Multiperspektivisches Storytelling. Mit Hilfe von multiperspektivischen Geschichten positive Lernräume außerhalb der Schule schaffen


Thèse de Master, 2017

158 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort / Danksagungen

Abstract Deutsch

Abstract English

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Bedeutung der Arbeit für die Medienpädagogikforschung
1.2 Forschungsfrage
1.3 Methodik und Vorgehensweise
1.4 Aufbau der Thesis

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Multiperspektive
2.1.1 Begriffsklärung
2.1.2 Multiperspektive in der Dramaturgie
2.1.3 Multiperspektive im Film und in Serien
2.1.4 Multiperspektive in der Pädagogik
2.2 Storytelling: Geschichtenerzählen in der Pädagogik
2.2.1 Storytelling: Begriffserklärung
2.2.2 Storytelling als Lernmethode
2.2.3 Wirkung einer Geschichte
2.3 Dramaturgie
2.3.1 Dramaturgie Element: Erzählperspektiven / Erzähler/in
2.3.2 Dramaturgie Element: Figuren
2.3.3 Dramaturgie Element: Handlung / Aufbau / Heldenreise
2.3.4 Dramaturgie Element: Zeit
2.3.5 Vielschichtige Plots
2.4 Digitale Medien in der Didaktik
2.4.1 Einfluss von digitalen Medien auf das Lernen
2.4.2 Einfluss von Digitalen Medien auf das Lehren
2.5 Medienkompetenz & Cybermobbing
2.5.1 Begriffserklärung: „Cybermobbing “ inkl. „Sexting“, „Cheating“, „Trollen“
2.5.2 „Medienkompetenz“ - Begriffserklärung nach Baacke
2.5.3 Medienkompetenz laut Medienpass Nordrhein-Westfalens
2.5.4 Medienkompetenz laut Lehrplan Baden-Württemberg
2.5.5 Medienkompetenz laut Lehrplan Waldorf
2.5.1 Medienkompetenz bei nicht-formalem Lernen: Bsp. Pfadfinder
2.6 Nicht-formales Lernen
2.6.1 Unterschiede zum formalen Lernen

3 Zusammenfassung des Theorieteiles und Verknüpfung mit der Intervention

4 Empirische Untersuchung
4.1 Untersuchungsgegenstand und Ziel
4.2 Forschungsdesign
4.3 Erhebungszeitraum
4.4 Gruppe der Teilnehmer
4.5 Interventions-Aufbau
4.6 Instrumente des Fragebogens
4.7 Datenauswertung

5 Forschungsergebnisse
5.1 Interventionsergebnisse:
5.1.1 Quantitative Fragebogenauswertung
5.1.2 Qualitative Fragebogenauswertung
5.1.3 Auswertung der Reflexionen am Ende zweier Gruppenstunden.
5.2 Kritik an der eigenen Arbeit
Schlussfolgerung und Fazit
5.3 Beantwortung der Forschungsfrage
5.4 Interpretation und Handlungsempfehlung
5.5 Plädoyer für das nicht-formale Lernen
5.6 Ausblick

6 Literaturverzeichnis

7 Tabellenverzeichnis

8 Abbildungsverzeichnis

9 Abkürzungsverzeichnis

10 Anhänge

Vorwort / Danksagungen

Sollte in dieser Arbeit Formulierungen und Bezeichnungen von Menschen, außerhalb von Zitaten, nur in ihrer grammatikalisch maskulinen Form auftauchen, so geschah dies einzig und allein zur Erleichterung des Leseflusses. Soweit dies aus dem Zusammenhang hervorgeht, steht diese maskuline Form selbstverständlich sowohl für die weibliche als auch für die männliche Person.

Hiermit möchte ich mich bei meinen Betreuern Frau Prof. Dr. Siller und Herrn Pohlmann bedanken, die mich mit sehr viel Input und kreativen Ideen bei dieser Arbeit unterstützt haben.

Ein Dankeschön auch an die Pfadfinder in Wendlingen und vor allem der Pfadfinderjugendgruppe, bei der ich die Intervention durchgeführt habe.

Ein Dankeschön auch an meine Frau, meine Schwägerin und allen Freunden, die mir bei der Ausarbeitung und der Korrektur dieser Arbeit geholfen haben.

Ein Dank an Herrn Lehrmann, der mich mit seiner Fachkundigen Beratung seitens des Kultusministeriums Baden-Württemberg unterstützt hat.

Abstract Deutsch

Das Thema Geschichtenerzählen im Unterricht, bekannt als “Storytelling”, ist aktuell wieder ein Trend im Schulwesen geworden (Giessen, 2009, S. 7). Um eine spannende Geschichte zu erzählen, benötigt man verschiedene Perspektiven. Lajos Egri nennt das „Orchestrierung“ (Egri, 2003, S. 146). Das Zusammensetzen von multiperspektivischer Dramaturgie und Didaktik ist interessant, denn so besteht die Möglichkeit manche Lerninhalte effektiver vermitteln zu können. Zum Beispiel kann das Thema Cybermobbing aus der Sicht des Opfers, des Täters oder des Lehrers beleuchtet werden, um auf diese Art ein besseres Reflexionsverhalten der Zielgruppe über das „wer“ und „warum“ anzusteuern. Jedoch nicht nur im schulischen Bereich, sondern auch im nicht-formalen Lernkontext,kann diese Methode Verbesserungen beim Lernenbewirken. Darum wurden in Gruppenstunden einer Pfadfindersippe im Alter zwischen 14 bis 16 Jahren die multiperspektivische Storytelling-Methode angewendet. Am Ende jeder Gruppenstunde gab es eine Reflexion in Form einer qualitativen Interviewfrage, um unmittelbar herauszubekommen, ob die Jugendlichen ihrer Meinung nach etwas aus der Stunde gelernt haben. Vor und nach der Intervention haben die Probanden Fragebögen ausgefüllt, mit denen ein quantitatives Umfrageergebnis erzielt wurde. Da jedoch nicht mehr als acht Jugendliche an dieser Interventionsarbeit teilnahmen, werden die qualitativen Umfrageergebnisse aus den Fragebögen eine große Rolle spielen.

Abstract English

Storytelling seems to be enjoying a revival in German schools (Giessen, 2009, S.9). If you want to tell an interesting story, you should use different points of view (Egri, 2003, S. 146). In a dramatic context Lajos Egri calls this "orchestration". This composition of multiperspective dramaturgy and didactics is very interesting because of the possibility of throwing light on the educational issues more effectively. For example, in a lesson about "Cybermobbing" you can tell the story from the points of view of the victim, the offender or the teacher in order to stimulate reflections on the question of who did something and why. But not only in school can you use the method of multiperspective storytelling, you can use it successfully in non-formal education as well. This master thesis deals with the question if the method of multiperspective storytelling has a positive effect on young listeners. This method has been used in a youth-group of scouts aged between 14 and 16. At the end of each lesson, there was a qualitative interview in order to get immediate feedback if the method was working or not. Before and after the whole process the young people filled in a questionnaire, so I got quantitative and qualitative results. Not more than 8 test persons attended the lessons, so the qualitative results will be dealt with more thoroughly in this work than the quantitative results.

1 Einleitung

1.1 Bedeutung der Arbeit für die Medienpädagogikforschung

Das Thema Storytelling im Unterricht ist nicht neu. So beschreibt Giessen in seinem Buch „Emotionale Intelligenz in der Schule“, dass es schon lange narrative Elemente in der Pädagogik gibt (Giessen, 2009, S. 7 & 81). Doch scheint die Wissensvermittlung mit Hilfe der sozialen Intelligenz in Form von narrativen Elementen in Deutschland eine kleine Renaissance zu erleben. So haben Blum & Heering ein Forschungsergebnis auf der Frühjahrstagung der Didaktik der Physik vorgestellt, bei dem es um ihren Erfolg der Storytelling-Methode bei naturwissenschaftlichen Fächern ging (Blum & Heering, 2014).

Das Thema „Multiperspektive“ in der Lehre kennt man unter anderem aus dem Geschichtsunterricht. Die Theorie hierzu besagt, dass man ein geschichtliches Ereignis immer aus verschiedenen Perspektiven betrachten sollte, um die sozialen, kulturellen oder anderen Einflüssen der Quellen zu berücksichtigen (Chladenius, 1969). Dramaturgisch gesehen besaß die Multiperspektive immer ein Schattendasein. Obwohl man doch mit Beginn der DVD über die Funktion des „Multiangel“ (Hüningen, 2011), also der Möglichkeit zwischen verschiedenen Kameras oder eben verschiedenen Geschichten hin und her schalten zu können, multiperspektivisch erzählen hätte können. Dies ist kaum umgesetzt worden, wenn man sich die Filme einer Videothek genauer diesbezüglich ansieht. Leider gibt es hierzu keine wissenschaftlichen Daten.

Führt man nun die beiden oben genannten Methoden zusammen, erhält man „multiperspektivisches Storytelling“. Dies ist eine spannende Methode Lernthemen aus verschiedenen Perspektiven zu bearbeiten. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Geschichtsunterricht: die Plünderung Roms um 410. Wir können aus Sicht des römischen Stadthalters die Ereignisse erzählen, als die Westgoten über die Stadt herfielen. Oder wir erzählen aus der Sicht Alarichs, dem Anführer der Westgoten, oder aus Sicht eines frommen Stadtbürgers, der sich unter Kirchenasyl stellte und schon bekommen wir einen vielschichtigen Blick auf die Ereignisse, der uns anleitet, über die Facetten dieses geschichtlichen Faktes nachzudenken und somit reflektierter zu verarbeiten. Also, wer war damals Protagonist, wer Antagonist, was hat wen zum Protagonisten, oder Antagonisten gemacht. Wie haben die Römer damals gelebt, was hat die Westgoten angetrieben, etc. Nehmen wir nun ein Beispiel aus dem Physikunterricht. Wir erzählen die Geschichte eines Geschwisterpaares. Einer der beiden steht oben am Berg und lässt einen Ball hinunterrollen. Und der andere versucht anschließend den Ball wieder hinaufzurollen. Und schon haben wir verschiedene physikalische Gesetzte, die wir anschaulich in einer Geschichte aus zwei Perspektiven erzählen. Ein drittes Beispiel aus dem Bereich Medienkunde, das „Cybermobbing“. Hier ein aktuelles Beispiel aus der Tageszeitung. Ein 14-jähriges Mädchen postet Nacktfotos von sich über einen privaten Chat an ihren Lover (Klose, 2016). Sie trennen sich und aus Rache postet dieser die Nacktbilder im Schulchat. Medienscouts finden die Bilder öffentlich zugänglich im Internet. Wie kann diese wahre Begebenheit nun multiperspektivisch als Storytelling-Methode eingesetzt werden? Wir erzählen die Geschichte des Opfers, des Täters, des Medienscouts und vielleicht noch die Sicht eines Rechtsanwaltes oder Psychologen, und schon erhalten wir eine Geschichte aus vielen Blickwinkeln, über die man reflektiert nachdenken muss.

Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, wenn wir über Storytelling reden, sollte man multiperspektivisches Storytelling einbeziehen.

1.2 Forschungsfrage

Gibt es einen messbaren, positiven Lernoutput bei der medial unterstützten, multiperspektivischen Storytelling-Methode in einem außerschulischen Gruppenlernsetting?

1.3 Methodik und Vorgehensweise

Im theoretischen Teil der Thesis werden einerseits die Möglichkeiten von Storytelling besprochen, als auch die Möglichkeiten von Multiperspektivität im Zusammenhang mit nicht-formalem Lernen.

Da für den empirischen Teil die Medienkompetenz am Beispiel Cybermobbing herangezogen wurde, um die multiperspektivische Storytelling-Methode an einem definierten Thema zu testen, wird auch diese kurz theoretisch besprochen. Dazu werden verschiedene Lernziele bezüglich Multiperspektivität, Storytelling, Dramaturgie und Medienkompetenz gesetzt, um daraus das Untersuchungsziel und somit die Beantwortung der Forschungsfrage abzuleiten.

Die Thesis baut auf einen Lernraum außerhalb der Schule auf, nämlich innerhalb der Gruppenstunde einer Pfadfindersippe. Lernen in der Schule ist nicht gleich Lernen außerhalb der Schule. Am Beispiel der Gruppenstunden des Jugendverbandes VCP (Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder) werden hier die didaktischen Eigenschaften des nicht-formalen Lernens dargestellt.

Anschließend werden die Ergebnisse der empirischen Forschungsarbeit vorgestellt und diskutiert, um daraus die Antwort für die Forschungsfrage zu finden. Als wissenschaftliche Grundlage dieser Thesis wird die Zusammenführung der Elemente des Storytelling und die Möglichkeiten des dramaturgischen, multiperspektivischen Ansatzes und des technischen, multiperspektivischen Ansatzes (zum Beispiel „Multiangel“-Videos auf einer Homepage), dargestellt und bewertet.

Zur Evaluation wurden quantitative Fragebögen und qualitative Interviewfragen ausgewertet, die vor, während und nach der Durchführung der Lerneinheiten eingesetzt worden sind. Die Lerneinheiten fanden innerhalb der regulären Gruppenarbeit einer Pfadfindergruppe statt. Mehr zum Aufbau der Intervention unter 4.4. An der Erhebung der Daten nahmen acht Probanden teil, weshalb diese Forschungsarbeit in einem Interventionsdesign gehalten ist, das unter 4.2 beschrieben wird.

1.4 Aufbau der Thesis

Das Ziel dieser Thesis ist das Potential des multiperspektivischen Storytellingansatzes herauszuarbeiten.

Somit wird sich diese Arbeit im Theorieteil den Themen: Storytelling, Dramaturgie, Multiperspektive, digitale Medien und nicht-formalem Lernen widmen. In einem Interventionsprojekt habe ich mit Hilfe einer Jugendgruppe Tests durchgeführt, bei denen ich das multiperspektivische Storytelling angewendet habe. Hierbei wurde als Thema Cybermobbing ausgesucht, das mit Hilfe der Medienkompetenzdefinitionen nach Baacke (Baacke, 1997) und dem aktuellen Lehrplan von Baden-Württemberg (Kultusministerium-BW, 2016) als Lehrneinheiten vorbereitet wurden. Somit ist es wichtig im Theorieteil noch einmal kurz auf die Begriffe Medienkompetenz und Cybermobbing einzugehen.

Im dritten Teil der Arbeit werden die Theorien der Master Thesis noch einmal zusammengefasst.

Im vierten Teil wird das Interventionsprojekt beschrieben, um anschließend im fünften Teil die Umfrageergebnisse auszuwerten. Hierbei spielen geschlossene Fragen eine Hauptrolle um eine quantitative Auswertung zu erhalten. Da die Gruppe jedoch sehr klein ist, wurden auch offene Fragen in den Fragebogen gestreut. Diese dienen dazu, ein qualitatives Ergebnis zu erhalten und gleichzeitig eine response-set Tendenz (Porst, 2014, S. 17) auszuschließen. Dabei wird unterschieden zwischen den Lernzielen, die in den Fragebögen abgefragt werden und die direkt in Zusammenhang mit den angewendeten Methoden und Inhalten wie Cybermobbing etc. stehen, und den Untersuchungszielen, die zur Beantwortung der Forschungsfrage führen. Im sechsten Teil der Arbeit schließe ich die Thesis mit einem Fazit und einem Ausblick.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Multiperspektive

2.1.1 Begriffsklärung

Multiperspektive bedeutet in erster Linie ein beliebiges Objekt aus verschiedenen Blickrichtungen zu betrachten. Dies kann in verschiedenen Bereichen angewendet werden, wie zum Beispiel bei Filmen oder Serien oder in der Pädagogik. Dies wird im Folgenden kurz skizziert.

2.1.2 Multiperspektive in der Dramaturgie

Michael Müller und Petra Grimm erklären den Begriff multiperspektivische Dramaturgie (Müller & Grimm, 2016) anhand des Werbestrips „Point-of-View-Commercial“ für die britische Tageszeitung „The Guardian“ von 1986, bei dem im ersten Bild ein Junge flieht. Die gleiche Szene in einem anderen Winkel beschreibt, dass der Junge einen älteren Mann angreift. Im letzten Bild mit einem weiteren Bildausschnitt wird erst klar, dass der Junge den Mann vor einem herabfallenden Felsbrocken rettet, in dem er den Mann wegreißt. Der Off-Text beschreibt nun als Erzähler den unterschiedlichen Grad der Objektivität seines optischen Point of View:

„Seen from one point of view gives impression. – Seen from another point of view gives quite a different impression. – But only if you get the whole picture you could fully understand what’s going on” (Müller & Grimm, 2016, S. 63).

Laut Nünning und Nünning ist es in der Erzähltheorie schwierig den Begriff „Multiperspektivität“ scharf zu definieren (Nünning & Nünning, 2000). Multiperspektive bedeutet laut Zuckerman, mehrere Plots um ein Thema zu bauen (Zuckerman, 2000). Das heißt wir haben nicht nur den Haupterzählstrang sondern folgen gleichzeitig noch ein oder mehreren Nebenhandlungen, die allesamt ein gleiches Ziel verfolgen: Die Geschichte zum Höhepunkt, der Katharsis, zu treiben. Robert Rabenalt hat in seinem Kieler Beitrag zur Filmmusikforschung (Rabenalt, 2013) zusammengefasst, dass es bei dem multiperspektivischen Erzählen um die besondere Herausarbeitung von psychologischen und physiologischen Besonderheiten der Figur geht, bei denen dann Musik und Ton eine besonders hohe Rolle spielen. Daraus lässt sich ableiten, dass es in den digitalen Medien bei „multiperspektivischem“ Erzählen, darauf ankommt, was man erreichen möchte, um die Geschichte weiter voranzutreiben. Möchte ich mehrere optische Perspektiven auf eine Handlungsebene oder Figur richten, spielt nicht nur das Bild eine wichtige Rolle, sondern auch der Ton. Somit lässt sich festhalten, dass die neuen, digitalen Medien, durch ihre Möglichkeit zur Interaktivität hervorragend geeignet sind multiperspektivisches Storytelling zu verwenden.

Multiperspektive hat somit in der Dramaturgie nicht nur erzählerischen Charakter, sondern auch eine technische Seite. Dann spricht man unter anderem von Multiangel-Videos.

2.1.3 Multiperspektive im Film und in Serien

Multiperspektivität bei einer DVD nennt manMultiangel Multi-Angel (Hüningen, 2011). Man kann, während der Film läuft, die Kameraposition wechseln. In Hollywood-Blockbustern wurde diese Art der erweiterten Erzählung nie konsequent eingesetzt. Bei wenigen Filmen wurden Szenen multiperspektivisch angelegt. Zu nennen ist hier Ice Age 1 bis 4. Mehr Anwendung fand diese Technik bei Musikvideos oder Konzertvideos. Hier findet sich als Beispiel: Fury in the Sloughterhouse „Monochrome“. Stark vertreten ist diese Art der Erzählung in der Porno-DVD Industrie gewesen. So kann man heute noch mit einer normalen Google-Suche unzählige Pornos mit Multiangel-Funktion aufstöbern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Szene aus der Serie: „24“ mit multiperspektivischen Bildaufbau, abgerufen am 27.Januar 2017, http://cdn1-www.craveonline.com/assets/uploads/2014/07/24-Live-Another-Day-Episode-12-The-Cheng-Ultimatum-642x362.jpg

Multiperspektive bei Filmen und Serien bedeutet, es werden mehrere Kameraeinstellungen zu einem Thema gefilmt, jedoch zeitlich parallel (Hüningen, 2011). Das Medium „Spielfilm“ ist primär eine lineare Erzählweise (Garthaus, 2011). Sie folgt stringent von A nach B. Doch gab es schon in der Vergangenheit die Möglichkeit, über nur eine Leinwand multiperspektivisch zu erzählen. Möglich wurde das über das „Splitscreenverfahren“, bei dem die Leinwand in beliebig viele „Monitore“, oder Fenster geteilt werden kann und in jedem einzelnen Monitor ein eigener Handlungsstrang erzählt werden kann. Prominentes Beispiel ist hier die Serie „24“ zu nennen. Erzählt wurden hier jeweils pro Folge 60 Minuten „Echtzeit“ im Splitscreenverfahren.

Google hatte 2015 einen Test laufen, bei dem Multiangel-Videos über YouTube gezeigt werden konnten (Lardinois, 2015). In dieser Testphase wurde ein Musikvideo gezeigt, bei dem man während der Film lief, die gewählte Kamera wechseln konnte. Doch es ist über eine weitere Zukunft dieser Technik nichts bekannt.

