Der Völkermord 1994 in Ruanda. Aufarbeitung eines Traumas


Trabajo de Seminario, 2010

18 Páginas, Calificación: 1


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Konfliktlösung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Grund für die Entstehung des Konflikts in Ruanda, der 1994 im Völkermord mit mindestens 500.000 Toten gipfelte[1] ist nach heutigen Erkenntnissen im Kolonialismus zu suchen. Die Bezeichnung Hutu und Tutsi gab es zwar schon in der vorkolonialen Zeit, unter der Regentschaft von Kigeri Rwabugiri, der von 1853 bis 1895 in Ruanda als König herrschte. In dieser Zeit entwickelten sich die Tutsi langsam zur herrschenden Schicht, aber erst während der Kolonialherrschaft Deutschlands (bis 1916) und des Völkerbundsmandats Belgiens (ab 1923) über Ruanda entstand eine ethnische Bedeutung der Zugehörigkeit von Menschen zu den Gruppen der Hutu und Tutsi.

Die Hutu stellen den Großteil der Bevölkerung in Ruanda dar, während die Tutsi immer eine kleinere Gruppierung waren. Genaue Bevölkerungszahlen sind nach dem Völkermord von 1994 nach wie vor nicht zu erhalten, auch da im Zuge der Versöhnung der Völker versucht wird, die ethnische Trennung zwischen Hutu und Tutsi abzuschaffen.

Zwar gab es schon in vorkolonialer Zeit die Zuteilung in die verschiedenen Gruppen, diese erfolgte aber nicht auf ethnischer, sondern auf wirtschaftlicher Basis. Während die Hutu die Landwirtschaft betreibende Mehrheit stellten, waren die Tutsi größtenteils Viehbesitzer. Eine Durchlässigkeit zwischen den Gruppen war aber durchwegs gegeben. So war beispielsweise durch den Erwerb von Vieh ein sozialer Aufstieg möglich, aber auch Heiraten zwischen den Gruppen waren häufig.

Während der Kolonialherrschaft Deutschlands und Belgiens wurde die Trennung zwischen den Bevölkerungsgruppen intensiviert. Mit Beginn ihrer Kolonialherrschaft (1899–1919) interpretierten die Deutschen die abgestuften Sozialbeziehungen in Ruanda auf der Basis der rassistischen Hamitentheorie[2]. Diese ging davon aus, dass die Tutsi aus dem nordafrikanischen Bereich eingewandert seien und somit den Europäern näher stehen, als die Urbevölkerung Afrikas.

Dieser Vorstellung folgend wurden die Tutsi von den deutschen Herrschern in Schlüsselpositionen eingesetzt, um eine indirekte Herrschaft ausüben zu können.

Die Belgier führten das von den Deutschen eingeführte System ab 1923 noch intensiver weiter. Zu den folgenreichsten Administrativmaßnahmen der Belgier gehörte 1933/34 die Ausstellung von Ausweispapieren in denen die ethnische Zugehörigkeit jedes Einzelnen, er war nun Twa, Hutu oder Tutsi, fixiert wurde.[3] Die ethnische Zuordnung aller Ruander war fortan in Verwaltungsregistern festgeschrieben. Die Unterscheidung der Menschen nach sozialem Status und wirtschaftlichen Aktivitäten wurde biologisiert und damit zu einer nach Rassen, womit nun auch die Durchlässigkeit zwischen den „Rassen“ versperrt wurde.

„Nicht mehr die gesellschaftliche Stellung bestimmte die Zugehörigkeit zu Tutsi, Hutu oder Twa, sondern die einmal festgelegte Zugehörigkeit bestimmte die gesellschaftliche Stellung.“[4]

Das gesamte System blieb aber weit davon entfernt, nur eine indirekte Herrschaft zu sein. Im Bestreben, die Verwaltung ökonomisch und rentabel zu gestalten, bemühten sich die europäischen Behörden zu rationalisieren, was das ruandische Mächtegeflecht grundlegend veränderte. Unter dem Einbeziehen der kapitalistischen Wirtschaftsweise wurden die ursprünglichen Sicherheit schaffenden Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Volksgruppen zunehmend abgeschafft. Stattdessen entwickelten sich Ausbeutungs- und Unterdrückungsinstrumente, die von den neuen Chefs, also den Tutsi, brutal durchgesetzt wurden (z.B. mit brutalen Prügelstrafen).

Besonders explosiv wurde dieses Gemisch aus Willkür und wirtschaftlicher Unterdrückung dadurch, dass es nun eine klare Trennung zwischen Herr und Knecht gab, der Unterschied zwischen Hutu und Tutsi war ja nun ethnisch definiert.

