Parteieninszenierung im Niedersächsischen Wahlkampf 2013

Analyse der Farbsymbolik der Parteien und des Wahlkampfmediums Plakat


Research Paper (undergraduate), 2013

64 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Vorwort

In dieser Studienarbeit wird das Hauptaugenmerk der Betrach- tung auf die sechs wichtigsten Bewerber (von 11 angetretenen Parteien) für den Niedersächsischen Landtag 2013 gelegt und das Erscheinungsbild der Parteien untersucht. Im Hinblick auf das umfangreiche Instrumentarium der Parteien zur Selbstin- szenierung und Wahlwerbung lege ich den Schwerpunkt auf die Untersuchung von Wahlplakaten, da diese den Wähler - ob gewollt oder nicht - für einen Zeitraum von etwa vier Wochen im öffentlichen Raum begleiten und bis zum Tag der Wahl präsent sind.

1. Grundlagen
1.1 Visuelle Basis der Parteien
Die Reihenfolge der Parteien richtet sich nach ihrem Wahlergebnis bei der letzten Wahl. Parteien, die daran nicht teilgenommen haben, erscheinen anschlie ß end in alphabetischer Reihenfolge. Ausschlaggebend f ü r die alphabetische Sortierung ist der Name der Partei, nicht deren Kurz- oder Zusatzbezeichnung. (nach Ulrike Sachs, Landeswahlleiterin Niedersachsen)
1.1.1 CDU (Christliche Demokratische Union Deutschlands in Niedersachsen)
1.1.2 SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands)
1.1.3 FPD (Freie Demokratische Partei)
1.1.4 GRÜNE (Bündnis 90/Die Grünen)
1.1.5 DIE LINKE (Die Linke. Niedersachsen)
1.1.6 PIRATEN (Piratenpartei Deutschland)
Im Folgenden werden die Parteien in ihrer Kurzform genannt.
1.2 Farbsymbolik der politischen Parteien
1.2.1 Wirkung, Symbolik, Interpretation der Parteienfarben
1.2.2 Die Farbwahl in der Parteienwerbung auf Plakaten
1.2.3 Politisch unbesetzte Farben in Deutschland

2. Medieninstrumentarium

3. Visuelle Analyse der Wahlplakate
3.1 Untersuchungsgegenstand Wahlplakate
3.1.1 CDU
3.1.2 SPD
3.1.3 FPD
3.1.4 GRÜNE
3.1.5 DIE LINKE
3.1.6 PIRATEN

4. Gegenüberstellung Parteienwerbung

5. Diskussion / Resümee

6. Anhang
6.1 Medieninstrumentarium
6.2 Politische Programmatik der Parteien
6.3 Kernthemen der Parteien
6.4 Wahlprognosen / Wahlergebnis

7. Quellenverzeichnis
7.1 Literatur
7.2 Akademische Texte / Studien / Publikationen
7.3 Online-Medien
7.4 Abbildungen/Tabellen

1. Grundlagen

1.1 Visuelle Basis der Parteien

1.1.1 CDU

Die CDU werden als die »Schwarzen« bezeichnet und in den meisten Darstellungen und Grafiken von Wahlprognosen auch mit Schwarz visualisiert. Das erste Parteisymbol von 1953, ein Wappen in den Farben Schwarz-Rot-Gold, bildete als Untergrund für einen großen goldenen Adler ein schwarzes Kreuz, umrahmt von einem roten Wappenfeld. Die schwarze Farbe wurde der CDU eher von außen zugewiesen, historisch begründet durch ein christliches Milieu (Priester, die schwarz trugen) und damit verbunden mit dem Konservativismus. Die CDU nutzte die Farbe alleine jedoch nur selten, und dann auch nicht als Hauptfarbe des visuellen Auftritts. Der Schriftzug und die Farbigkeit haben eine variantenreiche Geschichte hinter sich: blau auf weißem Grund, schwarz auf gelbem Grund, gelb auf schwarzem Grund, weiß auf rotem Grund.

