Betrachten als Erkundungsverfahren des Biologieunterrichts (Biologie 6. Klasse Gymnasium)


Unterrichtsentwurf, 2016

20 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Erkundungsverfahren des Betrachtens in der Theorie
2.1 Naturwissenschaftliche Grundbildung
2.2 Naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung
2.3 Betrachten – eine Abgrenzung der Begrifflichkeit
2.4 Eine kontroverse didaktische Perspektive auf das Betrachten

3 Das Erkundungsverfahren des Betrachtens im Unterricht
3.1 Die Unterrichtsstunde
3.2 Methodisch-didaktische Analyse
3.2.1 Lernziele und Intention
3.2.2 Lerngruppenanalyse und Lernausgangslage
3.2.3 Kompetenzorientierte Zielsetzung

4 Reflexion

Anhang
Anhang 1: Planung der Unterrichtsstunde
Anhang 2: Bildimpuls
Anhang 3: Arbeitsblatt für die Schüler

1 Einleitung

Der vorliegende Projektbericht zum Praxissemester beschäftigt sich mit einem Teilaspekt der fachgemäßen Arbeitsweisen des Biologieunterrichts, genauer mit dem Erkundungsverfahren Betrachten und dessen Einbindung in einen von Erkenntnisgewinnung bestimmten Fachunterricht. Das Betrachten steht neben dem Beobachten, dem Untersuchen und Experimentieren als eine der vier Erkundungsformen, die im modernen Biologieunterricht praktiziert werden. Um zu ergründen, welche Stellung die Erkundungsform des Betrachtens im Unterricht einnimmt, wird zunächst in Kapitel 2 ein allgemeiner und aktueller Forschungsstand dargelegt, der an die derzeit gültigen Kernlehrpläne des Landes Nordrhein-Westfalen und zeitgenössische Didaktiken angelehnt ist. Kapitel 3 widmet sich als Hauptteil dieser Arbeit dann dem Betrachten als konkretes Erkundungsverfahren in einer exemplarisch vorgestellten Unterrichtsstunde und stellt somit den Bezug zwischen Theorie und Praxis her. Ferner wird die betrachtete Unterrichtsstunde in Bezug auf ihre Planung einer methodisch-didaktischen Analyse unterzogen. Damit soll nachgewiesen werden, wie die Erkundungsform des Betrachtens sinnvoll und zielgerichtet im problemorientierten und durch eigenständiges Erkunden der Schüler geprägten Biologieunterricht angewendet werden kann.

In einer abschließenden Reflexion möchte der Verfasser des vorliegenden Berichts seine auf konkreten Erfahrungen beruhende persönliche Einschätzung über die untersuchte Erkundungsform und ihr gelingendes Anwenden im forschenden Unterricht darlegen.

Im Anhang dieses Berichts befinden sich der Entwurf der Unterrichtsplanung, ein visueller Impuls zum Beginn der Unterrichtsstunde sowie das in selbiger verwendete Arbeitsmaterial.

2 Das Erkundungsverfahren des Betrachtens in der Theorie

Das folgende Kapitel widmet sich zunächst dem allgemeinen Postulat nach einer naturwissenschaftlichen Grundbildung, aus der zwangläufig die naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung als praktikabler Weg einer didaktischen Begleitung von Schülern[1] auf ihrem Weg zu einem selbständig erkundenden Lernen hervorgeht. Ein Teil dieser Erkenntnisgewinnung wird im Biologieunterricht durch die fachgemäße Arbeitsweise des Betrachtens realisiert. Letzteres erfordert – wie in vorliegender Arbeit zu zeigen sein wird – mehr als das bloße Hinsehen, sodass eine Abgrenzung zum allgemein gebräuchlichen Begriff des Betrachtens in der Alltagssprache und des Operators im Zusammenhang mit Gegenständen und Unterrichtsmaterialien notwendig scheint.

