Appians Ausführungen zur Agrargesetzgebung des Appuleius Saturninus zeichnen das Bild vom strategisch schwachen Politiker Marius. Sein Lavieren, die Hilflosigkeit mit der er zwischen den Verpflichtungen eines erfolgreichen Feldherrn und den Gefahren einer politischen Revolution hin und her wankt, lassen staatsmännisches Format und Weitsicht in staatlichen Angelegenheiten vermissen. Wie kam es dazu, dass ein Mann, dessen Fähigkeiten in militärischen Notsituationen mehrmals in Anspruch genommen wurden und der aussichtslose Lagen in glänzende Siege zu verwandeln wusste, sich dermaßen verkalkulierte und selbst seinen politischen Niedergang einleitete?
Inhaltsverzeichnis
- Appians Ausführungen zur Agrargesetzgebung des Appuleius Saturninus
- Die Berührungspunkte zwischen den beiden Lebensläufen von Marius und Appuleius Saturninus
- Den Höhepunkt der gemeinsamen Macht erleben Marius, Saturninus und ihr Verbündeter Glaucia um das Jahr 100 v. Chr.
- Zwei weiterführende Wege sind denkbar
- Wie viele politisch relevante historische Figuren wählt Marius den zweiten Weg
- Appian zeichnet ein zwiespältiges Bild von Marius
- Das vergiftete innenpolitische Klima, welches von den Akteuren rund um das Agrargesetz selbst herbeigeführt worden ist
- Nichtsdestotrotz bleibt bei den Vorgängen rund um die Eidesleistung das Bild eines hinterlistigen Marius
- Warum aber kann Marius aus den gegebenen Umständen kein politisches Kapital schlagen für zukünftige Unterfangen und Vorhaben?
- In seiner unklaren Haltung gegenüber den Anhängern und gleichzeitig gegenüber der herrschenden Klasse zeichnet sich das Unsicherheitselement zwischen den beiden oben skizzierten Wegen ab.
- Um nicht Gefahr zu laufen, allzu vage psychologische Deutungen aus den Schilderungen und dem bei Appian skizzierten Handeln des Marius zu ziehen, lohnt sich auch ein kurzer, allgemeiner Hinweis auf die Geschichtsschreibung des Appian.
- Mit der neueren historischen Forschung hat die Person des Marius denn auch eine Aufwertung erfahren.
- Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren und eine Antwort auf die Frage zu finden, warum sich Marius selbst in die Lage brachte, als glückloser politischer Agitator zu gelten, fasse ich seine Handlungen bis und die entscheidenden Stellen im Zusammenhang mit dem Agrargesetz zusammen.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay analysiert Appians Darstellung der Agrargesetzgebung des Appuleius Saturninus und beleuchtet die politische Strategie des römischen Feldherrn Marius in diesem Kontext. Der Fokus liegt auf der Frage, warum Marius, trotz seiner militärischen Erfolge, in der Innenpolitik scheiterte und sich selbst in eine schwierige politische Lage brachte.
- Die politische Strategie von Marius im Kontext der Agrargesetzgebung
- Das Verhältnis zwischen Marius und Appuleius Saturninus
- Die Rolle des Senats und der Nobilität in der politischen Landschaft der späten Republik
- Die Bedeutung des Agrargesetzes für die politische und soziale Entwicklung Roms
- Appians Darstellung von Marius und seine historische Relevanz
Zusammenfassung der Kapitel
- Appians Ausführungen zur Agrargesetzgebung des Appuleius Saturninus zeichnen das Bild vom strategisch schwachen Politiker Marius. Sein Lavieren zwischen den Verpflichtungen eines erfolgreichen Feldherrn und den Gefahren einer politischen Revolution lässt staatsmännisches Format und Weitsicht vermissen.
