Die archäologische und frühgeschichtliche Forschung in Bezug auf die Wikinger hat in den letzten Jahren wieder vermehrt Interesse geweckt. Nach langer Zeit der Stigmatisierung des Themas durch dessen politischen Missbrauch unter den Nazis kann endlich wieder f reier, sachlicher und unbefangener über diese Thematik diskutiert werden. Gerade das Stigma der „nordischen Kultur“ im i nhaltlichen Unterschied zur Kultur der Wikinger machte es schwierig kulturspezifische Forschung vorurteilsfrei und politisch neutral zu artikulieren. In dieser Arbeit soll nun der Versuch unternommen werden die typischen Charakteristika der urbanen Siedlungen der Wikinger in ihren Ursprungsländern aufzuzeigen und sie in einen anthropogeographischen Kontext zu setzen. Zur herkömmlichen Definition der Anthropogeographie gehören üblicherweise die Teilbereiche der Bevölkerungs-, Siedlungs-, Verkehrs-, Wirtschafts-, und politischen Geographie. Neuere Ansätze im Fachbereich aus den späten 1960er Jahren richten sich eher nach den Daseinsgrundfunktionen der Sozialgeographie: Wohnen und Arbeiten 1 . Im Folgenden sollen beide Standpunkte gemeinsam Beachtung finden. Das prominenteste Problem dabei ist die unzureichende Nachweisbarkeit. So ist zum Beispiel keiner der in der Arbeit angeführten Orte zu mehr als 5% ausgegraben 2 . Ebenso sind die Funde an sich nur stumme Zeugen, deren Zuordnung einiger Interpretation bedarf. Auch Prozesse sind nur sehr schwer zu erkennen. Stattdessen erhält man nur lückenhafte und statische Eindrücke dieser Epoche. Vielleicht ist das der Grund, dass es bis 1991 nahezu keine wissenschaftlichen Betrachtungen der urbanen Siedlungen der Wikinger gab 3 . So muss gesagt werden, dass diese Arbeit trotz aller Mühen lediglich im Bereich der Vermutung und Hypothese bleiben kann und muss, zumindest bis quantitativ und qualitativ Stichhaltigeres bewiesen werden kann. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einführung
- 1. Definition
- 1.1 Umfang dieser Arbeit
- 1.1.1 örtlich
- 1.1.2 zeitlich
- 1.2 die Stadt als Lebensraum
- 1.3 Urbanität der Wikinger
- 1.1 Umfang dieser Arbeit
- 2. Beispielhafte Städte
- 2.1 Haithabu
- 2.2 Ribe
- 2.3 Birka
- 3. Siedlungsformen
- 3.1 Stadt
- 3.2 Köpingeorter
- 3.3 Ländliche Siedlungen
- 3.4 Zweckgebundene Siedlungen
- 3.4.1 Heilige Stetten der alten Religion
- 3.4.2 Kirchliche Zentren
- 3.4.3 Militärische Zentren
- 3.4.4 Verkehrszentren
- 4. bestimmende Faktoren
- 4.1 Topographie
- 4.2 Wirtschaft
- 4.2.1 Intern
- 4.2.2 Extern
- 4.3 Regierungsform
- 4.4 Religion
- 4.5 Verkehrswege
- 4.5.1 Wasserwege
- 4.5.2 Landwege
- 5. Hervorgerufene Prozesse
- 5.1 Stadtgründung
- 5.2 Kontinuität und Verlagerung
- 6. Aktuelle Theorien im Vergleich
- 6.1 Christallers Zentralitätstheorie
- 6.2 Push und Pull Faktoren
- 6.3 Verstädterung vs. Urbanisierung
- 7. Abschließende Betrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, die charakteristischen Merkmale städtischer Siedlungen der Wikinger in ihren Ursprungsländern zu analysieren und in einen anthropogeographischen Kontext einzubetten.
- Die Untersuchung der städtischen Strukturen in Dänemark, Schweden und Norwegen
- Die Einordnung der Wikingerstädte in die Bereiche Bevölkerungs-, Siedlungs-, Verkehrs-, Wirtschafts- und politischer Geographie
- Die Analyse der städtischen Daseinsgrundfunktionen Wohnen und Arbeiten
- Die Herausforderungen bei der Rekonstruktion historischer Prozesse durch archäologische Funde
- Die Untersuchung der zwei Phasen der Urbanisierung im wikingischen Zeitalter: eine kommerziell geprägte Phase und eine klerikal-royale Phase
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einführung beleuchtet die Bedeutung und die Herausforderungen der Forschung zur Wikingerzeit und stellt den Fokus der Arbeit auf die anthropogeographische Betrachtung städtischer Siedlungen der Wikinger in ihren Ursprungsländern dar. Kapitel 1 definiert den zeitlichen und räumlichen Rahmen der Arbeit und erörtert die Bedeutung der Stadt als Lebensraum sowie die spezifischen Merkmale der Urbanität der Wikinger. Kapitel 2 stellt beispielhafte Städte des wikingischen Kulturkreises vor und beleuchtet deren Besonderheiten. Kapitel 3 analysiert unterschiedliche Siedlungsformen im wikingischen Kontext, wobei der Fokus auf der Stadt, Köpingeortern, ländlichen Siedlungen und zweckgebundenen Siedlungen liegt. Kapitel 4 untersucht die Faktoren, welche die Entwicklung wikingischer Städte beeinflussten, wie zum Beispiel die Topographie, die Wirtschaft, die Regierungsform, die Religion und die Verkehrswege. Kapitel 5 beschäftigt sich mit den Prozessen der Stadtgründung und der Kontinuität bzw. Verlagerung von städtischen Zentren. Kapitel 6 setzt aktuelle Theorien wie Christallers Zentralitätstheorie, Push- und Pull-Faktoren und die Unterscheidung zwischen Verstädterung und Urbanisierung in Bezug auf die städtische Entwicklung im wikingischen Zeitalter.
Schlüsselwörter
Wikinger, Urbanisierung, Stadtentwicklung, anthropogeographische Analyse, skandinavische Ursprungsländer, Haithabu, Ribe, Birka, Siedlungsformen, Wirtschaft, Religion, Verkehrswege, Stadtgründung, Kontinuität, Verlagerung, Zentralitätstheorie, Push- und Pull-Faktoren, Verstädterung, Urbanisierung, archäologische Forschung.
- Citar trabajo
- Urs Noetzelmann (Autor), 2004, Eine anthropogeographische Betrachtung der wikingischen Stadtsituation in den skandinavischen Ursprungsländern, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35868