Die koloniale Ära hatte somit ein Konstrukt der „Ethnizität“ als Mittel der Herrschaftssicherung geschaffen, mit dem sich der Anspruch der herrschenden Elite auf Macht und ökonomische Ressourcen legitimieren ließ. Gleichzeitig wurde aber die Grundlage für grobe Unterdrückung geschaffen. Die „Ethnizität“ wurde zu einer konkreten Alltagserfahrung, die den Boden für einen Prozess bereiten, in dessen Verlauf gesellschaftliche Kunstprodukte

„derart umfassende und tiefgreifende Macht- und Wahrheitswirkung entfalten, daß sie in der Folge zu blutiger Wirklichkeit gerinnen können.“[5]

Die absehbare Dekolonialisation verschärfte die politischen Debatten in den 1950er Jahren und es entstanden mehrere politische Parteien.

- Konservative Traditionalisten (Partei UNAR)

Ziel war die Erhaltung der traditionellen Machtstrukturen unter Vorherrschaft der Tutsi-Minderheit. Die Leugnung ethnischer und sozialer Spannungen führte zu massiver Kritik. Diese wurde abzublocken versucht, indem man massive Ausbeutungsvorwürfe gegen die belgische Kolonialmacht erhob.[6]

- Demokraten aus der Bauernschaft (Partei PARMEHUTU)

Führer der Bewegung war Gregoire Kayibanda, der später erster Präsident Ruandas werden sollte. Er beanspruchte sozialdemokratische Reformen für Ruanda und richtete sich vor allem an die Hutu-Bauernschaft.[7]

- Progressive (Partei RADER)

Sie stellte ein Sammelbecken progressiver Tutsi dar, setzte sich für demokratische Reformen und für die Interessen der Hutu ein. Ebenso legten sie ein Augenmerk auf jene Tutsi, welche nicht Teil der herrschenden Elite waren. Die Partei blieb den meisten Hutu aber suspekt, vor allem wegen ihres Tutsi-Hintergrunds.[8]

Belgien begann in den 1950er Jahren damit, Hutu in die Verwaltung Ruandas einzubinden. Dies erweckte natürlich Ängste vor einem baldigen Machtverlust bei den Tutsi, ohne zugleich weitergehende Ansprüche von Hutu zu befriedigen, die sich nach dem entscheidenden Teil der Machtausübung in Ruanda sehnten. Im November 1959 eskalierte die Gewalt in Ruanda erstmals gröber. Grund war ein Anschlag von UNAR-Radikalen auf einen HUTU-Chef und PARMEHUTU-Aktivisten und führte zum Tod von mehreren hundert Menschen, bevor die belgische Regierung die Ordnung wieder herstellen konnte.[9] Hier setzte auch die erste Tutsi-Fluchtbewegung ein, während der ca. 150.000 Tutsi das Land verließen.

Nun versuchten die Belgier, die Hutu stärker in das Machtgefüge Ruandas einzubinden und ersetzten ca. 50% der Tutsi in der Verwaltung durch Hutu. Besonders bei den Bürgermeistern wirkte sich dieser Wechsel aus, da diese den Unruhen von 1959 massiv zum Opfer gefallen waren. Die Hutu stellten nun die Mehrheit der Bürgermeister in Ruanda. Die neuen Hutu-Führer schafften es erfolgreich, an das Zusammengehörigkeitsgefühl der Hutu zu appellieren. Diese Entwicklung wirkte sich entscheidend auf die folgenden Wahlsiege der PARMEHUTU aus, führte aber auch zu einer Radikalisierung der Hutu-Opposition, die sich nun eine Unabhängigkeit von der Herrschaft der alten Tutsi-Eliten erwartete. Die neuen Chefposten wurden somit genutzt, um den Terror gegen die verbliebenen Tutsi-Eliten weiter zu schüren, aber auch um die politisch wenig interessierte Landbevölkerung zu mobilisieren. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass sich hinter dem vermeintlich homogenen Hutu-Lager drei Gruppierungen verbargen, welche ganz unterschiedliche soziale und politische Interessen vertraten:

- Die bäuerliche Bevölkerung

Diese Gruppe war am stärksten von der Ungerechtigkeit der Tutsi-Monarchen betroffen. Trotzdem hatte sich kein organisiertes Protestpotential herausgebildet, was vor allem an den traditionellen Siedlungsgewohnheiten in Einzelhöfen und der ländlichen Kommunikationsbarriere lag.[10]

- Hutu-Intellektuelle aus dem Süden

Sie standen unter der Führung von PARMEHUTU-Führer Kayibanda und forderten soziale Reformen und demokratische Ideale. Diese Bildungselite fühlte sich trotz Zugangs zu europäischem Wissen um ihre Aufstiegserwartungen betrogen.

