Zwischen Aktionismus und nachhaltigen Strategien. Prävention politisch motivierter Kriminalität-Rechts (PMK-rechts) im Freistaat Sachsen


Bachelorarbeit, 2016

54 Seiten, Note: 1,3

Anna Reinhardt (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II. Aktionismus oder nachhaltige Strategie

III. Forschungsgegenstand und Forschungsziel
1. Forschungsgegenstand, Hypothesen und Methoden
2. Schlüsselbegriffe
2.1 Staatsschutz und Staatsschutzkriminalität
2.2 Politisch motivierte Kriminalität
2.3 Politisch motivierte Kriminalität-Rechts
2.4 Risiko- und Schutzfaktoren bei der Entwicklung von Gewalt- und Vorurteilskriminalität
2.5 Prävention
2.5.1 Kriminalprävention
2.5.2 Kommunale Kriminalprävention
2.5.3 Ebenen der Prävention
2.5.3.1 Primäre/Soziale/Universelle Prävention
2.5.3.2 Sekundäre/Situative/Selektive Prävention
2.5.3.3 Tertiäre/Integrative/Indizierte Prävention

IV. Status Quo PMK-Rechts in Sachsen und Handlungsfelder der Prävention
1. Politisch motivierte Kriminalität-Rechts im Freistaat Sachsen
2. Handlungsfelder Prävention PMK-Rechts in Sachsen
2.1 Politische Bildung, Demokratiearbeit, interkulturelles Lernen
2.2 Innere Sicherheit

V. Präventionsmodell PMK-Rechts Sachsen

VI. Mehr als nur Aktionismus

VII. Anhang

VIII. Quellenverzeichnis

II. Aktionismus oder nachhaltige Strategie

Wenn sich eine liberale starke Demokratie mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert sieht, rechtspopulistische Bewegungen eine große Anhängerschaft hinter sich vereinen und die Zahl politisch motivierter Gewalttaten ansteigt, dann sollte es das Ziel der Politik sein, die bisherigen Maßnahmen zur Anbindung der Menschen an den demokratischen und interkulturellen Diskurs kritisch zu reflektieren und möglicherweise neu zu gestalten, um das Aufkommen politisch motivierter Kriminalität nachhaltig zu senken.

Der Freistaat Sachsen erlangte in den vergangenen beiden Jahren eine starke Medienpräsenz durch die offene Ablehnung von Zuwanderung, die Gewaltbereitschaft gegenüber Ausländern und die Ablehnung der aktuellen Politik. Exemplarisch am Freistaat Sachsen wurde immer wieder die Frage nach den sozialmoralischen Ressourcen in der Gesellschaft gestellt. Es scheint, als mangele es an einer reflektierten Partizipationsbereitschaft und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Deutungsansätze gibt es viele: Unzufriedenheit über die eigene gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage, keine Möglichkeit politischer Einflussnahme, fehlende Bildung (Vgl. Öztürk 2010: 2). Die sich daraus ergebende Gefahr besteht im Angriff auf die Demokratie und kann sich letztlich in politisch motivierter Gewalt äußern. Nahezu täglich gibt es in Lageberichten der sächsischen Polizei Meldungen bezüglich vorurteilsmotivierter Übergriffe. Diese Form der Kriminalität ist nicht nur ein Gegenstand instabiler Demokratien und konfliktgeprägter Staaten. Sie ist in Deutschland ein bekanntes Problem und untergräbt immer wieder die Werte der wehrhaften Demokratie. Menschen- und Verfassungsrechte werden verletzt und die Rechtsstaatlichkeit, die Demokratie und der Pluralismus in Frage gestellt. Mit dem Auftreten politisch motivierter Gewalt ist der Ruf nach einer starken Staatsregierung sowie einer durchgreifenden Polizei und Justiz verbunden. Im Koalitionsvertrag vom 11. November 2014 zwischen der CDU Sachsen und der SPD Sachsen heißt es „Wir werden Menschenfeindlichkeit und Intoleranz in der Gesellschaft konsequent bekämpfen und beharrlich gegen politisch motivierte Straftaten vorgehen.“ (Vgl. Sächsische Staatsregierung 2014: 101). Will man fremdenfeindlichen Tendenzen nachhaltig entgegenwirken, darf der Fokus nicht allein auf repressiv geprägten, sicherheitspolitischen Aufgaben liegen. Polizeiliches und justizielles Handeln allein können rechte Gewalt nicht stoppen (Vgl. Deutscher Bundestag 2016: 3). Politisch motivierte Kriminalität ist sehr komplex - Ursachen und Folgen sind so breit gefächert, dass es für die Strafverfolgungsbehörden unmöglich ist, allein einen angemessenen, erfolgversprechenden und nachhaltigen Ansatz der Prävention zu konzipieren. Daraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Trägern der öffentlichen Verwaltung und Zivilgesellschaft zu intensivieren. Die Verhütung politisch motivierter Gewalt bedarf eines gesamtgesellschaftlichen Konzepts. Systematische Arbeiten zur Prävention politisch motivierter Kriminalität in Sachsen liegen bislang nicht vor. Die meisten Untersuchungen befassen sich mit Erklärungsversuchen für vorurteilsmotivierte Gewalt oder untersuchen Einstellungen auf Basis von Umfragedaten. Die vorliegende Forschungsarbeit befasst sich daher mit der Frage: „Wie sind die Präventionsmaßnahmen der sächsischen Staatsregierung in Bezug auf politisch motivierte Kriminalität–Rechts ausgestaltet und welche Dimensionen zur Verhütung lassen sich, unter Zuhilfenahme kriminalpräventiver Theorien, für die zukünftige Arbeit ermitteln?“.

