Christlicher Kreationismus – religiöser Fundamentalismus?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2014

15 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Christlicher Kreationismus
2.1 Die Geschichte des Kreationismus
2.2 Selbstverständnis und Ziele
2.3 Ausprägungen und Argumentation

3. Religiöser Fundamentalismus
3.1 Was ist Fundamentalismus?
3.2 Typen des Fundamentalismus
3.3 Ausprägungen heute am Beispiel des Nahost-Konflikts

4. Christlicher Kreationismus als religiöser Fundamentalismus
4.1 Fundamentalistische Ansätze des christlichen Kreationismus
4.2 Typisierung des Kreationismus als Fundamentalismus

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Internetquellen

1. Einleitung

Der US-amerikanische Politikwissenschaftler und ehemalige Berater des US-Außen- ministeriums, Samuel Huntington, veröffentlichte 1996 ein Buch mit dem Titel „Clash of civilizations“ („Kampf der Kulturen“). In diesem vertieft er die, bereits 1993 in einem Beitrag der Zeitschrift „Foreign Affairs“ aufgestellte These, das 21. Jahrhundert werde von Konflikten zwischen den unterschiedlichen, religiös geprägten Kulturen gezeichnet. Nach dem Ende des ideologischen Ost-West-Konflikts und dem Zerfall der Sowjetunion seien Konflikte nicht mehr auf politischen Großideologien, sondern auf fundamentalistischen Disparitäten zwischen Kulturen begründet.1

Tatsächlich ist auffällig, dass die Konflikte in jüngster Zeit, ebenso wie in den vergan- genen 14 Jahren, in der Masse nicht zwischen Staaten, sondern zwischen Anhängern radikaler, fundamentalistischer, meist religiöser Weltanschauungen ausgetragen wur- den und werden. Als Beispiel sind hier Organisationen des internationalen Terroris- mus, wie die radikalislamische Al-Quaida, die sich selbst als befreiende Instanz von der vermeintlichen Unterdrückung durch den Westen sieht, anzuführen. Auch die trei- benden Kräfte des Nahost-Konflikts, der, so kann man wohl behaupten, vor allem von den Fundamentalisten auf israelischer und palästinensischer Seite immer wieder durch gegenseitige Provokation, die in einer Spirale der Gewalt ausartet, neu entfacht wird, können hier genannt werden. Nicht zuletzt bleibt die ISIS-Bewegung in Syrien und dem Irak zu nennen, die sich die Schaffung eines Koran-treuen Islamstaates als Ziel gesetzt hat.

Man muss jedoch nicht bis in den Nahen Osten blicken, um fundamentalistische An- sichten und Bewegungen zu erkennen. Diese lassen sich ebenso in Europa und vor allem in den USA identifizieren. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der, in dieser Arbeit zu thematisierende, christliche Kreationismus, der vor allem in den USA, zunehmend jedoch auch in Europa Verbreitung findet. Um abschließend zu untersuchen, ob und inwiefern es sich dabei um religiösen Fundamentalismus handelt, soll zunächst der Kreationismus in seiner Geschichte, seinen Spielarten und seiner Zielsetzung ge- nauer betrachtet werden. Anschließend muss geklärt werden, unter welchen Voraus- setzungen man von Fundamentalismus sprechen kann und in welchen Formen dieser Ausprägung findet.

2. Christlicher Kreationismus

2.1 Die Geschichte des Kreationismus

Die Geschichte des christlichen Kreationismus beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und hat ihre Wurzeln im nordamerikanischen Protestantismus. Ur- sprünglich stellte der Kreationismus eine restaurative Gegenbewegung zu einer zu- nehmenden Liberalisierung der Kirchen in Bezug auf die Naturwissenschaften dar. Wo die biblische Schrift einst als unumstößliche Wahrheit galt, wurde nun und wird bis heute die Vereinbarkeit des Glaubens mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen angestrebt. Zu diesen Erkenntnissen zählt auch die Selektionstheorie Darwins, wel- che der Hauptangriffspunkt für Protestanten aus konservativen Kreisen war.

