Schon seit jeher ist die Beziehung zu Tieren für den Menschen von großer Bedeutung. Sie wurden mal vergöttert und mal geächtet, aber sie beeinflussten den Menschen schon immer. Grund für die starke und auf Gegenseitigkeit beruhende Bindung zwischen Mensch und Tier ist die gut zueinander passende soziale Veranlagung. Mensch und Tier „teilen speziesübergreifende, konservative Hirnstrukturen und ähnliche Prinzipien der Verhaltensorganisation; sie verfügen über vergleichbare Bindungsmechanismen und emotionale Systeme; sie haben ein ähnliches Stressmanagement und ähnliche Persönlichkeitsvariabilitäten“ (Saumweber 2009).
Die Begegnung mit einem Tier kann sich positiv auf unsere Lebensqualität auswirken. Dabei ist weniger das Tier an sich entscheidend, sondern vielmehr die freie Begegnung und der Dialog mit diesem, denn dadurch werden Emotionen und Hormone angesprochen und ein Impuls für einen möglichen heilenden Prozess gesetzt. Wie dies bewusst in der Sozialpädagogik eingesetzt und durch die / den SozialpädagogIn unterstützt werden kann, soll diese Arbeit klären. Dabei wird zunächst die Entwicklung der emotionalen Kompetenzen geschildert, um anschließend die Wirkungsweise tiergestützter Interventionen zu beschreiben. Darauf aufbauend wird speziell die Förderung emotionaler Kompetenzen durch tiergestützte Interventionen erläutert, was abschließend in einer Fall- und Feldanalyse auf die Praxis bezogen wird. Dabei ist es auch ein Anliegen dieser Arbeit, zu zeigen, wie die theoretischen Überlegungen und Forschungsergebnisse in der Praxis umgesetzt werden können und welche Herausforderungen sich dadurch möglicherweise ergeben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Emotionale Kompetenzen
2.1 Definition emotionaler Kompetenzen
2.2 Abgrenzung zu sozialen Kompetenzen
2.3 Entwicklung emotionaler Kompetenzen
2.4 Empathie
3. tiergestützte Interventionen
3.1 Definition tiergestützter Interventionen
3.2 Wirkungsspektrum tiergestützter Interventionen auf Kinder
3.3 Die Wahl des Tieres
3.4 Bedeutung der Beziehung zwischen Tier, KlientIn und SozialpädagogIn
4 Förderung emotionaler Kompetenzen
4.1 Methoden zur Förderung emotionaler Kompetenzen durch tiergestützte Interventionen
4.2 Auswirkungen der tiergestützten Interventionen auf emotionale Kompetenzen
4.3 Einschränkungen der tiergestützten Interventionen
5 Fall - und Feldanalyse
5.1 Forschungsdesign
5.1.1 Untersuchungsziel
5.1.2 Methode und Auswertungsverfahren
5.2 Interview
5.2.1 Entwicklung und Aufbau des Leitfadens
5.2.2 Stichprobe
5.2.3 Ablauf und Durchführung
5.3 Auswertungsverfahren
5.3.1 Transkription des Interviews
5.3.2 qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2010)
5.3.3 Entwicklung des Kategoriensystems
5.4 Vorstellung der Ergebnisse
5.4.1 emotionale Kompetenzen
5.4.1.1 Definition und Bedeutung emotionaler Kompetenzen
5.4.1.2 Unterschiede in den sozio- emotionalen Kompetenzen
5.4.2 tiergestützte Interventionen
5.4.2.1 Bedeutung tiergestützter Interventionen
5.4.2.2 Methoden tiergestützter Interventionen
5.4.2.3 Auswirkungen tiergestützter Interventionen auf emotionale Kompetenzen
5.4.2.4 Einschränkungen tiergestützter Interventionen
5.4.3 Wahl des Tieres
5.4.4 weitere Auswirkungen tiergestützter Interventionen auf Kinder
5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.6 kritische Reflexion des Interviews und der Auswertung
6 Diskussion und Kritik
7. Literatur
8. Anhang
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht über die Haupt- und Unterkategorien mit den jeweiligen Ankerbeispielen
1. Einleitung
„Tiere empfinden wie der Mensch Freude und Schmerz, Glück und Unglück“ (Charles Darwin 1809 – 1882).
Schon seit jeher ist die Beziehung zu Tieren für den Menschen von großer Bedeutung. Sie wurden mal vergöttert und mal geächtet, aber sie beeinflussten den Menschen schon immer (vgl. Otterstedt 2003b, S. 15). Grund für die starke und auf Gegenseitigkeit beruhende Bindung zwischen Mensch und Tier ist die gut zueinander passende soziale Veranlagung (vgl. Kortschal / Ortbauer 2003, S. 269). Mensch und Tier „teilen speziesübergreifende, konservative Hirnstrukturen und ähnliche Prinzipien der Verhaltensorganisation; sie verfügen über vergleichbare Bindungsmechanismen und emotionale Systeme; sie haben ein ähnliches Stressmanagement und ähnliche Persönlichkeitsvariabilitäten“ (Saumweber 2009, S. 78).
Die Begegnung mit einem Tier kann sich positiv auf unsere Lebensqualität auswirken. Dabei ist weniger das Tier an sich entscheidend, sondern vielmehr die freie Begegnung und der Dialog mit diesem, denn dadurch werden Emotionen und Hormone angesprochen und ein Impuls für einen möglichen heilenden Prozess gesetzt (vgl. Otterstedt 2003a, S. 61). Wie dies bewusst in der Sozialpädagogik eingesetzt und durch die / den SozialpädagogIn unterstützt werden kann, soll diese Arbeit klären. Dabei wird zunächst die Entwicklung der emotionalen Kompetenzen geschildert, um anschließend die Wirkungsweise tiergestützter Interventionen zu beschreiben. Darauf aufbauend wird speziell die Förderung emotionaler Kompetenzen durch tiergestützte Interventionen erläutert, was abschließend in einer Fall- und Feldanalyse auf die Praxis bezogen wird. Dabei ist es auch ein Anliegen dieser Arbeit, zu zeigen, wie die theoretischen Überlegungen und Forschungsergebnisse in der Praxis umgesetzt werden können und welche Herausforderungen sich dadurch möglicherweise ergeben.
