Übergang Schule in den Beruf. Wie kann ich mein Kind und Enkel auf diesem Weg begleiten?

Dokumentation eines durchgeführten Workshops


Project Report, 2016

15 Pages


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1. Kurzvorstellung des Projekts
2. Rahmenbedingungen des Workshops und Einbindung in den Sozialraum
3. Zielsetzung und Teilnehmer

II. Hauptteil
1. Durchgeführter Ablauf mit aktuellem Stand
2. Perspektiven
3. Reflexion der eigenen Rolle
4. Reflexion der angewandten Methoden und des eigenen Handelns

III. Schlussteil
1. Verbindung des Projekts zur Zielsetzung
2. Inhaltliche Verbindung des Projekts zur Ausbildung

I. Einleitung

1. Kurzvorstellung des Projekts

Mein Projekt behandelt das Thema „Übergang Schule in den Beruf - wie kann ich mein Kind und Enkel auf diesem Weg begleiten?“, das in der Form eines Workshops durchgeführt werden soll. Zielgruppe dieses Workshops sind Elternbeiräte, Eltern und generationsübergreifend Großeltern, deren (Enkel-)Kinder weiterführende Schulen besuchen. Ort der Veranstaltung ist das Nachbarschaftsbüro in der Platensiedlung im Frankfurter Stadtteil Ginnheim.

Dem Workshop vorausgegangen ist ein Einladungsschreiben, in dem Eltern, Großeltern und Elternbeiräte zum Mitmachen eingeladen wurden. Das Einladungsschreiben ist in leichter Sprache verfasst. Auf eine persönliche Ansprache und kurze Sätze mit unterstützenden Bildern wurde Wert gelegt. Das Einladungsschreiben wurde eine Woche vor Veranstaltungsbeginn an Schulen, städtische Einrichtungen, Eltern und Elternbeiräte per Mail versandt. Ich unterhalte zu diesen Institutionen und Akteuren seit fast fünf Jahren im Rahmen des Projekts „Bewerbungstraining und Beratung für Berufsanfänger“ Kontakte, die für die Durchführung des Workshops als Multiplikatoren ausgewählt wurden. Im Rahmen dieses Projekts kooperiere ich mit dem Verein I.d.e.a.L.-Netzwerk Nachbarschaft e.V., der seit dem 1. Januar 2010 Träger des Nachbarschaftsbüros in der Platensiedlung Ginnheim ist.

2. Rahmenbedingungen des Workshops und Einbindung in den Sozialraum

Die Rahmenbedingungen für die Durchführung des Workshops im Nachbarschaftsbüro Platensiedlung Ginnheim lassen sich wie folgt beschreiben. Das Nachbarschaftsbüro als Veranstaltungsort liegt zentral inmitten einer Liegenschaft mit ca. 777 Wohnungen, die bis Anfang der neunziger Jahre von den US-amerikanischen Streitkräften und deren Familien bewohnt wurden.

Mit dem Wegzug der US-AmerikanerInnen wurde die Liegenschaft von der stadteigenen AGB FRANKFURT HOLDING GmbH in Besitz genommen. Nach aufwendiger Modernisierung und Sanierung sind in der Platensiedlung Ginnheim seit 1995 überwiegend Familien mit zwei oder mehr Kindern, darunter 1.200 Kinder und Jugendliche (Stand: April 2005)[1] mit einem Migrationsanteil von ca. 30% aus über 70 Nationen beheimatet. Das Nachbarschaftsbüro ist unter der Stadtteilbevölkerung bekannt, weil dort vielfältige Veranstaltungen und Aktivitäten organisiert und durchgeführt werden.

Im Nachbarschaftsbüro Platensiedlung Ginnheim[2] fanden bzw. finden Treffen des Bundesverbandes der Migrantinnen e.V. und des Clubs BMX Stahlfräse e.V., Mal-, Handarbeits- und Nähkurse für Frauen, ein „Nachbarschaftscafé für Jung und Alt“, eine Schülernachhilfe und polizeiliche Beratungen des „Rollenden Reviers“ zu sicherheitsrelevanten Themen statt.