Die heutige Basis-Farbe des Schriftzuges der CDU ist Rot, der Schriftzug fett und kursiv aus einer grotesken Schrift gesetzt. Das Layout des Logos ist länglich und flach angelegt, der Schriftzug steht auf weißem Untergrund, dieser rechts plat- ziert auf einem orangenen Rechteck. Das Logo für Nieder- sachsen ist in Ergänzung mit dem Landessymbol, dem Ross, auf grauem Hintergrund platziert.

Mit der Wahlkampagne zur Europawahl 2004 tritt die CDU erstmals mit ihrer neuen Leitfarbe Orange in ihren Außendar- stellungen auf und etabliert diese für sich bis heute. Laurenz Meyer (2000 bis 2004 Generalsekretär der CDU, 2002 bis 2009 Abgeordneter im Deutschen Bundestag) unterstellt der Farbe eine »emotionale Dimension« und einen »Lustfaktor«, sie symbolisiere Geselligkeit, Genuss, Energie und Wärme und hält sie außerdem für »total in«. Er war maßgeblich verant- wortlich für die Erstellung einer einheitlichen visuellen Kon- zeption der Partei, seither gibt es einen StyleGuide der CDU- Gestaltungsrichtlinien, die mittlerweile ergänzt wurden und in aktueller Fassung vorliegen (Juni 2010, cdu.de).

Den Farbpsychologen zufolge steht die Farbe Orange für Energie, Aktivität, Geselligkeit und Wärme, außerdem assozi- ieren viele Menschen die Adjektive »spritzig, sonnig, gesund« mit dieser Farbe. In der Zeit der Ukrainischen Proteste gegen die Manipulation der Präsidentenwahl im Herbst 2004 wurde die Farbe Orange für Banner, Fahnen und Schleifen eingesetzt und prägte den historischen Begriff der »Orangenen Revoluti- on«. Ebenfalls mit der Farbe Orange gaben Siedler in Israel ih- rem Unmut über die Rückgabe des Gazastreifens Ausdruck und verwendeten als Symbol der Ablehnung orangefarbene Bänder und Stirnbänder.

Thomas Macho von der Humboldt-Universität zu Berlin geht der Frage nach, warum ausgerechnet Orange eine neue Rolle in der politischen Werbung in Deutschland spielt und stellt die Frage, ob Orange seit 2004 politisiert wurde, da sie als Farbe noch »frei« sei, zumindest in weiten Teilen Europas.

Die begleitenden Farben des CDU-Auftritts sind neben Rot und der Akzentfarbe Orange: Weiß, Grau und Schwarz.

Für die Wahlwerbung in Niedersachsen wird ergänzend im Logo als Identifikations-Symbol das weiße Ross aus dem Niedersachsen-Wappen als Grafik vollflächig eingesetzt.

1.1.2 SPD

Die SPD blickt auf die älteste Tradition der gegenwärtigen deutschen Parteien zurück. Die Rote Farbgebung basiert auf frühester Parteigeschichte, Sozialismus und Solidarität. Durch die symbolische Nähe der Farbe zum Kommunismus findet in der Parteiführung immer wieder eine Diskussion zur Präsenz des Rot statt. Bereits 1963 wurde als symbolhafte Signalfarbe ergänzend die Farbe Blau gewählt (zur Feier anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Partei in Hannover), 1965 ging die SPD mit der Farbe Blau in den Bundestagswahlkampf. Im Wahlkampf 1969 waren für die SPD werbepsychologische Gesichtspunkte maßgebend, unter ihrem PR-Chef Werner Müller wurde die Wahlwerbung kurzzeitig Orange dominiert, begründet mit den Assoziationen »jung, erregend, dynamisch, durchsetzungsstark«.

Die Farbigkeit der SPD wird bis heute von den Parteimitglie- dern diskutiert, nach Farbvariationen im Blaubereich wurde im Wahlkampf 2005 die Farbe Umbra (ein Beige-Ton) ge- wählt, vor dem Bundesparteitag Ende 2011 präsentierte sich die SPD in neuen Farben.

Als Akzentfarbe wird Purpur (Violett) eingesetzt. Auf der Pressekonferenz zum geänderten Parteiauftritt wird dies mit »Frische und Selbstbewusstsein« verargumentiert, so Andrea Nahles, seit 2009 SPD-Generalsekretärin. Im März 2012 wurde von Andrea Nahles der neue StyleGuide für die visuelle Darstellung der SPD veröffentlicht, der die Farbe Purpur gleichberechtigt mit Rot als Hauptfarbe festlegt.

