Leseprobe
Inhalt
Danksagung
Abstract
Abkürzungen, Begriffserklärungen
1. Einleitung
2. Die Geschichte der Qualitätsentwicklung
3. Theoretische Perspektiven zur Profession der Pflege nach Ulrich Oevermann
4. Professionalisierung und Akademisierung der Pflege in Deutschland
4.1 Der duale Studiengang Pflege
5. Rahmenbedingungen im ambulanten Setting
5.1 Rahmenverträge und Zulassung
5.2 Finanzierung
6. Methode
6.1 Literaturanalyse
6.2 Forschungsmethode: Experteninterviews
6.2.1 Hauptfrage
6.2.2 Methodisches Design und Forschungsprozess und Sample
6.2.3 Fragen des Interviews und Leitfaden
6.2.4 Auswertungsmethode und Analyse
6.2.5 Methoden Kritik
7. Ergebnisse
7.1 Auswertung der Experteninterviews - Kategorienübersicht
7.2 Beschreibung der Ergebnisse
7.2.1 Interpretation der Ergebnisse
7.3 Stressoren unter dem Blickwinkel der Salutogenese
7.4 Diskussion
8. Fazit und Handlungsempfehlungen
9. Ausblick
10. Literatur
10.1 Abbildungen, Tabellenverzeichnis
Abkürzungen und Begriffserklärungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Danksagung
Eine Bachelorarbeit zu verfassen neben einer selbständigen Berufstätigkeit ist mir nicht im- mer leicht gefallen. Die Umsetzung wäre mir nicht gelungen, hätte ich nicht auf ein so fach- kundiges und unterstützendes Leitungs- und Mitarbeiterteam zurückgreifen können, die mir den Rücken für das gesamte Studium freigehalten haben. Hierfür möchte ich mich herzlich bedanken. Ein besonderes Dankeschön gebührt auch meiner Schwester Andrea Kriegel, die in dieser Zeit die Geschäfte des Unternehmens geführt hat, sodass ich meine Konzentration oft ausschließlich auf das Studium lenken konnte. Meinem lieben Mann Steffen Schulze- Hüßelmann danke ich für die unglaubliche Ruhe, mit der er sich alle möglichen Studieninhal- te angehört hat ebenso wie für die hilfreichen und konstruktiven Diskussionen. Mein Dank gebührt im Besonderen auch den Studierenden, die mir ihre Zeit und ihre Erfahrungen in den nötigen Interviews zur Verfügung gestellt haben. Danken möchte ich außerdem allen Dozen- ten, die mir den Weg bis zum Abschluss geebnet haben. Frau Prof. Dr. Adam-Paffrath, die ich zum Ende des Studiums kennen lernen durfte und die mich im Rahmen der Interviewko- ordination sehr unterstützt hat und mit ihrer Dissertation: „ Würde und Demütigung aus der Perspektive professioneller Pflege“, bei der Findung von Inhalten dieser Arbeit sehr geholfen hat, möchte ich danke sagen. Im Besonderen ein allerherzlichstes Dankeschön an Frau Prof. Dr. Thiekötter, die mir mit ihrer Dissertation: „ Pflegeausbildung in der Deutschen Demokrati- schen Republik“ eine große Hilfe zur Strukturierung dieser Arbeit war und mich in das wis- senschaftliche Denken mit einer großen Freude eingeführt hat. Sie hat mich befähigt theore- tisches Wissen mit Praxiserfahrungen zu vereinen.
Abstract
Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist zu erkennen, ob akademisierte Pflegefachkräfte im ambu- lanten Pflegesetting einen zukünftigen Arbeitsbereich für sich sehen. Die Erwartungen, die sie mitbringen und Chancen, die sich in Zukunft daraus ergeben können, vervollständigen die Zielerwartung an diese Arbeit. Um dieses Ziel zu erreichen unternimmt die Verfasserin zunächst einen Ausflug in das Qualitätsmanagement. Im Besonderen hier die Geschichte des Qualitätsmanagements um aufzuzeigen, wie wichtig eine Qualitätsentwicklung ist, um sich im weiteren Verlauf überhaupt mit Akademisierung zu befassen. Methodisch bedient sich die Verfasserin der Literaturanalyse sowie der Forschungsmethode des Experteninter- views. Hier wurden sechs Studierende aus dem dualen Studiengang Pflege mit neun Fragen bezüglich des ambulanten Pflegesettings befragt, nachdem die Studierenden dort jeweils ein mehrwöchiges Praktikum absolviert hatten. Die Ergebnisse der Experteninterviews wurden mit Hilfe der Auswertungsmethode nach Meuser und Nagel durchgeführt (Meuser, Nagel,
3.Auflage, 2009, 51 ff.). Im weiteren Verlauf der Arbeit wird erkennbar, wie groß der Einfluss der Rahmenbedingungen ist, dem das ambulante Pflegesetting unterliegt. Die Entwicklung der Pflegeakademisierung in Deutschland und der ambulanten Pflege selbst schaffen Grundlagen, die es der Akademisierung in der ambulanten Pflege nicht besonders einfach machen. Das es trotzdem Möglichkeiten gibt und die Akademisierung der ambulanten Pflege unabdingbar notwendig ist, kann in dieser Arbeit gezeigt werden. Mit Ideen zur Umsetzung schließt diese Arbeit im Ausblick ab.