2. Emotionale Kompetenzen
Die Fähigkeit, Emotionen auszudrücken und die Gefühle anderer Personen richtig einzuschätzen, ist essentiell. Bei der Wahrnehmung sowie der Verarbeitung und Bewertung von Informationen spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Angemessene emotionale Reaktionen sind wichtig, um bestehende Umweltanforderungen angemessen zu bewältigen (vgl. Zimbardo 1995, S. 443). Dies gilt sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Wenn aufgrund fehlender Fähigkeiten zum Wahrnehmen, Interpretieren oder Vorhersagen des Verhaltens Anderer keine soziale Interaktion möglich ist, kommt es zu sozialer Ausgrenzung. Ausgrenzungsprozesse beeinflussen wiederum die Entwicklung – vor allem von Kindern. Dann kann es dazu kommen, dass die Kinder externalisierendes oder internalisierendes Problemverhalten entwickeln, d.h. dass sie beispielsweise im Unterricht stören, delinquentes Verhalten entwickeln oder aber dass sie sich zurück ziehen, depressiv werden und ein mangelndes Selbstbewusstsein besitzen (vgl. Wille 2007, S. 27).
Deshalb ist die Entwicklung emotionaler Kompetenzen von großer Bedeutung. Sie führen zu positiven Beziehungen, welche wiederum interaktive Fähigkeiten fördern, immer komplexere Interaktionsmuster hervorrufen und auch zur kognitiven sowie sozialen Entwicklung beitragen (vgl. ebd., S. 28). Das Bewusstsein über die eigenen Gefühle und die Fähigkeit zur Regulation dieser ist außerdem für das eigene Wohlbefinden bedeutsam. Hier besteht also ein Zusammenhang mit einem förderlichen Selbstbewusstsein (vgl. Blauensteiner 2009, S. 34).
Im Folgenden sollen nun emotionale Kompetenzen, deren Entwicklung sowie Abgrenzung zu sozialen Kompetenzen näher erläutert werden.
2.1 Definition emotionaler Kompetenzen
Zunächst muss geklärt werden, was Emotionen sind. Oerter und Montada (2008) definieren sie als „kulturell überformte psychische Prozesse [...], die für eine motivbezogene Regulation von Handlungen sorgen: Emotionen signalisieren, welche Ziele und Handlungsergebnisse motivdienlich bzw. motivabträglich sind, und sie initiieren entsprechende motivdienliche Handlungen“ (Oerter / Montada 2008, S. 554; Einfügung d. Verf.). Emotionen sind demnach für die Umsetzung eigener Wünsche aber auch für die soziale Interaktion bedeutsam.
Als emotionale Kompetenz wird die „Wirksamkeit bezüglich der Erreichung anpassungsdienlicher Ziele in emotional erregenden Situationen“ (Beetz 2003, S. 79). verstanden. Eine Basis für emotional kompetentes Handeln ist dabei das Bewusstsein über den eigenen emotionalen Zustand. Weiterhin sind Empathie sowie die Fähigkeit zur Selbstregulation und die Fähigkeit, Emotionen anderer differenziert wahrzunehmen und zu verbalisieren notwendig. Gute frühe Bindungserfahrungen beeinflussen die Entwicklung emotionaler Kompetenzen dabei positiv (vgl. ebd., S. 79f.)
Vernooij und Schneider (2013) unterscheiden nicht zwischen sozialen und emotionalen Kompetenzen und geben deshalb als Teilkompetenzen dieser zwei Kompetenzen (1) das Selbstwertgefühl, (2) Selbstvertrauen, (3) die emotionale Steuerung, (4) Anpassungs- und Kompromissbereitschaft, (5) die soziale Sensibilität, (6) das Einfühlungsvermögen / Empathie, (7) die soziale Zuverlässigkeit, (8) Fairness und (9) Authentizität an (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. 129). Aufgrund der oben genannten Definition emotionaler Kompetenzen, lassen sich die Teilkompetenzen Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, emotionale Steuerung, Einfühlungsvermögen / Empathie, zu den emotionalen Kompetenzen zählen. Die restlichen zählen eher zu den sozialen Kompetenzen, wobei die Zuordnung nicht eindeutig ist.
Petermann und Wiedebusch (2008) ergänzen die Ausführungen von Vernooij und Schneider (2013), wobei sie nur auf die emotionalen Kompetenzen eingehen. Sie nennen als Teilkompetenzen (1) den eigenen mimischen Emotionsausdruck, (2) das Erkennen des mimischen Emotionsausdrucks anderer Personen, (3) den sprachlichen Emotionsausdruck, (4) das Emotionswissen und – verständnis sowie (5) die selbstgesteuerte Emotionsregulation (vgl. Petermann / Wiedebusch 2008, S. 12). Nach Koglin und Petermann (2013) sagen diese Bereiche jedoch nichts über die genaue Definition der emotionalen Kompetenz aus. Sie beziehen sich auf Saarni (2002) und definieren emotionale Kompetenz als Fähigkeit „emotionale Fertigkeiten in sozialen Interaktionen [anzuwenden] und so selbstwirksames Verhalten [zu] zeigen. Selbstwirksamkeit besteht, wenn Kinder sich darüber bewusst sind, dass ihr eigener Emotionsausdruck andere Personen beeinflusst und sie gelernt haben, ihr Verhalten strategisch zu steuern, um gewünschte Reaktionen bei anderen hervorzurufen.“ (Saarni 2002 zit. in: Koglin / Petermann 2013, S. 17; d. Verf.). Ein Beispiel für diese Definition wäre eine Situation, in der ein Kind einen Freund weinen sieht und sich daraufhin lustig verhält, um das andere Kind zum Lachen zu bringen. Es weiß, dass es durch seinen Emotionsausdruck Lachen bzw. Freude das andere Kind aufmuntern kann und setzt dieses Verhalten strategisch ein, um die gewünschte Reaktion hervorzurufen.
Auch Saarni (2002) nennt acht Schlüsselfertigkeiten emotionaler Kompetenz, welche sich denen von Petermann und Wiedebusch (2008) genannten jedoch stark ähneln. Zu ergänzen wäre hier (1) das empathische Eingehen auf das emotionale Erleben von anderen Menschen, (2) das Trennen des eigenen emotionalen Erlebens vom Gefühlsausdruck und das Wissen, dass andere Menschen dies auch tun, (3) das Bewusstsein über die emotionale Kommunikation in sozialen Beziehungen sowie (4) das Erleben der emotionalen Selbstwirksamkeit (vgl. Saarni 2002, S. 13 zit. in: Koglin / Petermann 2013, S. 18).