III. Forschungsgegenstand und Forschungsziel

1. Forschungsgegenstand, Hypothesen und Methoden

Forschungsgegenstand sind Präventionsmaßnahmen in Bezug auf politisch motivierte Kriminalität (PMK) im Freistaat Sachsen. Die Fallauswahl ist motiviert von der Absicht, auf Basis präventionstheoretischer Erkenntnisse und der Analyse bisheriger Präventionsmaßnahmen im Freistaat Sachsen, unter Berücksichtigung kriminalpräventiver Ansätze, ein Präventionsmodell für Sachsen zu konzipieren. Der Fokus liegt dabei auf den Handlungsfeldern (1) Politische Bildung, Demokratiearbeit, interkulturelles Lernen und (2) Innere Sicherheit.

Die Prävention politisch motivierter Kriminalität-Rechts im Freistaat Sachsen - als abhängige Variable - wird mittels kriminologischer Gesichtspunkte - als unabhängige Variable - analysiert. In diese kriminologische Betrachtung fallen schwerpunktmäßig soziologische und psychologische Erkenntnisse (Vgl. Beelmann 2008; Hafen 2005; Kardorff 1995; Preiser 2013). Im Rahmen dessen findet auch das Konzept der ‚Kommunalen Kriminalprävention‘ Anwendung, welches mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand zentrale Erklärungskraft hat (Vgl. Heinz 1997/2005; Hermann 2008; Kober und Kahl 2012). Aus der bisherigen soziologischen, psychologischen, kriminologischen und politikwissenschaftlichen Analyse des Untersuchungsgegenstandes hat sich eine Multiperspektivität ergeben, die es erlaubt - als intervenierende Variable - einen weiten Blick anzulegen. Abschließend werden die Erkenntnisse zu den Ansatzpunkten und Wirkungsebenen von Prävention in einem Modell zusammengefasst. Die theoretische Grundlage für dieses bildet die Präventionsmatrix des Kriminologen Bernd-Dieter Meier (Vgl. Meier 2016).

Die Forschungsarbeit wird von folgenden zentralen Annahmen geleitet.

1. Wenn man die Erkenntnisse der allgemeinen Kriminalprävention berücksichtigt und diese mit soziologischen und psychologischen Erkenntnissen zum Thema Vorurteilskriminalität kombiniert, ist es möglich, ein allgemein anwendbares Präventionsmodell zu erarbeiten.
2. Wenn die vielfältigen politischen Ressorts zusammenarbeiten, sie die sozialmoralischen Ressourcen integrieren und unterstützen, ist es möglich, ein ganzheitliches Konzept zu erschaffen, welches Vorurteilskriminalität entgegentritt und die Demokratie stärkt - Ein Konzept, das es schafft, staatliche und nichtstaatliche Ressourcen zu bündeln und so den Rechtsstaat und die Bürgergesellschaft verbindet.

Ganz allgemein wird erwartet, Aussagen darüber treffen zu können, wie die Prävention politisch motivierter Kriminalität aufgestellt und wie nachhaltig sie konzipiert ist. Zur Überprüfung wird ein Methodenmix genutzt. Die vorliegende Untersuchung ist eine Einzelfallstudie mit dem Hauptziel, eine Theorie auf den Freistaat Sachsen anzuwenden und zu optimieren. Das Forschungsdesign ist weitestgehend explorativ. Dieses Vorgehen wurde gewählt, um die Komplexität des Gegenstandes und die unterschiedlichen Faktoren möglichst umfassend abbilden zu können.[1]

Die folgenden Überlegungen sind in vier Teile gegliedert: Zuerst werden die zentralen Begriffe der Staatsschutzkriminalität und der sich daraus ergebenden politisch motivierten Kriminalität–Rechts (PMK-Rechts) sowie die Begriffe der Prävention und Kriminalprävention herausgearbeitet. Neben dem zentralen Interesse eine Präventionsmatrix für Sachsen zu erstellen, wird zuvor der Kenntnisstand zur Prävention von PMK dargestellt. Die Darstellung beruht auf einer Sekundäranalyse wissenschaftlicher Literatur, die soziologische, pädagogische und psychologische Prägefaktoren berücksichtigt. Der wichtigste Erklärungsansatz im Rahmen dessen ist, die Theorie des kognitiv-sozialen Lernens und die Erkenntnis, dass bereits seit der frühesten Kindheit Präventionsmaßnahmen ein entscheidendes Element sind. Daran anschließend wird anhand der vom Sächsischen Staatsministerium des Inneren herausgegebenen Statistiken und aktueller Krisendiagnosen die Lage zur PMK-Rechts knapp dargestellt. Mittels der begrifflichen Klärung und der aktuellen „Krisendiagnose“ werden die Handlungsfelder (1) Politische Bildung, Demokratiearbeit, interkulturelles Lernen und (2) Innere Sicherheit untersucht. Darauf aufbauend wird der Frage nachgegangen, wie die Präventionsmaßnahmen ausgestaltet sind. Unter Rückgriff auf die zuvor dargestellten Erkenntnisse wird abschließend versucht, ein Konzept zur Prävention von politisch motivierter Kriminalität im Phänomenbereich Rechts abzuleiten. Schließen wird die Arbeit mit einem Kapitel, in dem die Ergebnisse und der Forschungsprozess eine Würdigung und grundlegende Bewertung erfahren. Wie sich aus den Ausführungen ergibt, liegt ein qualitativ induktives Forschungsdesign zugrunde. Für den theoriebasierten Teil werden Sekundärdaten in Form verbaler Daten genutzt. Ebenso basieren die empirischen Auswertungen auf Sekundärdaten - bei diesen handelt es sich zu einem großen Teil um Pressemitteilungen und Publikationen der Ministerien und der sächsischen Staatsregierung. Für die Darstellung statistischer Erkenntnisse wird auf Sekundärdaten in Form von Aggregatdaten zurückgegriffen. Diese Triangulation qualitativer und quantitativer Daten zielt nicht zuvorderst auf eine höhere Validität ab, vielmehr soll eine umfassendere Darstellung und Auswertung erreicht werden.

