„Eltern haften für ihre Kinder“ ist die umgangsprachliche Regel, wenn Kinder Schäden verursachen. 1
Dass dies nicht ‚Gesetz’ ist, beweist die Vorschrift des § 828 BGB, welcher die Haftung Minderjähriger ausschließt bzw. einschränkt, denn wäre eine Haftung für Minderjährige nicht grundsätzlich möglich, so bedürfte es keiner Ausschluss- und Einschränkungsvorschrift.
Der Gesetzgeber hat durch das zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 2 die Verantwortlichkeit Minderjähriger insbesondere durch Neufassung des § 828 BGB modifiziert. Für die vorliegende Arbeit entscheidende Änderung ist der neue § 828 Abs.2 S. 1 BGB, der in bestimmten Fällen die Minderjä hrigen-Haftung im Straßen- und Schienenverkehr ausschließt. Unfälle, vor allem die große Gruppe der durch Minderjährige verursachten Straßenverkehrsunfälle, spielen in der Praxis eine große Rolle. 3 Dies lässt sich einerseits belegen anhand der zu diesem Problemkreis ergangenen Rechtsprechung 4 , aber auch Angaben des Statistischen Bundesamts 5 , wonach 2003 15,15 % (71.009) aller Getöteten und Verletzten im Straßenverkehr minderjährig waren, zeigen, dass dies ein Problemfeld ist, welches eine Berücksichtigung durch den Gesetzgeber rechtfertigt.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, darzustellen, unter welchen Voraussetzungen Minderjährige im Straßen- und Schienenverkehr als Schädiger zur Haftung herangezogen werden können und wann sie als Geschädigte mithaftbar sind. Den Schwerpunkt bildet so eine Auseinandersetzung mit dem neugefassten § 828 BGB, den darin festgelegten Altersgrenzen und damit einhergehend entwicklungspsychologischen Erkenntnissen zu Fähigkeiten Minderjähriger im Straßen- und Schienenverkehr. Dabei soll auch die Rechtsprechung seit der Gesetzesänderung berücksichtigt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1 Einführung
- Teil 2 Grundlagen zur Minderjährigen-Haftung
- I. Teilnahme Minderjähriger am Rechtsverkehr
- II. Arten von Haftung
- III. Zweck des § 828 BGB
- Teil 3 Das Kind als Anspruchsgegner
- I. Absoluter Haftungsausschluss durch § 828 Abs. 1 BGB
- II. Sektoraler Haftungsausschluss nach § 828 Abs. 2 BGB
- 1. Inhalt der Neuregelung
- a. Berechtigung starrer Altersgrenzen - § 828 Abs. 1,2- im Hinblick auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse
- aa. Die Festlegung der Siebenjahresgrenze
- bb. Die Zehnjahresgrenze im Straßen- und Schienenverkehr
- b. Vorsatz: Ist der Ausschluss vom Ausschluss bestimmbar?
- a. Berechtigung starrer Altersgrenzen - § 828 Abs. 1,2- im Hinblick auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse
- 2. Reichweite des § 828 Abs. 2 S.1 BGB
- 1) Besondere Gefahren des Straßen- und Schienenverkehrs
- 2) Erforderlichkeit einer höheren Grenze?
- 1. Inhalt der Neuregelung
- III. Relativer Haftungsausschluss nach § 828 Abs. 3 BGB
- 1. Verschuldensfähigkeit – Erforderliche Einsicht
- 2. Verschulden nach § 276 BGB - altersgruppentypische Sorgfaltsmaßstäbe
- IV. Gefährdungshaftung nach §§ 7 StVG, 1 HPflG
- V. Billigkeitshaftung nach § 829 BGB
- Teil 4 Das Kind als Anspruchsteller - Mitverursachung nach § 254 BGB
- I. Ausschluss der Deliktsfähigkeit nach § 828 Abs. 1 und 2 BGB
- II. Deliktsfähiger Minderjähriger
- Teil 5 Prozessvoraussetzungen
- Teil 6 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Haftungsbedingungen für Minderjährige im Straßen- und Schienenverkehr. Im Fokus steht die Analyse des novellierten § 828 BGB, insbesondere die darin festgelegten Altersgrenzen und deren Übereinstimmung mit entwicklungspsychologischen Erkenntnissen. Die Rechtsprechung seit der Gesetzesänderung wird ebenfalls berücksichtigt.