- Die Berührungspunkte zwischen den beiden Lebensläufen von Marius und Appuleius Saturninus sind so evident, dass sie zwangsläufig zu Bündnis und Verwerfung führen mussten. Wie bei Marius ist auch Appuleius Saturninus' politischer Aufstieg geprägt von einer antielitären Haltung, ausgelöst durch die Brüskierungen der Classe Politique. Sein politischer Ehrgeiz, das Streben nach politischer Macht und Einfluss machen ihn zu einem Anhänger des Marius.
- Den Höhepunkt der gemeinsamen Macht erleben Marius, Saturninus und ihr Verbündeter Glaucia um das Jahr 100 v. Chr. Einerseits verfügen sie formell mit ihren Stellungen als Konsul, Prätor und Volkstribun über die Macht in der Republik, andererseits erfährt Marius' Nimbus mit dem vollständigen Sieg über die Kimber ein Jahr zuvor eine nochmalige Aufwertung und es festigt sich seine Stellung als Anführer der Soldaten und der Bürgerschaft.
- Nach den kompromisslosen Aufstiegen und erfolgreichen Politschlachten gegen die herrschende Aristokratie, stehen zu diesem Zeitpunkt Marius und Saturninus selbst an jenen Positionen, die ihnen die Lenkung der Staatsgeschicke erlauben. In solchen Konstellationen sind zwei weiterführende Wege denkbar.
- Wie viele politisch relevante historische Figuren wählt Marius den zweiten Weg. Gestärkt durch seine militärischen Erfolge lässt er der machtpolitischen Vernunft wenig Raum. Zusammen mit seinem Verbündeten Appuleius Saturninus, dessen eigenständiges Verhalten in diesem Punkt angezweifelt werden darf, verbindet er die Vorgänge um das Agrargesetz von Anfang an mit einer List gegen Q. Caecilius Metellus Numidicus, mit dem sowohl Marius als auch Saturninus und Glaucia noch offene Rechnungen zu begleichen haben.
- Appian zeichnet ein zwiespältiges Bild von Marius: Einerseits verfolgt er mit aller Konsequenz die Hinterlist gegen den Gegner innerhalb der Nobilität, andererseits versucht er mit dem beschriebenen Vorgehen das Gesicht zu wahren und es scheint, als ob er nicht offenkundig gegen den Senat als politische Institution vorgehen wolle. In der Darstellung Appians nämlich wählt Marius einen scheinbar konzilianten Weg zur Kommunikation seines Gesinnungswandels in Bezug auf das Agrargesetz: Er unterrichtet die Senatsmitglieder in einer (wenn auch eilends) anberaumten Sitzung und es scheint, als ob Marius die Senatoren mit Bescheidenheit zu überzeugen versuchte. Die Hinweise auf die Furcht vor dem Volk und das Bestehen auf legalen Grundsätzen lassen dies zumindest vermuten.
- Das vergiftete innenpolitische Klima, welches von den Akteuren rund um das Agrargesetz selbst herbeigeführt worden ist, ist ein entscheidender Punkt in der Bewertung der Haltung des Marius. Zunächst stellt sich die Frage, warum Marius den Senatoren vor der Eidesleistung eine List gegen seine eigene Anhängerschaft vorschlägt. Die Glaubwürdigkeit dieser Überlieferung darf angezweifelt werden, da sie als Interna des Senates von Gegnern des Marius in die Welt gesetzt sein könnte. Bei einer späteren Bewertung der Vorgänge – nachdem Marius bereits seine Position und Macht verloren hat – kann eine solche Umdeutung im Interesse früherer Gegner liegen, da sie den Ruf des Feldherrn zu schädigen im Stande ist und seine Reputation als Popularenpolitiker nachhaltig beeinträchtigt. Einer Wiederkehr und einer Wiederherstellung des vormaligen Einflusses kann so effizient entgegengewirkt werden.