Die Farbe Purpur ist historisch gesehen eine der teuersten Farben der Welt, ursprünglich wurde der echte Purpurfarb- stoff einer Meeresschnecke entnommen. Seit der Antike ist sie die Farbe der Mächtigen und der Macht: Senatoren im alten Rom, Kaiser Konstantinopels oder die katholischen Bischöfe und Kardinäle kleideten sich in Purpur. Sie blieb den rang- höchsten Würdenträgern vorbehalten, der Gebrauch von Purpur wurde lange Zeit durch strenge Gesetze geregelt.

In der Farbpsychologie wird die Farbe als Farbe der Macht, Eitelkeit, Extravaganz, Mode aber auch als Künstlich, Unsach- lich, Zweideutig, Farbe der Unmoral und des Feminismus bezeichnet (Eva Heller: Wie Farben wirken). Annährend zeit- gleich mit der Wahl der Farbe Purpur für den visuellen Auf- tritt der SPD erfährt die Farbe im Modedesign der inter- nationalen Modeschöpfer eine Renaissance und tritt im soge- nannten »Colour Blocking« gemeinsam mit anderen intensiven und leuchtenden Farben auf.

Der Schriftzug der SPD bleibt unverändert und ist in einer extrafetten Linear-Antiqua gesetzt, weiß auf rotem quadratischem Untergrund.

Der Farbkanon für die Wahlwerbung ist neben Rot (HKS 15) und der Akzentfarbe Purpur die Farbe Weiß.

Für die Wahlwerbung in Niedersachsen wird ergänzend im Logo als Halbfigur das weiße Ross aus dem NiedersachsenWappen als Identifikations-Symbol, dynamisch von der Seite her kommend, eingesetzt.

1.1.3 FDP

Die FDP verwendet seit ihrem Parteitag in 1952 ein ähnliches Wappen wie die CDU, sie bedient sich einer Kombination nationaler Symbole, des deutschen Adlers und der deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold. Im Landtagswahlkampf 1965 wechselte die Partei zu einer neuen Farbkombination von der sie sich eine bessere Werbewirkung erhoffte: Blau- Gelb. Im Oktober 1972 wurden die neuen Farben auch für den Wahlkampf der Bundestagswahl erfolgreich eingesetzt und sind seither fester Bestandteil des öffentlichen Auftritts. Die Wahl der Farben hatte keinen besonderen Grund, entwi- ckelt wurde das neue Design von einer Werbeagentur (Baums, Mang und Zimmermann), die FDP ist die erste Partei in Deutschland, die sich ihr farbiges Auftreten durch eine Wer- beagentur hat entwickeln lassen.

Der Erfolg der Farbkombination ist farbpsychologisch gut zu begründen: mit leuchtendem Gelb, einer der Farben mit dem stärksten Signalcharakter präsentiert sich die Partei aufmerksamkeitsstark und signalisiert gleichzeitig Optimismus, Sonne, Licht, Gold (Eva Heller: Wie Farben wirken).

Die Farbe Blau wird mit Sympathie, Harmonie, Weite, Vertrauen und Zuverlässigkeit assoziert (Eva Heller: Wie Farben wirken). Beide Farben sind komplementär, d.h. sie stehen sich im Farbkreis »ergänzend« gegenüber; überhöhen und steigern sich in ihrer Farbwirkung gegenseitig.

Laut Hans-Jürgen Beerfeltz (Bundesgeschäftsführer FDP 1995- 2009) ist »Blau-Gelb die Erfindung der Werbeagentur« (Baums, Mang und Zimmermann). Begründet wurde die Farbwahl mit Goethes Farbenlehre, nach der Gelb als Signalfarbe und Blau als Vertrauenswert gilt.

Der Schriftzug FDP wurde kurzzeitig im Wahlkampf 1969 mit Pünktchen geschrieben (F.D.P.), dieser Werbegag trug der Partei einigen Spott und etwas erhöhte Aufmerksamkeit ein, konnte jedoch einen Stimmenrückgang bei der Wahl nicht verhindern.