In den Sozialraum der Platensiedlung sind der Kinderzirkus „Zarakali“, der Colorado Park als sozialpädagogische Einrichtung des Abenteuerspielplatz Riederwald e.V. und der „Bikepark“ für BMX-BikerInnen eingebunden. Weiterhin ist das Kinderzentrum Stefan-Zweig-Straße, das Kinder- und Familienzentrum Morgenstern für Kinder bis sechs Jahre, die Astrid-Lindgren-Schule, eine integrative Grundschule mit dem Schwerpunkt Begabtenförderung und die Integrative Schule Frankfurt, eine Grund- und Sonderschule für Inklusion, vorhanden.

3. Zielsetzung und Teilnehmer

Zielsetzung ist die Klärung der Frage, welche Schwierigkeiten (Groß-)Eltern beim Übergang ihres (Enkel-)Kindes von der Schule in die Berufsausbildung wahrnehmen und welche Möglichkeiten (Groß-)Eltern sehen, ihr (Enkel-)Kind auf diesem Weg zu begleiten.

Teilnehmer ist Herr K.[3], der in Nigeria geboren und aufgewachsen ist. Dort hatte er ein Studium als Grundschullehrer absolviert. Herr K. lebt seit 1989 in der Bundesrepublik Deutschland und hat eine Umschulung zum Speditionskaufmann gemacht. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Frankfurt am Main. Seine 15-jährige Tochter macht dieses Jahr ihren Hauptschulabschluss. Herr K. spricht und versteht die deutsche Sprache gut.

II. Hauptteil

1. Durchgeführter Ablauf mit aktuellem Stand

Der Workshop findet am 11. Februar 2016 im Nachbarschaftsbüro in der Ginnheimer Platensiedlung in Frankfurt am Main statt. Nach einer kurzen Vorstellung startet der Workshop mit einer 30-minütigen Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie von Herrn K. anhand des mitgebrachten Lebenslaufs. Hierzu bitte ich Herrn K. in der Mitte auf ein Poster eine Zeitachse (x-Achse) zu zeichnen, darauf die Angaben „0 Jahre“, „7 Jahre“, „14 Jahre“, „21 Jahre“ usw. zu notieren und auf der x-Achse ein Ereignis mit einem konkreten Datum einzutragen, bei der er eine schwierige Situation beim Übergang in den Beruf erlebt hatte. Zudem soll er in zwei Stichworten aufgetretene Schwierigkeiten unterhalb des Ereignisses aufschreiben. Herr K. trägt auf der x-Achse das Ereignis „Kein Job nach Studium“ und das Datum „1987“ ein und formuliert „fehlende Job-Perspektive“ und „Lehrerberuf in Deutschland?“. Ich bitte Herrn K. nun oberhalb der x-Achse anzugeben, was ihm konkret bei der Bewältigung der Schwierigkeit geholfen hat. Hier notiert Herr K. die Begriffe „starke eigene Persönlichkeit“ und „Familie“ auf dem Poster.

Ich setze mich übers Eck zu Herrn K. und bitte ihn, die Begriffe zu erläutern und die Frage zu beantworten, was bei der Bewältigung der angegebenen Schwierigkeiten geholfen hat. Herr K. erzählt, er habe nach 3 Jahren Studium im Alter von 24 Jahren zunächst keinen Job in Nigeria gefunden. Über einen Cousin der Familie fand er einen Job als Sachbearbeiter. Diese Tätigkeit, obwohl gut bezahlt, sei für ihn lediglich ein „Lückenfüller“ gewesen.

Sein Ziel sei gewesen, in Deutschland seine berufliche Perspektive als Lehrer voranzubringen. In Nigeria war diese Perspektive für ihn aussichtlos, weil dort kaum Stellen vorhanden waren.

Geholfen habe ihm bei seiner Entscheidung, die Sachbearbeiterstelle und nach Deutschland zu gehen, zum einen seine starke, entscheidungsfreudige Persönlichkeit. Zum anderen war die Zuversicht und Unterstützung seiner Eltern ausschlaggebend, sich beruflich als Lehrer in Deutschland weiterzuentwickeln, für seinen Entschluss nach Deutschland zu gehen. Ohne den familiären Zuspruch und den Halt seiner Eltern, zu denen er ein starkes, positives Verhältnis hat, wäre er nicht nach Deutschland gegangen.