Honda hatte ein ähnliches Experiment in einem Webvideo gewagt (unbekannt, 2016). Hier kann man zwischen zwei Perspektiven einer Geschichte wählen, in dem man auf der Tastatur die „R“-Taste drückt. Hier wird die Geschichte eines Familienvaters erzählt, der einen normalen Civic bei Tag fährt. In dem anderen Handlungsstrang, einem parallel laufenden Film, ist der gleiche Charakter als Gangster im Nachtsetting zu sehen. Zeitlich und optisch laufen die Geschichten nahezu identisch. Lediglich das Setting ist dem Charakter angepasst. Wird der eine Charakter von einem Taxi überholt, findet in der anderen Perspektive eine wilde Verfolgungsjagt mit der Polizei statt.

Auch das ZDF versucht sich in der Sporttübertragung an interaktiven, multiperspektivischen Liveberichterstattungen, indem man zu Hause am Rechner die Kameraperspektiven individuell wechseln kann, während das Spiel läuft (Gutzelnig, 2014). Doch ein viel spannender Versuch von Multiperspektivität strahlte das ZDF und die ARD am 15.Dezember 1991 aus. In dem Krimi „Mörderische Entscheidung“ gas es zwei Plots, denen man als Zuschauer folgen konnte. Einmal aus der Sicht des Protagonisten und Comiczeichners Stefan, die im ZDF ausgestrahlt wurde, und einmal aus Sicht des Antagonisten, im Form von Christine, die Zeitgleich in der ARD ausgestrahlt wurde. Beide Handlungsstränge verliefen zeitlich parallel, so dass man während die Filme liefen umschalten konnte, um zu sehen, was gerade bei der anderen Figur geschieht (Richter, 2015).

Ein ähnliches Vorgehen beschreibt nun die Geschichtspädagogik, bei der man bezüglich eines geschichtlichen Themas immer zwischen verschiedenen Quellen hin und her wechseln sollte, um ein optimales Gesamtbild zu erreichen. Ähnlich wie es oben Müller und Grimm bezüglich multiperspektivischer Dramaturgie beschrieben haben (2.1.2).

2.1.4 Multiperspektive in der Pädagogik

Multiperspektivität hat schon lange in die Pädagogik Einzug gehalten. Bekannteste Vertreter sind hier Johann Martin Chladenius, der die wichtige These in der Geschichtsforschung und somit auch für den Geschichtsunterricht vertreten hat, dass geschichtliche Ereignisse nie von nur einer Quelle aus betrachtet werden sollten, sondern von vielen, um daraus ein vollständigeres Bild des Ereignisses zu erhalten (Chladenius, 1969).

Ein weiterer wichtiger Vertreter ist Wolfgang W. Mickel, der zur politischen Bildung beschrieben hat, dass es wichtig ist, ein politisches Ereignis, wie eine Abstimmung zum Bau eines neuen Spielplatzes, nicht nur aus einer Sichtweise zu sehen, also der eigenen, sondern man sich in mehrere Sichtweisen hineinversetzten sollte. Also die der Kinder, die der Anwohner, die des Bauamtes, etc. Das heißt, man benötigt für ein Thema eine multiperspektivische Sichtweise (Mickel, 2013).

In der Sportpädagogik wurde erstmals von GutsMuths 1793 die multiperspektivische Sichtweise auf die körperliche Aktivität beschrieben. Er stellte fest, dass man auf jeden Menschen, dessen Konstitution, dessen Bildungsstand und dessen Alter beim Sport Rücksicht nehmen muss und fordertet mehr Sport für alle. In einem Artikel von Arnd Krüger, der auf GutsMuths Theorien aufbaut, beschreibt dieser nun die Multiperspektivität von sportlicher Motivation und dessen Lernen (Krüger, 2012).

Er bezieht sich dabei auf die Werke von Dietrich Kurz, in denen er von den Sinnesperspektiven spricht:

- Gesundheit und Fitness
- Kontakt zu anderen Menschen
- Seine eigene Leistung zu erproben
- Neue Bewegungserfahrung sammeln
- Spannung auf den ungewissen Ausgang der Erfahrung
- Neue ästhetische Erfahrung machen

Diese Sinnesperspektiven sind alle im Sportunterricht vorhanden, werden doch von jedem Einzelnen anders gewichtet. Darum sollte der Sportunterricht multiperspektivisch aufgearbeitet werden.

In seinem Lehrbuch „sozialpädagogisches Können – ein Lehrbuch zur multiperspektivischen Fallarbeit“ greift Burkhard Müller die Themen „Storytelling“ und „Multiperspektive“ auf (Müller B. , 2012). Dabei stellt er klar, dass die Methode des „Storytelling“ in der Sozialarbeit nicht neu ist, jedoch wird sie hier als „Fall“ bezeichnet. Angehende Sozialpädagogen lernen einzelne „Fälle“ von Betroffenen so zu formulieren, dass daraus kleine Geschichten werden. Das heißt, die realen Fälle, die sie aus ihrer Arbeit mitbringen, werden um die dramaturgischen Elemente, die in der „minimalen Geschichte“ (2.3) beschrieben werden, ergänzt. Müller beschreibt die Fallarbeit so, dass man praktische Probleme klären will, doch um ernsthaft mit diesen Fällen arbeiten zu können, benötigt die Sozialarbeit die Methode der „Multiperspektivität“. Er geht dabei von drei Perspektiven aus.

- Fall von: also wer hat ein Problem. Er nennt dabei das Beispiel zweier junger Erwachsener, die beim Angeln ohne Angelschein erwischt werden. Einer der jungen Erwachsenen ist ein Wiederholungstäter. Beide haben das Problem eine Straftat begangen zu haben und ihnen droht nun eine Geld- oder Haftstrafe.
- Fall für: hier kommt der Sozialpädagoge ins Spiel, der sich nun als halber „Jurist“, „halber Therapeut“ und halber „Psychiater“ in den Fall einarbeiten soll.
- Fall mit: beschreibt den Akt, wie man an den Fall herantritt. Müller versucht dies mit „Menschenwürde“ und „Fairness“ zu umschreiben. Doch spielt hier auch der Umgang mit den Klienten eine Rolle. Empfinde ich Mitgefühl, zeige ich diese. Trete ich als Pädagoge auf, verhalte ich mich „verärgert“ oder „autoritär“. Auch Lernziele sind darunter zu verstehen, wie zum Beispiel: „Konzentration“, „Regeln einhalten“ die zum Beispiel zur Überwindung einer Verhaltensstörung beitragen sollen. „Fall mit“ umschreibt also, wie gehe ich „mit“ dem „Protagonisten“ um, um ein Ziel zu erreichen.

Doch beinhaltet das Storytelling, wie es in dieser Thesis verwendet wird, auch Theaterpädagogikmethoden und Spielpädagogikmethoden.

2.1.4.1 multiperspektive in der Theaterpädagogik im Vergleich zu „larps“ (Live Action Role Plays)

Die Theaterpädagogik greift nun intensiv auf das Werkzeug multiperspektivisches Storytelling zurück. Was ist Theaterpädagogik? Für Jessica Höhn (Höhn, 2015, S. 11 ff) ist es eine Möglichkeit, Menschen einzuladen, die Welt in ihrer Vielfalt spielend kennenzulernen und mehrere Perspektiven einzunehmen und auszuprobieren, Fehler zu machen, andere Wege zu gehen, neue Lösungen zu finden, jemand anderes zu sein. Theaterspielen hat von Natur aus schon viel mit Dramaturgie zu tun, doch gerade in der Theaterpädagogik verschmelzen die multiperspektivische Methode und das Storytelling.

Bernd Lipski nimmt in seiner Diplomarbeit von 1999 Bezug auf das Live Action Role Play als Medium sozialpädagogischer Tätigkeiten. Da es bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Definition von Live-Action-Role-Plays gab, versuchte er sie wie folgt zu definieren:

„Live-Rollenspiel ist ein spontanes, kreatives, interaktives Improvisationstheater ohne Publikum, bei dem jeder die Hauptrolle spielt. Das Ende ist offen, die Rollen werden von den Mitspielern freiwillig ausgewählt und erschaffen. Das einzige Ziel des Spieles für alle ist: Spaß haben. Es gibt keine Gewinner oder Verlierer“ (Lipski, 1999, S. 29).

Die Theaterpädagogik folgt bis zu einem gewissen Grad dramaturgischen Schemata, bei denen es auch darum geht, verschiedene Rollen einzunehmen, also multiperspektivisch an ein Thema heranzugehen (Höhn, 2015, S. 18 ff). Am Ende einer Theaterpädagogikeinheit soll eventuell ein Theaterstück stehen, das mit Figuren gefüllt ist und einem dramaturgischen Ablauf folgt. Hier können medienpädagogische Bildungsziele genau definiert und erarbeitet werden. Bei einem Live-Rollenspiel ist das nicht der Fall. Die Beteiligten wollen spontan loslegen, ohne Dramaturgie, ohne Drehbuch. Doch auch hier können Lernziele definiert werden, in dem man ein Thema vorgibt. Doch Lipski gibt zu bedenken, dass man die LARPs zwar als Teil der Theaterpädagogikmethode sehen kann, doch sie wollen nicht politisch motiviert sein. Sie wollen Spaß machen. Wenn man bewusst zu einem LARP einlädt, könnten eventuell auch Gruppen geködert werden, die zu einem Theaterspiel nicht kommen. Konstruktivistisches Lernen durch Spaß und ausprobieren wird also funktionieren, da dies die Grundpfeiler der Live-Rollenspiele sind, so Lipski. Doch wenn man methodisch zum Beispiel an das Thema „wie gefährlich sind Sextings, oder gehören Sie zum Aufwachsen von Jugendlichen dazu“ (mehr zum Thema Medienkompetenz unter: 2.5) heranführen will, ist ein herkömmliches Theaterpädagogikprojekt besser zu leiten. Zumal bei Live-Action-Rollenspielen die Multiperspektivität keine Rolle spielt. Denn jeder Teilnehmer sucht sich seine Rolle selber aus und füllt sie mit Leben. Bei einem herkömmlichen Theaterstück kann man beliebig das Genre, die Rollen, oder die Location verändern, auch wenn der zu spielende Plot gleich bleibt. Lipski beschreibt als Fazit, dass Live-Rollenspiele sich nur bedingt als pädagogisches Mittel eignen (Lipski, 1999, S. 164).