Der massive Einfluss des Kreationismus in den USA gelangt in den 1920er Jahren erstmals zu einem Höhepunkt. In diesen Jahren sollte in 31 Bundesstaaten ein Verbot der Lehre von der Evolutionstheorie an Schulen erwirkt werden, was auch in drei von diesen gelang. Als plakatives Beispiel für die Kontroversen dieser Zeit wird an dieser Stelle häufig der sog. „Affenprozess“ von 1925 angeführt. Der Angeklagte des Pro- zesses war ein Lehrer aus Tennessee, der gegen das Verbot, Darwins Evolutions- theorie zu unterrichten, verstoßen hatte. Nicht zuletzt auf Grund prominenter Unter- stützer aus Politik und Justiz, wurde er von der Anklage freigesprochen, was eine Niederlage für den Kreationismus in der weltweiten Wahrnehmung darstelle, diesen jedoch nicht maßgeblich schwächte, zumal er bereits fester Bestandteil des konser- vativen Denkens in den USA geworden war.2

Die Hauptschwierigkeit des Kreationismus, in der Schulausbildung Fuß zu fassen, war bislang ein Verbot der amerikanischen Verfassung gewesen, religiöse Ansichten in der Schule zu unterrichten. Zudem war der Kreationismus in erster Linie ein Appell an all jene, die die Evolutionstheorie als unamerikanisch und somit als verbotswürdig empfanden. Ein Wechsel der Strategie in den 1960er Jahren, welcher mit dem Sie- geszug des Kurzzeitkreationismus einherging, der später noch genauer erläutert wird, brachte der Lehre der Kreationisten einen massiven Aufschwung. So wurden der Kre- ationismus und die Naturwissenschaften als gleichwertig dargestellt, sodass eine Un- terrichtung beider Aspekte in den Schulen legitim und erforderlich sei. Somit genügte die Ausarbeitung eines plausibel erscheinenden und didaktisch ausgefeilten Unter- richtskonzepts, um den Kreationismus im privaten Bildungssystem der USA massiv zu verbreiten. So ist er heute in christlichen Privatschulen und -Universitäten fest etabliert. Nach Urteilen des obersten Gerichts der USA, wurde er jedoch weiterhin als religiöse Lehre betrachtet und durfte somit nicht an staatlichen Schulen unterrichtet werden. Dies änderte jedoch nichts daran, dass sich ein Großteil der entsprechenden Lehrkräfte offen zum Kreationismus und dessen Verbreitung an diesen Schulen äu- ßerte. Demnach lässt sich annehmen, dass der Kreationismus inzwischen im gesam- ten amerikanischen Schulsystem weit verbreitet ist, was auch einen entsprechenden Einfluss in der Politik erklärt.3

2.2 Selbstverständnis und Ziele

Der Kerninhalt des Kreationismus ist die Entstehung der Welt und des Menschen durch Gottes Schöpfung. Dabei ist der religiöse Glaube an einen Schöpfergott kein exklusives Merkmal des Kreationismus. Dieser findet sich in allen großen Religionen des Westens, also der der Juden, Christen und Muslime wieder. Vielmehr sieht er in den naturwissenschaftlichen Erklärungen zur Entstehung des Universums, der Erde und des Menschen eine, mit dem Glauben unvereinbare Fehllehre. Der Anspruch des Kreationismus ist es somit nicht, eine religiöse Überzeugung, sondern vielmehr eine bessere, wissenschaftliche Alternative zu den Naturwissenschaften zu sein. Darüber hinaus fordert er sogar die Verwerfung der Naturwissenschaften, um die Grundlage für einen „wahren“ Schöpfungsglauben bilden zu können. Das Fundament für den christlichen Kreationismus bildet dabei in erster Linie die Unvereinbarkeit der moder- nen Evolutionstheorie und der radikalen Auslegung der Schöpfungstexte im ersten Buch Mose (Genesis).4 Sehr deutlich geht das Selbstverständnis der Kreationisten aus der Selbstdarstellung der Vereinigung The Creation Science Association (CSA) hervor:

„ […] members are concerned about the widespread false teaching called "evolution." The widespread acceptance of this false notion of origins has resulted in physical harm to millions in the 20th century alone, in lawlessness in our society, and in the deprivation of a proper relationship with their Creator for countless people.”5

Die Diffamierung der Naturwissenschaften geht dabei sogar so weit, dass deren vermeintliche Fehllehren als geradezu verbrecherisch und für körperlichen Schaden an den Menschen und für eine Anarchisierung, sowie eine Atheisierung der Gesellschaft verantwortlich bezeichnet werden.

2.3 Ausprägungen und Argumentation

Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Ausprägungen und Argumentationslinien für den Kreationismus etabliert, die sich vor allem in ihrer Radikalität und Kompromissbereitschaft gegenüber den Naturwissenschaften unterscheiden.

Der Langzeit-Kreationismus zeichnet sich durch die Deutung jedes der sieben Schöpfungstage in der ersten Schöpfungsgeschichte als repräsentativ für ein ganzes Äon der Erdgeschichte stehend aus. Man umgeht somit, vorausgesetzt man wählt die jeweiligen Zeitabstände entsprechend lange, einen Widerspruch zur Naturwissen- schaft hinsichtlich erdgeschichtlicher Zeitrahmen. Im Allgemeinen versucht diese Form des Kreationismus, den Konflikt mit den Naturwissenschaften auf den einen wesentlichen Aspekt zu fokussieren, der allen Formen des Kreationismus gemeinsam ist: die Evolutionstheorie und das mit dem Gedanken natürlicher Auslese verbundene Menschenbild. Der Langzeit-Kreationismus wird daher auch als Kompromiss mit der Naturwissenschaft verstanden und spielt heute nur noch eine geringe Rolle.

Der Vorzeit-Kreationismus nimmt eine große Zeitspanne zwischen den ersten bei- den Sätzen der Schöpfungsgeschichte an. So heißt es im ersten Satz „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Nun sei Laut Vorzeit-Kreationismus der Fall Luzifers für die Zerstörung der ersten Erde verantwortlich, nach der eine lange Zeit vergangen sei, aus der die Fossilien ausgestorbener Lebewesen und die Schichten der Ge- steinsablagerung stammen. Nach dieser Phase der Verwüstung sei der zweite Satz anzusetzen, „die Erde aber war wüst und wirr […]“6, worauf die zweite und eigentliche Schöpfung in sechs Tagen gefolgt sei. Durch die Verführung des Menschen durch Luzifer sei jedoch Sünde und Tod auf die Erde gekommen, weshalb Gott die Welt durch die Sintflut endgültig zu der heutigen geformt habe. Ähnlich wie der Langzeit- Kreationismus, strebt auch der Vorzeit-Kreationismus eine Harmonisierbarkeit bibli- scher und naturwissenschaftlicher Zeiträume an, lehnt jedoch die Theorien der Ab- stammung und der Selektion ab. Auch er spielt für den Kreationismus nur eine einge- schränkte Rolle, zumal er vom Großteil der Kreationisten als zu kompromissbereit angesehen wird.