2.1 Naturwissenschaftliche Grundbildung

Im Rahmen der Umstrukturierung der Sekundarstufe I des Gymnasiums wurden auch die Kernlehrpläne angepasst. Der aktuelle Kernlehrplan (KLP) aus dem Jahre 2008 fordert deshalb eine naturwissenschaftliche Grundbildung, die er im Sinne einer Scientific Literacy auffasst.

Unter dieser wird die Fähigkeit verstanden, naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden, naturwissenschaftliche Fragen zu erkennen und aus Belegen Schlussfolgerungen zu ziehen, um Entscheidungen zu verstehen und zu treffen, welche die natürliche Welt und die durch menschliches Handeln an ihr vorgenommenen Veränderungen betreffen (KLP 2008).

Daraus wird im Weiteren abgeleitet, dass es Ziel der Bildungsstandards einer naturwissenschaftlichen Grundbildung sein müsse, unter anderem ein Verständnis der Sprache der naturwissenschaftlichen Fächer sowie ein Auseinandersetzen mit den spezifischen Methoden ihrer Erkenntnisgewinnung zu erwirken (cf. ebd.). Dies ermögliche eine analytische und rationale Betrachtung der Welt (cf. ebd.). Damit zielt die naturwissenschaftliche Grundbildung auf „Auseinandersetzung mit der sich verändernden Welt und […] die Aneignung neuer Wissensbestände“ (ebd.), sodass dem Schüler neben einem Fachwissen auch die notwendigen Kompetenzen an die Hand gegeben werden, um selbständig und kritisch Fragen und Probleme des Alltags mit naturwissenschaftlichen Bezügen, die sich häufiger als zunächst vermutet ergeben, zu beantworten oder zu reflektieren. Die fachgemäßen Arbeitsweisen im Biologieunterricht bilden demzufolge nur einen Ausschnitt dieser Bestrebungen, wobei die Methode des Betrachtens vor allem in solchen induktiven Ansätzen zum Tragen kommt, die es als Auslöser für einen naturwissenschaftsnahen und deshalb problemorienteierten Unterricht verwenden.

2.2 Naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinnung

Folgt man den Ansichten des Fachdidaktikers Harald Gropengießer, besteht die „Aufgabe des naturwissenschaftlichen Unterrichts […] nicht darin, den Lernenden naturwissenschaftliche Aussagen als ein feststehendes Tatsachengebäude zu vermitteln“ (Gropengießer 2013), sondern vielmehr sollen sie „einen Einblick gewinnen, wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden und auf welchen Voraussetzungen sie beruhen“ (ebd.). Daraus ergibt sich die Wichtigkeit der konkreten Anwendung wissenschaftlicher Methoden im Biologieunterricht, die sich unter anderem in den Erkundungsformen wiederfinden. Die Zielsetzung des Biologieunterrichts folgt also einer klar erkennbaren Richtung, welche die Lernenden mit Hilfe von konkreten wissenschaftspropädeutischen Prozessen hin zum selbständigen Erkunden, Denken und Forschen führt.

Die Bildungstheoretikerin Petra Baisch interpretiert den Kompetenzbereich der Erkenntnisgewinnung in den oben genannten Bildungsstandards als eine Zusammenfassung fachgemäßer Denk- und Arbeitsweisen (cf. Baisch 2016). Dies leitet sie aus den Forderungen nach einem Auseinandersetzen der Schüler mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozessen und deren Charakteristika ab (cf. ebd.). Drei Dimensionen seien leitend für diese Prozesse: erstens das Wissenschaftsverständnis, zweitens das Verfolgen wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse und drittens das Beherrschen von Arbeitstechniken (cf. ebd.). Letzteres ist entscheidend, „um im Laufe der Schulzeit ein aufgeklärtes Verhältnis zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen erlangen zu können“ (ebd.). Damit die Schüler „zu einem möglichst eigenständigen Erkunden und Lernen“ (ebd.) befähigt werden, ist es demzufolge notwendig, die für den jeweiligen Unterrichtsgegenstand angemessene Arbeitsweise zu ermitteln. Dazu bleibt indes anzumerken, dass es selbstverständlich niemals den einen und somit einzig richtigen, zu wählenden Ansatz für eine Unterrichtsstunde gibt, sondern die Wahl stets in Abhängigkeit zum verfolgten Lernziel und einer korrelierenden Methode steht.