Jessica Höhn wiederum berichtet, dass sich Theaterpädagogik zunehmender Beliebtheit erfreut. Denn die theaterpädagogische Arbeit ist mittlerweile im pädagogischen Kontext anerkannt. Sie erreicht viele Menschen wie beispielsweise Kinder im Kindergarten, Jugendliche mit unterschiedlichem Bildungshintergrund, Manager, Auszubildende und Therapiegruppen (Höhn, 2015, S. 7).

2.1.4.2 multiperspektive in der Spielpädagogik

Gundolf S. Freyermuth, Lisa Gotto und Fabian Wallenfels beschreiben im Vorwort des Buches: „Serious Games, Exergames, Exerlearning – zur Transmedialisierung und Gamification des Wissens Transfers“ (Freyermuth, Gotto, & Wallenfels, 2013), dass zwischen Lernen und Spielen schon immer eine enge Verbindung in der Evolutionsgeschichte der Menschen besteht. Jedoch seit der Digitalisierung und der Entwicklung von Computerspielen mit narrativen Möglichkeiten in den siebziger Jahren und dem Hyperrealismus in den neunziger Jahren erreicht es eine neue Qualität. Simon Egenfeldt-Nielsen berichtet nun von der „Serious Games-Bewegung“ (Egenfeld-Nielson, 2013). Demnach wurde der Ausdruck „Serious Games“ bereits 1970 von Clark C. Abt in seinem Werk „Serious Games“ geprägt, doch erst 2001 durch die „Serious Games Initiative“ so richtig wiederbelebt. Er unterscheidet zwischen „Gamification“, wobei es darum geht, Spielmechaniken wie Punkte als Belohnung zu vergeben und „Serious Games“. Diese werden konkret zum Erreichen von Lernzielen produziert. Bei Serious Games unterscheidet Egenfeld-Nielson zwei grundlegend verschiedene Herangehensweisen. Den Einsatz der Spiele zur Vermittlung von konkreten Lerninhalten, wie geschichtliche Gegebenheiten und das Verwenden von Spielen als eine Art Gewürz um Lerninhalte schmackhafter zu machen und den konstruktivistischen Lernansatz zu verstärken.

In einer konkreten Fallstudie beschreibt Dominik Wesley das Zusammenspiel von historischer Narration in einem Dokumentarfilm und Games und die damit verbundenen multiperspektivischen Möglichkeiten (Wesley, 2013). Von der Produktionsfirma Filmtank wurde „New Horizon“ als transmediale Geschichte angelegt. Hierbei sollte eine TV-Dokumentarserie (2 x 45 Minuten) entstehen. Erzählt werden die geschichtlichen Fakten aus den verschiedenen Blickweisen mehrerer Historiker. Konkret ging es um die Weltumsegelung Magellans (1519-1522) und Sir Francis Drake (1577-1580). Parallel wurde ein Single-Player-Game entwickelt, bei dem man mittels Avatar die Welt als Entdecker in Form eines spanischen Admirals erleben kann. Es handelt sich hierbei um ein Strategiespiel, in dem man für das Zusammenstellen und Manövrieren der Flotte und ebenso für das Leben an Bord verantwortlich ist. Als eine weitere multiperspekivische, interaktive Möglichkeit per „Second Screen“ war geplant auf einer interaktiven Weltkarte verschiedene Informationen, wie Textquellen, Videos, Tonaufzeichnungen, etc. über die einzelnen Stationen der Weltumsegelung abrufen zu können. Das heißt, hierbei handelt es sich ganz bewusst um eine transmediale Storytelling Methode, bei der sehr aufwendig geschichtliche Fakten zur Verfügung gestellt werden. Die Multiperspektive wird im Film durch die verschiedenen Beiträge der Geschichtsforscher umgesetzt. In dem Singleplayer-Spiel hätte man noch verschiedene Avatare einbinden können, die man parallel steuern kann, um eine Multiperspektive zu erreichen. Ähnlich wie bei Spielen Namens Civilization oder Siedler. Das viel Fachwissen in solchen Spielen an die Rezipienten übertragen werden kann und somit ein Computerspiel direkt als Methodik zur Wissenvermittlung funktionieren kann, bezweifelt Wessley. In dem konkreten Fall „Mittelalter“ spielen auch Computerspiele wie „Assassin’s Creed“ eine Rolle. Obwohl sie im Mittelalter spielen, verraten sie uns sehr wenig über das Leben im Mittelalter selbst. Eher wie Menschen des 21. Jahrhunderts sich das Mittelalter vorstellen. Der Medienhistoriker Claus Pias plädiert dazu, Spielinhalte nicht überzubewerten:

„Computerspiele handeln nicht von japanischer Niedlichkeit oder indizierten Splatter, sondern von Usability – und damit von dem Computerspielen selbst“ (Pias, 2010, S. 307).

Inhalte, wie in diesem Beispiel historisches Wissen über das Mittelalter, können von dem Rezipienten nur in einem Maße erfahren werden, wie es die Spielmechaniken zu lassen. Also programmierte- und hardwareseitige Voraussetzungen bestimmen das Spiel. Und es darf natürlich die Spieldramaturgie nicht verloren gehen, denn ansonsten verliert der Spieler die Lust am Spielen und es wird nichts mehr gelernt. Wesleys Resümee besagt, dass ein Computerspiel alleine nicht so viel Wissen vermitteln kann, dass es als alleinige Methode funktioniert. Wenn man jedoch einen Methodenmix anstrebt, wie in diesem Fall mit Filmdokumentationen, Spiel und einer interaktiven Weltkarte, wird diese Methode wahrscheinlich zielführend sein.

Viele Computerspiele greifen, wie in diesem Fall, auf narrative Elemente zurück. Sie können also Teil der Storytellingmethode werden. Im Folgenden wird nun das Storytelling als pädagogische Methode beschrieben.

2.2 Storytelling: Geschichtenerzählen in der Pädagogik

Es gibt verschiedene Formen des Lehrens. Giessen beschreibt in seinem Buch „Emotionale Intelligenz in der Schule“, dass es neben herkömmlichen Methoden, wie des auswendig Lernens, umgangssprachlich „pauken“, auch soziale, handlungsorientierte, emotionale oder narrative Methoden gibt, die einen anderen Lern- und Lehraufbau benötigen. Diesen Methoden wird nachgesagt, dass sie einen höheren Lehraufwand mit mehr Zeit benötigen als herkömmliche Methoden (Giessen, 2009, S. 9). Bei der narrativen Methode des Storytelling werden Lerninhalte in Geschichten verpackt, um diese spielerisch und entdeckend darzustellen und einen positiven Lernraum schaffen. Doch wo hat Storytelling als Lernmethode ihren Ursprung?

2.2.1 Storytelling: Begriffserklärung

Die moderne Gehirnforschung hat gezeigt, dass beim Lernen immer Emotionen beteiligt sind, sowohl negative als auch positive. Und wenn wir Geschichten zuhören, weckt dies in uns ebenfalls Emotionen, in der Regel positive (Spitzer, 2002). Es geht schon im Kindesalter los, dass Kleinkinder beim bloßen Zuhören von Vorgelesenem, Sprache und Inhalte lernen. Dies ist eine Grundvoraussetzung für eine positive Entwicklung eines Kindes (Largo, 2010, S. 60). Hierbei geht es einerseits um die Zeit, die man dem Kind durch Erzählen widmet, als auch um rhetorische Fähigkeiten, die das Kind durch das Zuhören erlernt. Wenn man nun zum gerade Erlebten des Kindes eine passende Geschichte erzählt, führt das zur besseren Verknüpfung im Gehirn (Largo, 2010, S. 367). Nehmen wir als Beispiel, ein Kind, das einen Bagger beobachtet und wir erzählen am Abend noch einmal eine Geschichte mit einem Bagger, zeigen wo möglich Bilder dazu, wird es sich am nächsten Morgen wahrscheinlich noch daran erinnern. Darum ist es naheliegend, das Lerninhalte auch mittels Geschichtenerzählen beigebracht werden können.

Geschichten begleiten die Evolution der Menschheit seit Anbeginn – wir könnten die Höhlenmalerei als Beispiel nehmen oder wie Lajos Egri (Egri, 2003, S. 11 ff) auf die Griechen zurückgreifen. Aristoteles ist für ihn Begründer der Dramaturgie und des modernen Geschichtenerzählens. Darum leitet sich aus der narrativen Methode des Lehrens, also mit Hilfe des Geschichtenerzählens, der Anglizismus „Storytelling“ ab.

2.2.2 Storytelling als Lernmethode

„Narration wohnt eine inhärente Erklärungskraft inne; sie legen auch dort Begründungszusammenhänge nahe, wo diese nicht explizit gemacht werden. Eine Erzählung (…) stiftet Sinn; sie stellt Beziehungen zwischen ihren Elementen her und macht Geschehen verstehbar“ (Nünning V. , 2012, S. 5).

Michael Müller und Petra Grimm erklären, dass die Menschen eigentlich schon immer, überall auf der Welt, Geschichten erzählt haben. Dies taten und tun sie über Mythen und Märchen, Literatur und später Film und Hörfunk. Doch das Geschichtenerzählen auch außerhalb der Literatur wissenschaftlich untersucht wurde, fand erst in den 1980er statt. So ihr Vergleich zwischen W.J.T. Mitchel 1980 und Jerome Brunder von 1986. Seit Ende der 1990er Jahre wächst nun der Einfluss von Storytelling in anwendungsbezogenen Kontexten wie dem Journalismus, der Mediengestaltung, der Unternehmenskommunikation oder eben dem Lehren. Seit zwanzig Jahren gibt es nun einen Storytelling-Trend, der sogar vor traditionellen Formaten wie Nachrichten oder Dokumentationen nicht Halt macht (Müller & Grimm, 2016, S. 7 ff).

Eine aktuelle, groß angelegte Untersuchung bezüglich Storytelling-Konzepten an Schulen und deren Erfolg beschreibt das S@TM Projekt (Heering, 2013). Hier wird die Storytelling-Methode in naturwissenschaftlichen Bereichen eingesetzt. In der Frühjahrstagung der DPG 2014 stellte Christiane Blum und Prof. Dr. Peter Heering ihre Ergebnisse vor (Blum & Heering, 2014). Ihr Fazit beschreibt, dass der Storytelling-Ansatz im naturwissenschaftlichen Bereich als Bereicherung wahrgenommen wurde. In diesem Artikel nehmen sie Bezug auf 18 Geschichten, die für den naturwissenschaftlichen Unterricht speziell generiert und entsprechend dramaturgisch vorbereitet wurden.