2.2 Abgrenzung zu sozialen Kompetenzen
Um in der Gesellschaft zurechtzukommen, sind gute Beziehungen zu Artgenossen essenziell. Der Mensch muss dazu erwünschte Beziehungen aufbauen und aufrechterhalten, d.h. er muss sozial attraktiv für die Gesellschaft sein. Andererseits muss er auch seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse umsetzen können. Daraus ergibt sich ein Konflikt. Zur Konfliktlösung sind nun Fähigkeiten notwendig, welche häufig als soziale Kompetenzen beschrieben werden (vgl. Putsch 2013, S. 75).
Wenn man Oerter und Montada (2008) folgt, so lassen sich soziale Kompetenzen in kognitive und affektive Komponenten sowie in Handlungskomponenten unterteilen. Dies wäre die traditionelle Einteilung in der Psychologie. Sie führen aber auch an, dass die Forschung andere Komponenten zu den sozialen Kompetenzen zählt. Dazu gehören (1) die Entwicklung sozialer Kognition, (2) die Entwicklung prosozialen Verhaltens, (3) die Entwicklung von Freundschaften und des Freundschaftsverständnisses, (4) abgelehnte und begehrte Gleichaltrige sowie (5) die Entwicklung von Wettbewerb und Kooperation (vgl. Oerter / Montada 2008, S. 257). Da der Schwerpunkt dieser Arbeit bei den emotionalen Kompetenzen liegt, werden diese Begriffe nicht näher erklärt. Es zeigt sich jedoch, dass soziale Kompetenzen immer bei Interaktionen mit anderen Personen von Bedeutung sind, während es bei den emotionalen Kompetenzen neben der Emotionserkennung bei seinem Gegenüber hauptsächlich um das eigene emotionale Befinden und die Regulation eigener Gefühle geht (vgl. Petermann / Wiedebusch 2008, S. 12).
Putsch (2013) weist darauf hin, dass eine Unterscheidungen zwischen sozialen und emotionalen Kompetenzen nicht sinnvoll ist, da soziale Interaktionen auch durch den Austausch von Emotionen durch Mimik, Gestik, Körpersprache und Stimmmodulation zustande kommen (vgl. Putsch 2013, S. 75). Oerter und Montada (2008) zeigen jedoch auf, dass emotionale Kompetenzen – insbesondere die eigene Emotionsregulation – Voraussetzungen für einen erfolgreichen sozialen Umgang sind. Dies unterstützt eine Studie von Eisenberg, Fabes, Shepard, Murphy, Guthrie, Jones, Friedman, Poulin und Maszk (1997), welche herausfand, dass sich die soziale Kompetenz durch die Fähigkeit zur Regulation und die Emotionalität voraussagen lässt (vgl. Eisenberg et al. 1997, S. 919).
Auch wenn sich die Forschung nicht einig darüber ist, ob emotionale und soziale Kompetenzen unabhängig voneinander untersucht werden können, so soll in dieser Arbeit der Schwerpunkt auf den emotionalen Kompetenzen liegen, denn wenn man Oerter und Montada (2008) folgt, können sie sogar als Voraussetzung für die Entwicklung sozialer Kompetenzen gesehen werden (vgl. Oerter / Montada 2008, S. 259). Deshalb ist die Förderung dieser Fähigkeiten besonders wichtig.
2.3 Entwicklung emotionaler Kompetenzen
Emotionale Kompetenzen entwickeln sich schon ab dem ersten Lebenstag. Das Neugeborene kommt mit verschiedenen emotionalen Ausdrucksweisen auf die Welt. Dazu gehören das Schreien als Ausdruck für Disstress, das Lächeln als Ausdruck für Wohlbehagen, Aufmerksamkeitsfokussierung mit leicht geöffnetem Mund steht für Interesse, der Schreckreflex mit aufgerissenen Augen zeigt Erschrecken und das Naserümpfen und Vorstrecken der Zunge verdeutlicht die Emotion Ekel (vgl. Oerter / Montada 2008, S. 554f.). Durch familiäre und später auch durch soziale Faktoren der Umwelt können sich nun die emotionalen Kompetenzen entwickeln (vgl. Koglin / Petermann 2013, S. 25). Für gewöhnlich besitzen Eltern die Fähigkeit, auf die Ausdrucksweisen des Kindes intuitiv richtig zu reagieren. Dies wird als intuitive elterliche Didaktik bezeichnet. Dazu zählen das Interpretieren und Spiegeln des kindlichen Ausdrucks als Zeichen einer Emotion und das Eingehen auf das Verhalten des Kindes. Die Eltern verwenden dem Kind gegenüber Ausdrucksdisplays, d.h. sie kommunizieren in Ammensprache oder setzen übersteigerte Mimik ein. Aufgabe des Säuglings ist es nun „in der interpersonalen Regulation mit seinen Bezugspersonen ein differenziertes, durch Ausdruckszeichen vermitteltes Emotionsrepertoire aufzubauen und sich ein Repertoire an Handlungen anzueignen“ (Oerter / Montada 2008, S. 555). Im Kleinkindalter werden die Ausdruckszeichen dann von der interpersonalen in die intrapersonale Regulation hineingetragen. Das Kind benötigt dann nicht mehr bei jeder Emotion die Unterstützung einer anderen Person. Das bedeutet, ein trauriges Kind veranlasst zu Beginn der emotionalen Entwicklung noch andere Personen, mit angemessenen Handlungen auf die eigene Traurigkeit zu reagieren, sucht später von sich aus Trost bei Anderen und entwickelt letztendlich die Fähigkeit, sich selbst zu trösten (vgl. ebd., S. 560).
Im Vorschulalter lernen die Kinder zunehmend, Ausdrucksdisplays zu verwenden. Dies bedeutet, Emotionen zu zeigen, die sie eigentlich nicht fühlen. Auch diese Fähigkeit ist notwendig, denn sie ermöglicht das Anpassen an die jeweils geltenden kulturellen Darbietungsregeln: sich beispielsweise über ein eigentlich enttäuschendes Geschenk zu freuen (vgl. ebd., S. 560f.).
Emotionale Kompetenzen entwickeln sich also durch verschiedene kindliche, familiäre und soziale Faktoren der Umwelt. Diese können in Wechselwirkung zueinander stehen. Zu diesen drei Faktoren zählen (1) das Temperament, (2) die Sprachentwicklung, (3) frühe Verhaltensprobleme, (4) die Eltern – Kind - Beziehung, (5) das Erziehungsverhalten und (6) die Beziehung zu Gleichaltrigen (vgl. Koglin / Petermann 2013, S. 25).