Auch der Biologiedidaktiker Jürgen Mayer zählt die „Inhalte und Kompetenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung […] zum Kern naturwissenschaftlicher Bildung“ (Mayer 2007). Er erachtet dabei – vergleichbar zur Position von Baisch – ebenfalls den Kompetenzbereich der Erkenntnisgewinnung als Rahmenmodell der oben genannten drei Dimensionen. Zu diesen existieren verschiedenste Erklärungsansätze aus entwicklungs- und kognitionspsychologischer, naturwissenschaftsdidaktischer und naturwissenschaftsdiagnostischer Perspektive, die Mayer auf Gemeinsamkeiten hin untersucht hat. Dabei stellt er fest, dass alle Ansätze trotz ihrer Differenzen „letztlich den Prozess des wissenschaftlichen Vorgehens als Problemlöseprozess beschreiben“ (ebd.). Das Problemlösen kann dabei als das Bewältigen einer vorübergehenden Diskrepanz zwischen einer anfänglichen Unwissenheit und einer schlussendlichen Erkenntnis angesehen werden. Durch einen Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit soll dem Lernenden ein interessanter und motivierender Zugang zum Unterrichtsgegenstand angeboten werden, wobei der Schüler idealerweise selbst das Problem erkennt, sodass automatisch kognitive Prozesse angeregt werden, welche die Entwicklung einer eigenen Lösungsstrategie begünstigen und vorantreiben (cf. Killermann 2013).

Die Problemorientierung des modernen biologischen Fachunterrichts soll deshalb auch in vorliegender Arbeit in den Vordergrund gestellt werden und bildet den zentralen Zugang der noch vorzustellenden Unterrichtsstunde.

2.3 Betrachten – eine Abgrenzung der Begrifflichkeit

Die Erkundungsform des Betrachtens muss vor allem vor dem Hintergrund einer im allgemeinen Sprachgebrauch verankerten Vorstellung des Begriffes präzise abgegrenzt und als naturwissenschaftliche Arbeitsweise verstanden werden. Im Folgenden sollen die Gründe dafür angeführt werden.

„Das bloße Hinsehen vermittelt nur einen oberflächlichen Eindruck eines Objektes“ (Killermann 2013), leitet Killermann seine Definition der fachtypischen Arbeitsweise Betrachten ein. So erfordere es bei einem Spaziergang durch den Park mehr als das ungerichtete Wahrnehmen verschiedener Bäume, um anschließend genaue Eigenschaften oder Charakteristika dieser Vielfalt wiederzugeben (cf. ebd.). Somit werden ein „aufmerksames, bewusstes Erfassen von Erscheinungen [sowie] eine aktive Auseinandersetzung mit dem Gegenstand“ (ebd.) notwendig, um die Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeitsweise zu erfüllen. Erst dann würden die Eigenarten deutlich und die Einzelheiten erkennbar (cf. ebd.). Um sicherzustellen, dass die Lernenden während der Ausübung dieser Arbeitsweise das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren, bedürfen sie gerade bei anfänglichen Begegnungen mit dieser Erkundungsform – also vor allem in der Sekundarstufe I – einer Anleitung. Diese kann sinnvoll durch einen Kriterien geleiteten Ablaufplan geschehen, wobei die Schüler idealerweise in das Aufstellen der für die folgende Betrachtung relevanten Merkmale und Besonderheiten eingebunden werden, was beispielsweise in einem vorgeschalteten Lehrer-Schüler-Gespräch geschehen kann. Dadurch üben sie nicht nur das Behandeln eines Objekts unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten, sondern legen auch selbst die Schwerpunkte fest, die dann bei der Durchführung den Fokus der Lernenden gewährleisten.