Politisch motivierte Gewalt ist kein ausschließlich sächsisches Phänomen. Ein Präventionsmodell, das unter Berücksichtigung der Dimensionen von politisch motivierten Straftaten und präventiv handelnden Akteuren Anwendung finden kann, ist als Bereicherung für die Präventionsforschung zu werten. Wenn es gelingt, politisch motivierte Gewalttaten zu verringern, wäre das ein Erfolg für die liberale Demokratie.

2. Schlüsselbegriffe

Vorbemerkung

Es gibt kein greifbares wissenschaftliches Konzept zu politisch motivierter Gewalt beziehungsweise Kriminalität. Teile dieses Untersuchungsschwerpunktes finden sich in Konzepten zu Extremismus, revolutionärer Gewalt oder auch Terrorismus. Nach wie vor fehlt es an einem eigenständigen politikwissenschaftlichen Konzept, welches die Anforderungen der nachhaltigen Kriminalprävention mit der Phänomenologie der politisch motivierten Kriminalität verbindet. Trotz einer polizeilichen Abgrenzung des Begriffs, die nachfolgend dargestellt wird, lässt sich die Autorin insgesamt von einem weiten Begriff leiten, denn die Polizei erfasst nur tatsächliche Straftaten. Vorurteilsmotivierte Handlungen und Äußerungen gibt es jedoch bereits im prä-kriminellen Raum, ohne dass diese einen Straftatbestand erfüllen. Als mögliche Vorstufe zu PMK müssen auch diese in die Betrachtung einbezogen werden.

2.1 Staatsschutz und Staatsschutzkriminalität

Staatsschutz meint den Schutz der inneren und äußeren Existenz des Staates und dessen Einrichtungen und Symbole. Der Verfassungsschutz hat die Beobachtung verfassungsfeindlicher Entwicklungen zur Aufgabe, die Polizei hingegen die generelle Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der polizeiliche Staatsschutz im Speziellen, befasst sich mit der Verhütung und Verfolgung politisch motivierter Kriminalität – Staatsschutzkriminalität (Vgl. LKA Sachsen 2011: 37; Droste 2007: 301). Bereits im Jahr 1978 formulierte Gerald Grünwald eine Definition, die man in ähnlicher Weise übernommen hat. Zur politischen Kriminalität, so heißt es,

„sollte man jedenfalls alle Straftaten rechnen, die einen Angriff auf den Bestand oder die Verfassungsordnung des Staates darstellen. Dazu gehören einmal die Handlungen, die durch die besonderen Tatbestände der Staatsverbrechen – insbesondere Hochverrat, Landesverrat und Staatsgefährdung – erfaßt werden. Daneben stehen die Handlungen, deren Strafbarkeit sich aus den Strafbestimmungen des allgemeinen Strafrechts ergibt, die aber zugleich einen Angriff auf den Bestand oder die Verfassungsordnung des Staates enthalten.“ (Grünwald 1978: 22)

Staatsschutzkriminalität meint Straftaten, die sich gegen die Verfassung, den Bestand oder die Sicherheit des Staates richten (Vgl. LfV Sachsen 2016: 319). Die strafrechtliche Betrachtung dieser Form von Kriminalität gliedert sich in echte und unechte Staatsschutzdelikte. Echte Staatsschutzdelikte finden strafrechtliche Betrachtung im Besonderen Teil des StGB (Anlage 1). Als unechte Staatsschutzdelikte zählen Straftatbestände, wenn dahinter eine politische Motivation zu erkennen ist.[2] Aufgabe des politischen Staatsschutzes ist es, politisch motivierte und staatsbedrohende Maßnahmen zu verhindern. Bisher hat das Forschungsfeld weniger Zugang in die politikwissenschaftliche Analyse gefunden, als man annehmen könnte. Mit dem 01. Januar 2001 wurde von der ständigen Konferenz der Innenminister zumindest ein „Definitionssystem politisch motivierter Kriminalität“ eingeführt, welches es ermöglicht, die verschiedenen real existierenden Ausprägungen zu strukturieren. Somit wurden bundesweit einheitliche Kriterien in Bezug auf polizeiliche Beschreibung, Bewertung und Erfassung von Staatsschutzdelikten geschaffen. Das Definitionssystem orientiert sich nicht am Extremismusbegriff, sondern fokussiert sich auf die tatauslösende politische Motivation. Denn „die differenzierte, mehrdimensionale Erfassung von Tat-, Täter- und Opfermerkmalen ermöglicht eine qualifizierte, differenzierte und damit aussagekräftige Auswertung und Lagedarstellung.“ (Depping und Kaiser 2003: 147). Man unterscheidet Straftaten zuvorderst nach Deliktsqualität und schreibt sie dann einem Phänomenbereich zu. Gemäß ihrer Motivlage werden sie entsprechenden Themenkomplexen zugeordnet, die einem bundesweit einheitlichen Katalog entnommen werden . Zudem wird geprüft, ob die Straftaten als extremistisch anzusehen sind. Die Orientierung an der tatauslösenden Motivation ist auch entscheidend für die vorliegende Arbeit. Will man ein Präventionsmodell erarbeiten, stehen, neben der Abgrenzung der Begriffe, das Individuum und die es umgebende Gesellschaft im Fokus. Siegfried Preiser verweist darauf, dass mit der Verwendung eines analytisch unscharfen Begriffs die Gefahr, die vom Extremismus ausgeht, relativiert werden würde. Das Gefährdungspotential demokratiefeindlicher Kräfte müsse jedoch erkannt werden (Preiser 2013: 4). Dazu brauche es Analysekategorien, die auch Zustimmung in der Gesellschaft finden. Auch wenn das geschaffene polizeiliche Definitionssystem nicht die wissenschaftliche Schärfe aufweist, erweist es sich dennoch als gute Grundlage, um PMK-(Rechts) und Kriminalprävention zusammenzuführen. Nachfolgend wird das Definitionssystem erläutert.