Ein ähnliches Konzept hat Schank für ein spielähnliches Format zum Lernen übernommen. Er nannte es Goal-based Szenario (Schank, Berman, & Macpherson, 1999). Das Ziel ist das gleiche wie beim Storytelling, denn Kernfrage bleibt: was soll gelernt werden und wie eignen sich die Lernenden das Wissen an. Diese Methode beschreibt nun, dass es hierzu ein Szenario geben soll, in dem der Lernende einen Arbeits- und Erkundungsauftrag erhält. Dazu benötigt man eine Rahmenhandlung, die für den Lernenden nachvollziehbar und motivierend ist. Dann benötigt der Lernende eine Rolle, die ihm zugedacht ist. Wichtig für diese Methode ist, dass der Lernende alle Informationen, die er zum Lösen der Aufgabe benötigt, unmittelbar zur Verfügung hat und dass er unmittelbar eine Rückmeldung bekommt, ob er richtig oder falsch handelt. Diese Methode hat Schank auf seiner empirischen Untersuchung im Laufe der 1990er Jahre entwickelt. Eine Rolle dabei spielt auch der Perspektivenwechsel.

Daraus hat er eine multimediale Lernumgebung für Unternehmen, Organisationen und Universitäten entwickelt. Die daraus publizierten Berichte sprechen von positiven Evaluationen (Schank, 2001).

Multimediales Storytelling, auf das sich Schank hier bezieht, heißt nicht gleich, dass es automatisch um digitale Medien geht. Sie können aber Teil dieser Methode sein. Geoffrey Long (Long, 2007) beschreibt in seiner Thesis, wie das Zusammenspiel von verschiedenen Medien und Plots innerhalb der Medien zu einer großen Rahmengeschichte funktionieren kann. So kann man ein globales Setting aufbauen, zum Beispiel eine Rahmenhandlung in einer Firma. Dann spielt man auf dieser Rahmenhandlung aufbauend verschiedene Geschichten in verschiedenen Medien durch, zum Beispiel: Internet, Video, Bücher, Zeitschriften, die allesamt autark funktionieren, doch in die große Rahmenhandlung „Firma“ eingebaut sind. Als Beispiel sehen wir in einer Fictionsoap, wie ein Bandarbeiter bei einem Automobilhersteller gemobbt wird. In einem Computerspiel sind wir Chef einer Personalabteilung und müssen uns um Recruiting, Weiterbildung und einem eigenartigen Mobbingfall eines Bandarbeiters kümmern. In einem Magazin lernen wir alles über Projektstrukturen und wie am Ende des Tages ein Auto vom Band läuft.

Multiperspektivisches Storytelling funktioniert also auf vielen medialen Ebenen. Multiperspektivisches Storytelling in den digitalen Medien kann nun eine DVD sein, bei der man die Blickrichtung der Kamera umschalten kann (Multiangel) oder mehrere Filme zu einem Thema ansieht, wie in einem Geschichtsunterricht, um mehrere Quellen miteinander zu vergleichen. Oder aber man bezieht Computerspiele mit ein. „Serious Games“ ist hier ein aktuelles Schlagwort. Ulrike Spierling fasst die Möglichkeit des Storytelling in einem Computerspiel umzusetzen als „interactive digital Storytelling“ zusammen (Spierling, 2005). Sie geht jedoch nicht explizit auf die Multiperspektive ein. Sieht man jedoch Multiperspektivität als Teil des Interaktionsdesigns, so beschreiben Steffi Domagk und Helmuth M. Niegemann (Domagk & Niegemann, 2009) dass die Möglichkeit, diese Funktionen einzusetzen, immer nur dann lernwirksam ist, wenn sie direkt oder indirekt zu wünschenswerten Veränderungen der kognitiven Struktur des Lernenden beitragen. Als kognitive Struktur bezeichnet Rumelhart (Rumelhart, 1978) die Abspeicherung und Einbettung von Erinnerung und Wissen in zusammenhängende Formierungen. Er nennt sie Schemata. Diese werden im Langzeitgedächtnis verankert und durch Erkenntnisse, Wahrnehmungen oder Deutungen überprüft, neu etabliert oder neu geordnet. Auf die kognitive Wirkung von Geschichten wird weiter unter 2.2.3 Bezug genommen.

Werner Schweibenz (Schweibenz, 2009) beschreibt die multiperspektivische digitale Storytelling Methode am Beispiel von Museen und resümiert, dass Geschichten ein zentrales Medium für die Vermittlung von Wissen darstellen, jedoch erst die Betrachtung von verschiedenen Perspektiven auf ein Thema eine wirkungsvolle Kommunikation und Vermittlung von Wissen darstellt, um beim Rezipienten Emotionen und Neugier zu wecken. Im Museum kann dies zum Beispiel über interaktive Homepages dargestellt werden. Schweibenz nennt als Beispiel die Website „Raid on Deerfield, the many Storys of 1704“, bei der multiperspektivisch der Überfall auf die englische Stadt Deerfield von drei Indianerstämmen und den Franzosen dargestellt wird (www.1704.deerfield.history.museum).

2.2.3 Wirkung einer Geschichte

Albert Zuckerman beschreibt in seinem Buch „Bestseller“ (Zuckerman, 2000, S. 27, 29), dass es in der Verantwortung eines guten Geschichtenerzählers liegt, auf ein breiten Erfahrungsschatz zurückzugreifen. Wenn der Geschichtenerzähler über Sitten und Gebräuche zum Beispiel von Reichen, Sportlern, Gangstern, Cowboys, Hotels oder inneren Strukturen von Weltkonzernen spricht, sollte er sie selbst erlebt haben. Spitzenautoren besitzen in seinen Augen ein Talent für wichtige Details. Warum ist das wichtig? Weil wir Zuhörer diese Geschichten mit unseren eigenen Erfahrungen abgleichen. Und wenn wir feststellen, dass die Details der Geschichte eventuell mit unserem Erfahrungsschatz übereinstimmen, empfinden wir sie als plausibel, so werden wir in den Bann gerissen. Sobald wir von einer Geschichte begeistert werden, sind positive Emotionen im Spiel. Die neuere Hirnforschung hat gezeigt, dass positive Emotionen die Speicherung von Informationen eher fördert, als negative Emotionen (Spitzer, 2002). So beschreibt Giessen in seinem Buch „emotionale Intelligenz in der Schule“, dass das mit der Datenverarbeitungsstruktur des Gehirns zu tun hat. Positive Emotionen, wie sie beim Geschichten zuhören auftreten, werden im Hippocampus aufgenommen und in der Gehirnrinde weiter verarbeitet. Diese ist für langfristige Datenspeicherung zuständig. Jedoch benötigt sowohl die Speicherung als auch der Abruf dieser Informationen Zeit und Ruhe. So werden die Daten in diesem Bereich des Gehirns auch oder erst durch Träume langfristig erhalten. Bei herkömmlichen Lehrmetoden wird eher auf Stress, Auswendiglernen und Prüfungsangst gesetzt. Dies setzt Angst als Emotion frei und veranlasst das Gehirn die Daten eher im Mandelkern abzulegen. Dieser ist nicht für die Langzeitspeicherung zuständig, sondern für schnelle, körperliche Reaktionen. Flucht etwa. Dieser Bereich des Gehirns ist nach wie vor wichtig für die allgemeine Kritikfähigkeit, Gefahrabwehr oder schnellen Reaktionen zum Beispiel im Straßenverkehr. Doch für das Lernen ist sie eher ungeeignet (Giessen, 2009, S. 10ff).

Die neuen Medien wie Fernsehen, Internet, Smartphones haben eine gesellschaftliche Veränderung in Bewegung gesetzt, die man nicht ignorieren kann. Doch die neuen Medien bieten nun auch eine Chance angemessen auf diese Veränderung zu reagieren und diese für neue Lernmethoden, wie das Storytelling, zu nutzten. Schlagworte wie Game-Based Learning sind hier zu nennen. Aber auch einfache Themen wie iPad Klassen und Film-AGs. Hier können narrative Lehrmethoden relativ simpel umgesetzt werden. Mit allen Vor- und auch Nachteilen. Wie zum Beispiel besseres, angenehmeres und nachhaltigeres Lernen oder höheren Zeit-, Kontroll-, und Vorbereitungsaufwand, so wie neue technische Herausforderungen (Giessen, 2009, S. 9).

Geschichtenerzählen regt also den Hypocampus an, dieser regt unsere Fantasie an. Deshalb funktioniert diese Methode (Blum & Heering, 2014). Doch nicht ohne Regeln, die wir in der Dramaturgie wiederfinden.

2.3 Dramaturgie

Michael Müller und Petra Grimm verweisen bei Narrativität darauf, dass nicht die Vermittlungsart eine Geschichte definiert, sondern ob eine minimale Erzählstruktur existiert. In der Erzähltheorie ist es also essentiell, dass wenn man von Narration, also „Storytelling“ spricht, eine Erzählstruktur nachweisbar ist (Müller & Grimm, 2016, S. 55).

Laut Michael Tizmann (Tizmann, 2013, S. 120-121) müssen sechs Bedingungen erfüllt werden um von einer minimalen Geschichte zu sprechen.

1. Es müssen verschiedene Zeitpunkte/ -räume erzählt werden (t1 => t2 => t3).
2. Die Bezugsgröße (A) der Transformation muss identisch sein (Im Vergleich zur Dramaturgie muss also der Protagonist im Laufe der Geschichte immer der gleiche bleiben).
3. Es muss eine Situationsveränderung der Bezugsgröße (Ax => Ay) erzählt werden.
4. Es muss eine alternative Möglichkeit bestehen (Das Ende der Geschichte hätte zum Beispiel auch nicht in einem ‚happy end‘ enden können).
5. Das Geschehen muss von der Regularität bzw. Normalität abweichen (Wir erzählen also nicht Alltägliches. Denn sonst findet kein Ereignis statt).
6. Die Ereignishaftigkeit ist abhängig von der Perspektive des Akteurs (Die Geschichte dreht sich also um den Protagonisten).

Das heißt, um eine narrative Struktur zu erfüllen, müssen wir eine Episode mit Ereignissen aus dem Leben des Protagonisten erzählen, bei dem sich etwas für den Protagonisten gewaltig verändert.

