Einleitung
Politiker in Deutschland haben es im Augenblick nicht leicht. Auf der einen Seite sehen sie sich einem wachsenden Handlungsbedarf gegenüber, da durch ca. vier Millionen Arbeitslose, deren Zahl trotz aller bisherigen politischen Bemühungen nicht abnimmt, das gesamte System der sozialen Sicherung unter Druck gerät und damit ein entscheidendes Stück des sozialen Friedens in Deutschland. Auf der anderen Seite werden Reformbemühungen mit wütendem Protest und Wahlstimmenverweigerung quittiert (Der Spiegel Nr.34, S.22-39; F.A.Z. Nr.191, S.5), was zu schwindendem Einfluss und damit abnehmender politischer Macht führt. Die deutsche Regierung scheint in einem Dilemma gefangen zu sein. So benötigt sie zur Durchsetzung der notwendigen Reformen einen möglichst breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Doch dieser Rückhalt schwindet mit der Durchsetzung der Reformen. Mit dem schwindenden Rückhalt schwindet auch die politische Macht, die Position der Opposition wird gestärkt und der Entscheidungsfindungs- und Gesetzgebungsprozess gestaltet sich schwierig und zäh. Immer mehr Gesetzesvorlagen schaffen es nicht durch den Bundesrat und werden in Vermittlungsausschüssen so lange zerrieben, bis man sich auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Dieser Verlauf hat zur Folge, dass aus möglichen Fort-Schritten, Fort-Schrittchen werden und man den Eindruck gewinnt, dass es nicht vorwärts geht. Das wiederum führt dazu, dass immer mehr Bürger der Politik immer weniger zutrauen, was wiederum zu weiter schwindenden Rückhalt mündet (vgl. Münch 1996b). Eine Spirale setzt sich in Gang, die zu einer Abwendung der Bürger von der Politik und den etablierten Parteien führen kann. Im schlimmsten Fall schlägt in solchen Situationen die Stunde extremer Parteien und Populisten, die mit vermeintlich einfachen Lösungen aufwarten und so die verärgerten Bürger hinter sich vereinen können.
Im Folgenden werde ich das Zusammenspiel zwischen dem Politbereich und der Öffentlichkeit anhand der Analysen von Talcott Parsons näher erörtern. Welche Funktion erfüllt der Politbereich innerhalb eines gesellschaftlichen Systems und in welchem Verhältnis steht er zur Öffentlichkeit.
Weiterhin werde ich mögliche Ursachen der momentanen Krise erörtern und darauf aufbauend Lösungsvorschläge unterbreiten. Dabei geht es in erster Linie um fehlgelaufene politische Kommunikation. [...]
Inhalt
Einleitung
1. Der politische Aspekt eines sozialen Systems und die Erzeugung gesellschaftlicher Macht
2. Der Politbereich
2.1 Der Politbereich und die Öffentlichkeit
2.1.1 Die Bedeutung der Wahlen und der politischen Überzeugungsarbeit
3. Vier Elemente, die das Funktionieren eines demokratischen Systems gewährleisten
3.1 Die Bedingung der Stabilität des politischen Systems
3.2 Die Bedingung der Flexibilität des politischen Systems
3.3 Die Gefahr einer möglichen Polarisierung und Spaltung der Gesell- schaft entlang politischer Trennlinien
3.4 Das Problem der Balance zwischen Fortschritt und Konservierung
4. Politische Macht als generalisiertes Kommunikationsmedium
4.1 Wertschwankungen politischer Kommunikation
4.2 Wertschwankungen politischer Macht
5. Fazit
Literatur
Presseerzeugnisse
Einleitung
Politiker in Deutschland haben es im Augenblick nicht leicht. Auf der einen Seite sehen sie sich einem wachsenden Handlungsbedarf gegenüber, da durch ca. vier Millionen Arbeitslose, deren Zahl trotz aller bisherigen politischen Bemühungen nicht abnimmt, das gesamte System der sozialen Sicherung unter Druck gerät und damit ein entscheidendes Stück des sozialen Friedens in Deutschland. Auf der anderen Seite werden Reformbemühungen mit wütendem Protest und Wahlstimmenverweigerung quittiert (Der Spiegel Nr.34, S.22-39; F.A.Z. Nr.191, S.5), was zu schwindendem Einfluss und damit abnehmender politischer Macht führt. Die deutsche Regierung scheint in einem Dilemma gefangen zu sein. So benötigt sie zur Durchsetzung der notwendigen Reformen einen möglichst breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Doch dieser Rückhalt schwindet mit der