2.2 Politisch motivierte Kriminalität

Das von der Innenministerkonferenz beschlossene „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) und die „Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK) enthalten bundesweit einheitlich geltende Kriterien zur Definition und Erfassung politisch motivierter Straftaten. Danach gliedert sich die politisch motivierte Kriminalität in (1) Klassische Staatsschutzdelikte nach dem StGB und (2) Straftaten der Allgemeinkriminalität in Verbindung mit Hasskriminalität:

Klassische Staatsschutzdelikte nach dem StGB sind:

„alle Straftaten, die einen oder mehrere Straftatbestände der sog. klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Im Einzelnen gelten die folgenden Straftatbestände als Staatsschutzdelikte: §§ 80-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a des Strafgesetzbuches (StGB). Als relativ häufig vorkommende Beispiele sind Propagandadelikte (§§ 86, 86a StGB) anzuführen; aber auch die Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) und Hochverrat (§§ 81, 82 StGB) zählen dazu.“

Straftaten der Allgemeinkriminalität i.V.m. Hasskriminalität

„Straftaten, die ebenso in der Allgemeinkriminalität begangen werden können (wie z.B. Tötungs- und Körperverletzungsdelikte, Brandstiftungen, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen), jedoch nur wenn in Würdigung der gesamten Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass sie:

- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten,
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben,
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
- sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten (sog. Hasskriminalität); dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden.“ (BMI 2016a)

Die einzelnen Sachverhalte erfahren nach der Feststellung, dass eine politische Motivation vorliegt, eine mehrdimensionale Betrachtung. (Vgl. BMI 2016b).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Abbildung: Darstellung anhand der Definition des Bundesministerium des Innern - siehe hierzu auch Ziercke 2006: 64

Eine Auswertung der Straftaten entsprechend der Übersicht ermöglicht einerseits eine Darstellung der politisch motivierten Kriminalität, andererseits lässt sie eine Bedarfsermittlung an präventiven Maßnahmen zu. Dies trifft allerdings nur für das Hellfeld zu.

2.3 Politisch motivierte Kriminalität-Rechts

Entsprechend der obigen Abbildung sind dem Phänomenbereich „Rechts“ Straftaten dann zuordenbar, wenn man diese einer rechten Orientierung zuschreiben kann. Nicht immer hat der Täter dabei die Außerkraftsetzung oder gar Abschaffung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zum Ziel. Nachfolgend werden die Gewalt- und Hasskriminalität betrachtet, um darauf aufbauend die Prävention erörtern zu können.

Politisch motivierte Gewaltkriminalität

Ein Teilbereich der PMK stellt die politisch motivierte Gewaltkriminalität dar. Diese beschreibt eine besondere Gewaltbereitschaft der Täter und umfasst folgende Deliktsbereiche: Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbruch, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte und Sexualdelikte (Vgl. Depping und Kaiser 2003: 149).

Hasskriminalität – Vorurteilskriminalität

Seit Mitte der 80er Jahre sind Hass- beziehungsweise Vorurteilskriminalität Erkenntnisgegenstand der Kriminologie, der Kriminalpolitik und des Strafrechts (Vgl. Rössner 2003a: 8). „Das besondere Problemfeld dieser Kriminalitätsform liegt in der gesellschaftlichen Dimension ihrer Auswirkung.“ (ebd.). International ist die Bezeichnung „Hate Crime“ weit verbreitet. Das lässt jedoch die gesellschaftliche Dimension außer Acht, daher stützt man sich auf den Begriff „Bias Crime“ – Vorurteilskriminalität (Vgl. ebd.). Während der Literaturrecherche stößt man auf beide Begriffe. Die Staatsschutzorgane verwenden den Begriff der Hasskriminalität, die Forschungsarbeit stützt sich hingegen auf den Begriff der Vorurteilskriminalität. Dieser erscheint im Hinblick auf den wissenschaftlichen Diskurs anschlussfähiger.