Lajos Egri setzt nun diese Aufbauform einer Narration in Bezug zu Dramen und Dramen sind für ihn gleichzusetzten mit Theaterstücken. Er bezeichnet die Quintessenz eines Dramas als die „Prämisse“. Der Spannungsbogen, in dem die Geschichte abläuft, wird hier noch etwas kürzer, als oben in der ‚minimalen Geschichte‘, definiert (Egri, 2003, S. 19 ff). Als Beispiel nennt er: Prüderie führt zu Frustration. Und selbst hier lässt sich schon das Gerüst der minimalen Geschichte erkennen. Es gibt jemanden, der etwas erlebt, es gibt einen zeitlichen Verlauf, es gibt eine Veränderung, etwas weicht von der Norm ab. Jemand erlebt, wie er durch seine Prüderie frustriert wird.

Zusammengefasst beinhaltet also Narration einen strukturierten Aufbau, der gewisse Ansprüche erfüllen muss und damit spannend wird. Laut Duden (Dudenverlag, 2015) ist das Wort „spannend“ und „dramatisch“ im narrativen Zusammenhang gleichbedeutend.

Laut Campbell muß man, um eine dramatische Geschichte zu erzählen eine Auswahl und eine Anordnung von erzählerischen Mitteln treffen. Diese Lehre des Geschichtenerzählens geht schon in die Antike zurück, als sich Aristoteles erstmals mit der mythologischen Form des Geschichtenerzählens befasste (Campbell, 2016). Aristoteles hat erstmals Mythen, Sagen, Märchen und Dramen zu einem Muster zusammengefasst, aus dem spannende Geschichten entstehen können.

Soweit die Theorie. Doch warum sollte jemand Geld für eine Geschichte ausgeben, einer mythologischen Erzählung, einer Sage, die womöglich nur erfunden ist, fragt sich Frey (Frey, 2008, S. 17 ff). Weil Menschen, die Lesen, von der Geschichte mitgerissen werden wollen, weil sie neue Handlungsweisen kennen lernen wollen, weil sie durch die Geschichten Neues lernen wollen. Und weil es dramatisch sein soll, also spannend. Ein auslösender Moment von Spannung sind Konflikte, so Frey.

Lajos Egri beschreibt, dass keine gute Geschichte ohne Konflikt entstehen kann (Egri, 2003, S. 160). Die Geschichte besäße die „Atmosphäre einer Wüste“ (Egri, 2003, S. 160). Dies ist also der zentrale Kern der Dramaturgie. Egri unterscheidet zwischen vier verschiedenen Konflikttypen: dem statischen Konflikt, also einen Konflikt, der eigentlich schon immer vorherrscht. Der sprunghafte Konflikt, der plötzlich auftritt. Der langsam ansteigende Konflikt, der mit dem Fortschreiten der Geschichte anwächst. Als letztes gibt es den drohenden Konflikt. Dieser Konflikt ist nicht präsent, doch scheint er irgendwie da zu sein (Egri, 2003).

Keith Cunningham betrachtet nun die Konfliktebenen aus der Sicht der Charakteren.

Er beschreibt dabei drei Kreise, die aufeinander aufbauen. Der kleinste Kreis bildet in seinen Augen der innere Konflikt des Charakters. Etwas das tief im Inneren des Charakters brodelt. Dann kommt der mittlere Ring: der Beziehungskonflikt des Charakters mit einer anderen Figur. Die dritte Ebene seines Konfliktbildes ist der äußere Kreis und beschreibt ein Konflikt, der von außen an den Charakter herantritt, zum Beispiel eine Bedrohung durch eine plötzlich auftauchende Gefahr (Cunningham, 2008, S. 148).

Oliver Schütte geht auf die Qualität von Konflikten ein (Schütte, 2009, S. 111). Er spricht dabei von Kontrast auf allen Ebenen. Also zum Beispiel Kontrast auf den verschiedenen Handlungsebenen oder Kontrast zwischen den Figuren. Er bringt als Beispiel Til Schweigers Film „Keinohrhase“. Der Protagonist erfährt den Kontrast zwischen seiner glamourösen Lebenswelt die immer stärker in einen Beziehungskonflikt im antiautoritären Kindergartenchaos mündet. Oliver Schütte geht dabei auch auf die Fallhöhe eines Charakters ein, die direkt mit dem Konflikt zusammen hängt. Also welcher Umstand führt dazu, dass der Charakter so intensiv und kontrastreich wie möglich aus seiner gewohnten Lebenswelt hinausgerissen wird, um so einen maximalen Konflikt zu erzeugen. Konflikt erzeugt Spannung. Spannung erzeugt positive Emotionen. Positive Emotionen fördert das Speichern von Informationen im Gehirn.

Im Storytelling ist es also wichtig einen zentralen Konflikt zu definieren, der mit den gesetzten Lernzielen korrespondiert und Spannung erzeugt. Doch Konflikt alleine macht noch keine Geschichte, hierzu fehlen noch ein paar dramaturgische Elemente.

2.3.1 Dramaturgie Element: Erzählperspektiven / Erzähler/in

Was kann ein Film von einem Buch unterscheiden? Der Wechsel zwischen den Perspektiven (Zuckerman, 2000, S. 167). Meistens begleitet die Kamera bei einem Film die Handlung aus der unbeteiligten Sicht eines Außenstehenden. Ein Buch hat sehr einfach die Möglichkeit aus der inneren Sicht einer Figur zu erzählen, um die Gedanken und Gefühle auszudrücken. Grundsätzlich unterscheidet Zuckerman zwischen zwei Perspektiven die gewählt werden können, die sich dann in Untergruppen aufspalten können. So ist die eine, die des allwissenden Erzählers und die andere die persönliche Sicht eines Charakters.

Erzähler könnten nun eine allwissende Stimme sein. Oder ein Reporter, der etwas berichtet. Beides eher globale Sichtweisen. Die persönliche Sicht des Charakters könnte die Ich-Perspektive des Protagonisten sein. Oder ein Dialog zwischen Freunden. Hierbei ist man auf die eingeschränkte, subjektive Sichtweise des Charakters angewiesen. Dafür hat man die Möglichkeit Gefühle und Wahrnehmungen zu beschreiben, die ein Erzähler nur wenig glaubhaft vermittelt, wie zum Beispiel: Sehen, Hören, Fühlen, Riechen oder die Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Träume des Charakters.

Wenn das Projektergebniseines meines Storytelling-Projektes ein Film sein soll, muss man wissen, aus welcherPerspektive perspektive erzählt werden soll. Um also multiperspektivisch zu arbeiten, muss man sowohl inhaltlich wissen aus welcher Perspektive man erzählen will, als auch technisch. So muss nicht nur entschieden werden, ob aus der Sicht einer Figur erzählt werden soll, sondern auch die passende Kameraperspektive gewählt werden. In diesem Interventionsprojekt (mehr zu dem Aufbau dieses Projektes unter 4.5) wird der Antagonist als sehr extrovertiert dargestellt, darum wird aus der Sicht der Handykamera erzählt, die immer auf den Antagonisten zielt und alles aufzeichnet, eine Art moderne Ich-Perspektive.

2.3.2 Dramaturgie Element: Figuren

Was macht nun eine Figur aus und welche Archetypen gibt es?

In erster Linie zeichnet einen starken Charakter aus, dass er Dreidimensional ist und damit echt . Echt wirkt. Syd Field (Field, 2010, S. 85) empfiehlt als ersten Schritt die Dispositionen der Figur festzulegen. Am besten in Form eines Steckbriefes: also Geschlecht, Aussehen, Alter, sowie philosophische, moralische und neurotische Ansichten, etc. Dann folgen weitere Eigenschaften, die einen Menschen auszeichnen. Field unterscheidet das emotionale Leben, das die Figur von Geburt an geformt hat, wie zum Beispiel der Tod eines geliebten Menschen und das körperliche Leben, also die körperliche und emotionale Entwicklung des Charakters innerhalb der Geschichte. Zum Beispiel erlebt der Topsportler zu Beginn der Geschichte einen tragischen Unfall. Außerdem müssen Grundbedürfnisse definiert werden. Also, was er sich am sehnlichsten wünscht und was er am nötigsten braucht. Der Sportler braucht Bewegung, das ist es was ihn antreibt, die ganze Geschichte lang. Die dramaturgische Frage wäre hier also, schafft er es, die Folgen des Unfalls wieder auszugleichen und Sport zu treiben. Doch was er sich schon immer gewünscht hat wünscht , ist ein kleines Inselparadies, wo er sich nicht zu bewegen braucht, ähnlich wie im Schlaraffenland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Keith Cunningham (2008), "The Soul of Screenwriting" Seite 108, Mode vs. Need Darstellung

Cunningham (Cunningham, 2008, S. 108) beschreibt diesen inneren Zustand des Charakters „Need vs. Mode“. Man definiert also, wie ein Charakter lebt, was er braucht um zu leben. Dagegen hält man nun, am besten so kontrastreich wie möglich, etwas das er will. Je weiter nun die Handlung fortschreitet, desto weiter laufen diese beiden Komponenten auseinander. Bis irgendwann ein Ereignis in dem Leben der Figur eintritt, das alles verändert. Cunningham bezeichnet dies als „wounding“. Dies geschieht im Lebensabschnitt der Figur innerhalb der erzählten Handlung, und seinem „Mode“. Eine schwere, persönliche Kriese taucht in seinem Leben auf. AlsBeispiel nehmen wirein enEin glücklich verheirateten Mann, der nichts mehr braucht als die familiäre Absicherung und Liebe durch seine Frau und der sich nichts mehr wünscht als eine finanzielle Sicherheit. Doch er lernt plötzlich lernt seine große Liebe des Lebens kennen: ausgerechnet denSchulfreund Freund seiner Frau, der als Lebenskünstler frei und ohne Geld und Absicherungen durch die Welt zieht.