Der Kurzzeit-Kreationismus ist die mit Abstand radikalste und fundamentalis- tischste Form des Kreationismus und beherrscht heute dessen Feld. Auf Basis der Annahme der biblischen Schöpfungsgeschichte als unumstößlicher Tatsachenbericht geht er davon aus, dass die Erde, ebenso wie das gesamte Universum, vor weniger als 12000 Jahren und innerhalb von sechs Kalendertagen erschaffen wurde. Durch diesen engen Zeitrahmen tritt der Kurzzeit-Kreationismus nicht nur in den Wider- spruch zur Evolutionstheorie, sondern zu nahezu allen heutigen Forschungsfeldern der Naturwissenschaften, wie der Geologie und der Paläontologie, zumal sich deren Zeitmessungen auf wissenschaftliche Methoden stützen. Er ist somit gezwungen, al- ternative, bibelkonforme Erklärungen für Phänomene, wie Fossilien und geologische Schichten zu liefern. Dies erfolgt auf geradezu aberwitzige Art und Weise, indem etwa die Sintflut für deren Entstehung verantwortlich gemacht wird. Als Argument zur Wi- derlegung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse wird etwa herangeführt, dass deren Methoden fehlerhaft seien. Dabei werden physikalische Grundsätze verworfen, in- dem beispielsweise behauptet wird, dass radioaktive Zerfallsraten früher viel höher gewesen und eine korrekte Altersbestimmung mittels radiometrischer Altersmessun- gen somit unmöglich sei. Derartige Annahmen werden nicht nur von Wissenschaftlern allenfalls belächelt, sondern sind auch im Kreationismus selbst umstritten.7

[...]


1 Vgl.: Huntington, Samuel Phillips: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. New York 1998.

2 Vgl.: Hemminger, Hansjörg: Die Geschichte des neuzeitlichen Kreationismus. In: Neukamm, Martin: Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus. Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation. Göttingen 2009. S. 15 - 18. Beintker, Michael: Kontroversen um die Evolutionstheorie im heutigen Christentum. Paderborn 2011. S. 17. Hemminger, Hansjörg: Und Gott schuf Darwins Welt. Der Streit um Kreationismus, Evolution und Intelligentes Design. Gießen 2009. S. 72.

3 Vgl.: Hemminger, Hansjörg: Die Geschichte des neuzeitlichen Kreationismus. In: Neukamm, Martin: Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus. Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation. Göttingen 2009. S. 18 - 19.

4 Vgl.: Hemminger, Hansjörg: Und Gott schuf Darwins Welt. Der Streit um Kreationismus, Evolution und Intelligentes Design. Gießen 2009. S. 17. Hemminger, Hansjörg: Die Geschichte des neuzeitlichen Kreationismus. In: Neukamm, Martin: Evolu- tion im Fadenkreuz des Kreationismus. Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation. Göttingen 2009. S. 20.

5 Aus: http://csama.org/CSA-INFO.SHTML. Stand: 10.07.2014.

6 Siehe: Genesis 1,1 - 1,2. In: Die Bibel. Einheitsübersetzung. Lizenzausgabe der Katholischen Bibelanstalt. Stuttgart 1980. Auflage 2006. S. 17.

7 Vgl.: Hemminger, Hansjörg: Die Geschichte des neuzeitlichen Kreationismus. In: Neukamm, Martin: Evolution im Fadenkreuz des Kreationismus. Darwins religiöse Gegner und ihre Argumentation. Göttingen 2009. S. 20 - 21. Hemminger, Hansjörg: Und Gott schuf Darwins Welt. Der Streit um Kreationismus, Evolution und Intelligentes Design. Gießen 2009. S. 70 - 71. Beintker, Michael: Kontroversen um die Evolutionstheorie im heutigen Christentum. Paderborn 2011. S. 17 - 19.

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Christlicher Kreationismus – religiöser Fundamentalismus?
Université
University of the Federal Armed Forces München  (Institut für Theologie und Ethik)
Note
1,0
Auteur
Année
2014
Pages
15
N° de catalogue
V358601
ISBN (ebook)
9783668434493
ISBN (Livre)
9783668434509
Taille d'un fichier
774 KB
Langue
allemand
Mots clés
Fundamentalismus, Chrsitentum, Kreationismus, Evolutionstheorie, Schöpfungsmoythos, Pseudowissenschaft
Citation du texte
Thomas Schmaus (Auteur), 2014, Christlicher Kreationismus – religiöser Fundamentalismus?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358601

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