Das Betrachten besteht demzufolge aus zielgerichteten Prozessen der Wahrnehmung, an deren Schluss eine Erkenntnis in Bezug auf die besonderen Eigenschaften und Merkmale des in Augenschein genommen Objektes steht. Zu dieser Erkenntnis verhilft allerdings nicht das bloße Betrachten allein. Killermann führt an, dass neben den Wahrnehmungsvorgängen auch Denkvorgänge entscheidend für das Gelingen dieser Arbeitsform seien (cf. ebd.). Diese bestehen aus einem Bewerten, Urteilen und Schlussfolgern, sodass erst dann ein Zusammenspiel von Wahrnehmen und Denken entstehe (cf. ebd.). Darüber hinausgehend sei laut Killermann eine Versprachlichung des Perzipierten notwendig, um schlussendlich zu Anschauung und Erkenntnis zu gelangen. Denn erst durch das Verbalisieren könne die erforderliche Abstraktionsleistung erbracht werden, die entscheidend sei, um von der Naturerscheinung, dem konkret Gegebenen, zu Begriff und Urteil zu gelangen (cf. ebd.). Ein resultierender, offenkundiger Vorteil besteht in der damit einhergehenden Ingebrauchnahme von spezifischen Fachwörtern und der Fachsprache im Allgemeinen, die so durch die Lernenden als sich vollziehender Begleitprozess automatisch erlernt bzw. weiter ausgeschärft werden. Dabei dürfe laut Baisch der Prozess der Versprachlichung nicht unterschätzt werden, da den Lernenden das Formulieren treffender Aussagen oftmals schwer falle (cf. Baisch 2016).

Da sich das Betrachten in der Regel an ruhenden Objekten vollzieht, die dem Betrachtenden ein unverändertes Erscheinungsbild und gleichförmige Eigenschaften und Merkmale präsentieren, bietet sich das „Zeichnen [als] eine Arbeitstechnik zum Üben der Denkfähigkeit“ (Killemann 2013.) an, denn oftmals bereite die Transformation von dreidimensionalen Objekten auf eine Ebene noch Schwierigkeiten (cf. ebd.). Zudem unterstützt die Projektion des Objekts die Fokussierung der Lernenden auf die zuvor festgelegten und relevanten Merkmale, sodass das Zeichnen als „wertvolle Hilfe zum sorgfältigen […] Betrachten“ (ebd.) angesehen werden kann. Zum Zeichnen hinzu tritt dann häufig nachgeschaltet noch der Vergleich als weitere Arbeitsweise, der ebenfalls die bereits genannten Denkprozesse anregt und fördert.

Offen bei vielen Didaktikern bleibt die Frage, ob das Betrachten allein auf Formen der visuellen Wahrnehmung beschränkt bleiben oder aber durch weitere Sinnesempfindungen ergänzt werden sollte. Sicherlich ist der das Betrachten sprachlich beschreibende Begriff mit einer deutlich visuellen Konnotation behaftet, dennoch sind auch betrachtende Prozesse durch akustische, olfaktorische oder haptisch-sensible Erkundung denkbar. So können beispielsweise die Rauheit einer Borke oder glatte bzw. klebrige Oberflächen verschiedener Blätter keinesfalls nur visuell erschlossen werden, sondern bedürfen der Qualitäten der angesprochenen Sinne.

Zum Schluss muss eine weitere Abgrenzung vorgenommen werden, die aus der didaktischen Operationalisierung von Aufgabenstellungen resultiert. Denn Betrachten ist als Operator, ein handlungsinitiierendes Verb, weit verbreitet und in dieser Funktion eher wie eingangs des Kapitels erwähnt auf seinen alltagssprachlichen Kontext reduziert, was z. B. deutlich wird, wenn Abbildungen, Graphiken oder Modelle betrachtet werden sollen.