Zum Temperament zählen Unterschiede in grundlegenden physiologischen Prozessen, welche die Emotionalität, motorische Aktivität, Aufmerksamkeit und Selbstregulation des Kindes beeinflussen. Thomas und Chess (1977) unterscheiden neun Temperamentsdimensionen, u.a. das Aktivitätslevel, Annäherung – Vermeidung und Stimmung, welche in bestimmten Kombinationen zu einem sogenannten schwierigen Temperament führen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Säugling unregelmäßige biologische Funktionen aufweist und in neuen Situationen irritiert reagiert, d. h. weint, schreit oder Wutanfälle zeigt. Andererseits gibt es noch das sogenannte gehemmte Temperament, welches auch zu ungünstigen Emotionsregulationen führen kann. Die Kinder reagieren dann in neuen Situationen ängstlich und passen sich fremden Kindern oder Erwachsenen nur schlecht an. Das Temperament ist relativ stabil, entwickelt sich jedoch auch weiter und wird durch die Umwelt beeinflusst (vgl. Thomas / Chess 1977 zit. in: Koglin / Petermann 2013, S. 25f.).
Des Weiteren spielt die Eltern – Kind – Beziehung eine wichtige Rolle. Hierbei ist entscheidend, ob Eltern im Kontakt mit ihren Kindern viele Emotionswörter verwenden und wie sie selbst Emotionen ausdrücken und mit ihnen umgehen. Werden viele Emotionswörter verwendet, weisen Kinder ein besseres Emotionswissen auf und können Gefühle häufiger benennen. Werden häufig und intensiv negative Emotionen ausgedrückt, wirkt sich dies negativ auf die Entwicklung emotionaler Kompetenzen aus. Das führt dazu, dass Kinder die Ursachen für Emotionen weniger erkennen und erklären können. Weiterhin ist es bedeutsam, ob auf die Gefühle der Kinder eingegangen wird. Findet dies statt, d.h. liegt eine positive Responsivität vor, unterstützen Eltern den kindlichen Emotionsausdruck und helfen dem Kind, die eigenen Gefühle besser zu regulieren (vgl. Koglin / Petermann 2013, S. 27f.).
Auch die Beziehung zu Gleichaltrigen spielt eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung emotionaler Kompetenzen. Das Interaktionsmuster, welches durch die Eltern-Kind-Beziehung erlernt wurde, wird auf den Kontakt mit Gleichaltrigen übertragen. Dies macht es möglich, dass sich die emotionalen Kompetenzen des Kindes weiterentwickeln oder verändern. Kinder mit gut ausgeprägten emotionalen Kompetenzen weisen auch eher ein positiveres Sozialverhalten und gute Beziehungen zu anderen Kindern auf, wodurch sich wiederum die emotionalen Kompetenzen verbessern. Werden Kinder abgelehnt oder zeigen Kontaktschwierigkeiten, können sich diese Kompetenzen nicht entwickeln und es kann zu Entwicklungsabweichungen führen (vgl. ebd., S. 29).
Die verschiedenen Emotionen werden unterschiedlich leicht erkannt. Freude zählt zu den Emotionen, die am häufigsten erkannt werden, während Angst am seltensten als solche wahrgenommen wird. Zudem gibt es geschlechterspezifische Unterschiede. Emotionen werden bei Frauen besser erkannt als bei Männern und Frauen nehmen Emotionen auch besser wahr als Männer. Älteren Personen fällt es eher schwer, Gefühle wahrzunehmen und zu benennen. Weiterhin zeigen Studien, dass die Emotion eher erkannt wird, wenn sich das Gesicht bewegt. Die Emotionserkennung ist zudem für Personen aus westlichen Kulturen leichter wie z.B. der USA im Vergleich zu Personen aus Japan oder Indien (vgl. Blauensteiner 2009, S. 36f.).
Generell besteht eine Situationsabhängigkeit. Hierbei spielt beispielsweise das momentane Stressempfinden, der wahrgenommene Geruch oder die Tageszeit eine Rolle (vgl. ebd. 2009, S. 38f.).
Emotionale Kompetenztrainings können wirksam sein, wenn sie auf die verschiedenen Faktoren eingehen, welche die Entwicklung der Kompetenzen fördern. Wie dies durch tiergestützte Interventionen gelingen kann, wird im vierten Abschnitt ausführlich erklärt.
2.4 Empathie
Empathie zählt zu den emotionalen Kompetenzen. Es ist die „Fähigkeit, mit einer anderen Person bzw. einem Tier mitempfinden zu können“ (Endenburg 2003, S. 122). Da dies eine entscheidende Fähigkeit im Bereich tiergestützter Interventionen ist und in der Literatur immer wieder speziell darauf Bezug genommen wird, soll diese emotionale Kompetenz hier noch einmal genauer betrachtet werden.
Empathie entwickelt sich bereits bei Kleinkindern zwischen einem halben und zwei Jahren (vgl. May 2004 zit. in: Schilling 2013, S. 15). Ein wichtiger Aspekt der Empathie ist es, den emotionalen Zustand des Anderen zwar nachvollziehen zu können, jedoch selbst nicht von der Gefühlsübernahme überwältigt zu sein. Ein Mangel an Empathie zeigt sich jedoch häufig bei Jugendlichen, die andere nicht leiden sehen können, weil sie nicht in der Lage sind, diese Gefühlserregung zu kontrollieren. Deshalb vermeiden sie empathisches Verhalten oder fliehen aus der Situation, wodurch sich Empathie jedoch nicht weiter entwickeln kann. Empathie entsteht und entwickelt sich somit zuallererst durch die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu regulieren (vgl. Oerter / Montada 2008, S. 316).
Verläuft die Entwicklung von Empathie andererseits fehlerhaft, kann es beispielsweise zu quälerischen Tendenzen gegenüber Tieren oder Aggressionen gegenüber Menschen kommen (vgl. May 2004 zit. in: Schilling 2013, S. 15).
Was trägt zu einer fehlerhaften Entwicklung von Empathie bei? Das Fehlen von Einfühlungsvermögen kann auf problematische Bindungserlebnisse in der Kindheit zurückgeführt werden. Das bedeutet, das Kind wurde von seinen Bezugspersonen eher abgelehnt oder es erlebte widersprüchliche Beziehungen. Weiterhin kann ein Grund für weniger Empathie die heutige Gesellschaft im Allgemeinen sein. Viele Kinder wachsen nur noch als Einzelkinder auf und haben weniger Kontakt zu Gleichaltrigen. (vgl. Putsch 2013, S. 32).
