Zur Adaption literarischer Texte für den fremdsprachlichen Russischunterricht

Begründung und Verfahren am Beispiel ausgewählter Texte


Masterarbeit, 2016

114 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Literarische Texte im Fremdsprachenunterricht
1.1 Möglichkeiten
1.2 Grenzen

2. Adaption literarischer Texte
2.1 Definition
2.2 Spezifik der Adaption der literarischen Texte
2.3 Adaptionsverfahren
2.3.1 Adaptionsverfahren aus der fachdidaktischen Perspektive
2.3.2 Adaptionsverfahren aus der sprachwissenschaftlichen Perspektive
2.4 Auswertung

3. Exemplarische Adaption der ausgewählten Texte
3.1 Textauswahl
3.1.1 Angemessenheit der Form
3.1.2 Angemessenheit des Sprachniveaus
3.1.3 Angemessenheit des Inhalt
3.2 Textanalyse
3.2.1 Textanalyse auf der lexikalischen Ebene
3.2.2 Textanalyse auf der grammatischen Ebene
3.2.3 Textanalyse auf der strukturellen Ebene
3.3 Textadaption
3.3.1 Weglassen
3.3.2 Ersetzen
3.3.3 Erweitern
3.3.4 Umordnen
3.3.5 Umschreiben
3.3.6 Verdichten
3.3.7 Weiterführende Texteingriffe

4. Auswertung der Ergebnisse

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang
A: Adaptionsverfahren
B: Originale Textauszüge
C: Analyseschwerpunkt Lexemebene
D: Analyseschwerpunkt Grammatikebene
E: Analyseschwerpunkt Strukturebene
F: Adaptierte Textauszüge

0. Einleitung

„Darf man einen literarischen Text adaptieren? Ist es dabei legitim, schwierige Textpassagen ganz herauszunehmen oder umzuschreiben? Greift das nicht ein in die literarische Originalität und ist damit solche Adaption in ihrem Wesen kunstfeindlich?“ (Riehme 1975, 15) All diese Fragen quälen einen förmlich, wenn man sich entschließt mit der Adaption der literarischen Texte auseinanderzusetzen, geschweige denn einen literarischen Text tatsächlich zu adaptieren. Warum wagt man sich dann überhaupt an so ein schwieriges Thema heran?

Dafür sind mehrere Gründe verantwortlich. Einerseits erscheint mir die künstlerische Originalität des Textes oder Authentizität, wie sie ebenfalls genannt wird, im Hinblick auf den Einsatz im Fremdsprachenunterricht etwas problematisch. Um es mit Wellers Worten zu sagen: „Jeder ‚authentische Text‘ […] verliert seine wahre ‚Authentizität‘ im Augenblick seines Transfers in ein fremdes didaktisches Milieu“ (1992, 122). Das heißt, dass jeder im Fremdsprachenunterricht eingesetzter Text immer für eine von der jeweiligen Lehrkraft bestimmte Lernsituation mit konkreten Lernzielen und Schwerpunkten eingeführt wird. Überspitzt bedeutet es auch, dass der eigentliche Akt des Lesens sowie das Leseziel in der Schule immer fremdbestimmt, also nicht authentisch sind. Damit greift man die Originalität des Textes bereits bei der Textauswahl an und nicht erst beim Adaptieren. Andererseits ist es nicht selten der Fall, dass die literarischen Texte selbst im herkömmlichen Sprachunterricht für Schüler[1] aufgrund des anderen ihnen nicht mehr bekannten Bezugssystems schwer zu verstehen sind. Da versucht man als Lehrkraft doch auch den Schülern vor dem Lesen vorzuentlasten, die schwierigen, unbekannten oder fremden Wörter zu erklären oder zu kommentieren. Warum soll das also im Fremdsprachenunterricht nicht gehen? An dieser Stelle würden aber viele entgegnen, dass das Erläutern oder Kommentieren außerhalb des Textes, also ohne die Textmodifikation abläuft, und die Modifikation eben das eigentliche Problem im Zusammenhang mit der Textadaption (TA) ist. Wie geht man aber auf die Schüler ein, denen das Erläutern oder das Kommentieren zum Textverstehen nicht ausreicht? Es geht insbesondere beim Verstehen der literarischen Texte oft nicht darum, die unbekannten oder schwierigen Wörter wörtlich zu verstehen bzw. zu übersetzen. Das Schwierige hierbei ist ja die Expressivität, die Abweichung von der Standartsprache, die individuelle Satz- bzw. Textstruktur usw. Wie bringt man also die Schüler dazu, auch solch eine Art von Texten, ohne überfordert zu werden, zu lesen? Wie sollen die differenzierenden Maßnahmen in solchen Fällen aussehen? Eine der möglichen Antworten darauf kann eben die Adaption sein. Die Adaption wird hier also nicht als absolute, sondern nur als eine der vielen Möglichkeit der Differenzierung angesehen, die nicht nur auf die Heterogenität einer Klasse eingehen kann, sondern eine Reihe an lektüreanschließenden Aufgaben aufmacht. So kann z. B. auf die Herkunftssprachler mittels Originaltext (OT) und Nichtherkunftssprachler mittels Adaptionstext (AT) eingegangen werden. Abschließend können die beiden Texte in einer Partner- oder Gruppenarbeit miteinander verglichen und auf die Veränderung der Wirkung untersucht werden usw.