1. Einleitung
Zukunftsort Ambulante Pflege ?
Der Einzug der Akademisierung in das ambulante Pflegesetting Voraussetzungen - Erwartungen - Entwicklungen
Ambulant vor stationär! Eine Aussage, die bei der Pflegeversicherung in § 43 Abs. 1 SGB XI gesetzlich normiert ist. Aber auch ohne gesetzliche Vorgabe hat sich im Bereich der Pflege und Versorgung immer mehr der Wunsch der Bevölkerung heraus kristallisiert so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben (vgl. Bericht zur Senioren und Pfle- geplanung, 201, 21). Dies ist eine Herausforderung für alle an der Pflege Beteiligten. Der demographischen Entwicklung folgend werden statt derzeit circa 2,5 Millionen Menschen in 2030 circa 3,4 Millionen Menschen pflegebedürftig sein (vgl. Statistisches Bundesamt, Jahr- buch, 2016, 126). Aber es ist nicht nur eine Herausforderung bezüglich der Quantität. Die Anforderungen der Qualität in der ambulanten Pflege und Versorgung verändern sich. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse fließen in die Pflege ein, und die Anbieter professioneller ambulanter Pflege müssen diese Herausforderungen annehmen. Um das zu realisieren wer- den Menschen benötigt, die über die Fähigkeiten der derzeit gängigen Ausbildungsberufe in der Pflege hinaus eine Fachlichkeit entwickelt haben oder entwickeln, die eine evidenzba- sierte Versorgung pflegebedürftiger Menschen im häuslichen Bereich möglich macht. Aber ist die derzeitige Landschaft der ambulanten Pflege schon bereit sich dieser Herausforde- rung zu stellen? Hat junges akademisiertes Pflegepersonal, die sich auf den Weg machen die Pflegewelt zu verändern, überhaupt den Bereich der ambulanten Pflege im Blick? Wel- che Voraussetzungen müssten geschaffen werden und welche strukturellen Veränderungen kommen ggf. auf die ambulante Pflege zu? Da mich dieses Thema persönlich sowie beruf- lich sehr stark interessiert und seit meiner Studienzeit in der ein oder anderen Facette immer wieder aufgefordert hat mich damit auseinander zu setzen, möchte ich mich nun zum Ab- schluss der Studienzeit im Rahmen der Bachelorarbeit damit befassen. Das Thema der Qualitätsverbesserung ist einerseits ein großer eigenständiger Bereich, der hier nicht im Fo- kus stehen soll, jedoch ist es andererseits das Ziel für alle Pflegebedürftigen und alle in der Pflege und im Pflegemanagement Tätigen. So soll im nächsten Kapitel die Geschichte der Qualitätsentwicklung in den Fokus rücken um zu verstehen, woher Entwicklungen kommen, dass sie nicht immer vom eigentlichen Thema abhängen, und dass Menschen und Ge- schehnisse Einfluss nehmen, die auf den ersten Blick nichts mit dem grundsätzlichen Thema zu tun haben.
2. Die Geschichte der Qualitätsentwicklung
„ Stimmen die Namen und Begriffe nicht, so ist die Sprache konfus. Ist die Sprache konfus, so entstehen Unordnung und Misserfolg, so geraten Anstand und gute Sitten in Verfall. Sind Anstand und gute Sitten in Frage gestellt, so gibt es keine gerechten Strafen mehr. Gibt es keine gerechten Strafen mehr, so weißdas Volk nicht, was es tun und was es lassen soll. Darum muss der Edle die Begriffe und Namen korrekt benutzen und auch richtig danach handeln können. Er geht mit seinen Worten niemals leichtfertig um “ (Konfuzius 485v.Chr.,publ. in Gespräche ( lun-yu),Kap. XIII).