2.4 Eine kontroverse didaktische Perspektive auf das Betrachten

Gropengießer kritisiert die Einteilung der Erkundungsverfahren nach Gesichtspunkten der jeweils behandelten Objekte, die in einem Reiz-Reaktions-Verhältnis zum Erkennenden stehen (cf. Gropengießer 2013). Die durch die Objekte verkörperten Eigenschaften werden dabei auf die Erkundungsform projiziert, sodass sich eine klassische Terminologie ergibt, wonach unbewegte Objekte betrachtet und ihr Bau untersucht werden können, bewegte Objekte hingegen beobachtet und im Hinblick auf ihre Funktion experimentell analysiert werden können (cf. ebd.). Er wendet ein, „dass die Wirklichkeit jeweils vom erkennenden Subjekt konstruiert wird und nicht allein von den Objekten oder den empirischen Daten determiniert ist“ (ebd.). Damit rückt er den Lernenden als einen Erkennenden in den Fokus und beschreibt die Erkundungsverfahren aus dessen Perspektive. Die Beschaffenheit und Eigenschaften der zu erkundenden Objekte spielt also nur eine nachrangige Rolle – einzig das Erkunden im Sinne einer Handlung des Forschenden ist maßgeblich für seine Betrachtung. Somit verortet Gropengießer das Betrachten im Beobachten, dem er ebenfalls das Untersuchen als ein Beobachten mit Eingriffen in den Bau zuordnet, und stellt dem das Experimentieren ergänzend gegenüber. Gropengießer richtet damit die Frage nach der Existenzberechtigung der bekannten und tradierten Vierteilung der Arbeitsweisen an die Lehrenden. Ohne die Frage nach der Sinnhaftigkeit oder Berechtigung dieser Ansicht zu beantworten, lässt sich über diese Simplifizierung wahrlich streiten, zumal sie die Konzepte der einzelnen Erkundungsverfahren infrage stellt. Der Vorteil dieser alternativen Betrachtungsweise indes liegt neben der erwähnten Vereinfachung in einer Neuorientierung sowie einer damit einhergehenden Vereinheitlichung und Verflechtung der zuvor nebeneinander existierenden Erkundungsverfahren.

Damit verbleibt diese Sichtweise vorerst als eine mögliche Alternative und erst die künftige Entwicklung wird zeigen, ob diese Zweiteilung im Schulalltag praktikabel und von Relevanz sein und somit dem Desiderat der Forschung gerecht und zu einem Paradigmenwechsel führen wird.

3 Das Erkundungsverfahren des Betrachtens im Unterricht

In diesem dritten Kapitel wird zunächst ein Unterrichtsentwurf für eine Unterrichtsstunde der sechsten Klasse eines Gymnasiums vorgestellt, deren Schwerpunkt auf dem Betrachten und dem Zeichnen, einer dem Betrachten sinnvollerweise zugeordnete Arbeitstechnik, liegt. Des Weiteren wird der problemorientierte Ansatz thematisiert und erläutert. Die vorgestellte Unterrichtsstunde wird sodann einer methodisch-didaktischen Analyse unterzogen. Im Anhang sind neben der Planung und dem an die Schüler ausgeteilten Arbeitsmaterial auch das als visueller Impuls zum Stundenbeginn verwendete Bild zu finden.

3.1 Die Unterrichtsstunde

Die im Folgenden dargestellte, 45 Minuten währende Unterrichtsstunde wurde für eine sechste Klasse eines deutschen Gymnasiums geplant und durchgeführt; eingebettet war sie in die Unterrichtsreihe Vielfalt von Lebewesen und hatte in der Sequenz Bauplan von Blütenpflanzen zum Auftakt das Betrachten und Zeichnen einer typischen Blütenpflanze zum Unterrichtsgegenstand. Das primäre Lernziel bezog sich dabei auf das Erlangen der Kenntnis eines allgemeinen Bauplans von Blütenpflanzen sowie deren Grundorgane inklusive der jeweils zugehörigen basalen Funktionen.