Der heutige Schriftzug ist in einer fetten Linear-Antiqua gesetzt, kombiniert wird das Parteikürzel FDP mit der Unterzeile »Die Liberalen« und jeweils länderspezifisch in normalem Schriftduktus »Niedersachsen« u.a..

Grundlage für die Basis-Gestaltung der FDP ist der StyleGuide, aktuelle Ausgabe 2013 (Adaption der Ausgabe in Verantwortung von Beerfeltz). Inhaltlich wird jedoch lediglich auf alle Basis-Informationen rund um das FDP-Logo einge- gangen, es findet sich keine konzeptionelle visuelle Strategie zur Wahlwerbung auf Landtags- oder Bundesebene.

Der Schriftzug steht Blau auf Gelbem Hintergrund, die Unter- zeile jeweils negativ dazu, das Format ist annähernd quadra- tisch.

Die FDP bleibt Ihren seit 1965 verwendeten Farben Blau-Gelb treu und verwendet seither beide Farben plakativ, ergänzt durch weiß und schwarz. Als Akzent- bzw. Signalfarbe für die Plakatwerbung zur niedersächsischen Landtagswahl 2013 wird zusätzlich ein intensives Magenta eingesetzt.

Für die Wahlwerbung in Niedersachsen wird das Logo mit der Unterzeile »Die Liberalen« verwendet. Die Unterzeile »Niedersachsen« findet lediglich Anwendung in der Öffent- lichkeitsarbeit der niedersächsischen FDP-Fraktion. Es wird kein Bezug zum Niedersachsen-Wappen hergestellt.

1.1.4 GRÜNE

Bis 1983 dominierten CDU/CSU, SPD und FDP das Parteiensystem auf der Ebene des Bundes. Seit 1961 war außer ihnen keine andere Partei im Bundestag vertreten. Bei den Bundestagswahlen 1972 und 1976 konnten sie sogar über 99 Prozent aller Stimmen auf sich vereinigen.

Eine wesentliche Veränderung des deutschen Parteiensystems war die Gründung der Partei Die Grünen in 1980. Bei den Bundestagswahlen in 1983 erhielten sie 5,6 Prozent der Stimmen und zogen in den Bundestag ein.

Die Grünen prägten für sich eine eigene Marke: Ergänzend zum weißen Schriftzug in rundlich anmutender fetter Schrift auf gras-grünem Untergrund wurde zur Bundestagswahl in 1983 eine plakative gelbe Sonnenblume als Symbol gewählt und bis heute beibehalten.

Mit Zusammenschluss Bündnis 90/Die Grünen im September 1991 wurde das Erscheinungsbild als Logo ausgearbeitet und kompakt mit beiden Schriftzügen auf grünem Grund und mit der rechts oben stehenden gelben Sonnenblume visualisiert. Mit einem späteren ReDesign wurde für Bündnis 90 ein blauer Balken und darunter für Die Grünen ein grüner Balken im Layout verwendet. Auf ihrem Parteitag in Nürnberg im November 2007 wurde nach einigen vorherigen vergeblichen Versuchen ein neues einheitliches Erscheinungsbild verab- schiedet, seither werden die beiden verschmolzenen Parteien im Schriftzug einheitlich in einer extrafetten kursiven Grotesk- Schrift in weiß auf grünem Grund dargestellt, unterstrichen bzw. gestützt von einem flachen blauen Balken unter den Schriftzügen und flankiert im oberen rechten Bereich von der stilisierten plakativen und gelben Sonnenblume.

Das Logo ist auch für den Abdruck auf weißem Grund vorge- sehen, hier wird die Schriftfarbe durch die Untergrundfarbe grün ersetzt.

Manifestiert wurde der neue visuelle Markenauftritt in einem StyleGuide, der 2007 nach Verabschiedung des neuen Logos ausgearbeitet wurde und detailliert gestalterische Grundlagen für die öffentlichkeitswirksame Präsentation der Grünen festlegt.