Vor dem vierten Lebensjahr kann Empathie durch eine begleitete Interaktion mit Tieren gefördert werden. Anschließend ist die Entwicklung von Empathie und der Perspektivenübernahme weitestgehend abgeschlossen. Nun können die Kinder sinnvoll in die Betreuung eines Tieres integriert werden, da diese jetzt als Lebewesen angesehen werden (vgl. May 2004 in Schilling 2013, S. 15).
3. tiergestützte Interventionen
Auch wenn die Beachtung für tiergestützte Interventionen erst seit einigen Jahren zunimmt, werden Tiere schon sehr lange im therapeutischen und pädagogischen Bereich eingesetzt. Bereits im 8. Jahrhundert wurden Tiere in Belgien bewusst in der Therapie eingesetzt. 1792 wurden in der Einrichtung „York Retreat“ in England – einer Einrichtung für „Geisteskranke“ – die Patienten dazu aufgefordert, sich auch um die Gärten und Tiere der Einrichtung zu kümmern. Diese und weitere frühe Versuche der tiergestützten Interventionen wurden jedoch nicht dokumentiert, was es erschwerte, sie zu erforschen. Dies änderte sich mit Boris Levinson, welcher erstmalig Tiere ganz gezielt in seine Arbeiten als Kinderpsychotherapeut einsetzte, über seine Erfahrungen schrieb und somit als Begründer der tiergestützten Interventionen bezeichnet werden kann (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. 26). In Deutschland erfahren tiergestützte Interventionen jedoch weder von öffentlicher noch von rechtlich-institutioneller Seite die nötige Anerkennung. Dies liegt auch daran, dass die Berichterstattung wenig wissenschaftlich fundiert ist (vgl. ebd., S. XV), was das Ansehen der tiergestützten Interventionen in der Gesellschaft nicht gerade fördert. Ein Grund dafür könnte auch sein, dass es lange keine einheitlichen Richtlinien für die Durchführung tiergestützter Interventionen gab. Dies änderte die Delta Society.
Die Delta Society wurde 1977 in Oregon in den USA gegründet. Durch diese Gesellschaft zur Erforschung der Beziehungen zwischen Mensch und Tier wurden erstmals Richtlinien für den Einsatz von Tieren im Sozial- und Gesundheitswesen aufgestellt, welche 1996 veröffentlicht wurden. Diese Richtlinien dienen den internationalen Organisationen wie beispielsweise der International Society for Animal Assisted Therapy (ISAAT) oder der European Society for Animal Assisted Therapy (ESAAT) als Orientierung. Die Delta Society erforschte auch die Wirkungen und Ziele der tiergestützten Interventionen (vgl. Kirchpfening 2012, S. 11).
Die sozialpädagogische Arbeit in Deutschland richtet sich nach dem SGB VIII. Tiergestützte Interventionen lassen sich in die Paragraphen §§11 und 13 des SGB VIII einordnen. In §11 wird die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beschrieben und in §13 steht, dass dieser Zielgruppe solche sozialpädagogische Hilfen angeboten werden müssen, die ihre soziale Integration fördern. Tiergestützte Interventionen können diese Ziele umsetzen und sind somit im Sinne des SGB VIII in den §§11 und 13 als Maßnahme der Sozialen Arbeit einzuordnen (vgl. ebd., S. 19).
Im Folgenden soll erläutert werden, was unter tiergestützter Intervention verstanden wird und welche Wirkung diese laut dem aktuellen Forschungsstand auf Kinder hat.
3.1 Definition tiergestützter Interventionen
Die Pädagogik lässt sich in vier Kategorien einteilen: (1) allgemeine Pädagogik, (2) historische Pädagogik, (3) vergleichende Pädagogik und (4) besondere Pädagogik. Die tiergestützte Pädagogik kann dabei als eine Unterkategorie der besonderen Pädagogik verstanden werden. Sie kann im Rahmen institutionsgebundener pädagogischer Settings wie beispielsweise der Schule oder des Kindergartens, aber auch in außerschulischen Bereichen auftreten (vgl. Waschulewski / Ignatowicz 2013, S. 9).
Das Ziel tiergestützter Interventionen im Allgemeinen ist die Verbesserung des subjektiven Wohlbefindens sowie die Förderung der Selbstständigkeit des Klienten (vgl. Gras / Brenk / Rippke 2013, S. 131).
Zu dem Oberbegriff tiergestützte Interventionen lassen sich die Begriffe tiergestützte Aktivität, tiergestützte Pädagogik und tiergestützte Therapie zählen (vgl. Vernooji / Schneider 2013, S. 34). Diese orientieren sich an den englischen Begriffen Animal-Assisted Activities und Animal-Assisted Therapy. Diese wiederum entstanden aus den Begriffen Pet-Facilitated Therapy und Pet-Facilitated Psychotherapy. Da das Wort Pet eher die klassischen Haustiere bezeichnet, wurde der umfassendere Begriff Animal eingeführt (vgl. ebd., S. 29f.).
Als tiergestützte Aktivität werden Aktivitäten mit Tieren gezählt, „die zur Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Klienten beitragen. Dabei können die Aktivitäten von Professionellen, aber auch von Laien bzw. Freiwilligen mit speziell für diese Aktivitäten vorbereiteten Tieren angeboten werden“ (Kirchpfening 2012, S. 11). Vor allem der Einsatz von Besuchshunden oder auch anderen Tieren zählt zu den tiergestützten Aktivitäten. Der Einsatz der Tiere ist dabei nicht auf eine bestimmte Person zugeschnitten, es wird kein konkretes Ziel verfolgt und die Durchführenden müssen keine Aufzeichnungen über den Verlauf anfertigen. Diese Form der tiergestützten Intervention soll vielmehr die Lebensqualität der KlientInnen steigern (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. 30f.).
Vernooji und Schneider (2010) definieren tiergestützte Pädagogik als „Interventionen im Zusammenhang mit Tieren [...], welche auf der Basis eines (individuellen) Förderplans oder auf der Basis konkreter Lernziele vorhandene Ressourcen des Kindes stärken, weniger gut ausgebildete Fähigkeiten, insbesondere im emotionalen und sozialen Bereich, fördern und unterstützen sowie die Kompetenzen eines Kindes insgesamt verbessern sollen. Sie werden durchgeführt von unterschiedlich qualifizierten Experten im pädagogisch-sonderpädagogischen Bereich (Lehrpersonal, Heil- oder Sozialpädagogen, unter Umständen auch Sprachheil- und Physiotherapeuten) unter Einbezug eines Tieres, welches für den Einsatz spezifisch trainiert wurde. Ziele der tiergestützten Pädagogik sind die Unterstützung von Entwicklungsfortschritten [und] die Initiierung von Lernprozessen in unterschiedlichen Bereichen“ (Vernooji / Schneider 2010, S. 49; Einfügung d. Verf.). Da bei dieser Definition der Schwerpunkt auf der Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen liegt, erweitern Waschulewski und Ignatowicz (2013) diese Definition und gehen auch auf die Förderung weniger gut ausgebildeter Fähigkeiten im kognitiven und körperlich-motorischen Bereich ein (vgl. Waschulewski / Ignatowicz 2013, S. 14).