Wir haben also nun anhand dieser theoretischen Modelle einen dreidimensionalen Charakter entworfen. Eine gute Geschichte wird nun getragen, wenn wir mit einer so gestalteten Protagonisten-Figur mitfiebern können und verschlungen werden von dessen Charakter und Handlung. Man spricht dabei von Immersion. Frey beschreibt dies als eine Art dramaturgische Pyramide, die man sich aufbauen muss. In erster Linie steht die Identifikation zwischen Zuschauer und Figur. Das geschieht, indem der Charakter glaubhaft wirkt und etwas erzählt, das wir irgendwie kennen und nachvollziehen. Als nächstes sollten wir für den Charakter Sympathie entwickeln können. Was macht einen Menschen sympathisch: er mag gut aussehen, er mag gepflegt sein, er hat Prinzipien, er hat Kanten, er hat Humor. Alles was wir an unserem besten Freund schätzen und an seinen Beweggründen und innersten Wünschen verstehen. Als dritte Stufe kommt die Empathie. Indem wir dem Charakter Fehler einräumen, schaffen wir Empathie. Selbstzweifel. So wie wir uns selbst manchmal die Frage stellen, ob das, was wir tun, richtig ist (Frey, 2008). Und es ist wichtig, dass wir das „Need“, also die Hoffnung, Wünsche und Motivation der Figur teilen. Wenn nun alles zusammenpasst führt das im besten Fall zu Immersion: Wir Zuschauer fühlen uns als wären wir Teil der Geschichte.

Wie viele solcher komplexen Figuren benötigt nun eine Geschichte. Der Protagonist wurde bereits so auf jeden Fall definiert. Doch für eine gute Geschichte benötigen wir auch das Böse, den Antagonisten. Er bildet den maximalen Konflikt – welcher das ist, ist vom Thema abhängig.Cunningham (Cunningham, 2008, S. 136) Egri(Egri, 2003) spricht dabei vom dunklen Spiegel des Protagonisten. Der Antagonist scheint zunächst ungleich stärker zu sein als der Protagonist, ist aber in Wahrheit gleichstark. Er spiegelt die Schwächen des Protagonisten wieder und nutzt diese für sich aus. Im Prinzip sollten die spiegelgleichen Bauelemente für den Protagonisten und den Antagonisten entworfen werden.Doch gibt es in einer Geschichte meist mehr als zwei handelnde Personen. Je nach Konfliktaufbau benötigt man noch weitere starke Figuren, die ähnlich komplex aufgebaut sein müssen wie der Protagonist und der Antagonist. Wenn der Protagonist zum Beispiel einen starken inneren Konflikt austrägt, braucht er einen starken Partner, der ihm hilft, oder wenn er in einem Beziehungskonflikt zu einer anderen Person steht, mussdiese ebenfalls sehr gut gezeichnet sein (Cunningham, 2008, S. 174).

Egri spricht dabei von Orchestrierung der Charaktere (Egri, 2003). Dabei meint er, dass es immer verschiedene Charaktere gibt, die mit der Handlung verwoben sind. Diese müssen wie ein gutes Orchester besetzt werden. Auch wenn wir über eine Bäckerei erzählen, dürfen wir nicht drei Mal über den gleichen Bäckerslehrling erzählen. Die Figuren müssen zu einander passen, aber nicht gleich sein und nicht zu unterschiedlich. Und jede Figur muss eine dramaturgische Aufgabe haben.

Egri geht bedingt auf diese Aufgaben ein. So haben sich mittlerweile in der Dramaturgie verschiedene Archetypen etabliert. Dies beschreibt Carl Gustav Jung (Jung, 2001) in seinen Werken über die psychologischen Grundstrukturen menschlicher Handlungsmuster. Sehr gut zusammengefasst findet man eine solche Auflistung unter Dramaqueen Wiki (Goldbrunner & Dollhopf, 2017),das dass sich auf die Arbeiten von Campbell (Campbell, 2016) und Jens Becker (Becker, 2012) berufen. Da wären der Mentor als Berater des Protagonisten oder der Verbündete, denn ein Held agiert niemals alleine. Der Sidekick, der dem Protagonisten immer wieder zur Seite steht oder ihm Bälle zuwirft. Eine dominante Figur wird benötigt, wenn man einen schwachen Protagonisten hat. An eine solche Figur wird man sich noch erinnern, wenn man längst die Geschichte vergessen hat. Ein Herold bezeichnet die Figur, die dem Protagonisten Nachrichten übermittelt, die die Handlung vorantreibt. Der Trickster ist das Comedy Element in der Geschichte. Erst wenn gelacht werden kann, kann man sich noch weiter in den abgrundtiefen Konflikt des Protagonisten einlassen. Die Schwellenhüter, Schatten oder Gestaltenwandler sollen bewusst oder unbewusst den Protagonisten daran hindern in der Geschichte weiterzukommen, seine „Mode“ oder „Need’s“ zu erreichen und somit die Handlung vorantreiben.

Je nach Storytelling-Aufbau sind diese Figuren relevante Identifikationen für die lernrelevanten Themen.

Es ist jedoch unmöglich in der Dramaturgie Figuren ohne Handlung zu betrachten (Egri, 2003).

2.3.3 Dramaturgie Element: Handlung / Aufbau / Heldenreise

Handlung ist alles, was neben der Figur zum Fortschreiten der Geschichte führt. Das können Gedanken, Taten oder Dialoge von Figuren sein, das können äußere Umstände sein, wie Ereignisse, die plötzlich auftreten, oder aber bei Fotostories bzw. bei Filmen sind Kameraführung, Ton, Bildaufbau, Schnittrhythmus und Musik Handlung (Egri, 2003, S. 159 ff).

Alles was vom Anfang zum Ende einer Geschichte führt, ist Handlung. Andersherum muss alles, was zur Geschichte gehört zur Handlung beitragen. Eine Figur, ein Ort oder ein Ereignis, das nicht das Ziel hat, die Geschichte auf ihren Höhepunkt zuzutreiben, ist keine Handlung und darf nicht in die Erzählung.

Syd Field unterscheidet bei einer Geschichte zwischen der Figur und der Handlung, die beide zusammen die Geschichte von A bis Z erzählen. Dabei betrachtet er die klassische "3 Akt Struktur" und nimmt dies als Basis eines Erzählungssaufbaus.

Demnach gibt es einen Anfang, den 1. Akt, auch Exposition oder Establishing. Es folgt die Mitte, also der 2. Akt, die Konfrontation oder Rising Action. Am Ende der 3. Akt mit der Auflösung oder Resolution (Field, 2010, S. 306 ff). Dieses Model haben seit der Antike alle Geschichten gemeinsam (Egri, 2003, S. 16).

Joseph Campbell (Campbell, 2016, S. 63 ff) hat nun aus seinem mythologischen Ansatz die Heldenreise als theoretisches Grundmodel für eine Geschichte aufgebaut. Bei dieser gibt es 12 Stadien, die eine Geschichte durchläuft. Cunningham hat dieses, in der Grafik dargestellte Bild adaptiert und weiter beschrieben (Cunningham, 2008, S. 61 ff).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Keith Cunningham (2008) "The Soul of Screenwriting" Seite 61, Das Heldenreisen-Schema nach Campbell von 1949

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Keith Cunningham (2008) "The Soul of Screenwriting" Seite 393, Darstellung des Heldenreisenmodels nach Cunningham

Dabei ergänzt er manche Storysteps, so dass er auf folgende 16 Stadien der Heldenreise kommt (Cunningham, 2008, S. 393).

Bei 16 Storysteps wird die Zeit zu einemwichtige m Element der Ausarbeitung einer Geschichte oder einer Storytelling-Gruppenstunde.

2.3.4 Dramaturgie Element: Zeit

Wenn wir eine Geschichte erzählen und uns an das Beispiel der Heldenreise nach Cunningham halten, kann inhaltlich so viel Zeit vergehen, wie es braucht um die Handlung von der Exposition bis zur Resolution zu treiben. Das kann theoretisch ein ganzes Menschenleben sein oder nur wenige Stunden aus dem Leben eines Hundes.

Zeit ist jedoch trotzdem ein relevantes Thema. Denn die Geschichten müssen in der Regel technisch in ein zeitliches Korsett passen. (Field, 2010, S. 40). Ein Buch hat da viele Freiheiten. Ein Film hat in der Regel 90 – 120 Minuten. Dann muss die Heldenreise abgeschlossen sein. Auch ein YouTube Beitrag oder ein Theaterstück darf nur eine gewisse Länge haben. Sie dürfen nicht zu kurz und nicht zu lange sein.

Dies hat nun eine direkte Auswirkung auf die Dramaturgie. Denn wenn ich in einer Gruppenstunde einen Film drehe und dieser nachher geschnitten nicht länger als 90 Sekunden wird, kann ich keine komplette Heldenreise erzählen. Darum muss ich die Zeit, die ein Medium vorgibt, bewusst in die Dramaturgie einbeziehen, damit ich ein Maximum an Immersion erreiche.

Zuckerman (Zuckerman, 2000, S. 233) beschreibt jedoch noch eine andere Art von Zeit. Er nennt es Rhythmus. Er geht hierbei auf das Verweben von Haupthandlung und Nebenhandlungen ein.

2.3.5 Vielschichtige Plots

Die Haupthandlung erzählt direkt von Anfang bis Ende, was der Protagonist erlebt. Es gibt Geschichten, die funktionieren ausschließlich mit dieser einen Zeitschiene oder Erzählschiene, dann nennt man es Plot. Jedoch gibt es auch die Möglichkeit Nebenhandlungen einzubauen. Zum Beispiel die Geschichte des Antagonisten. Wenn wir nun diese Nebenhandlung mit dem Hauptplot verstricken können, wird die Geschichte dichter. Zuckerman vergleicht dieses Vorgehen mit einem Fußballspiel. Erst wenn die gegnerische Mannschaft genauso viele Torchancen wie die eigene Mannschaft entwickelt, ist das Spiel ausgewogen und spannend. Genauso müssen Haupthandlung und Nebenhandlung so miteinander verwoben werden, dass ein mehr an Spannung erzeugt wird (Zuckerman, 2000).