Während Herr K. von den Schwierigkeiten und Bewältigungsstrategien erzählt, blicke ich ihn auf Augenhöhe an, nicke wohlwollend, fasse zusammen, um das Gesagte zu verstehen. Auf die Frage, wie er sich gefühlt habe bei der Bewältigung der Schwierigkeiten, äußert Herr K., der familiäre Halt, die Liebe und das Vertrauen zu seinen Eltern und umgekehrt haben ihm die Kraft gegeben, den Schritt nach Deutschland zu wagen. Zum Abschluss dieser Übung bedanke ich mich für seine Offenheit und sein Vertrauen für seine ganz persönliche Geschichte.

Im Anschluss erfolgt eine 15-minütige Einführung in das Thema „dialogorientierte Gesprächsführung“. Hierzu zeige ich Herrn K. die von mir aufgeschriebenen Dialog-Regeln von Johannes Schopp und bitte ihn, sie laut vorzulesen.

Nach jedem Satz halten wir inne und ich erläutere ihm die Schlagworte. Ich frage nach, ob er meinen Ausführungen folgen kann, die Erläuterungen versteht, was er durch Kopfnicken bejaht.

Wir gehen über in ein 20-minütiges Dialoggespräch. Ich bitte Herrn K., mir von den Schwierigkeiten zu berichten, die er bei seiner Tochter beim Thema Schule und Übergang zur Ausbildung wahrgenommen hat. Ich setze mich Herrn K. gegenüber, zeige ihm eine offene Körperhaltung. Herr K. hält kurz inne und erzählt, seine Tochter möchte eine Lehre zur Friseurin machen. Herr K. habe bereits mehrere Gespräche mit seiner Tochter geführt. Seine Tochter befindet sich in ihrer pubertären Phase, die es schwierig macht, überhaupt längere Gespräche mit ihm und ihrer Mutter zu führen.

Auf meine Bitte, eine konkrete Gesprächssituation zu schildern, äußert Herr K. gestikulierend und leicht aufgewühlt, er habe das vergangene Wochenende ein ausführlicheres Gespräch mit seiner Tochter zuhause in ihrem Zimmer gehabt. Sie zeigte sich ihrem Vater gegenüber still und verschlossen. Herr K. habe sie wegen ihrem beabsichtigten Ausbildungswunsch als Friseurin zur Rede gestellt. Seine Tochter habe ihm erklärt, ihre Freunde hätten sie zu der Lehre als Friseurin ermutigt, es sei ein „cooler“ Job mit interessanten Leuten, bei dem es nie langweilig werde. Das findet die Tochter spannender als nach dem Hauptschulabschluss eine weiterführende Schule zu besuchen, was wiederum den Erwartungen von Herrn K. entspricht.

In der nachfolgenden 25-minütigen Übung geht es um die Arbeit mit Wertekarten, eine dem Coaching angelehnte Methode, die in der Wirtschaftsmediation eingesetzt wird.

Werte bzw. Wertvorstellungen, so erkläre ich Herrn K., bezeichnen die als wertvoll oder moralisch gut betrachteten Eigenschaften, praktische oder sittliche Ideale sowie Handlungsmuster und Charaktereigenschaften. Werte verdeutlichen insbesondere den Zugang einer Person zur Welt und sind dafür prägend, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen[4]. Die Chance dieser Methode besteht darin, anhand der ausgewählten Wertekarten herauszufinden, welche Sichtweisen und Werte der/die Betroffene zu den in Beziehung gesetzten Personen, Situationen oder Gruppen hat. Herr K. hört interessiert zu.

Ich bitte Herrn K., das Kopfprofil/Gesicht seiner Tochter mit einem Stift auf einem Poster zu zeichnen und oberhalb des Kopfes die Überschrift „Meine Erwartungen an meine Tochter“ aufzuschreiben. Sodann wählt Herr K. aus dem Stapel der ihm übergebenen Wertekarten die Karten „Familienleben“, „Bildung“ und „Religion“ aus. Er schreibt diese Werte unter dem Stichpunkt „Erwartungen“ außerhalb des Profils seiner Tochter auf. Dann schreibt Herr K. drei Begriffe in das gezeichnete Kopfprofil/Gesicht seiner Tochter hinein, die stellvertretend für die Motive der Tochter stehen könnten, eine Lehre als Friseurin zu beginnen. In das gemalte Kopfprofil/ Gesicht schreibt Herr K. aus der Perspektive seiner Tochter die Stichworte „Aussehen“, „Musik“ und „Faulheit“ rein. Für das nachfolgende Dialoggespräch stehen wir auf, gehen durch den ganzen Raum, den wir für uns einnehmen, und ich bitte Herrn K. seine Notizen auf dem Poster zu erläutern.