Die Aufgabe der tiergestützten Pädagogik ist auch die Erfüllung der Grundbedürfnisse. So erleben Kinder im Umgang mit Tieren ihre Stärken (Grundbedürfnis nach Selbstwerterhöhung), sie erleben Freude (Grundbedürfnis nach Lustgewinn), Selbstwirksamkeit und Autonomie (Grundbedürfnis nach Kontrolle und Orientierung) (vgl. Strunz 2011, S. 241f.). Während es bei der tiergestützten Aktivität keine festgelegten Ziele, Zeiten der Durchführung und keine Dokumentation gibt, liegt der Fokus der tiergestützten Pädagogik also darin, Lernprozesse im sozio-emotionalen, kognitiven und körperlichen Bereich in einem festgelegten und längeren Zeitraum zu erzielen. Die durchgeführten Sitzungen und die damit einhergehenden Fortschritte werden dokumentiert und ausgewertet (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. 47).
Während sich „die tiergestützte Pädagogik in Theorie und Praxis mit dem Mehrwert von Tieren in Bildungs- und Erziehungszusammenhängen“ (Haubenhofer 2013, S. 122) befasst und es hauptsächlich um die Persönlichkeitsentwicklung der Klienten geht, befasst sich die tiergestützte Therapie in erster Linie mit der Heilung oder Linderung von Erkrankungen (vgl. ebd., S. 122). Tiergestützte Interventionen sind fester Bestandteil des therapeutischen Prozesses. Es gibt genau festgelegte Ziele und der Ablauf wird dokumentiert. Es finden regelmäßige Sitzungen zu genau festgelegten Zeitpunkten über einen längeren Zeitraum statt. Tiergestützte Therapie kann nur von Fachkräften und Therapeuten mit geschulten Tieren durchgeführt werden (vgl. Kirchpfening 2012, S. 11; Vernooij / Schneider 2013, S. 47).
Zu kritisieren ist ganz klar, dass es derzeit zumindest in Deutschland keine einheitlichen Regelungen bezüglich der differenzierten Bezeichnungen für die Arten von tiergestützten Interventionen gibt. Außerdem müssen noch verbindlichen Richtlinien für die Berufsbezeichnung der Personen festgelegt werden, die solche Interventionen durchführen. Gleiches gilt für die Qualifikation dieser Personen und der eingesetzten Tiere (vgl. Kirchpfening 2012, S. 14).
Wird ein Pferd in der tiergestützten Arbeit eingesetzt, handelt es sich meistens um das heilpädagogische Reiten und Voltigieren. Hierbei geht es vorrangig um die Beziehung zwischen PädagogIn und KlientIn über das Medium Pferd. Bei diesem ganzheitlichen Ansatz wird sich nicht nur auf die Defizite fokussiert, sondern es werden alle Bereiche von Motorik über Kognition und Emotion bis hin zu Soziabilität sowie alle Sinne angesprochen und einbezogen (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. 205).
Weiterhin wird auch zwischen der Hippotherapie und der Equine - Facilitated Psychotherapy unterschieden. Letztere ähnelt dem heilpädagogischen Reiten. Hierbei findet eine Psychotherapie unter Einbezug eines Pferdes statt, bei der auf vorher festgelegte Ziele hingearbeitet wird. Auch dabei macht sich der Therapeut die Fähigkeiten des Pferdes zur Erkennung des inneren Gemütszustandes des Menschen zu Nutzen (vgl. Path Intl. 2017). Die Hippotherapie hingegen wird rein medizinisch als Ergänzung der Physiotherapie angewandt und bedient sich der natürlichen Bewegung des Pferdes (vgl. Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. o.J.).
In dieser Arbeit soll es vorrangig um die tiergestützte Pädagogik bzw. das heilpädagogische Reiten gehen, da diese beiden Arten der tiergestützten Intervention im sozialpädagogischen Bereich und von SozialpädagogInnen angewandt werden.
3.2 Wirkungsspektrum tiergestützter Interventionen auf Kinder
Es gibt zahlreiche Studien, welche die Wirkungen von Tieren auf Kinder untersuchten. Dabei gibt es einige, welche Haustiere in den Fokus nahmen und andere, welche die Wirkung von Therapietieren oder Co-Pädagogen erforschten (vgl. Saumweber 2009, S. 90-99). Im Folgenden sollen dabei weitestgehend Studienergebnisse geschildert werden, welche die Wirkung tiergestützter Interventionen untersuchten, d.h. der Schwerpunkt liegt bei diesen Studien auf den Therapietieren oder pädagogisch eingesetzten Tieren.
Die Wirkungen können allgemein in die Bereiche psychologische, biologische und soziale Wirkung unterteilt werden. Die psychologischen Wirkungen werden ausführlich im Abschnitt 4.2 beschrieben, da es sich dabei häufig um Verbesserungen emotionaler Kompetenzen handelt. Davon abgesehen haben tiergestützte Interventionen auch weitere psychologische Auswirkungen. Durch den Kontakt mit Tieren kann es beispielsweise zu einem gesteigerten Selbstwertgefühl, Selbsteffektivität und zu internalen Kontrollüberzeugungen kommen. Das geschieht dadurch, dass Tiere anders als Menschen ein ehrliches und direktes Feedback geben. Kinder können also die Auswirkungen ihres Verhaltens auf die Umwelt direkt bemerken (vgl. Gindl 2009, S. 25).
Zu den biologischen Wirkungen zählen hingegen eine Stressreduktion und ein gesteigertes Wohlbefinden (vgl. ebd., S. 25). Eine Studie von Beetz und ihren Kollegen (2011) konnte zeigen, dass die Anwesenheit eines Hundes im Gegensatz zur Anwesenheit eines freundlichen Erwachsenen oder eines Stoffhundes besonders bei unsicher oder desorganisiert gebundenen Jungen eine spannungsmindernde physiologische Wirkung in für sie besonderen Stresssituationen hat. Dies konnte nachgewiesen werden, indem das Stresshormon Cortisol untersucht wurde. Von Bedeutung war jedoch das Ausmaß, in dem sich die Kinder mit dem Hund beschäftigten. Eine besonders geringe Konzentration von Cortisol und somit ein geringes Stresslevel fand sich vor allem bei den Kindern, die intensiv mit dem Hund sprachen oder ihn streichelten (vgl. Beetz / Kotrschal / Turner / Hediger / Uvnäs-Moberg / Julius 2011, S. 361f.)