Im Sinne eines induktiven Lernprozesses wurde den Schülern zunächst ein Bildimpuls präsentiert, der aus einer bunten Blumenwiese voller Tulpen bestand (siehe Anhang). Die Schüler sollten mit diesem Einstieg an das neu einsetzende Thema herangeführt werden, indem sie sich zum Dargestellten beschreibend äußern mussten. Durch hinführend ergänzende Fragen –wie etwa nach Gemeinsamkeiten von den Schülern bereits bekannten Blumen und anderen Blütenpflanzen – sollte eine Leitfrage nach dem allgemeinen Bau von Blütenpflanzen herausgearbeitet werden, wobei erste Fachbegriffe wie z. B. Blätter, Blüte, Stängel oder Wurzel genannt und umrissen werden sollten.

Zum Übergang in die Arbeitsphase, die aus dem Betrachten frischer heimischer Blumen bestand, wurde von der Lehrkraft eine Problematisierung angestrengt, die sich ebenfalls aus dem Bild ableitet. Da im Hintergrund des Bildes einige Bäume zu sehen waren, wurden die Schüler mit der Frage konfrontiert, ob alle dort zu sehenden Pflanzen als Blütenpflanzen bezeichnet werden können. Diesem, einen sog. kognitiven Konflikt auslösenden, Problem sollte dann durch das Betrachten vorliegender Blumen und durch das Bewältigen der zugehörigen Aufgaben und Arbeitsschritte durch die Schüler zunächst in Einzel- und dann in Partnerarbeit nachgegangen werden. Die Aufgaben der Schüler bestanden aus dem Betrachten einer von mehreren verschiedenen heimischen Blütenpflanzen (Blumen wie Tulpen, Rosen, Lattich etc.), dem Zeichnen ihrer vorliegenden Pflanze sowie dem anschließenden Beraten mit einem Lernpartner nach der Methode des Lerntempoduetts über erstens sinnvolle Bezeichnungen für bestimmte Pflanzenanteile und zweitens eine mögliche Zuordnung von Funktionen zu selbigen. Dem Betrachten sowie der damit verbundenen Zeichnung sollte mit ca. 50 % der zur Verfügung stehenden Zeit ein Großteil der Stunde gewidmet werden, sodass die Schüler ausreichend Zeit hatten, sich mit dem betrachteten Objekt auseinanderzusetzen, vertraut zu machen und so dessen Eigenschaften und besonderen Merkmale zu erkennen.

Die im Anschluss stattfindende Sicherungsphase sollte durch die Schüler gestaltet werden, indem schnelle Lerner ihre Zeichnungen auf Folie übertragen und präsentieren konnten. (An dieser Stelle wäre eine Dokumentenkamera wünschenswert gewesen, um auch die Ergebnisse der langsameren Schüler durch eine Präsentation zu würdigen.) Der Vergleich sollte während dieser Phase vorherrschend sein, sodass die Schüler erkennen, dass trotz unterschiedlicher Art ein gemeinsamer Bauplan vorliegt. Damit wäre dann auch die Problematisierung der Stunde weiterzuführen gewesen, indem der Konflikt insofern hätte aufgelöst werden können, dass dieser erkannte Bauplan sich auch auf zunächst aufgrund ihrer augenscheinlichen Andersartigkeit ausgeschlossene Pflanzen – begründet vor allem durch die Größe der Bäume – ausweiten ließe.

Der in der Planung berücksichtigte Transfer und damit das Auflösen des Konfliktes, dass Blumen wie auch Bäume beide gleichermaßen zu den Blütenpflanzen zählen, konnte mangels ausreichender Zeit nicht mehr realisiert werden und musste deshalb in die Folgestunde verschoben werden.

