Elemente der Parodie romantischer Märchenmerkmale in E.T.A. Hoffmanns "Die Königsbraut"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Romantische Märchen
2.1 Das Kunstmärchen
2.2 Typische Elemente romantischer Poesie

3 Elemente der Parodie in der Königsbraut
3.1 Das Personal
3.2 Ein nach der Natur entworfenes Märchen
3.3 Parodierung typischer Handlungsinhalte
3.3.1 Spiel mit Märchenelementen
3.3.2 Die 'Kabbala'
3.3.3 Die Poesie
3.3.4 Die Herstellung des 'Goldenen Zeitalters'

4 Zusammenfassung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Romantik, in der das Phantastische und Märchenhafte zum Zentrum der Poesie wird, gilt als die Blütezeit des deutschen Kunstmärchens. Grob einzuordnen ist diese Zeit zwischen 1770 und 1830. Zwar wurden auch schon vorher Kunstmärchen geschrieben, jedoch stammt eine Reihe der bedeutendsten Werke der Gattung aus dieser Epoche. Darunter finden sich viele Märchen von bekannten Autoren, wie z.B. Goethes Märchen, Novalis' Märchen von Eros und Fabel, Hoffmanns Der goldene Topf oder Tiecks Der blonde Eckbert. Das deutsche Kunstmärchen ist von vielen typischen Gattungsmerkmalen geprägt, die zum Teil von den Romantikern selbst formuliert wurden.1

Hoffmanns Märchen, von denen er zahlreiche verfasst hat, zeichnen sich durch eine Orien- tierung an der Realität statt einer phantastischen Märchenwelt aus, wobei seine Figuren nicht selten „einem Prinzip der Duplizität und der verschobenen metamorphotischen Identität“2 unterstehen. Charakteristisch ist auch das zwar versöhnliche, meist aber ironisch zu interpretierende Ende seiner Märchen. Sein 1821 im Rahmen der Serapions-Brüder erschienenes Märchen Die Königsbraut ist sein letztes und wird in der Literatur als „Musterbeispiel der reinen Komik“3 und „komische[r] Höhepunkt“4 seiner dichterischen Laufbahn gehandelt.

In dieser Arbeit soll nun untersucht werden, ob die Königsbraut tatsächlich ein komisches, nicht ganz ernst zu nehmendes Werk Hoffmanns ist. Inwiefern werden die Merkmale romantischer Poesie ironisiert, karikiert oder verzerrt dargestellt? Welche typischen Märchen- elemente werden thematisiert und dann parodiert? Ziel dieser Arbeit ist es, darzulegen, dass in Hoffmanns letztem Märchen die Merkmale romantischer Poesie zwar verwirklicht, diese aber deutlich überspitzt dargestellt werden, sodass das Werk als Parodie der romantischen Ideale angesehen werden muss.

Dazu sollen in Punkt 2 zunächst die für die Gattung Kunstmärchen typischen Eigenschaften grob zusammengefasst werden, die Hoffmann in seiner Königsbraut dem Lächerlichen preisgibt. Im Hauptteil der Arbeit werden anschließend die Elemente der Parodie am Text untersucht und in verschiedenen Unterkategorien detailliert behandelt.

Dabei weisen sowohl die Besetzung des Personals als auch die verzerrte Darstellung von typischen Märchenelementen oft starke parodistische Züge auf. Darüber hinaus soll auch die ironische Aussagekraft des Untertitels Ein nach der Natur entworfenes Märchen genauer betrachtet werden.

Interessant ist außerdem die Behandlung der 'Kabbala' und anderer sog. Geheimwissen- schaften im Märchen, die Hoffmann in einem nicht ganz ernst zu nehmenden Licht erscheinen lässt. Wie in vielen anderen zeitgenössischen Märchen auch, kommt der Poesie in der Königsbraut eine tragende Rolle zu, nämlich die des erlösenden Moments. Inwiefern dies ironische Elemente und Anspielungen auf das serapiontische Prinzip enthält, soll in ent- sprechendem Abschnitt geklärt werden. Im letzten Unterpunkt wird abschließend auf die Bedingungen der Hinführung zum Happy End und somit zur Herstellung des 'Goldenen Zeitalters', welches ein beliebtes Motiv in romantischen Märchen darstellt, eingegangen.