Vorurteilskriminalität existiert im deutschen Strafrecht nicht (Vgl. Rössner 2003b: 128). Dennoch werden entsprechende Delikte strafrechtlich erfasst und können mit einem weit gefassten Strafrahmen geahndet werden. Folgende Straftatbestände stellen Vorurteilskriminalität unter Strafe: Körperverletzungsdelikte, Tötungsdelikte, Sexualstraftaten, Geiselnahme, erpresserischer Menschenraub, Raub, Brandstiftung und Nötigung. Dieser Form von Kriminalität werden allgemein (Gewalt)Straftaten zugeordnet, die sich gegen Personen richten aufgrund deren Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Herkunft, äußeren Erscheinungsbildes, Behinderung, sexuellen Orientierung oder gesellschaftlichen Status (Vgl. BMI 2016b). Speziellen Bezug zur Fremdenfeindlichkeit und somit zur PMK-Rechts haben die sechs erstgenannten.

2.4 Risiko- und Schutzfaktoren bei der Entwicklung von Gewalt- und Vorurteilskriminalität

Risikofaktoren bei der Entwicklung von Gewaltkriminalität

Siegfried Preiser nennt fünf Faktoren, die politisch motivierte Gewalt bedingen: (1) eine ausgeprägte extremistische politische Orientierung, (2) eine starke Gewaltbereitschaft und ein gewaltbereites Umfeld, (3) das Fehlen von Gegenkräften und Impulskontrollen, (4) das Fehlen von alternativen politischen Handlungsmöglichkeiten und (5) aktuelle Auslöser. Doch gibt es nach Preiser auch Täter, die kein auffällig ausgeprägtes politisches Bewusstsein haben. Diese zeigten sich verstärkt in der Rolle des Mittäters. Preiser stellt heraus, dass deutsche rechtsextremistische Gewalttäter nicht primär politisch sind, sondern ausgeprägt macht- und gewaltmotiviert seien (Vgl. Preiser 2013: 1).

Risikofaktoren bei der Entwicklung von Vorurteilskriminalität

Die Forschung nennt viele Faktoren, die zu einer individuellen Entwicklung von Vorurteilen beitragen. Oftmals gründen sich diese Faktoren auf das Umfeld in der Kindheit und Jugend von Menschen. Rössner nennt als Risikofaktoren (Rössner 2003a: 17f.):

„Familiäre Disharmonie; Multiproblemmilieu - untere soziale Schicht; genetische Faktoren, neurologische Schädigungen; Bindungsdefizite; schwieriges Temperament, Impulsivität; kognitive Defizite, Aufmerksamkeitsproblem; Ablehnung durch Gleichaltrige; verzerrte Verarbeitung sozialer Informationen; Probleme in der Schule; Anschluss an deviante Peergruppen; Problematisches Selbstbild, deviante Einstellung; Defizite in Fertigkeiten und Qualifikationen; problematische heterosexuelle Beziehungen; Probleme in Arbeit und Beruf; persistent antisozialer Lebensstil.“

Die Gewaltkriminalität ist mehrheitlich von Tätern im Jugend- und frühen Erwachsenenalter geprägt. Vorurteilsmotivierte Positionen gibt es hingegen in allen Altersklassen. Doch auch hier beschränken sich gewalttätige Ausformungen auf Jugendliche und junge Erwachsene.

Schutzfaktoren bei der Entwicklung von Gewalt- und Vorurteilskriminalität

Schutzfaktoren seien hingegen (Rössner 2003a: 18):

„eine sichere Bindung an eine Bezugsperson (Familie, Verwandte, Lehrer); eine Emotionale Zuwendung und zugleich Kontrolle in der Erziehung; Erwachsene, die positive Vorbilder unter widrigen Umständen sind; soziale Unterstützung durch nicht-delinquente Personen; ein aktives Bewältigungsverhalten von Konflikten; Bindung an schulische Normen und Werte; Zugehörigkeit zu nicht-delinquenten Gruppen; Erfahrung der Selbstwirksamkeit bei nicht-delinquenten Aktivitäten (Sport, Hobbies); positives, nicht überhöhtes Selbstwerterleben; Struktur im eigenen Leben; Planungsverhalten und Intelligenz; einfaches Temperament.

Diese Schutz- und Risikofaktoren sind keinesfalls abschließend, aber sie sind durchaus umfassend und zeigen deutlich die enge Verknüpfung zueinander. Wenn man deren wechselseitige Beziehung versteht, lassen sich Präventionsmaßnahmen und ein Präventionskonzept durchdachter entwerfen. Viele dieser Faktoren zielen auf kognitiv-soziale Entwicklungsprozesse in Kindheit und Jugend, weswegen die Analyse vordringlich dort ansetzen wird. Gestützt wird dieses Vorgehen mit Blick auf den zweiten periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung. Dieser zeigt, dass Täter in ihrer Jugend Kontakt zu entsprechenden Jugendcliquen gesucht haben. Auch verweist der Bericht auf Inkonsistenzen in der Familienbiografie. 50% gaben an, dass ihre Eltern geschieden oder getrenntlebend sind. Die Zahl der Täter, welche in Heimen aufwuchsen, wird als überproportional viel beschrieben. Der Kontakt zur rechten Szene sei in der Schule durch fremdenfeindliche Mitschüler gekommen und habe sich in der Freizeit verstärkt. Auffällig sei auch, dass die Täter häufig schon Gewalterfahrungen sowohl als Täter als auch Opfer gemacht haben. Feste Ideologien seien seltener der Auslöser für die Taten. Die Täter orientieren sich eher an den Dogmen der Gruppe. Diese vermittle Geborgenheit, Schutz und Anerkennung. So sei bei den meisten Tätern nur eine eher ungefestigte politische Orientierung vorhanden (Vgl. BMI 2006: 155). Das verdeutlicht, welchen Stellenwert das Handlungsfeld - politische Bildung, Demokratieförderung, interkulturelle Bildung - in der Prävention einnehmen sollte. Doch vor der Analyse der Handlungsfelder wird zunächst der Präventionsbegriff untersucht.