Durchsetzung der Reformen. Mit dem schwindenden Rückhalt schwindet auch die politische Macht, die Position der Opposition wird gestärkt und der Entscheidungsfindungs- und Gesetzgebungsprozess gestaltet sich schwierig und zäh. Immer mehr Gesetzesvorlagen schaffen es nicht durch den Bundesrat und werden in Vermittlungsausschüssen so lange zerrieben, bis man sich auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Dieser Verlauf hat zur Folge, dass aus möglichen Fort-Schritten, Fort-Schrittchen werden und man den Eindruck gewinnt, dass es nicht vorwärts geht. Das wiederum führt dazu, dass immer mehr Bürger der Politik immer weniger zutrauen, was wiederum zu weiter schwindenden Rückhalt mündet (vgl. Münch 1996b). Eine Spirale setzt sich in Gang, die zu einer Abwendung der Bürger von der Politik und den etablierten Parteien führen kann. Im schlimmsten Fall schlägt in solchen Situationen die Stunde extremer Parteien und Populisten, die mit vermeintlich einfachen Lösungen aufwarten und so die verärgerten Bürger hinter sich vereinen können.
Im Folgenden werde ich das Zusammenspiel zwischen dem Politbereich und der Öffentlichkeit anhand der Analysen von Talcott Parsons näher erörtern. Welche Funktion erfüllt der Politbereich innerhalb eines gesellschaftlichen Systems und in welchem Verhältnis steht er zur Öffentlichkeit.
Weiterhin werde ich mögliche Ursachen der momentanen Krise erörtern und darauf aufbauend Lösungsvorschläge unterbreiten. Dabei geht es in erster Linie um fehlgelaufene politische Kommunikation.
1. Der politische Aspekt eines sozialen Systems und die Erzeugung gesellschaftlicher Macht
Nach Talcott Parsons kann der politische Aspekt eines sozialen Systems als der Bereich verstanden werden, in dem Macht erzeugt und verteilt wird (Parsons 1969, S.205). Im klassischen AGIL-Schema nimmt er den Platz im G-Feld ein, also erfüllt die Funktion des Goal-Attainment oder auch der Zielerreichung. Bei den Zielen die erreicht werden sollen, handelt es sich um kollektive Ziele. Ziele also, die von öffentlichem, übergeordnetem Interesse sind und auf einer hohen Abstraktionsebene vorgestellt werden müssen (ebd. S.206). Das oberste Ziel einer Gesellschaft ist primär eine Funktion zweier Faktoren: Erstens, dem institutionalisierten Wertesystem und Zweitens den speziellen situativen Besonderheiten, denen sich eine Gesellschaft gegenübergestellt sieht. Neben dem sehr abstrakten obersten Ziel, das von Gesellschaft zu Gesellschaft sehr unterschiedlich ausfallen kann, gibt es noch eine größere Anzahl von Unterzielen, die vom gesellschaftlichen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen situativen Einbettungen abhängen (ebd. S.206). Das abstrakte oberste Ziel der amerikanischen Gesellschaft sieht Parsons in der Erleichterung und Verbesserung ihrer adaptiven Fähigkeiten. Dabei wird eher auf wirtschaftliche Entwicklung als auf politische Einflussnahme fokussiert (ebd. S.206). Das oberste Ziel der deutschen Gesellschaft kann man im AGIL-Schema im L-Feld finden. Die Erhaltung und Konservierung bestehender Werte. Zwar tendiert man in Anbetracht der momentanen Diskussionen in Deutschland um soziale Gerechtigkeit, sozialen Ausgleich und der Angst vor der Verarmung ganzer Gesellschaftsschichten (Der Spiegel Nr.34, S.22-39) eher dazu, als mögliche zentrale Orientierung eine Statusnivellierung und damit eine größtmögliche Verbesserung der integrativen Fähigkeiten anzunehmen, dennoch scheint dies meines Erachtens eher ein Unterziel darzustellen. Betrachtet man die deutsche Sozialstruktur und sein institutionalisiertes Wertesystem etwas genauer so fällt schnell auf, dass selbst das vielgepriesene System der sozialen Sicherung auf Statuserhalt und weniger auf Status angleich ausgerichtet ist. Wer viel Einzahlt erhält im Ernstfall auch viel. Auch im Bereich des Bildungswesens zeigt sich diese Tendenz und ist spätestens seit der Pisa-Studie deutlich ans Licht getreten. Gosta Esping-Andersen trug dieser Besonderheit Rechnung, indem er Deutschland dem konservativen Wohlfahrtsregime zuordnete (Esping-Andersen 1999).