- Haftung von Minderjährigen im Straßenverkehr
- Auslegung des § 828 BGB
- Entwicklungspsychologische Aspekte der Minderjährigenhaftung
- Altersgrenzen und deren Rechtfertigung
- Verschuldensfähigkeit und Deliktsfähigkeit von Minderjährigen
Zusammenfassung der Kapitel
Teil 1 Einführung: Dieser einführende Teil legt die Grundlage der Arbeit. Er beschreibt die Problematik der Haftung Minderjähriger bei der Verursachung von Schäden, insbesondere im Straßenverkehr, und betont die Relevanz des geänderten § 828 BGB. Die hohe Anzahl von Unfällen, an denen Minderjährige beteiligt sind, wird anhand statistischer Daten verdeutlicht. Das Ziel der Arbeit, die Haftungsbedingungen für Minderjährige im Straßen- und Schienenverkehr zu analysieren, wird klar definiert.
Teil 2 Grundlagen zur Minderjährigen-Haftung: Dieser Teil erläutert grundlegende Begriffe, die zum Verständnis der Haftungsregelungen notwendig sind. Es wird zwischen Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit unterschieden, wobei die Handlungsfähigkeit die Fähigkeit beinhaltet, rechtlich bedeutsame Handlungen vorzunehmen, einschließlich der Deliktsfähigkeit (Fähigkeit, eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung zu begehen). Die verschiedenen Arten der Haftung (Verschuldensprinzip, Verursachungsprinzip, Billigkeitshaftung) werden erklärt und in Bezug zu Minderjährigen gesetzt.
Teil 3 Das Kind als Anspruchsgegner: Dieser Teil analysiert die Haftungsregeln für Minderjährige als Schädiger. Der absolute und sektorale Haftungsausschluss nach § 828 BGB wird detailliert dargestellt, einschließlich der Diskussion um Altersgrenzen und deren Begründung im Kontext entwicklungspsychologischer Erkenntnisse. Die Gefährdungshaftung und Billigkeitshaftung werden als alternative Haftungsformen im Kontext des Straßen- und Schienenverkehrs erläutert. Die komplexen Zusammenhänge zwischen Alter, Einsichtsfähigkeit und Verschulden werden eingehend untersucht.
Teil 4 Das Kind als Anspruchsteller - Mitverursachung nach § 254 BGB: Dieser Abschnitt befasst sich mit der Situation, in der ein Minderjähriger selbst Geschädigter ist und eine Mitverursachung des Schadens vorliegt. Die Frage nach dem Ausschluss der Deliktsfähigkeit im Kontext des § 828 BGB und die Behandlung deliktsfähiger Minderjähriger werden diskutiert. Die Bedeutung der Mitverursachung für die Schadensersatzberechnung wird beleuchtet.
Schlüsselwörter
Minderjährigenhaftung, § 828 BGB, Straßenverkehr, Schienenverkehr, Deliktsfähigkeit, Verschuldensfähigkeit, Altersgrenzen, Entwicklungspsychologie, Gefährdungshaftung, Billigkeitshaftung, Schadensersatz, Rechtsfähigkeit, Handlungsfähigkeit.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Minderjährigenhaftung im Straßen- und Schienenverkehr
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet einen umfassenden Überblick über die Haftung von Minderjährigen, insbesondere im Straßen- und Schienenverkehr. Es beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter. Der Fokus liegt auf der Analyse des novellierten § 828 BGB und der Berücksichtigung entwicklungspsychologischer Aspekte.