2.5 Prävention

Neben staatlicher Repression ist die Prävention der zweite Eckpfeiler zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Sie bilden eine Einheit in der Kriminalitätsbekämpfung (Vgl. Polizei Sachsen 2010). Während Repression alleiniges Vorrecht und Aufgabe des Staates ist, wird schnell klar, dass Prävention dies nicht sein kann. Ganz allgemein

„bedeutet Prävention, einer voraussehbaren, mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erwarteten bekannten oder einer befürchteten unbekannten Entwicklung durch vorgezogene Interventionsstrategien und individualisierte Präventionszumutungen zuvorzukommen. Im einzelnen zielt Prävention darauf, absehbare schädliche Entwicklungen abzuwenden, Risiken zu minimieren und ihre abgeschätzten Folgen zu begrenzen, negative Nebenfolgen […] zu verhindern, […] zu steuern, zu verlangsamen oder zu unterbinden sowie Einstellungen und Strategien zum individuellen und kollektiven Umgang mit bekannten und unbekannten Risiken zu entwickeln.“ (von Kardorff 1995: 7)

Diese Betrachtungsweise vermittelt die Prävention als eine Idee rationaler Gesellschaftsplanung und -steuerung. Man unterscheidet zwei Kernbegriffe: Die Verhaltensprävention und die Verhältnisprävention. Dabei handelt es sich um zwei parallel entwickelnde Stränge. Erstere beschreibt eine individualisierte Zugangsweise und setzt an der Einzelperson an. Sie zeigt sich vor allem in der kriminologischen Forschung und widmet sich Risikopersonen und Täterpersönlichkeiten. Die Verhältnisprävention ist hingegen strukturell angelegt und zeigt sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Sie setzt an der Gesellschaft und deren Rahmenbedingungen insgesamt an. Im Fokus stehen Lebensstile und Lebenswelten. Diese strukturbezogene Prävention soll dabei helfen, potentielle Gefahren frühzeitig wahrzunehmen. (Vgl. von Kardorff 1995: 8). Ein wichtiger Denkanstoß, den Kardorff liefert, ist die Ansicht, dass es bei Prävention nicht nur um Verhinderung gehen sollte, sondern vielmehr um Gestaltung. Es ginge nicht nur um Gewaltvermeidung, sondern um eine gewaltfreie Problemlösung (Vgl. von Kardorff 1995: 9). Er sieht den Präventionsprozess als „Entwicklung gemeinschaftlich-partizipativer, soziokultureller und sozialräumlich verankerter Prävention.“ (ebd.).

Daneben gibt es noch die Unterscheidung in primäre, sekundäre und tertiäre Prävention. Diese Unterscheidung wurde zuerst in der medizinischen Prävention vorgenommen. Eine gesellschaftspolitische Interpretation erfährt der Begriff bei Böllert (Vgl. Böllert 1992: 161). Sie sieht in der primären Prävention eine grundlegende Regulation sozialer und klassenmäßiger Konflikte. Diese Art der Prävention soll „normalisierend auf die gesellschaftliche Reproduktion“ zielen. Auf der sekundären Präventionsebene würden soziale Konflikte in institutionellen Regelungen interpretiert, technologisiert und somit entpolitisiert werden. Die tertiäre Prävention gilt bei Böllert als Korrektur abweichenden Verhaltens. Die sozialwissenschaftlich geringe Abgrenzung und die Vielfältigkeit der Betrachtungsebenen machen ein ständiges Durchdenken der internen und externen Faktoren notwendig. Der Präventionsbegriff lässt sich nicht isoliert betrachten, vielmehr ist er eingebunden in das gesellschaftliche Gefüge. Egal ob es sich um die Prävention von Gewalt, Kriminalität oder Sucht handelt – es zeigt sich immer eine starke Kopplung an die Gesamtgesellschaft. Und nur wenn die Prävention von PMK-Rechts nicht als isoliertes Vorgehen einzelner Ressorts verstanden und die Notwendigkeit der Anbindung an die Gesamtgesellschaft erkannt wird, entsteht die Möglichkeit, dass die Prävention PMK-Rechts als gesamtgesellschaftliche Aufgabe bearbeitet wird.

2.5.1 Kriminalprävention

Zunächst wird nur der Begriff der allgemeinen Kriminalprävention betrachtet. Der Bezug zu politischer motivierter Kriminalität kommt später hinzu. Im kriminologischen Sinn stellt Kriminalprävention die Gesamtheit aller staatlichen und privaten Bemühungen zur Verhütung von Straftaten dar. (Vgl. Meier 2016: 291) Oft erfasst man sie auch unter den Begriffen ‚Verbrechensvorbeugung‘ oder ‚Crime Prevention‘ (Vgl. Meier 2016: 293).