Eine gelungene Differenzierung kann aber nur unter der Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen der Schüler, der Spezifik des jeweiligen Lerngegenstands und der gestellten Lernziele gewährleistet werden. Da in dieser Arbeit der Vorgang der Adaption, also die Anforderungen, die bei der Adaption an die Lehrkraft gestellt werden, im Vordergrund stehen, können diesbezüglich keine wirkliche Lerngruppenanalyse durchgeführt oder konkrete Lernziele formuliert werden. Es ist aber durchaus möglich, sich anstatt an einer Lerngruppe an einer bestimmten Niveaustufe des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) zu orientieren. Hierbei habe ich mich für die Niveaustufe B2 entschieden. Dies könnte einen zunächst verwundern: Adaption auf so einer hohen Niveaustufe? So empfiehlt auch Hermenau, die Adaption eher in der anfänglichen Phase des Spracherwerbs auszuüben:

[D]ie Adaption [wird] vorwiegend auf der Elementarstufe des Fremdsprachenunterrichts [angewendet], während sie auf der Mittelstufe den zunehmenden Sprachkenntnissen und –fertigkeiten der Schüler entsprechend allmählich immer stärker zurücktritt, um schließlich in der Oberstufe in vollem Umfang Originaltexten Platz zu machen (Hermenau 1955, 141).

Bei der Wahl der Niveaustufe ging es mir aber in erster Linier darum, dass die Lehrkräfte insbesondre in der Oberstufe darauf angewiesen sind, eigenständig Texte zu suchen, diese zu analysieren und an die Lernvoraussetzungen der Schüler anzupassen. Es werden in der Oberstufe also all die Kompetenzen gefragt, die das Adaptieren der literarischen Texte ebenfalls verlangt. Außerdem wurde bereits durch mehrere Studien bewiesen, dass die Jugendlichen mit zunehmendem Alter weniger lesen (Vgl. dazu z. B. JIM-Studie 2013). Selbst in der Oberstufe sollte es den Lehrkräften daher auch darum gehen, die Schüler durch Differenzierung – und hier eben unteranderem durch Adaption – zum Lesen zu animieren.

Das Ziel dieser Arbeit ist es also, die Adaption als eine der möglichen Differenzierungsmethoden des Fremdsprachenunterrichts vorzustellen und dabei insbesondere auf ihre Grenzen aufmerksam zu machen. Um dies zu erreichen werden die nachfolgenden Ausführungen in drei Themenblöcke gegliedert. Der erste Teil wird sich mit der Frage des Literatureinsatzes im Fremdsprachenunterricht auseinandersetzen. Hierbei werden sowohl die Möglichkeiten, als auch die Grenzen des Einsatzes literarischer Texte diskutiert. Der zweite Teil beschäftigt sich ausschließlich mit der Adaption als Methode des Fremdsprachenunterrichts. Dabei wird der Adaptionsbegriff definiert, die Spezifik der Adaption der literarischen Texte dargelegt und die unterschiedlichen Klassifikationen der Adaptionsverfahren vorgestellt. Abschließend werden die Adaptionsverfahren in Hinblick auf die Spezifik der Adaption der literarischen Texte ausgewertet. Im letzen Teil werden die ausgewerteten Adaptionsverfahren angewandt. Davor werden aber die von mir ausgewählten Textauszüge der aktuellen russischen Literatur von Pavel Sanaev (2013)[2], Alexandr Čudakov (2012) und Éduart Verkin (2010) auf die Angemessenheit des Einsatzes auf der Niveaustufe B2 überprüft. Anschließend werden sie mit Hilfe der von mir ausgearbeiteten Analysekriterien analysiert und mittels der ausgewerteten Adaptionsverfahren adaptiert. Zum Schluss werden die Ergebnisse der Adaption vorgestellt und ebenfalls ausgewertet.