- Traditionelle Hutu-Eliten aus dem Norden

Mit deutscher und belgischer militärischer Unterstützung hatte es die Tutsi-Monarchie geschafft, den Einflussbereich Ruandas auch in den von Hutu-Fürsten regierten Norden Ruandas auszudehnen, was die dortigen traditionellen Machtstrukturen zerstörte. Um die Tutsi-Macht durchzusetzen, war vor allem im Norden mit Härte und Brutalität durchgegriffen worden, was zu einem revanchistischen Potential führte. Die Hutu-Eliten aus dem Norden drängten weniger auf eine Demokratisierung, sondern auf eine Restauration der früheren Machtverhältnisse.[11]

Zwar bot dieses widersprüchliche Interessengeflecht zwischen verarmter Landbevölkerung, ehemaligen Fürsten und frustrierten Intellektuellen wenig Anknüpfungspunkte, aber die Propagierung des Feindbildes Tutsi reichte, um die verschiedenen Interessen zu vereinigen. Die Hutu-Führer appellierten somit an die gemeinsamen ethnischen Banden. Es genügte nun sich auf seine Hutu-Abstammung zu berufen, um ein „Mann des Volkes“ zu sein. Weiters hatte sich auch die belgische Regierung seit den Ausschreitungen von 1959 immer stärker den Hutu angenähert und ihren Propaganda-Apparat in deren Dienst gestellt.

Unter diesen Voraussetzungen wurden die Ruander vom 26. bis zum 31. Juli 1960 erstmals zum Wählen aufgerufen, welche in einem Erdrutschsieg für die PARMEHUTU endete. Diese erreichten eine solide Machtbasis von 70,4% der Wählerstimmen und eine Mehrheit in 211 der 229 Gemeinden Ruandas.[12]

Nach dem Wahlsieg war Ruanda faktisch immer noch eine Monarchie, Mwami Kigeri V. lebte aber seit Anfang 1960 im Exil. Die UNO versuchte nun in einer Versammlung den Volksentscheid über Monarchie oder Republik zu erwirken. Trotz Zugeständnisse von Seiten der provisorischen Regierung schuf diese am 28. Januar 1961 mit Billigung der belgischen Kolonialverwaltung vollendete Tatsachen und erklärte im sog. Staatsstreich von Gitarma den Mwami für abgesetzt und rief die Republik aus.[13]

Am 1. Juli 1962 wurde die junge Republik unter der Führung von Gregoire Kayibandas in die Unabhängigkeit entlassen.

Bereits vor der Unabhängigkeit Ruandas im Juli 1962 flohen mehrere Zehntausend Tutsi in die Nachbarländer Ruandas. Von dort aus unternahmen sie immer wieder Guerilla-Angriffe auf die Randbezirke Ruandas. Gregoire Kayibanda festigte die Herrschaft der Partei und der Hutu, indem er selbst das Präsidentenamt übernahm. Gleichzeitig wurden die anderen Parteien ausgeschalten und somit ein Einparteiensystem eingeführt. Immer wieder kam es zu Übergriffen auf die Tutsi-Bevölkerung. Am bezeichnensten sind die Ausschreitungen nach einem Angriff von Tutsi-Rebellen auf ein Militärlager in Bugesera. Diese hatten moderne Waffen erbeutet und marschierten Richtung Kigali, der Hauptstadt Ruandas, wurden aber von Regierungstruppen gestoppt. Diese „Invasion“ führte zu Vergeltungsaktionen, die bis 1964 mindestens 10.000 Tutsi das Leben kosteten.[14]

Immer wieder waren die Tutsi auch der staatlichen Gewalt ausgesetzt, da ihnen Nähe zur Tutsi-Guerilla nachgesagt wurde. Sie führte zur Vertreibung der Tutsi aus bestimmten Landesteilen. Etwa 20.000 Tutsi verloren durch diese vom Staat tolerierten und oftmals geförderten Angriffe ihr Leben, zirka 30.000 weitere flohen ins Ausland. Tutsi-Politiker wurden ermordet, womit die Hutu nun die reine Elite im Land stellten.[15] Alle innenpolitischen Probleme des Landes wurden auf die Bedrohung durch die Tutsi-Rebellen zurückgeführt. Zusätzlich wurde der Sieg der Hutu als langer, mutiger Kampf gegen die erbarmungslosen Unterdrücker dargestellt. Während in dieser Phase jedoch noch politische Extremisten die Leitung der Morde übernahmen, entwickelte sich der Staat in den Folgejahren dahin, den Hutu-Tutsi-Konflikt als Legitimation der Macht der PARMEHUTU zu sehen und bediente sich nun selbst der ethnischen Waffe um über das Versagen der Regierung hinwegzutäuschen.