Thomas Mosmann unterscheidet bei der Kriminalprävention in einen herkömmlichen und einen erweiterten Begriff. Unter ersterem versteht er die Strafrechtspflege. Sie äußere sich in positiver und negativer General- sowie Spezialprävention. Die negative Generalprävention meint die Abschreckung potentieller Täter durch beispielsweise Polizeistreifen. Die positive Generalprävention meint den Erhalt und die Stärkung der Rechtstreue und des Vertrauens in die Rechtsordnung. Negative Spezialprävention meint die Abschreckung durch etwa höhere Strafandrohung für den möglichen Rückfall eines Straftäters. Positive Spezialprävention bezieht sich hingegen auf Resozialisierung und versteht darunter zum Beispiel Wiedereingliederungsprogramme. Der erweiterte Begriff definiert sich über die Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. (Vgl. Mosmann 2016). Das zeigt sich deutlich in der primären, sekundären und tertiären Prävention (Vgl. Böllert 1992; von Kardorff 1995). In Deutschland genießen dazu vor allem Bernd-Dieter Meiers kriminologische Ausarbeitungen großes Ansehen. Gemäß seiner Auffassung weist die Kriminalprävention Überschneidungen mit dem Begriff der strafrechtlichen Sozialkontrolle auf. Der Unterschied sei, dass das Konzept der Sozialkontrolle nach der Einflussnahme und Verhaltenssteuerung frage. Die Kriminalprävention hingegen fokussiere sich auf die Verhinderung von Straftaten. Sie sei aktiv-prädeliktisch im Gegensatz zur reaktiv-postdeliktischen Sozialkontrolle. Doch die enge Verknüpfung beider und die umständliche bis unmögliche unabhängige Betrachtung der Begriffe lässt, mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand, ein weites Begriffsverständnis vorziehen (Vgl. Meier 2016: 291). Diese Formen der Kriminalprävention setzen an verschiedenen Wirkungsebenen an. Bernd-Dieter Meier unterscheidet zum einen die entwicklungsbezogene Kriminalprävention. Gewalt und Kriminalität werden hierbei als Resultat von Entwicklungsprozessen gedeutet. Sie hat zum Ziel in prädeliktische Entwicklungen, Verstärkerkreisläufe oder Interaktionsprozesse einzugreifen, von denen angenommen wird, dass sie kriminelles Handeln begünstigen. Man will Fehlentwicklungen stoppen und positive Kompetenzen stärken. Ein weiterer Ansatzpunkt geht von der Annahme aus, dass nicht ausschließlich die Person eine Änderung erfahren muss, sondern es eine Veränderung der sozialen Räume braucht – die situationsbezogene Kriminalprävention. Dabei steht die Verminderung der Tatgelegenheit im Fokus. Einerseits soll der Zugriff auf das Ziel erschwert werden beziehungsweise soll dieses einen besonderen Schutz erfahren. Andererseits kann auch die Umgestaltung von Brennpunkten als Maßnahme angeführt werden (Vgl. Meier 2016: 293f.).

Diese Ansätze ähneln, ergänzen und unterscheiden sich. Trotz weit zurückreichender kriminalpräventiver Diskussionen gibt es keine eigenständige Theorie der Kriminalprävention (Meier 2016: 292):

„Das Konzept der Kriminalprävention liefert kaum mehr als einen heuristischen Bezugsrahmen für alle möglichen Ansatzpunkte, Handlungsfelder und Institutionen, deren gemeinsames Ziel die Verhütung von Straftaten ist. Kriminalprävention steht für ein in erster Linie kriminalpolitisch motiviertes pragmatisches Konzept, das sich nur an einzelnen Stellen auf theoretische Vertiefungen gründet.“

Gemäß Meier sollte erfolgreiche Prävention am Entstehungspunkt der Kriminalität ansetzen. Diese Idee manifestierte sich in ebendiesem Konzept (Vgl. Meier 2016: 298).

2.5.2 Kommunale Kriminalprävention

Werner von Vahlenkamp hob Ende der 1980er Jahre in einem Bericht des Kriminalistischen Instituts des Bundeskriminalamtes (BKA) die Bedeutung kommunaler Kriminalprävention (KKP) hervor (Vgl. Vahlenkamp 1989). Bereits in den 1990er Jahren kam es zum Ausbau kommunal kriminalpräventiver Strukturen auf Länderebene. Dennoch hat der Begriff bisher keine einheitliche Definition erfahren. Es kann also auch nicht von einer einheitlichen Praxis gesprochen werden (Vgl. Kober und Kahl 2012: 30).

Auf kommunaler Ebene sind Polizei, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die entscheidenden Akteure im Bereich Kriminalprävention. Diese Akteure finden sich in kommunalen Präventionsgremien [3] zusammen. Zu den Zielen dieser Gremien zählen: die qualitative und quantitative Reduzierung von Kriminalität, die Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls in der Bevölkerung, der Abbau kriminogener Strukturen, die positive Beeinflussung des sozialen Klimas in der Kommune und die Förderung eines rationalen Umgangs mit Kriminalität (Vgl. Kober und Kahl 2012: 8; siehe auch Norbert Pütter 2006: 9f.). Gemeinsames Ziel von Landespräventionsräten sei ein Konzept zur strategischen Ausrichtung und praktischen Präventionsarbeit, welches die Aktivierung, Unterstützung und Koordinierung der kommunalen Ebene in Fragen der Institutionalisierung berücksichtigt. Wichtig sei es, die Städte und Gemeinden als Schlüsselfaktor zu erkennen, denn dort wo Kriminalität entsteht, soll Prävention frühzeitig, nachhaltig und kausalitätsbezogen ansetzen (Vgl. Kober und Kahl 2012: 9). Die Aufgabenfelder in der kommunalen Kriminalprävention haben sich wie folgt herausgebildet (LKA Baden-Württemberg 1996: 37):

