreichend rascher Verbreitung scheitern (z.B. HD-DVD, Betamax, Apple iOS). Wichtig sind daher ein früher Markteintritt und eine Penetrationspreispolitik (bis hin zum Follow the Free). Man unterscheidet genauer direkte Netzeffekte infolge Verbreitung des Systems und indirekte Netzeffekte infolge Ergänzung durch komplementäre Leistungen.

Nach der Integralqualität gibt es

- geschlossene Systeme (proprietär), diese sind nur intern kompatibel, die Schnittstellen zu anderen Systemen werden geheim gehalten oder durch Lizenzrechte restringiert und
- offene Systeme (propagandiv), diese sind extern kompatibel zu anderen Teilsystemen. Absicht die eine rasche Marktdurchdringung zur Schaffung eines De facto-Standards. Zwar wird damit das eigene Geschäft kannibalisiert, jedoch ist die Annahme, dass der positive Effekt des De facto-Standards diese Einbußen bei Weitem überkompensiert. Die Folge ist, dass häufig am Markt nicht die besten Lösungen obsiegen, sondern die am schnellsten verbreiteten (Zeit als Wettbewerbsfaktor). Systeme können dabei technisch (z.B. Apple), funktional/ästhetisch (z.B. Designermöbel) oder durch Spezifität (z.B. Einbauküche) entstehen.

5. Produkt- und Rohstoffgeschäft

Produkte sind Gebrauchsgüter und dienen dem Einsatz zur Fremdbedarfsdeckung. Sie sind weder kundenindividuell wie Anlagen, noch unverarbeitet wie Rohstoffe, stehen nicht im Kaufverbund wie Systeme und sind nicht ohne eigene Marke wie OEM-Lieferungen. Sie werden in Sorten-, Chargen-, Serien- oder Massenfertigung herstellt und durch Rahmenverträge als dauervertragliche Schuldverhältnisse verkauft.

Man unterscheidet Einzelteile und Aggregate. Einzelteile gehen ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung unter Wahrung ihrer Entität in andere Produkte ein. Ihre Unterscheidbarkeit ist vielfältig nach Produktart, Komplexitätsgrad, Erklärungsbedürftigkeit, physischer Verbundenheit, Funktionalität, Sichtbarkeit, Lebensdauer, Wertdimension etc. möglich.

Aggregate sind allein funktionsfähige Betriebsmittel. Sie können zu Teilsystemen werden. Ihre Kennzeichen sind ihre

- hohe Standardisierung, ein mittlerer Komplexitätsgrad, ihre hohe Integralqualität und ihre Wertdimension,
- Produktmarkierung (Ingredient Brand), die eine mehrstufige Markenbildung im Absatzkanal er- möglicht,
- indirekte Distribution über den Produktionsverbindungshandel (PVH).

Produkte und Aggregate werden im Industriellen Marketing zwischenzeitlich ebenfalls weitge- hend vom Produktmanagement übernommen. Dessen Aufgaben betreffen vor allem folgende:

- Ideenfindung durch betriebsinterne/-externe Ideenquellen und Einsatz von Kreativitätstechniken (intuitiv-lateral, logisch-diskursiv, systematisch-adaptiv), daraus Ideensichtung und Ideenbewertung bei abgestuften Neuheitsgraden,
- Planung in Bezug auf das Innovationstiming als Pionier, Früher Folger, Später Folger oder Nachzügler,
- Informationsbasis durch Sekundär- und Primärrecherche mündlich, fernmündlich, schriftlich, fernschriftlich, computergestützt oder online,
- wirtschaftliche Durchführbarkeitsprüfung in Bezug auf statische/dynamische Investitionsanaly- se, Finanzierung, Budgetierung, Break Even-Analyse, Preisuntergrenzen, Markttestergebnisse etc.,
- technische Durchführbarkeitsprüfung in Bezug auf grundlegende oder angewandte Forschung, Vor- und Prozessentwicklung, Prototyp, Erprobung, Lastenheft/Pflichtenkatalog, Werkzeugeinsatz, Produktionsablauf etc.,
- Sicherung Gewerblicher Schutzrechte in Form von Patent, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Markenzeichen, Urheberschaft incl. Lösung in Bezug auf Umgehungserfindungen,
- Abschätzung der Markterwartungen aus intuitiven/quantitativen Prognoseverfahren in Bezug auf Absatzpotenzial/-volumen, Marktpotenzial/-volumen, Marktausschöpfung, Marktanteil etc.,
- Entscheidung über die Markteinführung (Go), die Optimierung (On) oder den Verzicht (No go),
- Betreuung der Produkte im Verlauf des Lebenszyklusses mit Release, Upgrade, Relaunch o.Ä.,
- Nutzung von Produktdifferenzierungen zur Abschöpfung von Nachfragerrenten oder Ausschöpfung von Nachfragepotenzial,
- Entscheidung über den Verbleib am Markt oder die Elimination des Produktes.

Zunehmend wird darauf abgezielt, die Identität gelieferter Teile in veredelten Produkten zu erhalten (Ingredient Branding). Sofern dies gelingt, kann eine Zangenwirkung auf Abnehmer ausgeübt werden (Push & Pull). Dazu ist es allerdings erforderlich, erstens die Teile zu markieren, zweitens diese Markierung mit Wertinhalten anzureichern, die als attraktiv wahrgenommen werden und drittens, diese auf der Ebene der Kunden des Kunden werblich auszuloben. Idee ist dabei, diese Kunden des Kunden zu veranlassen, bei ihrem Lieferanten, dem eigenen Kunden, darauf zu drängen, dass die eigenen Teile anstelle anderer, meist anonymer Teile in die bestellten Produkte eingebaut werden. Auf diese Weise kann ein Nachfragesog initiiert werden. Zugleich kann Angebotsdruck aufgebaut werden (z.B. Intel Prozessoren). Insofern ist die typische B-t-C- Mechanik auch im B-t-B-Sektor anwendbar. Sogar leichter als dort, weil die Kunden in ihren Merkmalen bekannt und in ihrer Anzahl überschaubar sind, der Werbedruck also viel geringer ausfallen kann als in weitgehend anonymen Massenmärkten.