Es gibt eine Vielzahl von Menschen, die sich mit der Qualität schon früh auseinandergesetzt haben. Beispielsweise bereits im vierten Jahrhundert vor Christi: „Qualität ist Güte“ (Lao-tse: Tao-Te-King, Kap. VII). Befasst man sich heute mit dem Thema Qualitätsmanagement und dabei besonders mit dem Bereich der Pflege ist zu erkennen, wie viel Entwicklung es bereits nur in den letzten 30 Jahren gegeben hat, welche auch oft kuriosen Auswüchse es gab und wie sie wieder verschwanden. Bereits die Herkunft des Wortes „Qualität“ zeigt schon die Verbindung von zwei unterschiedlichen Bedeutungen. Während „Qualis“ die Bedeutung, also die Beschaffenheit beschreibt, bezieht sich „ Qualitas“ auf die Prozesse, die im Verhältnis zu Dingen und Eigenschaften bestehen (vgl. Brockhaus Enzyklopädie,1992, Band 17, 662). Der chinesische Philosoph Konfuzius brachte es schon etwa 500 v.Chr. auf den Punkt: „ Sag es mir und ich werde es vergessen. Zeig es mir und ich werde mich erinnern. Beteilige mich und ich werde es verstehen. Lass es mich tun und ich werde es können „ ( vgl. http://www.poeteus.de/zitat.10.09.2016)(H.d.d.V). Dies ist heute noch bei der Umsetzung von Qualitätsprozessen handlungsführend. So können wir sehen, dass bereits in Vorchristli- cher Zeit die Qualität einen hohen Stellenwert hatte. Bei den Vorsokratikern wie Heraklit (550*-480ϯ) ging es um Tugend und Tüchtigkeit. Das Beste war jenes, welches Bestand hatte. Das erlebbare Schöne stand im Vordergrund. Heraklit vertrat die Ansicht: „ Die Men- schen haben ihre Lust mehr an den Qualitäten als an der Substanz, das ist eine Grundtat- sache unseres Lebens “ (vgl. Heraklit, Fragment 429) (H.d.d.V). Heute sehen wir zum Bei- spiel in der „Anmutungsqualität“, um die es in der Konsumforschung geht, mit der Herak- lit`schen Ansicht einen Ursprung (vgl. Zollondz 2011,10).
Sokrates (469 v. Chr.*- 399 v. Chr.† ) und Platon (428/427v.Chr. *- 348/347 v. Chr. †) stell- ten sich die Frage, ob das „einfache Sein“ von Qualität ausreicht. Sie beschäftigten sich da- mit, ob die „Bestheit“, die Heraklit vertrat, erlernbar ist. Sie entwickelten eine Wahrheitsbe stimmung, in der das Qualitative von der Idee zur Erscheinung gelangt (vgl. Zollnotz, 2011, 9)
Mit Eintritt des 20. Jahrhunderts lässt sich der Beginn des heutigen modernen Qualitätsma- nagements festmachen. Hier finden wir Pioniere des Denkens über Qualität. Gleichzeitig muss hier jedoch auch der Zusammenhang gesehen werden, aus welchen Gründen das Denken über Qualität seinen Lauf nahm. Institutionelle Strukturen und Wirtschaft trieben das Qualitätsdenken voran. William Edward Deming (1900*-1993ϯ) war Physiker und Mathemati- ker in den USA. Zusammen mit Andrew Sheward, der Deming die statistische Prozessrege- lung lehrte, verfasste er bereits 1939 das Buch - Statistical Methods from the Viewpoint of Quality Control - . Die Leistung Demings war, dieses Wissen auch außerhalb der Produktion bekannt zu machen. Nach dem zweiten Weltkrieg konnte er als Ingenieur beim Wiederauf- bau Japans mithelfen. Er stieß in Japan auf eine unglaublich große Resonanz, da er die vom Taylorismus geprägte Arbeitsweise hinter sich ließ und die Unternehmen aufforderte sich auf den Kunden einzustellen. Er entwickelte die Deming`sche Reaktionskette. Deming plädiert für die Einführung eines Qualitätsbegriffes, der den Kundenwunsch, also die Orientierung am Kunden, in den Vordergrund stellt. Weiterhin versucht Deming stets eine neue Grundhaltung im Bereich der Managementprinzipien zu vermitteln. Das universelle Instrument Qualität zu verbessern ist ein nie endender Prozess: - kein Anfang-kein Ende - . Um diese Grundhaltung umzusetzen waren jedoch drei Grundannahmen notwendig (Zollnotz, 2011,90).