Eine Nebenhandlung kann auch ein Einschub eines komischen Elementes sein. Georg Weyers-Rojas beschreibt, warum komische Elemente, nicht nur in einer Comedy, wichtig sind. Ohne Tragöde gibt es keine Komödie, denn wenn man die Comedy-Elemente weglässt, erhält man eine reduzierte Tragödie (Weyers-Rojas, 2009, S. 21). Und warum sind Comedy Elementewichtig? Weil das Lachen ein Urbedürfnis des Menschen ist (Weyers-Rojas, 2009, S. 12). Aber warum? Das Wort Humorstammt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt: „Flüssigkeit, Saft, Feuchtigkeit“, und meint in der Antike die Körpersäfte wie Blut, Gallensaft, Schleim. Wenn ein Körper gesund ist, sind die „körpereigenen Säfte“ in einem ausgewogenen Verhältnis. Humor heißt also: „ausgewogen sein“ (Weyers-Rojas, 2009, S. 18). Lachen ist gesundheitsfördernd und baut unter anderem Adrenalinab. Das heißt also, wenn etwas extrem spannend ist, hat Humor die ausgleichende Funktion. Aber warum sollen wir ausgeglichen sein, wenn wir eine spannende Geschichte hören wollen. Keith Cunningham gibt hier die Antwort. Dramaturgie ist nicht linearansteigend, sondern hat Spannungsbögen, die auf einen Höhepunkt zu laufen, dann wieder abfallen um dann noch höher anzusteigen (Cunningham, 2008, S. 273 ff). Dies entspricht der Aufmerksamkeit skurve eines Menschen. Denn Menschen können sich nicht pausenlos konzentrieren, sondern benötigen nach einem Peak eine Pause. Nach einem Tag, benötigt man den Schlaf. Nach einem Sprint benötigt man eine Pause. Technisch setzt Cunningham dies in Micro-Fragen um, die innerhalb der Szenen beantwortet werden sollen, die dann genau diesen Spannungsbogen auslösen. Der Zuschauer bekommt am Anfang einer Szene eine dramaturgische Frage gestellt, die im Lauf der Szene beantwortet wird, um daraus aber eine bedeutendere Frage abzuleiten. Das heißt, eine gute Geschichte versucht eine Ausgewogenheit zwischen Spannung, Entspannung und noch mehr Spannung zu schaffen. Und genau hier setzt Humor an. Er bereitet den Rezipienten auf den nächst höheren Spannungsbogen vor.

Aus diesem Auf und Ab an Spannung entsteht ein Rhythmus. Wenn man jedoch wie oben beschrieben Haupt- und Nebenhandlung richtig miteinander verwebt ,entsteht ebenfalls ein Rhythmusinnerhalb der Geschichte. Und diese Rhythmen sind es, die eine gute Geschichte ausmachen (Zuckerman, 2000, S. 233).

Storytelling baut also auf Dramaturgie auf. Jedoch kann Storytelling wie oben beschrieben nicht nur auf analoge Medien, wie zum Beispiel Theaterspielen oder Bücher zurückgreifen, sondern auch auf digitale Medien. . . Denn dann kann er noch tiefer in die drohende Gefahr hinein stürzen. Denn genau wie bei einem Fußballspiel braucht man mal kurz eine Verschnaufpause um sich dann auf den neuen, spannenden Ballwechsel zu freuen. Wir können nicht 90 Minuten aufmerksam einen Ball folgen, Menschen brauchen Pausen.(ZITAT???) Wenn man diese Haupt und Nebenhandlung richtig miteinander Aufbaut entsteht ein Rythmuss innerhalb der Geschichte.

2.4 Digitale Medien in der Didaktik

2.4.1 Einfluss von digitalen Medien auf das Lernen

Frank Thiessen schreibt zum Einfluss digitaler Medien in der Didaktik folgendes in seinem online Buch „mobiles Lernen in der Schule“:

„Diese rapiden Technologien und sozialen Veränderungen, mit denen wir zur Zeit konfrontiert werden, erfordern ein neues Nachdenken darüber, wie die Schule auf diese Umbrüche angemessen reagiert und wie sie die Schüler auf das Informationszeitalter vorbereiten kann. Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche als „digitale natives“ heranwachsen, bedeutet nicht automatisch, dass sie die ausreichenden Kompetenzen für die digitale Welt besitzen. Und auch die Nutzung sozialer Medien erfordert einen angemessenen kritischen Umgang mit diesen, der zunächst erworben werden muss. Gerade hier ist eine Pädagogik gefragt, die nicht aus einer Abwehrhaltung heraus diese neuen Fragestellungen aufgreift, sondern eine Pädagogik, die das große Potential der neuen Technologien angemessen nutzt. Soziale Medien und Tablet Computer sind keine weiteren Sprachlabore, das nach ein paar Jahren veraltet war, es sind Technologien und Komunikationsformen, die eine neuen digitale Welt ebenso selbstverständlich bestimmen werden, wie für uns der öffentliche Nahverkehr und private Personenverkehr (Autos, Züge, Flugzeuge) und die traditionellen Kommunikationsmedien (TV, Telefon) zum Alltag gehören. Es gibt kein Zurück mehr.“ (Thiessen, 2015, S. 22)

Prof. Frank Thiessen nimmt in diesem Onlinebuch (Thiessen, 2015) Bezug auf die Bedeutung von Storytelling und Interaktivität, somit auch Multiperspektivität im Unterricht und bringt hierzu einige positive Forschungsergebnisse, die jedoch mehr die eingesetzte Technik ins Rampenlicht rückt, als die eingesetzte Methode.

Ein Forschungsergebnis, das er zitiert (Burden, Hopkins, Male, Martin, & Chritine, 2012) ist der Einsatz von iPads in acht schottischen Schulen. Dabei stellten sich die Forscher den Fragen: Wie verändert sich das Lernen und Lehren, wenn die Schüler und Lehrer Tablets verwenden? Wie beeinflusst der persönliche Besitz von iPad die Eltern und die Schulorganistaion? Muss sich die Organisation der Schule insgesamt beim Einsatz dieser Geräte verändern? Und wenn ja, wie? Welche Modelle des professionellen Lernens eignen sich besonders bei Einsatz des Tablets? Durch die Nutzung des Tablets gewann der Unterricht mehr an Dynamik, was dazu führte, dass die Schüler eine höhere Motivation und eine höhere Unterrichtsbeteiligung aufwiesen, sowie ein besseres Verständnis komplexer Ideen. Durch den persönlichen Besitz der Geräte wurden die Eltern höher im Unterricht beteiligt, das wiederum zu einem besseren Lehrerfolg führte. Die Schüler verstanden sich durch den Besitz der Geräte als autonom Handelnde und fühlten sich „ermutigt“, mehr Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen. Jedoch fordert der Einsatz dieser Technologien eine Neuordnung der Schul- und Lehrorganisation. Die Ergebnisse sprechen für sich. Über 90% der Schüler sagten aus, dass die iPads ihnen geholfen hätten, mehr zu lernen und schwierigere Konzepte und Ideen besser zu lernen. 80% der Eltern sagten aus, dass sie das Gefühl hatten, dass ihre Kinder motivierter, interessierter und engagierter in der Schule waren (Thiessen, 2015, S. 68).

Prof. Manfred Spitzer dagegen versucht in seinem Buch „Cyberkrank!“ wissenschaftlich zu belegen, dass jedwede digitale Lernmethode fragwürdig ist. Er beruft sich auf eine Studie, bei der an Studenten Smartphones verschenkt wurden (Spitzer, 2015, S. 331). Sie wurden unter anderem befragt, ob das Gerät ihnen zu besseren Noten verhelfen würde oder ob es sie von schulbezogenen Aufgaben ablenkt. Dieser Studie zufolge gaben die Studenten zuBeginn beginn der Studie an, dass sie dem Gerät positiv gegenüber stehen, es ihnen hilft, bessere Noten zu bekommen und nicht ablenkt. Doch nach einem Jahr der Nutzung änderte sich die Meinung ins Negative. Die Studenten gaben nun an, dass das Smartphone sie eher ablenkte und eben nicht zu besseren Noten führte. Manfred Spitzer belegt so, dass digitale Medien ablenkend wirken und nicht lernfördernd. Eine weitere Studie, die er anführt, beschreibt eine Aufgabe, die Fünfjährigen gestellt wurde: „Zeichne einen Menschen“. Kinder, die weniger als eine Stunde Bildschirmmedien wie Computer oder Fernsehen konsumierten, zeichneten altersgerecht Figuren in den richtigen Proportionen mit Bauch, Kopf, Gesicht, Haaren. Kinder die mehr als drei Stunden Bildschirmmedien konsumierten, konnten noch keine Figuren zeichnen, die ihrem Alter entsprechend waren (Spitzer, 2015, S. 211). Ferner geht er auf die wachsende Gefahr des Internets ein, wie z.B.: Cyberstress, man muss ständig „on“ sein. Cyberangst, er geht dabei auf die Angst ein, etwas zu verpassen. Oder Cyberkontakte mit realen „peer to peer“ Kontakten gleichzusetzten. Was zu einer verstärkten Vereinsamung führt. Er beschreibt das neue Phänomen Jugendlicher: sie sind unaufmerksam, ungebildet und unbewegt. Auch dies kann er durch aktuelle Studien beweisen. Sein Fazit über Cybersex fällt ähnlich vernichtend aus, denn mittlerweile kann anhand neuerer Daten nachgewiesen werden, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem erhöhten Pornokonsum, dank der Hilfe der digitalen Medien und einer sexualisierten Gewaltbereitschaft von Männern gegenüber Frauen. Manfred Spitzer kann also nachweisen, dass Bildschirmmedienkonsum im Kleinkindalter Entwicklungsschäden hervorruft. Er belegt, dass Jugendliche durch den Einsatz von digitalen Medien weniger Leistungsbereit sind und weniger Sport treiben. Und auch die Erwachsenen schaden sich sowohl gesundheitlich als auch emotional durch den übertriebenen Konsum von digitalen Medien. Und sei es nur der Zwang, ständig sein Facebook-Profil zu aktualisieren. Er vertritt die Meinung, dass die Deutschen wieder lernen müssen, dass ein Leben ohne Medienkonsum ein Gesünderes ist (Spitzer, 2015).

[...]

Fin de l'extrait de 158 pages

Résumé des informations

Titre
Multiperspektivisches Storytelling. Mit Hilfe von multiperspektivischen Geschichten positive Lernräume außerhalb der Schule schaffen
Université
Donau-Universität Krems  (Zentrum für Angewandte Spieleforschung)
Note
1
Auteur
Année
2017
Pages
158
N° de catalogue
V359047
ISBN (ebook)
9783668443273
ISBN (Livre)
9783668445475
Taille d'un fichier
15241 KB
Langue
allemand
Mots clés
Multiperspektive, Storytelling, Dramaturgie, Pädagogik, Medienkompetenz, Cybermobbing, Digitale Medien in der Didaktik, nicht Formales Lernen
Citation du texte
Oliver T. Streppel (Auteur), 2017, Multiperspektivisches Storytelling. Mit Hilfe von multiperspektivischen Geschichten positive Lernräume außerhalb der Schule schaffen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359047

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