Um die gesellschaftlichen Ressourcen auf ein gemeinsames Ziel ausrichten zu können, bedarf es gesellschaftlicher Macht. Unter Macht versteht Parsons die Kapazität, eigene Interessen durchzusetzen. Dabei ist es zwar von großer empirischer Bedeutung ob diese Interessen gegen eine Opposition durchgesetzt werden müssen, nicht aber von theoretischer (Parsons 1969, S.205). Mit dieser Definition grenzt sich Parsons von der Macht-Definition die Max Weber formuliert hatte und in der die Frage nach der Opposition auch theoretisch relevant war, ab (vgl. Weber 1985, S.28). Die Menge an Macht die eine Gesellschaft erzeugen kann, entspringt dem gesamten System und kann als eine Funktion folgender Variablen verstanden werden: Der Unterstützung, die durch die Inhaber von Macht mobilisiert werden kann, den Ressourcen, auf die sie zurückgreifen können - in aller Regel über eine gewisse Kontrolle der Produktivität der Wirtschaft-, der Legitimität der Positionen welche die Machtinhaber bekleiden und der relativ bedingungslosen Loyalität der Bevölkerung gegenüber den politisch organisierten Aspekten der Gesellschaft (Parsons 1969, S.205). Nach Talcott Parsons spielt besonders die angesprochene Unterstützung eine zentrale Rolle, was auch im Verlauf dieser Arbeit noch genauer herausgearbeitet wird. Weiterhin beinhaltet das Konzept gesellschaftlicher Macht ein integratives Problem. Es muss sichergestellt sein, das eine ausreichende Bindung der Systemeinheiten auf individueller und kollektiver Ebene gegeben ist. Nur so ist es für die Inhaber gesellschaftlicher Macht möglich, auf das notwendige Engagement der Gesellschaftsmitglieder zurückzugreifen und Entscheidungen zu treffen, die für alle bindend sind (ebd. S.205). In modernen, differenzierten Gesellschaften sind die wichtigsten “Produzenten” gesellschaftlicher Macht jene, die verantwortungsvolle Positionen auf der parlamentarischen Ebene bekleiden. Im Fall der Bundesrepublik Deutschland also primär die Bundesregierung.
2. Der Politbereich
“The generation and allocation of power in a society occurs through a set of structures and processes, a subsystem parallel to the economy which we may call the “polity”“ (Parsons 1969, S.206).