Jede Aktivität innerhalb und außerhalb des Unternehmens ist als Prozess aufzufassen und kann entsprechend verbessert werden.Problemlösungen allein genügen nicht, fundamentale Veränderungen sind erforderlich.
1. Das Top-Management muss Vorbild sein und handeln, die Übernahme von Ver- antwortung ist nicht ausreichend (vgl. Zollontz, 2011,90).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Deming Kreis (vgl. www. beratungniedersachsen.wordpress.com). (02.12.2016).
Eine ganz andere zum Thema hinführende Betrachtungsweise ist die pädagogische Profes- sionalität. Hier möchte die Verfasserin mit dem Soziologen Ulrich Oevermann einen Ausflug in das professionalisierte Handeln anbieten.
3. Theoretische Perspektiven zur Profession der Pflege nach Ulrich Oevermann
In der Entwicklung einer Pflegeprofession sind wir heute in der Erkenntnis angekommen, dass pflegetheoretische Aspekte grundsätzlich und stets wesentliche Voraussetzungen für die Gestaltung einer professionellen Pflege sind. Individuelles Fallverstehen und evidence- based nursing sind hier nur zwei Schlagworte, die diese Wissensrealität beschreiben. So spiegelt sich in der „Pflegewelt“ eine Notwendigkeit wieder, die in der praktischen Umsetzung schnell ihre Grenzen findet. Beispielhaft können hier die nationalen Expertenstandards ge- nannt werden, die grundsätzlich nur einen Rahmen geben, um individuelle Standards zu entwickeln. Genau diese Entwicklungsarbeit macht jedoch den Pflegekräften große Proble- me. Solch handlungstheoretische Fertigkeiten werden den Pflegefachpersonen abverlangt, wobei derlei Kenntnisvermittlung im derzeitigen Ausbildungscurriculum zur Pflegefachperson kaum zu finden ist. Beispielhaft kann hier festgestellt werden, dass pflegetheoretische Er- kenntnisse mit nur einem Lernfeld in der Altenpflegeausbildung abgehandelt sind (https://soziales.hessen.de/sites/default/files/media/hsm/rahmenlehrplan_altenpflege_2011.p df,12.11.2016).
Die Tatsache, dass Pflegekräfte genauso wie die Ärzte ein Mandat der Patienten erhalten, darf bedeuten, dass die Parteien, wie Oevermann es im therapeutischen Bündnis zwischen Arzt und Patient beschreibt, ein Arbeitsbündnis im pflegerischen Bereich eingehen (vgl. Oevermann 2016, 152). Hier ist die Profession der Pflegefachkraft gefragt, um den Patienten eine professionelle Pflege angedeihen lassen zu können. So erklärt Oevermann: „Denn es ist ja im therapeutischen Arbeitsbündnis unabdingbare Voraussetzung für dessen praktische Autonomie und damit für die die Autonomie stützende Selbstverantwortlichkeit des Patienten in der helfenden und zugleich Hilflosigkeit erzeugenden Behandlung, daß der Kranke auf eigenen Entschluß hin in Anerkennung seines Leidens sich in Behandlung begibt, also sich selbst zum Patienten macht “ ( Oevermann, 2016, 152; H.i.O.). Geht man nun davon aus, dass es im Bestreben eines jeden Menschen liegt nur mit demjenigen zu arbeiten, der auch als kompetent in der Sache erscheint, ist eine Professionalisierung der Pflege unumkehrbar notwendig. Weiter gefasst lässt sich sagen, dass aus dem professionellen praktischen Han- deln eine Profession wird, die eine Vergemeinschaftung von praktischer und theoretischer Professionalisierung voraussetzt. Oevermann nennt dies die „doppelte Professionalisierung“ und erklärt: „Wir können uns nun der Frage systematisch zuwenden, welche Fähigkeiten den professionalisierten Therapeuten in den Stand setzen (…) und wie die Ausbildung beschaffen sein muss (…). Es liegt auf der Hand, daß diese Fähigkeit neben einer wissen- schaftlich-methodischen Qualifizierung wesentlich eine interventionspraktische nach dem Muster von praktischen, Risiken abwägenden Entscheidungen in sich einschließt. (…) Ent- sprechend muss die Ausbildung der therapeutischen Professionen auf eine Aneignung die- ser immer breiter werdenden erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden ge- stellt sein. Die auf den Focus der Therapie bezogenen Professionen sind demnach in einer doppelten Weise professionalisiert. Sie sind zum einen professionalisiert hinsichtlich der Ein-übung in den wissenschaftlichen Diskurs als solchen gemäß den Ausführungen zum ersten Focus“ (Oevermann, 2016, 123ff; H.i.O.)“. Vice Versa zum therapeutischen Arbeitsbündnis entsteht nun im pflegerischen Arbeitsbündnis die Profession dadurch, dass auf die beste- henden interventionspraktischen Kenntnisse die wissenschaftlich-methodische Qualifizierung folgt. Zur Darstellung dieser “umgekehrten“ Professionalisierung im pflegerischen Arbeits- bündnis folgende Abbildung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Doppelte Professionalisierung Vice Versa (eigene Darstellung, angelehnt an Graz, Raven, 2015, 132).