Tiergestützte Interventionen beeinflussen auch den sozialen Bereich. Insbesondere die Tatsache, dass Tiere wunderbare „Türöffner“ sind, wird im pädagogischen Bereich gern genutzt. Tiere dienen als „Vermittler“ und beschleunigen soziale Interaktionen. Sie können eine Brücke zwischen KlientIn und SozialpädagogIn bilden, denn Kinder nehmen zu Tieren rasch Kontakt auf. Sie fühlen sich emotional durch diese angesprochen und die positive Beziehung, die zwischen Kind und Tier besteht, kann später auf die/den PädagogIn übertragen werden (vgl. Wohlfarth / Mutschler / Bitzer 2013, S. 13).
Des Weiteren zeigt sich, dass es Tiere durch ihre Anwesenheit ermöglichen, zu Gesprächen anzuregen und „die Fixierung auf ein Angst machendes Ereignis zu durchbrechen“ (ebd., S. 13). So kann ein Kind zuerst dem Tier von einem negativen Erlebnis berichten, bevor es sich der/dem SozialpädagogIn anvertraut.
Eine Studie von Vanek-Gullner (2002) fand heraus, dass die Anwesenheit eines Besuchshundes in einem sonderpädagogischen Förderzentrum die Konzentrationsfähigkeit der Kinder steigerte, ein fröhlicheres und ausgeglicheneres Verhalten sowie vermehrtes Spielen untereinander hervorrief und zu mehr Selbstbewusstsein bei den schüchternen Kindern führte. Des Weiteren zeigten die Kinder weniger aggressives Verhalten und eine deutlichere Sprache (vgl. Vanek-Gullner 2002 zit. in: Waschulewski / Ignatowicz 2013, S. 15f). Zu kritisieren ist hier jedoch die Durchführung der Studie. Es fanden lediglich Beobachtungen der Schulsituationen sowie Interviews mit den Eltern und Lehrern statt. Demnach kann man sagen, dass der Hund zu einer subjektiv empfundenen Steigerung der Konzentration, des Spielens sowie des Selbstbewusstseins führte. Die Generalisierbarkeit bleibt jedoch begrenzt und könnte mit Prä-Post-Erhebungen und standardisierten Tests oder Fragebögen verbessert werden.
3.3 Die Wahl des Tieres
Die Wahl des Tieres spielt eine große Rolle bei den tiergestützten Interventionen. Auch wenn sich die Literatur häufig auf den Einsatz von Hunden und Pferden beschränkt (vgl. Waschulewski / Ignatowicz 2013, S. 27), gibt es doch noch einige andere Tierarten, die sehr gut in der tiergestützten Pädagogik Anwendung finden können. So empfehlen Waschulewski und Ignatowicz (2013) beispielsweise den Einsatz von Farbratten, da sie sehr anpassungsfähig, leicht zu pflegen, menschenbezogen und lernfreudig sind. Sie empfehlen aber auch ausgefallenere Tiere wie den aus Mexico stammenden Axolotl. Durch diese Amphibie, welche eigentlich aufgrund einer Schilddrüsenunterfunktion ihr Leben lang im Larvenstadium verbringt und erst durch die Zugabe von entsprechenden Hormonen eine weitere Metamorphose durchlebt, kann den Kindern die Evolution näher gebracht werden. Der Axolotl entwickelt sich dann nämlich von einem im Wasser lebenden Anhänger der Familie der Querzahnmolche zu einem an Land lebenden Salamander. Besonders für Kinder mit eingeschränkter Wahrnehmung und Aufmerksamkeit empfiehlt sich dieses Tier, da es ein sehr ruhiges Wesen besitzt (vgl. ebd., S. 33).
Hunde haben den großen Vorteil, dass sie eine „ausgeprägte Gemeinschaftsfähigkeit im Zusammenleben mit dem Menschen“ (Wille 2007, S. 45) aufweisen und zudem sehr gut nonverbal kommunizieren können (vgl. ebd., S. 45). Sie weisen ein ähnliches Sozialverhalten auf wie der Mensch, d. h. sie leben im familiären Verband und die Eltern sorgen sich um ihren Nachwuchs. Hunde lernen des Weiteren wie wir Menschen durch soziale Anregung und Nachahmung, sie zeigen ein ähnliches Spielverhalten, besitzen einen Sinn für Fairness und sind bereit, eine Bindung sowohl zu Artgenossen als auch zu Menschen einzugehen (vgl. Putsch 2013, S. 64). All das macht sie zu sehr guten Co-Pädagogen. Sie dienen als „Türöffner“, als Modell zum Erlernen sozialer Verhaltensweisen. Sie streben eine Gruppenzugehörigkeit an, spiegeln die innere Haltung, regen Neugier sowie Fantasie und Sprachgebrauch an und geben Sicherheit. Von großem Nutzen ist auch die Tatsache, dass sie ein spielerisches von- und miteinander Lernen ermöglichen (vgl. ebd., S. 90).
Auch Pferde kommunizieren sehr gut nonverbal (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. 23). Da von dem Pferd eine große Motivation ausgeht, können fördernde Auswirkungen in den Bereichen Psychomotorik, Sozialverhalten und Kommunikation sowie in der Persönlichkeitsentwicklung erzielt werden (vgl. ebd., S. 205). Das heilpädagogische Reiten ist besonders für den Abbau von Angst und Aggressivität, für die Stärkung der Frustrationstoleranz, das Reagieren auf einen Partner sowie für die Verbesserung von Aufmerksamkeit und Konzentration von Bedeutung (vgl. ebd., S. 206).
Eine Pilotstudie von Otterstedt (2009) fand heraus, dass sehr viele verschiedene Tierarten im Bereich der tiergestützten Interventionen zum Einsatz kommen (vgl. Otterstedt 2009 zit. in: Vernooij / Schneider 2013, S. 225f.). Vernooij und Schneider (2013) bezweifeln jedoch, ob außer Hunden, Pferden und Alpakas die Tiere wirklich systematisch und professionell eingesetzt werden (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. 225f.).