Die Grünen sind die einzige Partei, die passend zu Ihrem programmatischen Inhalt, eine Partei für Umwelt und Ökolo- gie zu sein, bewusst die hierfür symbolisch passende Farbe als Markenzeichen und Parteinamen angenommen hat. Grün ist die Farbe der Vegetation und der Inbegriff für Natur. Nach Eva Heller wird mit Grün die Farbe des Lebens, der Hoffnung, die Farbe der Frische und der Jugend sowie der Neutralität assoziiert. Grün wurde erst mit der Partei Die Grünen in 1980 in Deutschland zur politischen Farbe (Eva Heller: Wie Farben wirken).

Neben den beiden Signalfarben Grün und Gelb finden Blau und Weiß als Akzentfarben Anwendung.

Als Signalfarbe findet interessanterweise die gleiche Farbe Anwendung, die auch die FDP gewählt hat: Magenta.

In der Wahlwerbung zur Niedersachsen-Wahl 2013 wird der blaue Balken für die Darstellung der regionalen Identität und zugleich als Hinweis auf die Onlinepräsenz der Grünen Niedersachsen mit dem Text »www.gruene- niedersachsen.de« versehen. Eine visuelle Verknüpfung mit dem Niedersächsischen Wappen findet nicht statt.

1.1.5 DIE LINKE

Die Linke als eigenständige Partei entstand in 2007 als Fusion der Parteien Die Linkspartei.PDS (vormals SED: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) und der WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit). Sie vertritt das Ziel eines demokratischen Sozialismus, mit der Fusion soll das Ziel ver- folgt werden, als gesamtdeutsche Partei für den Wähler at- traktiv zu sein.

Auf dynamisch-schrägem weißem Grund in der Optik eines Labels steht in schwarzer extrafetter schmaler Kursivschrift der Schriftzug Die Linke, ergänzt durch einen Punkt.

Der i-Punkt im Wort wird ersetzt durch einen kleinen roten Pfeil. Durch ein Zitat zum Thema »Was steckt in den Köpfen? Karin Schmidt-Friderichs über die Wahlwerbung der Partei- en« im Rahmen eines Interviews der Sozialistischen Tageszei- tung »Neues Deutschland« veröffentlicht am 27.8.2005 wurde eine Diskussion angestoßen, die der Linken-Partei auf indirek- tem Weg eine Ebene der Intellektualität und historischer Bedeutung für Ihre Marke verlieh.

» Visuell super spannend finde ich die Linke mit dem Lissitzky-Keil als i-Punkt. Das begeistert mich als Wortmarke, da habe ich das Gef ü hl, da hat jemand nachgedacht. «

(Karin Schmidt-Friderichs, Verlag für Typografie, Grafik- design und Werbung Hermann Schmidt Mainz, 2005).

Die Schöpfer des neuen Logos hatten offenbar unbewusst o- der zumindest ohne dies öffentlich zu kommunizieren ein vi- suell starkes Symbol des Künstlers El Lissitzky verwendet (1890-1941, russischer Avantgarde-Künstler, konnte wegen seiner jüdischen Abstimmung nicht an der Kunsthochschule in St. Petersburg studieren, ging nach Deutschland um an der Technischen Hochschule Darmstadt zu studieren, engagierte sich künstlerisch in der russischen Oktoberrevolution 1917). Der Pfeil kommt sehr dominant in El Lissitzkys berühmter Lithografie aus dem Jahr 1919 vor: »Schlag die Weißen mit dem roten Keil«, ein deutliches politisches Statement in der Zeit der Oktoberrevolution, der rote Pfeil symbolisiert das Neue, ein weißer Kreis das Alte (zaristische russische System).

Mit dem Zitat von Karin Schmidt-Friderichs und der an- schließenden Diskussion beschäftigte sich der Landesverband Bremen der Linken (S. Hundt, 25. Juli 2007, dielinke- bremen.de) und klärt auf, dass die beauftragte Werbeagentur ein freies geometrisches Symbol (Punkte, Kreise, Quadrate und Rechtecke sind schon von anderen Parteien verwendet worden) gesucht habe und somit den Keil, genannt »das Fähnchen« über dem i entwickelt habe. Dies soll die Verbin- dung zu den roten Fahnen und Wimpeln der Arbeiterbewe- gung herstellen.

Der schwarze extrafett-kursive Schriftzug ist aus einer kon- struierten serifenlosen Linear-Antiqua heraus entwickelt worden. Der am Ende stehende Punkt und der bestimmte Artikel (Die Linke.) sollen das Wort-Zeichen anspruchsvoll und bestimmt erscheinen lassen.