Der Weg zur Profession über die Professionalisierung und die dementsprechende Akademisierung von Pflegfachpersonal ist auch in der Retrospektive keine einfache Kost gewesen. Im nächsten Kapitel soll hier näher auf die beschrittenen Wege eingegangen werden.
4. Professionalisierung und Akademisierung der Pflege in Deutschland
Die Professionalisierung und Akademisierung in der Pflege entwickelte sich langsam in den 1980er Jahren durch Pionierinnen unter Zugehörigkeit zum DBFK. In den 1990er Jahren bauten sich langsam Strukturen auf, die jedoch noch sehr vielfältig und ungeordnet waren (Bartholomeyczik, 2016, 3). In 1989 fanden die ersten Demonstrationen Pflegender statt. Dort wurde nicht ausschließlich bezüglich des Pflegenotstandes demonstriert, sondern man forderte auch die Professionalisierung (Bartholomeyczik, 2016, 17). Bereits 1992 entsteht eine Denkschrift der Kommission der Robert Bosch Stiftung, in der es um die Hochschulaus- bildung der Leitungskräfte in der Pflege geht. In den Texten wird bereits vom demographi- schen Wandel gesprochen, genauso wie die Forderung formuliert wird, dass in der Pflege Manager benötigt werden. Die Weiterbildungen sind unbefriedigend und die Bundesrepublik müsse ihren Rückstand aufholen (vgl. Robert Bosch Stiftung, 1992, 11 ff). Heute 2016 hören sich die Probleme und die Forderungen fast noch genauso an. In der Lehrerbildung für me- dizinische Fachberufe war die ehemalige DDR der BRD um ein weites voraus. Sie beförderte die Professionalisierung der BRD nach dem Mauerfall, allerdings dauerte dieser Prozess lange, da zunächst die Auffassung bestand, dass alle Bildungsstrukturen der BRD angepasst werden müssten (Bartholomeyczik, 2006, 9 ff.). Langsam entstand eine Debatte über die Vergleichbarkeit von Abschlüssen im Bildungsraum Europa, dem 1999 in Bologna und 2002 in Kopenhagen inhaltlich Rechnung getragen wurde (vgl. Krone, 2015, 24). Beispielsweise in Finnland ist die Akademisierung bereits seit den 1970er Jahren verankert. Hier üben die re- gistered nurses ihre diagnostischen und therapeutischen Aufgaben aus und agieren beson- ders im ländlichen Bereich als Koordinatoren in einem multiprofessionellen Team (vgl. Hä- mel, Kutzner, 2015, 60). Glücklicherweise hat sich die Akademisierung der Pflege nun auch in der Pflegelandschaft in Deutschland gefestigt. Mehr und mehr Pflegestudiengänge werden durch die Universitäten angeboten und genutzt. Besonders sind hier die dualen Studiengän- ge zu nennen, die die Praxis mit evidenzbasiertem Handeln verbinden (vgl. Witzmann et.al. 2016, 94). Eine spannende Frage ist nun, wo und wie werden die akademisierten Pflegeper- sonen nach ihrem Abschluss tätig? Was bewirkt die Akademisierung in der Pflegeland- schaft? Hier liegen kaum Untersuchungen vor. Auch Stellenbeschreibungen oder Kompe- tenzregelungen gibt es nur in einigen Kliniken (ebd. 94).
Die Gründe und Auswirkungen, die sich ergeben könnten, sind durch eine Expertenbefra- gung erfasst worden (vgl. Simon, Flaiz, 2015, 162).
Beispielsweise stehen folgende Bereiche im Vordergrund:.