In jedem Fall sollte man auch immer das Wesen des Tieres beachten (vgl. Wille 2007, S. 45). Darauf wird im Abschnitt 4.3 genauer eingegangen.
3.4 Bedeutung der Beziehung zwischen Tier, KlientIn und SozialpädagogIn
Für alle tiergestützten Maßnahmen ist die Mensch-Tier-Beziehung die Grundlage, welche nutzbar gemacht werden soll, um förderliche und hilfreiche Effekte zu erzielen (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. XVI).
Hunde haben den großen Vorteil, dass sie die Menschen, mit denen sie sich umgeben, auf andere Personen positiver wirken lassen. Das bedeutet für das therapeutische oder pädagogische Setting, dass die / der TherapeutIn bzw. die / der SozialpädagogIn auf die / den KlientIn von Beginn an sympathischer wirkt, allein weil sie / er einen Hund dabei hat (vgl. Wohlfarth / Mutschler / Bitzer 2013, S. 14).
Viele Aspekte der Bindungstheorie können auf die Mensch-Tier-Beziehung übertragen werden. Dies ist jedoch nur unter der Voraussetzung möglich, dass dem Tier eine Du-Evidenz zugeschrieben wird. Dies ist die Fähigkeit, in seinem Gegenüber – auch in einem Tier – ein „Du“ wahrzunehmen, d.h. ihn als ein Lebewesen anzunehmen und eine Beziehung zu diesem in Betracht zu ziehen (vgl. Wohlfarth / Mutschler / Bitzer 2013, S. 10). Diese Beziehung ist dann, so sagen es Crawford, Worsham und Swinehart (2006) durch Streicheln, Fellpflege und gemeinsame Aktivitäten gekennzeichnet (vgl. Crawford / Worsham / Swinehart 2006, zit, in: Wohlfarth / Mutschler / Bitzer 2013, S. 10) . Odendaal (2000) weist aber darauf hin, dass eine Bindung nur entstehen kann, wenn der Wunsch nach Aufmerksamkeit, Nähe und Interaktion von Mensch und Tier berücksichtigt wird (vgl. Odendaal 2000, S. 276).
Durch frühe Bindungserfahrungen entsteht ein inneres Arbeitsmodell, d.h. „ein kognitives Schema, welches zukünftige Wahrnehmungen und Verhaltensweisen beeinflusst“ (Wohlfarth / Mutschler / Bitzer 2013, S. 10). Wenn ein Tier in einem tiergestützten therapeutischen oder pädagogischen Setting als „sicherer Hafen“ dienen kann, so kann sich das innere Arbeitsmodell durch den Umgang mit dem Tier möglicherweise verändern und somit auch die Fähigkeit, mit belastenden Situationen besser umzugehen (vgl. Siegel 1990, S. 1084f.). Ob eine tiergestützte Intervention erfolgreich sein kann, scheint aber vor allem vom Bindungsmuster der / des KlientIn abhängig zu sein (vgl. Wohlfarth / Mutschler / Bitzer 2013, S. 11).
Wichtig ist, dass der Kontakt zu Tieren keine einmalige Sache ist, sondern sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Erst dann entwickeln Kinder und Jugendliche einen liebe- und respektvollen Umgang mit den Tieren und zeigen Verantwortung (vgl. Strunz 2013, S. 54). Die Beziehung zwischen Mensch und Tier „steht weder an Stelle von, noch in Konkurrenz zu interpersonalen Beziehungen sondern stellt eine bereichernde Ergänzung zu diesen dar“ (Vernooij / Schneider 2013, S. XVII). Ein Tier kann niemals die gestörte Beziehung zu einem anderen Menschen ersetzen, korrigieren oder die Beziehung zwischen SozialpädagogInnen und KlientInnen tragen (vgl. ebd., S. XVII). Jedoch ist es möglich, eine Beziehung zwischen SozialpädagogIn und KlientIn mit Hilfe eines Tieres aufzubauen. Die zunächst dyadische Beziehung zwischen Kind und Tier wird - für das Kind unbewusst - zu einer triangulären Beziehung (Kind – Tier – Sozialpädagoge) und führt dann im Idealfall zu einer positiven dyadischen Beziehung zwischen dem Kind und der / dem SozialpädagogIn. Diese ist die Basis für die pädagogische Arbeit (vgl. Strunz 2011, S. 242).
Um eine Beziehung zu einem Tier eingehen zu können, sind Empathie, Selbstkongruenz und (Selbst-)Vertrauen beim Menschen notwendig. Durch tiergestützte Interventionen können diese Fähigkeiten aufgebaut, erweitert oder gefestigt werden, wodurch sich auch die Lebensqualität des Menschen verbessern kann (vgl. Vernooij / Schneider 2013, S. 25).
4 Förderung emotionaler Kompetenzen
Durch Technisierung und Urbanisierung hat sich unsere Gesellschaft verändert. Durch diese Faktoren werden emotionale und soziale Interaktionen erschwert. Hier gewinnt die Beziehung zu Tieren immer mehr an Bedeutung, denn sie bietet emotionale und soziale Unterstützung. Von der Nähe zu Tieren profitieren insbesondere Kinder, Ältere, Kranke und einsame Menschen. Sie suchen aktiv die Nähe zu Tieren und sehen diese als emotional bedeutsame Partner an (vgl. Beetz 2003, S. 80f.).
Durch die Interaktion und eine gute Beziehung mit einem Tier lernen Kinder schon früh, die Gefühle und Bedürfnisse von Tieren und damit auch die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen besser zu verstehen (vgl. Beetz 2003, S. 82). Ludwig (2000) untersuchte Großstadtkinder, die mit Tieren aufwachsen und fand heraus, dass sie weniger aggressiv und gewaltbereit sind und ihr Verhalten rücksichtsvoller ist, als bei Kindern, die ohne Tierkontakt aufwachsen (vgl. Ludwig 2000, S. 16).
Dass Tiere Auswirkungen auf viele Bereiche der kindlichen Entwicklung haben können, wurde bereits geschildert. Im Folgenden wird nun erläutert, mit welchen Methoden speziell die emotionalen Kompetenzen von Kindern gefördert werden können, bevor auf die konkreten Veränderungen im emotionalen Verhalten sowie abschließend auf die Einschränkungen tiergestützter Interventionen eingegangen wird.
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- Arbeit zitieren
- Lisa Jelowik (Autor:in), 2017, Die Förderung emotionaler Kompetenzen von Kindern zwischen 0 und 7 Jahren durch tiergestützte Interventionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353971
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