2 Romantische Märchen

2.1 Das Kunstmärchen

Eine vor allem in der Romantik bedeutende Form des Märchens ist das deutsche Kunst- märchen. Begrifflich gesehen ist diese Bezeichnung aber eher ungenau und ursprünglich wohl auch abwertend gemeint, da die Bedeutung des Künstlichen hierbei immer mitschwingt. Wührl kritisiert außerdem, dass dieser Begriff viel zu verallgemeinernd ist und unterscheidet zahlreiche Ausprägungen, wie z.B. Novellenmärchen, Legendenmärchen, Märchendramen oder Wirklichkeitsmärchen, in welche auch E.T.A. Hoffmanns Die Königsbraut eingeordnet werden kann.5

Kunstmärchen, die durch einen bestimmten Autor und eine feste Textform gekennzeichnet sind, stehen als Gegenbegriff zu traditionellen Volksmärchen, die meist auf mündlichen Überlieferungen beruhen und somit keinen bekannten Verfasser haben. Des Weiteren weisen Kunstmärchen keine einsträngige Handlung, sondern komplexere Erzählstrukturen und oft eine verschachtelte Handlung auf, können also als eine „Weiterentwicklung der einfachen Form des Volksmärchens“6 betrachtet werden. Das zeigt sich auch in der Psychologisierung und somit Individualisierung der im Märchen handelnden Personen.

Ein weiteres Merkmal ist die anspruchsvolle sprachliche Gestaltung, wie z.B. die Verwendung von Metaphern und Allegorien, wodurch die eigentliche Botschaft nur schwer fassbar, oft verschleiert, verhüllt oder verfremdet wird. Im Gegensatz zu Volksmärchen, die am Ende der Handlung eine bestimmte Moral in sich tragen (Belohnung des Guten, Bestrafung des Bösen), lässt das Kunstmärchen eine solche Struktur meist nicht erkennen, diese wird hingegen häufig durch eine „skeptische Wirklichkeitssicht“7 oder einen rätselhaften Ausgang ersetzt.

Eine bedeutende Rolle im Kunstmärchen spielt außerdem die Realisation des Wunderbaren, das vom „Unglaublichen bis zum Absurden reicht“8. Als Mittel zur Gestaltung des Wunderbaren dienen hierbei häufig die Belebung aller Dinge (Pananimismus) und die Verwandlung (Metamorphose). Dabei stehen den handelnden Figuren nicht selten magische Instrumente, wie z.B. Steine, Ringe oder Zaubertränke, zur Verfügung, die auf wundersame Weise in die Handlung eingreifen und sie vorantreiben.9

Aufgrund dieser literarischen Komplexität kommen dem Leser des Kunstmärchens hohe Anforderungen zu und es wird deutlich, dass diese Form des Märchens nicht an Kinder, sondern in erster Linie wohl eher an Erwachsene gerichtet ist.

2.2 Typische Elemente romantischer Poesie

Im Folgenden sollen nun einige Grundmerkmale romantischer Poesie kurz zusammengefasst und erläutert werden. Der von Friedrich Schlegel geprägte Begriff der 'progressiven Universalpoesie' bezeichnet die Zusammenführung verschiedener literarischer Gattungen sowie die Verbindung der Poesie mit philosophischem Gedankengut und der Wissenschaft. Die progressive Universalpoesie ist somit nicht nur auf die Literatur beschränkt, sondern nimmt auch Bezug auf das Leben, macht also „die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch“10. Aufgrund des Anspruches auf Universalität und Progressivität, also Unabschließbarkeit, charakterisieren u.a. Elemente wie Fragment, Vermischung der Gattungen oder Ironie das romantische Gesamtwerk.11

In Hoffmanns Königsbraut zeigt sich diese Gattungsvermischung im Aufbau der Rahmen- handlung (Die Serapions-Brüder), in die immer wieder Erzählungen und Märchen integriert werden. Darüber hinaus enthalten Wirklichkeitsmärchen wie Die Königsbraut Elemente phantastischer Erzählungen, da den handelnden Personen „das Wunderbare auf verstörende Weise mitten in der Alltäglichkeit begegnet“12 und sind somit gattungstheoretisch eher als Mischformen zu betrachten.

Die Selbstreflexion der romantischen Poesie bezeichnet Schlegel als 'Transzendentalpoesie'. Charakteristisch dafür ist die Verbindung von Poesie und der philosophischen Reflexion über die Bedingungen der Möglichkeit von Poesie. Das romantische Märchen soll somit eine Kombination sein aus „künstlerischer Komposition und gleichzeitiger theoretischer Selbstreflexion“13, hat also immer auch die Aufgabe, sich selbst darzustellen, zu beobachten und zu reflektieren, wie es auch in der Königsbraut der Fall ist.

Ein weiteres beliebtes Motiv in der romantischen Literatur ist der Aufbau nach einem tria- dischen Geschichtsmodell. Die Vergangenheit bzw. Ausgangslage wird hierbei als Situation der Harmonie und des Friedens idealisiert, während die Gegenwart durch Probleme und Krisen deutlich negativ behaftet ist. Ziel ist es, diese Zwietracht zu überwinden und somit die Ordnung und das 'Goldene Zeitalter' wiederherzustellen.