- Selbständiges und eigenverantwortliches Arbeiten in der Pflege Organisieren und führen des Kollegiums
- Organisieren von Schnittstellen
- Die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis umsetzen Patientenbefragungen durchführen können
- Im Qualitätsmanagement mitarbeiten können
Die Auswirkungen dieser Professionalisierung könnten sich in folgenden Bereichen wider- spiegeln:
- Die Komplexität der Pflege steigt
- Die Forderung nach flexiblen Einsatzmöglichkeiten
- Das „Standing“ der Pflege wird aufgewertet und die Fachlichkeit wird verbessert. Der Anschluss an das internationale Niveau wird gefördert
- Das Berufsfeld wird wissenschaftlich fundiert (vgl. Simon, Flaiz, 2015, 162).
Im nächsten Kapitel soll der duale Studiengang Pflege und Gesundheit näher beleuchtet werden.
4.1 Der duale Studiengang Pflege
Im Rahmen des dualen Studienganges Pflege werden Studierende zu dreijährig examinier- ten Pflegefachkräften ausgebildet und gleichzeitig zu erweiterten Fachpersonen entwickelt, die in der Lage sind, mit reflexivem Blick ethisch und wissenschaftlich fundiert zu arbeiten und zu handeln (vgl. Lademann et.al. 2016, 337). Der Studiengang verbindet die praktische Lehre mit der akademisierten Erweiterung. Hier spiegelt sich die Theorie Oevermann‘s in der Praxis wieder. Die Kriterien und Motive für junge Menschen sich für den Studiengang zu ent- scheiden sind oft der Wunsch Menschen zu helfen aber auch die Medizin zu verstehen. So können die Dualstudiengänge eine Lücke in der Pflegelandschaft schließen (vgl. Reichhard, Petersen-Ewert, 2014, 248). So führt der duale Studiengang zu einer erhöhten Durchlässig- keit der Bildungssysteme. Die zwei ursprünglich in Deutschland vorliegenden Systeme der schulischen Bildung bis zur Akademisierung und der beruflichen Bildung werden hier zusammengeführt (vgl. Hähn, 2015, 26). Nach den Daten des Bundesinstituts für Bildung (BIBB) gibt es mehrere Modelle der dualen Studienorganisation. Hierzu gehören das:
- Blockmodell ( im Folgenden näher beschrieben)
- Rotationsmodell
- vorgeschaltete Ausbildung
- Fernlernen
Das Blockmodell ist nach der BIBB das in der Praxis meist umgesetzte Modell (vgl. Krone, 2015,18). Dieses Modell kann im Rahmen seiner Inhalte folgenden Aufbau haben:
Basisstudium (4 Semester) mit den Basismodulen
- Wissenschaftliche und fachliche Basis,
- Schwerpunkt innere Erkrankungen I Wissenschaftliche und fachliche Basis,
- Schwerpunkt innere Erkrankungen II Wissenschaftliche und fachliche Basis,
- Schwerpunkt neurologische und endokrinologische Erkrankungen
Praxissemester
Profilstudium (3 Semester) mit den Profilmodulen
- Spezielle Pflege und Gesundheitskommunikation
- Praxissemester
- Spezielle Pflegeprozesse
Abschlussstudium (1 Semester) mit dem Abschlussmodul Spezielle Pflegeprozesse
Das Blockmodell gliedert abwechselnd Theorie- und Praxisphasen. Die Verzahnung von Theorie und Praxis ist zu jeder Zeit gegeben und findet innerhalb der Lehrveranstaltungen statt. Die praktische Ausbildung wird jeweils mit dem Träger der praktischen Ausbildung ge- währleistet (vgl. http://www.fliedner-fachhochschule.de/studienangebot/bachelor/b-a-pflege- und-gesundheit-dual/). Leider ist zu bemerken, dass die Studiengänge sich durch eine Krankenhauslastigkeit auszeichnen, die dem ambulanten Bereich kaum die Möglichkeit ge- ben sich als interessantes Arbeitssetting darzustellen (vgl. Garms-Homolova´, 2004, 50). Gleichwohl weist das in der Gesundheitsreform 2000 ausgegebene Paradigma ambulant vor stationär eindeutig darauf hin, dass die Notwendigkeit und der Wille alles zu tun um die ambulante Pflege zu stärken festgeschrieben wird. Im Gesetzestext heißt es: „Die Leistungen können entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs au- ßerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen) für teilstationäre oder stationäre Einrich- tungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht werden. Vorrang haben ambulan- te Leistungen vor teilstationären und stationären Leistungen sowie teilstationäre vor stationä- ren Leistungen. Der Vorrang der ambulanten Leistung gilt nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismä- ßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prü- fen. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berück- sichtigen. Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen. Einrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen“ (vgl. Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGB, 3022).