Im Wesentlichen handelt es sich dabei um ein funktionales Beziehungssystem, das durch institutionelle Muster kontrolliert wird und dabei gleichzeitig selbst Kollektive und Rollen kontrolliert. Die kontrollierenden institutionellen Muster sind jene, welche die hierarchische Ordnung des sozialen Status und der Autorität sowie der zwangsweisen Regulation privater Aktivitäten derjenigen Regeln, die sich im Politbereich bewegen und dort bestimmte Positionen bekleiden. So muss festgelegt sein, an welcher Position in der Hierarchie z.B. der Bundeskanzler steht, wem gegenüber er weisungsbefugt ist sowie wo private Interessen anfangen und öffentliche aufhören. Dabei muss jedoch zwischen der Regierung, respektive der parlamentarischen Ebene, und dem Politbereich unterschieden werden. Die Aufgaben und Funktionen der Regierung sind weitestgehend in der Verfassung festgelegt und umfassen vor allem die Regelung der Außen- und Handelsbeziehungen, den Schutz der Menschen- und Bürgerrechte, die Gewährleistung von Rechts- sowie innerer Sicherheit und die Förderung der allgemeinen Wohlfahrt. Wie bereits weiter oben angeführt, schafft und regelt der Politbereich die Rahmenbedingungen in denen sich die parlamentarische Ebene bewegt. Er regelt die notwendige Legitimation der Regierung und der Ministerien und die Interventionsrechte der politischen Führung im wirtschaftlichen Bereich. Durch letzteres wird wiederum die Kontrolle der notwendigen Ressourcen, die zur Erreichung der gesellschaftlichen Ziele benötigt werden, reguliert. An letzter Stelle schafft der Politbereich die Mobilisierung von Unterstützung der Gesellschaft für jene, die Führungspositionen inne haben, so dass diese für alle verbindliche gesellschaftliche Ziele formulieren und implementieren können. Letzteres beschreibt Parsons als den “Ziel-Erreichungs-Prozess” des Politbereichs. Dessen Ziel muss jedoch von dem der Gesamtgesellschaft - dem Gesamtsystem- unterschieden werden. Das Ziel des Politbereichs ist die Generierung politischer Macht, um dann wiederum Ressourcen zu mobilisieren, die zur Implementierung gesamtgesellschaftlicher Ziele eingesetzt werden können (Parsons 1969, S.207). Dies wird auf zwei unterschiedlichen Ebenen erreicht: Auf der allgemeineren über die Bereitstellung effektiver Führung bei der Ziel-Spezifikation und -Umsetzung, auf der spezifischeren über das Treffen von bindenden Entscheidungen. Als Empfänger der Outputs des Politbereichs dient die Öffentlichkeit.
2.1 Der Politbereich und die Öffentlichkeit
Das Verhältnis zwischen dem Politbereich und der Öffentlichkeit kann mit dem zwischen der Wirtschaft und den Haushalten verglichen werden. Parsons weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei lediglich um eine Analogie, nicht aber um eine identische Beziehung handelt. Er zieht den Vergleich heran, da er das Verhältnis zwischen Politbereich und Öffentlichkeit sehr anschaulich darstellt (Parsons 1969, S. 209 u. 240). Die Öffentlichkeit fungiert gegenüber dem Politbereich nicht nur als Empfänger von Outputs, sondern gleichzeitig auch als Sender von Inputs. Der wichtigste Input von Seiten der Öffentlichkeit in den Politbereich ist die bereits angesprochene Unterstützung. Auf der relativ stark verallgemeinerten Ebene handelt es sich dabei um eine sehr generelle Unterstützung. Sie umfasst in erster Linie ein breites Vertrauen der Bevölkerung in jene, die verantwortungsvolle Posten mit Entscheidungsgewalt im Politbereich bekleiden. Erst dieses Vertrauen ermöglicht es, dass weitreichende Entscheidungen getroffen werden können und dass die Konsequenzen, die unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unterschiedlich treffen können, durch die Betroffenen getragen werden. Etwas vereinfacht ausgedrückt ist unter dieser generellen Unterstützung die Anerkennung des politischen Systems und seiner Organisation sowie das Vertrauen in seine Leistungsfähigkeit durch die Bevölkerung zu verstehen. Nur so ist effektive Führung, der Output des Politbereichs an die Öffentlichkeit, möglich. Im Verhältnis zwischen den Haushalten und der Wirtschaft entspricht dieser verallgemeinerte Austauschebene dem Input in die Wirtschaft in Form von Arbeitsleistung und dem Output der Wirtschaft in Form von Lohneinkommen. Auf einer weniger abstrakten Ebene sind die Outputs des Politbereichs direkt bindende Entscheidungen, wie das Erlassen bestimmter Gesetze. Der Input der Öffentlichkeit ist wiederum Unterstützung. Auf dieser Ebene zeigt sich diese in der Befürwortung und Akzeptanz der Politik und ihrer Entscheidungen. Darunter ist jedoch nicht die strikte Befolgung bestimmter Gesetze, wie den Regeln der Straßenverkehrsordnung, zu verstehen, sondern die generelle Richtung der politischen Entscheidungen. Im Verhältnis zwischen der Wirtschaft und den Haushalten ist diese Ebene mit dem Austausch von Konsumgütern und Konsumausgaben zu vergleichen. Die Austauschbeziehungen zwischen der Öffentlichkeit und dem Politbereich finden in erster Linie über das Parteien-System statt.
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