3.2 Methodisch-didaktische Analyse

Im Folgenden wird die oben vorgestellte Unterrichtsstunde methodisch-didaktisch analysiert. Dazu werden zunächst die Lernziele und die Intention der Unterrichtsstunde genauer aufgeschlüsselt, worauf eine Betrachtung der Lerngruppe und Lernausgangslage folgt. Das Kapitel schließt mit der Formulierung der kompetenzorientierten Zielsetzung der Unterrichtsstunde.

3.2.1 Lernziele und Intention

Das Hauptlernziel der Stunde besteht in der Erkenntnis der Schüler über den gleichförmigen Bauplan aller Blütenpflanzen sowie dem Kennenlernen bzw. Erschließen der jeweils zentralen Funktion der Grundorgane derselben, sodass sie diese anschließend gemäß den Anforderungsbereichen I und II nennen und beschreiben können sollen. Dabei lernen die Schüler die Blütenpflanzen als wichtigsten Vertreter der Pflanzen kennen.

Als nebengeordnete Ziele sind die Heranführung der Schüler an die fachtypische Arbeitsweise des Betrachtens und das damit verbundene Zeichnen einer Blütenpflanze anzusehen, die ihnen Handlungskompetenz verleihen. Des Weiteren sollen die Schüler in der Lage sein, einige heimische Vertreter der Blütenpflanzen benennen zu können.

Über die Problemorientierung der Stunde sollen die Schüler zu einem naturwissenschaftlichen und kritischen Denken motiviert werden, das die o. g. Handlungsprozesse begleitet und befördert.

3.2.2 Lerngruppenanalyse und Lernausgangslage

Die Lerngruppe – eine sechste Klasse eines deutschen Gymnasiums – besteht aus 15 weiblichen und 14 männlichen Schülern und weist somit ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf. Die Schüler werden in 90-minütigen Doppelstunden unterrichtet, die durch eine kurze Pause von meist fünf Minuten in etwa der Mitte unterbrochen wird. Für die geplante Stunde wurde demzufolge nur der erste Teil verwendet. Den unterrichtenden Praxissemesterstudenten kennt die Klasse aus zahlreichen Hospitationsstunden sowie von ihm selbst durchgeführten Arbeitsphasen.

Das Interesse der Lerngruppe an biologischen Phänomenen und Fragestellungen ist recht groß, sodass ein spannender Unterricht in dieser Klasse leicht zu realisieren ist. Einzelne Schüler besitzen teilweise ein großes Vorwissen, das sie in Form von Kurzvorträgen zum Ende einer Unterrichtseinheit vorstellen können. Das Sozialverhalten in der Klasse ist als unauffällig zu bezeichnen.

[...]


[1] Zur besseren Lesbarkeit vorliegender Arbeit verzichtet der Verfasser bei personenbezogenen Bezeichnungen, die zugleich auf eine männliche und weibliche Form referieren –auf die Nennung beider Schreibweisen. Damit ist keinesfalls eine Diskriminierung beabsichtigt – das Gegenteil ist der Fall, denn durch den Verzicht einer explizit angeführten weiblichen Form werden die Zusammengehörigkeit und allgemeine Gültigkeit der verwendeten Form unterstrichen.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Betrachten als Erkundungsverfahren des Biologieunterrichts (Biologie 6. Klasse Gymnasium)
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Biologie)
Veranstaltung
Begleitseminar Praxissemester
Autor
Jahr
2016
Seiten
20
Katalognummer
V356363
ISBN (eBook)
9783668425323
ISBN (Buch)
9783668425330
Dateigröße
637 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betrachten, Gropengießer, Praxissemester, Stundenentwurf
Arbeit zitieren
Tim Hoffmann (Autor:in), 2016, Betrachten als Erkundungsverfahren des Biologieunterrichts (Biologie 6. Klasse Gymnasium), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356363

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