„differenzierte Sicherheitsanalysen auf lokaler Ebene, Ermittlung von Kriminalitätsschwerpunkten in räumlicher und deliktischer Hinsicht, Entwicklung angepasster Präventionsstrategien und -konzepte, Umsetzung und Koordination von Präventionsmaßnahmen durch die Einrichtung von themen- und ortsbezogenen Arbeitsgruppen, Unterstützung und Vernetzung bereits bestehender Präventionsbemühungen, Informationsaustausch mit anderen Akteuren, Öffentlichkeitsarbeit sowie Aufklärung und Information, Beratung und Information der politisch Verantwortlichen, Projektmanagement und -begleitung sowie Evaluierung.“

Obwohl diese Aufzählung bereits vor 20 Jahren veröffentlicht wurde, könnte sie durch ihre weitestgehend unspezifischen Formulierungen ebenso in aktuellen Strategiepapieren zu lesen sein. Die Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse fehlt. Mit dem Fehlen einer wissenschaftlichen Basisanalyse geht das Fehlen strukturbildender Grundlagen einher.

Kober und Kahl fassen die Strukturprinzipien der Kriminalprävention in drei Ansätzen. Der (a) Ressortübergreifende Kooperationsansatz beschreibt die KKP als eine Querschnittsaufgabe aufgrund ihrer Vielschichtigkeit und der Fülle an damit verbundenen Einflussfaktoren. Als zentrale staatliche Akteure werden benannt: Polizei, Fachressorts der Verwaltung sowie zivile Institutionen in Städten und Gemeinden. Zu den zivilen Akteuren zählen: (Wohlfahrts-)Verbände, Kirchen, Schulen, Vereine, Medien, Wirtschaftsvertreter (Vgl. Kober und Kahl 2012: 12f.). Ergänzt wird dieser Ansatz vom Prinzip der (b) Bürgerbeteiligung/Öffentlichkeit. Hierbei steht die Partizipationsbereitschaft der Bevölkerung im Vordergrund. Zentrale Themen sind die Teilnahme an Ziel- und Willensbildungsprozessen in Gremien, die aktive Gestaltung von Nachbarschaft sowie die Bereitschaft zu couragiertem Eintreten für die Vermittlung von Normen in der Öffentlichkeit. Der Bürger übernimmt somit entscheidende Funktionen als: Multiplikator, informeller sozialer Kontrolleur, „vergrößertes Auge“, Agenda Setter, Sicherheitspartner, Informationszulieferer, Sicherheitswächter und „verlängerter Arm“. (Vgl. Kober und Kahl 2012: 16ff.). Als drittes strukturbildendes Element ist die (c) Bürgermeisterpflicht zu nennen. Kober und Kahl schreiben der personellen Repräsentanz im Verwaltungsaufbau eine konstituierende Wirkung zu, die sie als Erfolg generierend in der KKP ansehen. Das würde die Möglichkeit begünstigen, getroffene Entscheidungen fachübergreifend durchzusetzen. Weiterhin sei es als Zeichen des hohen Stellenwertes anzusehen, wenn sich eine politische Persönlichkeit einer solchen Aufgabe annimmt. (vgl. Kober und Kahl 2012: 28). Insgesamt ist hier ein ursachenorientierter kommunaler Präventionsansatz erkennbar. Diese Ansätze verdeutlichen, dass (politisch motivierte) Kriminalität nicht symptomatisch, sondern als Ergebnis diverser Rahmen-, Bedingungs- und Entstehungsfaktoren betrachtet werden muss. Für die Forschungsarbeit sollen diese Erkenntnisse von der kommunalen Ebene auf die Landesebene übertragen werden. Die Grundlage bildet Meiers Präventionsmatrix, welche durch die anderen genannten Ansätze ergänzt wird. Dazu werden nachfolgend die zentralen Punkte dieser Matrix dargestellt.

[...]


[1] Zu keiner Zeit geht es in der Arbeit um eine verurteilende Negativdarstellung ideologiemotivierter Gewalt oder Extremismus. Die letzten beiden Jahre haben deutlich gezeigt, dass es sich bei Fremdenfeindlichkeit nicht ausschließlich um ein Randphänomen handelt. Die Arbeit will ein Präventionsmodell erarbeiten, dessen Idee es ist, langfristig gesehen politisch motivierte Gewalt gar nicht erst - in dem Maße - entstehen zu lassen.

[2] Eine umfassende Darstellung der Begriffe erfolgt auf den nachfolgenden Seiten.

[3] Während der Forschungsarbeit haben sich unterschiedliche Titel dafür herauskristallisiert: „Präventionsrat“, „kriminalpräventiver Arbeitskreis“, „Sicherheitskonferenz“, „Landespräventionsrat“.

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Zwischen Aktionismus und nachhaltigen Strategien. Prävention politisch motivierter Kriminalität-Rechts (PMK-rechts) im Freistaat Sachsen
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
54
Katalognummer
V356269
ISBN (eBook)
9783668419551
ISBN (Buch)
9783668419568
Dateigröße
763 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
PMK, Politisch motivierte Kriminalität, Sachsen, Prävention
Arbeit zitieren
Anna Reinhardt (Autor:in), 2016, Zwischen Aktionismus und nachhaltigen Strategien. Prävention politisch motivierter Kriminalität-Rechts (PMK-rechts) im Freistaat Sachsen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356269

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Zwischen Aktionismus und nachhaltigen Strategien. Prävention politisch motivierter Kriminalität-Rechts (PMK-rechts) im Freistaat Sachsen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden