Diese Arbeit behandelt grundsätzliche Theorien zur Entstehung von Gemeinschaften und Vergemeinschaftungen sowie die Übertragung dieser auf das Public Viewing.
Seit Stunden stehen sie hier; dicht aneinander gedrängt in der prallen Sonne. Tausende verschwitzte Menschen in Fußballtrikots, mit Fahnen in den Händen und Schminke im Gesicht. Einige von ihnen sind für diesen Tag von weit her angereist, andere harren schon seit dem frühen Morgen aus, um sich die besten Plätze zu sichern. Gut gelaunt strömen immer mehr ihresgleichen auf das eingezäunte Gelände. Es ist mittlerweile so voll, dass auch das letzte Individuum in der weiß-schwarz-rot-goldenen Masse nicht mehr auszumachen ist. Erst dann wird der Platz geschlossen. Wer jetzt noch kommt, muss sich im fast ebenso großen Gedränge außerhalb des Zaunes einen guten Blick auf einen der Bildschirme erkämpfen. Männer und Frauen verschiedenen Alters haben sich hier versammelt; einige sogar mit Kindern. Kaum einer hat genug Platz, um sich zur Erholung auch nur einen kurzen Moment auf den Boden zu setzen. Viele der Menschen singen, grölen oder wiederholen in Sprechgesängen immer wieder die gleichen, einstudierten Zeilen. Auf dem ganzen Gelände herrscht eine unheimliche Lautstärke.
Wenn man Szenen wie diese von der „Fan-Meile“ in Berlin am Brandenburger Tor in den Medien sieht, drängt sich so manchem Beobachter eine Frage auf: Warum tun sich diese Menschen das an? Viele von ihnen sind eingepfercht, wie Tiere, haben oft weder Schatten, noch durften sie auf das Gelände etwas zu trinken mitnehmen. Teilweise bezahlen sie sogar dafür, eingelassen zu werden. Dennoch versammeln sie sich an diesem Ort, um etwas zu sehen, das sie zu Hause mit Sicherheit viel genauer verfolgen könnten: ein Fußballspiel!
Jedoch handelt es sich bei diesen Menschen zum größten Teil nicht um allgemeine Fußballfanatiker oder Sportbegeisterte. Ebenso wenige von ihnen planen außerhalb dieser seltenen Ereignisse gemeinsame Unternehmungen, geschweige denn kennen sie sich persönlich. Was es ist, das diese Menschen veranlasst, sich zu versammeln und gemeinsam ein Spiel anzusehen, zusammen zu jubeln, zu feiern oder zu weinen und danach (meist) wieder als Fremde auseinanderzugehen? Ob es sich dabei um eine Art von Gesellschaft oder Gemeinschaft handelt oder es vielleicht noch etwas dazwischen gibt, soll nun Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein.
Inhaltsverzeichnis
- Gemeinschaft und Gesellschaft
- Gemeinschaft
- Gesellschaft
- Was bringt den Menschen Gemeinschaft?
- Was kann sie?
- Was kann sie nicht?
- Posttraditionale Gemeinschaften (nach Hitzler et al.)
- Besonderheiten „neuer“ Vergemeinschaftungen
- Sonderform „Situative Event-Vergemeinschaftung\" (Gebhardt)
- Public Viewing
- Definition
- Einordnung in die Theorie: Public Viewing als Beispiel posttraditionaler Vergemeinschaftung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit dem Phänomen des Public Viewing und untersucht die Frage, warum sich Menschen in großen Massen zu Fußballschauen versammeln, obwohl sie das Spiel zu Hause verfolgen könnten. Im Fokus steht die Analyse des Zusammenhalts dieser Menschen, der im Kontext von Gemeinschaft und Gesellschaft betrachtet wird.
- Gemeinschaft und Gesellschaft als unterschiedliche soziale Formen
- Die Entstehung und Funktion von Gemeinschaften
- Posttraditionale Gemeinschaften und ihre Besonderheiten
- Public Viewing als Beispiel einer situativen Event-Vergemeinschaftung
- Die Bedeutung von Public Viewing für die Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel legt die Grundlage für die Analyse, indem es die Begriffe Gemeinschaft und Gesellschaft differenziert. Es werden verschiedene Formen der Gemeinschaft nach Max Weber und Ferdinand Tönnies vorgestellt und deren Merkmale erläutert. Das zweite Kapitel untersucht die Funktion von Gemeinschaft im menschlichen Leben. Es werden die Möglichkeiten und Grenzen der Gemeinschaft beleuchtet. Im dritten Kapitel werden posttraditionale Gemeinschaften nach Hitzler et al. vorgestellt, die sich durch ihre Besonderheiten von traditionellen Gemeinschaften abheben. Das vierte Kapitel widmet sich dem Phänomen des Public Viewing und analysiert es als Beispiel einer situativen Event-Vergemeinschaftung im Kontext der posttraditionellen Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe des Textes sind Gemeinschaft, Gesellschaft, Vergemeinschaftung, posttraditionale Gesellschaft, Event-Vergemeinschaftung, Public Viewing und Fußballkultur. Der Text befasst sich mit der Frage, wie sich diese Phänomene im Kontext von sozialen Beziehungen und kollektiven Erlebnissen erklären lassen.
- Quote paper
- Yvonne Moch (Author), 2014, Was reizt uns an einer Gemeinschaft mit Fremden? Faszination Public Viewing, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354043