Rot ist die Farbe in der Politik mit bewegter Vergangenheit. In der Antike und im Mittelalter die Kleiderfarbe der Herrschenden, zur Zeit der Französischen Revolution die Protestfarbe der Jakobiner, die sich als Symbolfarbe der Revolution entwickelte. Sie avancierte danach zum Symbol der Kommunisten, im Wortschatz verankert als »Die Roten« und umfasst heute das politische Spektrum der Linken.

Seit Mai 2007 liegt dem Markenauftritt und den Basis- Kommunikationsmitteln wie Briefbogen und Geschäftskarte ein StyleGuide zugrunde.

Neben Rot (HKS 14, etwas intensiver und leuchtender als das HKS 15 der SPD) und Weiß der Parteimarke werden die Far- ben Schwarz und Blau eingesetzt, als Signal- oder Störerfarbe ein Leuchtgelb.

1.1.6 PIRATEN

Die jüngste Partei der hier Untersuchten ist die Ende 2006 gegründete Piratenpartei Deutschland. Vorbild war die im Ja- nuar 2006 in Schweden entstandene Piratenpartei. Der Name spielt auf die Auseinandersetzung mit Themen im digitalen Zeitalter an (engl. piracy: Raubkopien). Mit einem Achtungs- erfolg bei der Europawahl 2009 gründeten sich flächen- deckend Landesverbände der Partei, sie erlebte einen Mitglie- derboom.

Durch Geldmangel begründet wurde der Bundestagswahl- kampf 2009 überwiegend Online geführt, dennoch konnten die Piraten 2 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen. Es folgten Landtagswahlen ohne nennenswerte Ergebnisse, mit der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2011 konnten die Piraten mit 8,9 Prozent der Stimmen einen Sensationser- folg feiern, hier wurde ergänzend zum Online-Wahlkampf mit geringen Mitteln auch ein flächendeckender Offline- Wahlkampf mit Plakaten geführt. Inhaltlich erweitert die Partei derzeit ihren bisherigen netzpolitischen Markenkern, stellt konkrete politische Forderungen und fordert einen neu- en Politikstil mit mehr Transparenz und Partizipation.

Mit einer Reihe von grundsätzlichen (strukturellen und personellen) Problemen tritt die Piratenpartei in Niedersachsen zur Wahl des Landtages an.

Bei der Farbwahl und der Entscheidung zu Orange haben die Piraten die ihr eigene Kommunikationskultur der Foren im Internet genutzt (»liquid democracy), zum 07.07.2010 wurde die Wort-Bildmarke beim Deutschen Marken- und Patentamt in München in der derzeit verwendeten Form eingetragen.

In den Foren suchten die Parteianhänger nach einer »freien« Farbe und haben sich unter dem Forum-Titel »Unser Gegenstück zu Schwarz & a« für Orange entschieden, hatten dabei aber offensichtlich übersehen, dass die CDU bereits 2005 die Farbe zu Ihrer Signalfarbe machte.

Orange als politisch weithin unbelastete Farbe tritt erst in den letzten Jahren nicht nur in Deutschland auf der politischen Bühne auf. In der bereits 1989 erschienen Umfrage von Eva Heller zur Farbsymbolik und den unterschiedlichen Wirkun- gen ist die Farbe Orange noch als »Die Farbe, die niemand mag« überschrieben worden. Doch seither befindet sich die Farbe im Aufschwung: In der internationalen Politik (Bsp. Ukraine, Israel), in der Gesundheit (Bsp. Orangensaft, Energie, Vitamine), in der Mode, bei Accessoires, bei Gebrauchs- und Designartikeln u.v.m..

Das Signet mit dem Segel wurde von der schwedischen Piratenpartei übernommen und mit dem zweizeiligen schwarz-weiß gesetzten Parteinamen in einer fetten Grotesk- Schrift in ein kompaktes Layout eingebunden. Die eingetragene Wort-Bildmarke ist die oben abgebildete linke Version, eine Variante davon findet insbesondere im Merchandising und bei Veranstaltungen Anwendung. Der StyleGuide findet sich auf der von den Piraten als Infor- mations- und Koordinationsplattform genutzten SSL (Netzwerkprotokoll/wiki.piratenpartei.de).