Zum Begriff „Familienleben“ sagt er, sei ihm der Zusammenhalt in der Familie sehr wichtig, insbesondere die gemeinsame Freizeit mit der Familie an den Wochenenden zu verbringen. Die Familie gebe ihm jeden Tag Kraft für neue Herausforderungen. Familienzusammengehörigkeit sei eine Art „soziales Netz“ für ihn, so wie ihm das „soziale Netz“ seiner Familie bei seinen Eltern und Großeltern damals in Nigeria vorgelebt wurde.

Der Begriff „Bildung“ stehe für Persönlichkeitswerdung, Respekt, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und für Eigenständigkeit im Leben. Durch sein Studium habe er vor allem Toleranz gegenüber anderen Menschen gelernt. Bildung, so Herr K., hinterlasse Spuren in der Persönlichkeit, weil man durch den Austausch von Meinungen und Gedanken lernt, sich neuen Eindrücken, Gedanken und Perspektiven zu öffnen.

Mit dem Begriff „Religion“ verbindet er familiäre Glaubenswerte und Traditionen, die ihm in seiner Familie damals in Nigeria vorgelebt wurden. Der christliche Glaube und die Überzeugung, dass wir Menschen vor Gott als gut und wertvoll angenommen werden, gebe Herrn K. Halt und Geduld insbesondere dann, wenn er die für ihn sehr emotionalen Gespräche mit seiner Tochter führt. All dies äußert Herr K. ruhig und überlegt. Nachdem Herr K. endet, bleiben wir stehen, halten einen kurzen Moment inne und schweigen. Ich bitte Herrn K., nun die Perspektive seiner Tochter einzunehmen und die bei seiner Tochter vermuteten Motive „Aussehen“, „Musik“ und „Faulheit“ näher auszuführen. Wir setzen unseren kleinen Spaziergang durch den großen Raum im Nachbarschaftsbüro fort.

[...]


[1] Online-Artikel „Die Platensiedlung ist besser als ihr Ruf“ von Mareike Brombacher vom 14.04.2005 unter http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/ginnheim-die-platensiedlung-ist-besser-als-ihr-ruf-1228071.html (aufgerufen am 19.02.2016).

[2] Online-Artikel „Malen statt streiten“ in der Frankfurter Rundschau von Fabian Scheuermann vom 23.10.2013 unter http://www.fr-online.de/stadtteil-portraets/frankfurt-ginnheim--malen-statt-streiten,8430636,24759184.html (aufgerufen am 19.02.2016).

[3] Der Name und weitere personenbezogene Daten wurden auf Wunsch des Teilnehmers anonymisiert.

[4] Silke Schneider/Katja Ihde, Skript zum Modul Wirtschaftsmediation (Vertiefung), in: WINGS - Wismar International Graduation Services GmbH (Hrsg.), 1. Auflage, Wismar 2013, S. 37.

Excerpt out of 15 pages

Details

Title
Übergang Schule in den Beruf. Wie kann ich mein Kind und Enkel auf diesem Weg begleiten?
Subtitle
Dokumentation eines durchgeführten Workshops
Author
Year
2016
Pages
15
Catalog Number
V358243
ISBN (eBook)
9783668435230
ISBN (Book)
9783668435247
File size
477 KB
Language
German
Keywords
Übergang, Schule, Berufsausbildung, Gestaltung, Dialogregeln, Kommunikation, Methoden zur Förderung von Kommunikation, Elternbegleiter, Pädagogik
Quote paper
Dr. Andreas-Michael Blum (Author), 2016, Übergang Schule in den Beruf. Wie kann ich mein Kind und Enkel auf diesem Weg begleiten?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358243

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