- Nichtsdestotrotz bleibt bei den Vorgängen rund um die Eidesleistung das Bild eines hinterlistigen Marius, der nicht mit offenen Karten spielt und mit der Frage des Eides sich gleich auch noch eines alten Feindes entledigt. Das Verhalten von Metellus dagegen wird bei Appian nur allzu rühmlich dargestellt. An mehreren Stellen werden seine Charaktereigenschaften durchwegs positiv beschrieben, seine Haltung als konsequent und die Beweggründe seines Handelns als uneigennützig und geradezu aufopfernd. Seine Unabhängigkeit dürfte denn auch entsprechend groß gewesen sein. Als Mitglied einer weitverzweigten, materiell begüterten und fest verankerten Familie ist er so etwas wie der Inbegriff der herrschenden Nobilität und dürfte entsprechend auch auf persönlicher Ebene die Ungunst seiner Gegner geweckt haben.
- Warum aber kann Marius aus den gegebenen Umständen kein politisches Kapital schlagen für zukünftige Unterfangen und Vorhaben? In der entscheidenden Phase stellen wir bei Appian fest, dass aus dem vormalig forsch und aggressiv auftretenden Marius ein abwägender, zögernder Mann geworden ist, der sich vor einem abermaligen direkten Affront gegen den Senat hütet. Äußerlich scheint er immer noch mit Saturninus zusammenzuspannen, aber in seiner persönlichen Haltung keimen Skrupel vor einem allzu terroristischen Auftreten der Popularen auf. Er gibt sich der List und dem Kampf gegen alte Feinde hin, ohne zu merken, dass mit einer konsequenten Verfolgung von sachlichen Interessen und ihrer Durchsetzung diese Ziele ebenfalls zu erreichen sind. Wäre Metellus ein wirklich einflussreicher Mann gewesen, wäre seine Verbannung nicht in dieser eleganten Art und Weise von statten gegangen. An dieser Stelle überschätzt Marius also vielleicht seinen Gegner, wie er auch selbst seine politische Rolle überschätzt.
- In seiner unklaren Haltung gegenüber den Anhängern und gleichzeitig gegenüber der herrschenden Klasse zeichnet sich das Unsicherheitselement zwischen den beiden oben skizzierten Wegen ab. Seinen entscheidenden Fehler begeht er, indem er nicht auf dem Weg der mehr oder minder starken Konfrontation bleibt und sich mit Anbiederung an den Senat und an die herrschenden Verhältnisse unglaubwürdig macht. Seine Selbstüberschätzung liegt darin, dass er glaubt, mit Kompromissen zu einer tragenden Figur innerhalb des Zirkels der Nobilität zu werden, obwohl diese einen Aufsteiger, einen früheren Angreifer und Verächter niemals in ihre Reihen aufnehmen würden. Er vergibt seinen politischen Einfluss dadurch, dass ihm das Umschwenken auf den ersten, konzilianten Weg zur Interessensdurchsetzung nicht gelingt, nicht gelingen kann und eine konsequente Haltung mit allen dazugehörenden Schmähungen und Verachtung nicht aushalten will oder nicht aushalten kann.
- Um nicht Gefahr zu laufen, allzu vage psychologische Deutungen aus den Schilderungen und dem bei Appian skizzierten Handeln des Marius zu ziehen, lohnt sich auch ein kurzer, allgemeiner Hinweis auf die Geschichtsschreibung des Appian.
- Mit der neueren historischen Forschung hat die Person des Marius denn auch eine Aufwertung erfahren. Die einseitigen Charakterisierungen werden zugunsten eines differenzierteren Bildes aufgegeben und sein Handeln ausgewogener beurteilt.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Essays sind die politische Strategie des römischen Feldherrn Marius, die Agrargesetzgebung des Appuleius Saturninus, die Machtstrukturen der späten römischen Republik, die Rolle des Senats und der Nobilität, sowie die Analyse von Appians Darstellung der Ereignisse.
- Citation du texte
- MLaw Markus Huber (Auteur), 2012, Das Agrargesetz des Appuleius Saturninus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/355991