Darüber hinaus charakteristisch für die Literatur dieser Epoche ist die Verwendung der 'romantischen Ironie', die von der sokratischen Ironie14 abgegrenzt werden muss. Erstere ist gekennzeichnet durch oft ambivalente Situationen oder Aussagen, die im Widerspruch stehen, was beim Leser zur Unentscheidbarkeit über die tatsächliche Bedeutung führt.15

3 Elemente der Parodie in der Königsbraut

Die in Punkt 2 genannten Merkmale romantischer Märchen, die in der frühen und mittleren Romantik bei zahlreichen Autoren, darunter Hoffmann, Tieck oder Novalis, umgesetzt werden, finden sich auch in Hoffmanns letztem, 1821 erschienenen Märchen Die Königs- braut, bei genauerer Betrachtung werden diese jedoch deutlich ins Lächerliche gezogen und parodiert. Unter einer Parodie versteht man in der Literatur eine verspottende, übertriebene Nachahmung eines bereits bestehenden Werks. In diesem Fall wird durch die überspitzte Darstellung charakteristischer Eigenschaften des romantischen Märchens gleich ein ganzes Genre parodiert. Indem auf bekannte Motive, Handlungsstrukturen oder Personenkon- stellationen angespielt wird, provoziert der Autor eine bestimmte Erwartungshaltung beim Leser, die dann aber unterlaufen und von parodistischen Elementen ersetzt wird. In folgenden Unterpunkten soll nun erläutert werden, inwieweit E.T.A. Hoffmanns Königsbraut eine Parodie der von den Romantikern geschaffenen Märchenwelt ist.

3.1 Das Personal

Schon der Titel Die Königsbraut erweckt beim Leser bestimmte Erwartungen an die auftretenden Figuren des Märchens. Dieser lässt nämlich auf höfisches oder königliches Personal schließen, tatsächlich aber treten hier einfache Dorfbewohner und Alltagsmenschen auf, die immerhin ihrer Abstammung nach zumindest adlige Vorfahren haben, in ihrem Charakter und Verhalten aber keinerlei adlige Züge aufweisen. Zwar ist es vor allem in Wirklichkeitsmärchen keine Seltenheit, dass das Märchenpersonal nicht immer von edler Herkunft ist, jedoch macht Hoffmann aus den hier handelnden Akteuren überzeichnete Karikaturen mit viel zu hohen Überzeugungen von sich selbst.

Die Hauptfigur Anna von Zabelthau, eigentlich in der Rolle der 'Königsbraut', wird als derbes Hausmädchen mit rundlicher Figur, dessen einziges Interesse landwirtschaftliche Arbeit wie die Pflege ihres Gemüsegartens ist, dargestellt. Vom Gemüt her ist sie freundlich und unbe- schwert, sie spricht „munter und frei von allem, was die Landwirtschaft betrifft und zeigt da- bei gar keine unebene Kenntnisse“16. Ansonsten jedoch wirkt Anna ungebildet - sie bezeichnet

[...]


1 Kremer, Detlef: Romantik. Lehrbuch Germanistik. 2007.

2 Ebd. S. 196.

3 Segebrecht, Wulf: E.T.A. Hoffmann. Die Serapions-Brüder. 2001, S. 1643.

4 Kaiser, Gerhard R.: E.T.A. Hoffmann. 1988, S. 80.

5 Wührl, Paul-Wolfgang: Das deutsche Kunstmärchen. Geschichte, Botschaft und Erzählstrukturen. 2003.

6 Ebd. S. 3.

7 Ebd. S. 3.

8 Steffen, Hans: Märchendichtung in Aufklärung und Romantik. 1963, S. 101.

9 Wührl, 2003.

10 Kremer, 2007, S. 92.

11 Ebd.

12 Wührl, 2003, S. 13.

13 Kremer, 2007, S. 90 f.

14 Eine Aussage, bei der das genaue Gegenteil von dem, was sie aussagt, gemeint ist.

15 Kremer, 2007.

16 E.T.A. Hoffmann: Die Königsbraut. In: Segebrecht, Wulf (Hg.), E.T.A Hoffmann. Die Serapions- Brüder. 2008, S. 1141. Im Folgenden mit dem Kürzel [KB] gekennzeichnet.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Elemente der Parodie romantischer Märchenmerkmale in E.T.A. Hoffmanns "Die Königsbraut"
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Department Germanistik und Komparatistik)
Veranstaltung
Hauptseminar: Romantisch Märchen
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
21
Katalognummer
V355089
ISBN (eBook)
9783668412446
ISBN (Buch)
9783668412453
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
E.T.A. Hoffmann, Kunstmärchen, Romantik, Die Königsbraut, Parodie, romantische Poesie, Goldenes Zeitalter, romantische Geschichtstriade, Ironie
Arbeit zitieren
Anna Hummel (Autor:in), 2015, Elemente der Parodie romantischer Märchenmerkmale in E.T.A. Hoffmanns "Die Königsbraut", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/355089

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