In der Plakatkampagne der Piratenpartei Niedersachsen findet die eingetragene Marke jedoch keine Anwendung, lediglich das Bildzeichen mit dem Segel und eine extra für die Wahl neu entwickelte Werbekonzeption unter dem Absender »ideenkopierer.de« werden abgebildet.

Daher sind die markenprägenden, sich penetrant immer wiederholenden visuellen Merkmale wie Farbe, Logo, Layout in der Plakatkampagne zur Niedersachsen-Wahl 2013 ganz wider jede klassische Markenstrategie nicht existent.

1.2 Farbsymbolik der politischen Parteien

Farben dienen der Identifikation der Parteien und gehören zu ihrem Image. Farben unterliegen Vorlieben und Moden, am Beispiel Orange kann man dies sehr gut darstellen: Orange wurde noch in 2005 von der Süddeutschen Zeitung als »unsympathisch, billig, laut« bezeichnet. Der Farbe wurde ein »überkommener 70er-Jahre Retro-Chic« und »popkulturell jugendlicher Flair« unterstellt. In der empirischen Untersu- chung zu Farbsymbolik und Farbpsychologie von Eva Heller in 1989 nach den beliebtesten Farben der Deutschen wurde Orange noch als unbeliebte Farbe, als »Farbe, die niemand mag« benannt. Etwa 10 Jahre später in der Umfrage von TDW Intermedia Trend wurde Orange schon bei etwa 4 % der Befragten als beliebteste Farbe genannt. Die Süddeutsche Zeitung mutmaßte in 2005, als die CDU die Farbe als Signal- farbe für Ihren Wahlkampf auswählte, dass die Farbe Orange für den Einsatz in der politischen Werbung floppen würde. Doch die Farbe hat sich etabliert, die CDU verwendet sie nun schon im neunten Jahr und die Piraten von Parteigründung an.

Neue Farben verjüngen den visuellen Auftritt der Parteien und schaffen Aufmerksamkeit. Gerade für kleine Parteien ist ein einheitliches Corporate Design mithilfe von Farben besonders wichtig, um besonders in der Plakatwerbung vor dem Wahltermin aufmerksamkeitsstark zu erscheinen, da ihr Budget deutlich begrenzter ist als das der großen Volksparteien.

[...]

Excerpt out of 64 pages

Details

Title
Parteieninszenierung im Niedersächsischen Wahlkampf 2013
Subtitle
Analyse der Farbsymbolik der Parteien und des Wahlkampfmediums Plakat
College
University of Applied Sciences Bremen  (International Graduate Center)
Course
Kunst und Kultur in der Gesellschaft
Grade
1,3
Author
Year
2013
Pages
64
Catalog Number
V358369
ISBN (eBook)
9783668437340
ISBN (Book)
9783668437357
File size
2586 KB
Language
German
Keywords
Parteien Partei Inszenierung Parteiinszenierung Parteieninszenierung Wahlkampf Politik Farbsymbolik Wahlkampfmedium Politikfarben Wahlwerbung Parteiwerbung, Wahlkampf, Bundestagswahl, Bundestagswahl 2017, Politische Farben, Farbsymbolik, Farbsymbolik der Parteien, Parteienwerbung, Wahlplakate, Niedersachsen, Erscheinungsbild der Parteien, Farbsymbolik Parteien, Medien der Parteien, Wahlprogramm, Wahlprogramme, Wähler, Bundestag, Parteienlandschaft, Parteifarben, Politikfarben, Wahlkampfmanager, Wahlkampagne, Wahlkampagnen, Wahlprognose, Parteienfarben, Wahlkampfkanäle, Kampagne, Bundestagswahlkampf, Parteikampagne, Politikwerbung, Politikfarbe, Farbpolitik, CDU Farben, SPD Farben, Grüne Farben, FDP Farben, Farben in der Politik, Politikkampagne
Quote paper
Monika Heineck (Author), 2013, Parteieninszenierung im Niedersächsischen Wahlkampf 2013, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358369

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Parteieninszenierung im Niedersächsischen Wahlkampf 2013



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free