5. Rahmenbedingungen im ambulanten Setting
Nun haben sich im Jahre 2016 die Gedanken aus der Gesundheitsreform schon weitestge- hend in die Normalität umgesetzt. Das Verständnis für die ambulante Versorgung ist auch in der Bevölkerung gewachsen und lässt sich gut in der Pflegestatistik ablesen (vgl. Tabelle 1, 1,15). Nun ist es daran eine qualitative Verbesserung der ambulanten Pflege zu generieren. Die Notwendigkeit, die fachlichen Kapazitäten an den Bedürfnissen und Bedarfen der Patien- ten/Kunden zu orientieren, steht im Mittelpunkt. Ohne diese Ausrichtung können die noch bestehenden Versorgungslücken nicht geschlossen werden (vgl. Hasseler, Meyer, 2004, 9). Nun könnte der Beobachter denken, dass die Bedürfnisse und Bedarfe der Patienten und Kunden in der häuslichen Pflege zur Zufriedenheit der Betroffenen gedeckt werden, darf der Kundenbefragung des medizinischen Dienstes im Rahmen von Qualitätsprüfungen der Pfle- gedienste Glauben geschenkt werden (vgl. http://www.aok-pflegeheimnavigator.de). Ohne Einschränkung kann ein Patient oder Pflegekunde beurteilen, ob er mit der Pflege zufrieden ist, also ob seine Bedürfnisse zufrieden gestellt worden sind. Ob jedoch seine Bedarfe im Rahmen von professioneller Pflege gedeckt werden, kann der Patient häufig nicht bewerten, denn Bedürfnis und Bedarf sind zwei unterschiedliche Vorgaben (vgl. Moers, Schaeffer, 2002, 219). Hier sind Pflegefachpersonen notwendig, die im Rahmen ihrer Akademisierung Bedarfe erkennen und für den Patienten bearbeiten können. Die Schwierigkeit der pflege- fachlichen Bedarfserkennung beim Patienten entsteht vielfach aber auch aus den Rahmen- bedingungen, die der ambulanten Pflege heute gegeben sind. Notwendige Zeit bei der Kun- denversorgung fehlt durch vorgegebene Zeitkorridore bei den einzelnen Versorgungen. Wenig wird der Wunsch des Patienten nach Gespräch, sozialem Kontakt und Bezugspflege um- gesetzt. Stattdessen wird nach Leistungskatalog der Rücken gewaschen (vgl. Schaeffer, Ewers, 2002, 223). Um einen genaueren Einblick in die Rahmenbedingungen der heutigen ambulanten Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu bekommen lohnt sich zunächst ein Blick in die aktuelle Statistik. Seit der Umsetzung der Pflegeversicherung im Jahre 1996 hat sich die Landschaft der ambulanten Pflege grundlegend geändert. Waren in der Zeit vor der Pflegeversicherung kaum private Träger ambulanter Pflegeleistungen auf dem Pflegemarkt, hatten sie in 2007 bereits einen Marktanteil von 45% der Anbieter, während 53% freigemeinnützige Träger waren. Heute sind bundesweit 12500 ambulante Pflegedienste anerkannt tätig. Davon sind 64% in privater Trägerschaft und 35% unter freigemeinnütziger Trägerschaft (z.B. Caritas oder Diakonie)(vgl. Pflegestatistik, 2016, 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: ambulante Pflegedienste in 2013, Pflegestatistik 2016 (eigene Darstellung).
Bundesweit werden im Dezember 2013 rund 616.000 pflegebedürftige Menschen durch am- bulante Pflegedienste versorgt. Die Tendenz ist weiterhin steigend( vgl. Pflegestatistik, 2016).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Pflegebedürftige in ambulanter Versorgung, Pflegestatistik 2016, (eigene Darstel- lung).
5.1 Rahmenverträge und Zulassung
Um in der ambulanten Pflege als Anbieter tätig zu werden müssen einige Voraussetzungen gegeben sein. Hierzu gehört unter anderem der Abschluss eines gültigen Versorgungsvertrages mit den gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Hierzu ist der Rahmenvertrag nach § 132a Abs.1 SGBV vorgesehen. Ebenfalls muss ein Vertrag nach § 72 SGBXI vorliegen, um die grundpflegerischen Versorgungen im Rahmen der Pflegeversicherung durchführen und abrechnen zu können. Hier werden alle Bedingungen vorgegeben, die zur Versorgung und Abrechnung der Pflegeleistungen mit den Kassen bevollmächtigen. Die Verträge gliedern sich unter anderen in folgende Punkte:
- Die vom ambulanten Pflegedienst angebotenen Leistungen der häuslichen Kranken pflege gem. § 37 SGB V sind unter ständiger Verantwortung einer Pflegefachkraft durchzuführen. Die Pflegefachkraft ist: Gesundheits- und Krankenpfleger/in oder Ges undheits- und Kinderkrankenpfleger/in oder Altenpfleger/in nach dem Altenpflegege- setz vom 25.08.2003 oder Altenpfleger/in mit einer dreijährigen Ausbildung nach Landesrecht.