Rohstoffe umfassen Urprodukte und weitere Rohstoffarten. Urprodukte sind wiederum Anbauwaren wie land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Abbauwaren wie Mineralien, fossile Träger etc. Man spricht hier von Commodities, genauer Born Commodities.

Commodities sind typischerweise börsenfähig. Es handelt sich sowohl um Hard Commodities (metallisch) als auch Soft Commodities (nicht-metallisch). Voraussetzung für praktische Transak- tionen ist ihre Fungibilität, d.h. jede Einheit gleicht der anderen, wodurch dann eine Standardisie- rung der Kontraktbestandteile möglich wird. Atypische Commodities sind hingegen nicht-bör- senfähig.

Urprodukte weisen generell folgende Kennzeichen auf:

- Ihr Vorkommen ist standortgebunden. Dies bedeutet, dass ein objektiv begrenzter Marktzu- gang gegeben ist (natürliches Monopol). Bei nicht-regenerativen Rohstoffen ist daher die Si- cherung der Lage entscheidend. Dabei stellt sich erschwerend heraus, dass die Vorkommen oft in krisenanfälligen Regionen liegen (z.B. Seltene Erden). Hinzu kommt die Recyclierbarkeit, die bei immer knapper werdenden Vorräten oft die einzige Möglichkeit zur ausreichenden Marktversorgung darstellt.
- Durch die natürlichen Monopole besteht eine hohe Angebotsmacht auf den Märkten (z.B. Erdöl, Erdgas). Diese kann missverständlich interpretiert zur Erpressung der Abnehmer führen. Dies setzt allerdings eine Interessenidentität der Anbieter voraus, die heute häufig nicht mehr gegeben (im Unterschied zu früher, z.B. OPEC).
- Bei Urprodukten sind naturgemäß starke Qualitäts- und Quantitätsschwankungen gegeben. Ursächlich dafür sind Witterungseinflüsse, Fehlernten, Schädlingsbefall, Naturkatastrophen etc. Die Folge sind hohe Preisschwankungen zulasten der Erzeuger, d.h. bei Überangebot fallen die Preise, bei Unterangebot können trotz steigender Preise keine hinreichenden Erlöse erzielt werden. Für die Verarbeiter haben stark schwankende Preise nachteilige Folgen, so dass den Beteiligten an einer Verstetigung des Preisniveaus gelegen ist.
- Dies führt zur Tendenz der Bewirtschaftung der Märkte durch dirigistische Eingriffe. Dem liegt die Annahme zugrunde, das Urproduktmärkte nicht-funktionsfähig sind, also zu keinem natürlichen Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage führen (Cobweb-Effekt). Allerdings wird dabei womöglich Ursache und Wirkung verkehrt, d.h. weil Eingriffe erfolgen, kommt es nicht zur Funktionsfähigkeit der Märkte. Die Folge sind Unwirtschaftlichkeiten (Butterberg, Milchberg etc.), die evtl. größer sind als ohne die Bewirtschaftung („gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht“).
- Die Dysfunktionalität der Märkte rührt vor allem von der begrenzten Lagerfähigkeit der Rohstoffe her. Diese sind entweder durch alsbaldigen Verderb bedroht oder mit hohen Kapital- bindungskosten verbunden. Insofern wird eine Verstetigung der Nachfrage gewünscht. Diese kann durch Rahmenverträge erreicht werden, die ein Gesamtvolumen definieren, das in Form von Abrufaufträgen ausgeliefert wird. Eine andere Möglichkeit ist die Vernichtung von Ware (meist symbolisch gemeint) oder die Bildung subventionierter Pufferläger.
- Da Rohstoffe die früheste Form der Wertschöpfung darstellen, liegen alle weiteren Wertschöp- fungsstufen dahinter (downstream). Man weiß, dass bereits geringe Schwankungen auf diesen nachfolgenden Märkten sich verstärkend auf die Rohstoffmärkte auswirken, wie dies genau er- folgt, ist hingegen nach wie vor unbekannt. Insofern sind die Effekte immer wieder überraschend („Bullwhip“).
- Zur rationellen Handelbarkeit (Fungibilität) ist eine Vereinheitlichung des Angebots wün- schenswert. Da die Qualitäten aber schwanken, erfordert dies die Bildung von Güteklassen (z.B. Brent Spar bei Mineralöl) und Quantitätsnormen (z.B. Barrel). Gerade dies blockiert eine beabsichtigte Differenzierung zum Mitbewerb und die Profilierung gegenüber der Nachfrage. Insofern ist Rohstoffmarketing besonders schwierig, oft ist der Preis das einzige Differenzial.
- Die Fungibilität ermöglicht es aber, Rohstoffe zu handeln, ohne dass diese physisch am Ort ver- fügbar sein müssen. Dies ist sehr erleichternd, weil Rohstoffe oft einen geringen spezifischen Wert aufweisen und ihre Logistik daher ökonomisch limitiert ist.

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Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Industrielles Marketing. Examenswissen leicht gemacht
Autor
Jahr
2015
Seiten
36
Katalognummer
V353678
ISBN (eBook)
9783668400252
Dateigröße
652 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
industrielles, marketing, examenswissen
Arbeit zitieren
Karsten M. Schneider (Autor:in), 2015, Industrielles Marketing. Examenswissen leicht gemacht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353678

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