Welche Themen werden im Dokument behandelt?
Das Dokument behandelt die Haftungsbedingungen für Minderjährige im Straßen- und Schienenverkehr. Im Mittelpunkt steht die Auslegung des § 828 BGB, insbesondere die Altersgrenzen und deren Übereinstimmung mit entwicklungspsychologischen Erkenntnissen. Weitere Themen sind die verschiedenen Arten der Haftung (Verschulden, Gefährdung, Billigkeit), die Delikts- und Verschuldensfähigkeit von Minderjährigen sowie die Rechtsprechung zu diesem Thema.
Wie ist das Dokument strukturiert?
Das Dokument ist in mehrere Teile gegliedert: Einleitung, Grundlagen der Minderjährigenhaftung, das Kind als Anspruchsgegner (Schädiger), das Kind als Anspruchsteller (Geschädigter mit Mitverursachung), Prozessvoraussetzungen und ein Fazit. Jeder Teil behandelt spezifische Aspekte der Minderjährigenhaftung und baut auf den vorherigen Teilen auf.
Was ist der Kernpunkt des § 828 BGB?
§ 828 BGB regelt die Haftung von Minderjährigen. Der Kernpunkt liegt in den unterschiedlichen Haftungsausschlüssen: absoluter Ausschluss unter sieben Jahren, sektoraler Ausschluss (z.B. Straßenverkehr) bis zehn Jahren und relativer Ausschluss darüber hinaus, abhängig von der Verschuldensfähigkeit.
Welche Altersgrenzen werden im Zusammenhang mit § 828 BGB diskutiert?
Die Diskussion konzentriert sich auf die Siebenjahresgrenze für den absoluten Haftungsausschluss und die Zehnjahresgrenze im Straßen- und Schienenverkehr. Die Rechtfertigung dieser Grenzen wird im Kontext entwicklungspsychologischer Erkenntnisse kritisch hinterfragt.
Welche Rolle spielt die Entwicklungspsychologie?
Die Entwicklungspsychologie spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Verschuldensfähigkeit von Minderjährigen. Die Altersgrenzen des § 828 BGB werden im Hinblick auf die kognitive und moralische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen diskutiert.
Welche Arten der Haftung werden behandelt?
Das Dokument behandelt verschiedene Arten der Haftung: Verschulden, Gefährdungshaftung (z.B. nach § 7 StVG) und Billigkeitshaftung (§ 829 BGB). Die Anwendung dieser Haftungstypen auf Minderjährige wird im Detail erläutert.
Was ist der Unterschied zwischen Deliktsfähigkeit und Verschuldensfähigkeit?
Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, eine unerlaubte Handlung zu begehen, die zum Schadensersatz verpflichtet. Verschuldensfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, das Unrecht einer Handlung einzusehen und zu vermeiden. Ein Minderjähriger kann deliktsfähig sein, ohne verschuldensfähig zu sein.
Welche Kapitelzusammenfassungen werden angeboten?
Das Dokument bietet Kapitelzusammenfassungen für die Einleitung, die Grundlagen der Minderjährigenhaftung, das Kind als Anspruchsgegner und das Kind als Anspruchsteller. Diese Zusammenfassungen fassen die wichtigsten Punkte jedes Teils kurz und prägnant zusammen.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für das Thema?
Relevante Schlüsselwörter umfassen: Minderjährigenhaftung, § 828 BGB, Straßenverkehr, Schienenverkehr, Deliktsfähigkeit, Verschuldensfähigkeit, Altersgrenzen, Entwicklungspsychologie, Gefährdungshaftung, Billigkeitshaftung, Schadensersatz, Rechtsfähigkeit, Handlungsfähigkeit.
- Citar trabajo
- Nicole Müller (Autor), 2005, Minderjährigenhaftung im Straßen-und Schienenverkehr, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35628