- Die Eignung zur Übernahme der ständigen Verantwortung ist ferner davon abhängig, ob innerhalb der letzten acht Jahre mindestens zwei Jahre ein oben genannter Beruf hauptberuflich ausgeübt wurde, davon mindestens neun Monate im ambulanten Beeich. Für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft ist ferner Vorausset zung, dass eine Weiterbildungsmaßnahme für leitende Funktionen mit einer Mindeststundenzahl von 460 Stunden erfolgreich durchgeführt wurde.
- Der Pflegedienst stellt eine wirksame und wirtschaftliche Leistungserbringung sicher. Die Pflegeleistungen dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen und sind als wirksam anzusehen, wenn durch sie das Pflegeziel erreicht wird. Leistungen, die die se Voraussetzungen nicht erfüllen, können Pflegebedürftige nicht beanspruchen und der Pflegedienst nicht zu Lasten der sozialen Pflegeversicherung bewirken. Der Pflegedienst hat durch ordnungsgemäße Buchführung nach § 259 Abs. 1 BGB die Trennung der Finanzierungsverantwortlichkeiten sicherzustellen. Im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten und des Versorgungsangebotes hat der Pflegedienst alle Versorgungsaufträge anzunehmen. Eine Beschränkung von Pflege aufträgen für bestimmte Pflegestufen ist unzulässig.
- Die Vergütung richtet sich nach einer besonderen Vereinbarung zwischen dem Träger des Pflegedienstes und den Leistungsträgern gemäß § 89 SGB XI. Zuzahlungen zu den Vergütungen dürfen durch den Pflegedienst vom Pflegebedürftigen weder gefordert noch angenommen werden (vgl.www.aokgesundheitspartner.de/.../wl_pflege_ambulant_muster_versorgungs…Vers orgungsvertrag nach §72SGBXI,12.11.2016).
Sind die Voraussetzungen zum Erhalt eines Versorgungsvertrages erfüllt, sind die durch das SGB XI vorgegebenen Rahmenbedingungen der Pflegefinanzierung in den Bereichen der grundpflegerischen Versorgung pflegebedürftiger Menschen maßgeblich. Im Bereich der krankenpflegerischen Versorgung existiert hier das SGB V als Richtlinie (vgl.https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumnte/krankenversicherung1/Ambulante leistungen/haeuslichekrankenpflege/Bundesrahmenempfehlungen nach 132a Abs.1SGB V Fassung 10122013.pdf) (15.11.2016).
5.2 Finanzierung
Auf den unter 5.1 dargestellten Rahmenverträgen fußen die Abrechnungssysteme für den jeweiligen Bereich. Die Bedingungen sind in den jeweiligen Verträgen ausgestaltet. Zur Übersicht dieser Tabellen über die Ansprüche der Pflegebedürftigen in den Bereichen Pfle- gegeld und Sachleistungen zu den entsprechenden Pflegegraden ab 2017 zeigt die Verfas- serin auf den nächsten Seiten zusätzlich noch einige Tabellen mit den Vorgaben für die Be- handlungspflege und Grundpflegeleistungen (vgl. http://www.pflegestaerkungsgesetz.de,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3: Anspruch der Pflegebedürftigen auf Pflegegeld in den jeweiligen Pflegegraden ab dem 01.01.2017 (eigene Darstellung).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 4: Anspruch der Pflegebedürftigen auf Pflegesachleistungen in den jeweiligen
Pflegegraden ab dem 01.01.2017,(eigene Darstellung).
Die vorgegebenen LG (Leistungsgruppen) im Bereich der Behandlungspflege mit der ent- sprechenden Vergütung, bedeuten umgerechnet im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes (si. Punkt 5.1 Abs. 3) bei einem kalkulatorischen Umsatz von 50.00 € pro 60 Minuten eine Versorgungszeit für das Anziehen der Kompressionsstrümpfe incl. der Fahrzeit zum Patien- ten 12,036 Minuten. Werden mehrere Leistungen der gleichen LG durchgeführt, erhöht sich die Vergütung nicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 5: Leistungsgruppen im Bereich der Behandlungspflege mit entsprechender Vergütung (eigene Darstellung).
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