In dieser gespannten Situation lieferte das Massaker der Armee an Hutu-Intellektuellen in Burundi 1972[16] den Funken zur Eskalation und zu Vergeltungsaktionen an der Tutsi-Bevölkerung. Erst der ehemalige Verteidigungsminister Juvenal Habyarimana, der am 5. Juli 1973 durch einen Militärputsch an die Macht gelangt war, setzte diesem blutigen Treiben ein Ende.

[...]


[1] Zahlen der UNO gehen von mindestens 500.000 Toten aus, es werden aber bis zu einer Million Tote für möglich gehalten. (vgl. Prunier, Gerhard, The Rwanda Crisis, History of a Genocide, New York 1995, S.263ff)

[2] Die Hamitentheorie postuliert die Überlegenheit einer „hamitischen Rasse“ über die „negroide“ Bevölkerung Afrikas. Der Begriff „hamitisch“ oder Hamiten geht auf die biblische Gestalt Ham zurück und bezieht sich auf Völker, von denen man glaubte, dass sie von Ham abstammen. (vgl. Servaes, Sylvia, Die ethnographische Erforschung Ruandas, in: Honke, Gudrun, Als die Weißen kamen, Ruanda und die Deutschen 1885-1919, Wuppertal 1990, S.101

[3] vgl. Asche, Helmut, Rwanda. Die Produktion eines ethnischen Dramas, Hamburg 1995, S.3

[4] Servaes, Sylvia, Gewalt so nötig wie Wasser?, in: Orywal, Erwin, Krieg und Kampf. Die Gewalt in unseren Köpfen, Berlin 1996, S.160

[5] Marx, Jörg, Völkermord in Ruanda. Zur Genealogie einer unheilvollen Kulturwirkung. Eine diskurshistorische Untersuchung, Hamburg 1997, S. 142

[6] Bizimana, Nsekuye, Müssen die Afrikaner den Weißen alles nachmachen, Berlin 1985, S. 162

[7] vgl. Prunier, Gerhard, The Rwanda Crisis, History of a Genocide, New York 1995, S. 47-48

[8] vgl. Prunier, Gerhard, The Rwanda Crisis, History of a Genocide, New York 1995, S. 48

[9] vgl. Schürings, Hildegard, Rwanda. Hintergründe einer Katastrophe. Opfer, Täter und die internationale Gemeinschaft, in: Vereinte Nationen, Heft 4/1994, S.127

[10] vgl. Molt, Peter, Zerfall von Staat und Gesellschaft in Ruanda, in: KAS-Auslandsinformationen, Heft 4/1995, S. 17

[11] vgl. Lemarchand, Rene, Rwanda and Burundi, London 1970, S.99ff

[12] Newbury, Catherine, The Cohession of Opression. Clientship and Ethnicity in Rwanda 1860-1960, New York 1988, S. 198

[13] vgl. Prunier, Gerhard, The Rwanda Crisis, History of a Genocide, New York 1995, S. 10

[14] vgl. Lemarchand, Rene, Rwanda and Burundi, London 1970, S.222

[15] DesForges, Alison, Kein Zeuge darf überleben, Hamburg 2002, S. 63-66

[16] 1972 massakrierte die hauptsächlich Tusi-geführte Armee in Burundi die intellektuelle Hutu-Schicht um die Vorherrschaft der Tutsi-Schicht zu sichern. Vgl. Strizek, Helmut, Ruanda und Burundi. Von der Unabhängigkeit zum Staatszerfall, München 1996, S. 165ff

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Detalles

Título
Der Völkermord 1994 in Ruanda. Aufarbeitung eines Traumas
Universidad
University of Innsbruck  (Zeitgeschichte)
Calificación
1
Autor
Año
2010
Páginas
18
No. de catálogo
V353717
ISBN (Ebook)
9783668399501
ISBN (Libro)
9783668399518
Tamaño de fichero
509 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
völkermord, ruanda, aufarbeitung, traumas
Citar trabajo
Armin Kofler (Autor), 2010, Der Völkermord 1994 in Ruanda. Aufarbeitung eines Traumas, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353717

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