1. Literarische Texte im Fremdsprachenunterricht

Die gegenwertige Diskussion zur Frage des Literatureinsatzes im Fremdsprachenunterricht ist sehr stark von den Vorgaben des GERS geprägt. Dieser sieht das Verstehen der zeitgenössischen Prosatexte erst auf der Niveaustufe B2 vor (Vgl. GERS, Tabelle 2). Das Verstehen von komplexen literarischen Texten sowie das Wahrnehmen der Stilunterschiede werden noch später, genauer auf den Stufen C1 und C2 verlangt (Vgl. ebd.). Wilfried Krenn sieht diese Vorgaben des GERS als Hauptursache dafür, dass der Literatureinsatz im Fremdsprachenunterricht zurzeit ein „stiefmütterliches Dasein“ (Krenn 2003, 15) führen muss. Dabei wird oft übersehen, dass die Vorgaben des GERS nur als Empfehlungen und nicht als Rechtlinien zu verstehen sind. In diesem Zusammenhang drängen sich folgende Fragen auf: Kann die Literatur im modernen, an den kommunikativen Kompetenzen ausgerichteten Fremdsprachenunterricht überhaupt noch bestehen? Worin liegt das fremdsprachendidaktische Potenzial der literarischen Texte? Was können also literarische Texte, was die anderen Textsorten nicht können?

Um diese Fragen zu beantworten werden nun Gründe, die für den Einsatz der literarischen Texte im Fremdsprachenunterricht sprechen, skizziert. Anschließend werden auch die möglichen Stolpersteine des Einsatzes, die einer Lehrperson ebenso bewusst sein müssen, dargelegt.

1.1 Möglichkeiten

Die Liste der möglichen Gründe des fremdsprachlichen Literatureinsatzes ist genauso lang wie die Liste der Autoren, die sich mit dem Thema auseinander gesetzt haben. So gliedern z. B. Jürgen Koppensteiner und Eveline Schwarz die Gründe für den Literatureinsatz in drei Argumentationsgruppen: Argrumente der inhaltlichen, der sprachlichen und der methodisch-didaktischen Art (Vgl. Koppensteiner/Schwarz 2012, 25ff.). In der ersten Gruppe steht, wie der Name schon sagt, der Inhalt im Vordergrund, der, wenn er richtig ausgewählt wurde, zur Identifikation der Schüler mit den Charakteren, zur Motivation und zur Förderung der Phantasie sowie der Wahrnehmungsfähigkeit der Schüler beitragen kann. In der zweiten Gruppe können die Schüler durch das höhere, abstraktere und themenspezifischere Sprachniveau der literarischen Texte anders als z. B. bei den Lehrbuchtexten mit dem wirklichen Leben und der wirklichen Sprache konfrontiert werden. In der letzten Gruppe geht es schließlich um die Möglichkeit durch literarische Texte, Sprachanlässe zu schaffen, unterschiedliche Reaktionen bzw. Interpretationsansätze untereinander auszutauschen, zum Weiterlesen zu motivieren und das landeskundliche bzw. kulturspezifische Wissen zu erweitern.

Im Vergleich dazu unterteilt Hana Kyloušková (2007) die Gründe, die für den Einsatz der Literatur im Fremdsprachenunterricht sprechen würden, in sieben Funktionen der Literatur: die kommunikative, formative, kognitive, ästhetische, stilistische, humanistische bzw. kulturelle und die Entspannungsfunktion (zitiert nach Jašová 2009, 12f.). Demnach kann der Literatureinsatz zur Vertiefung der kommunikativen Kompetenz; zur Prägung der Persönlichkeit, Wertorientierung, Phantasie, Imagination und Harmonie des Menschen; zur Erweiterung des Weltwissens; zur Wertschätzung des Reichtums einer Sprache; zur Verarbeitung von authentischen Texten; zur Erweiterung des kulturspezifischen Wissens bzw. zum Fremdverstehen sowie zur Erholung und Entspannung beitragen (Vgl. ebd.).

Eine andere „offensive“, wie sie es selber nennt, Sichtweise auf den fremdsprachlichen Literatureinsatz liefert Lieselotte Steinbrügge, die das didaktische Potenzial von literarischen Texten vor dem Hintergrund des modernen Fremdsprachenunterrichts einzig in deren Beitrag zum Spracherwerb sieht (Vgl. Steinbrügge 2016, 114ff.). Demnach dienen die literarischen Texte im Fremdsprachenunterricht anders als literarische Texte im herkömmlichen Deutsch- bzw. Muttersprachenunterricht nicht dem Erwerb einer literarischen Bildung, wobei der Erwerb von tradiertem Bildungswissen, der als positiver Nebeneffekt beim Literatureinsatz zwangsläufig erfolgt, nicht zu ignorieren ist. Die Besonderheit der literarischen Texte liegt dabei darin, dass das Lesen von diesen die Langsamkeit, die Wiederholung und das Stolpern über abweichendes Sprachmaterial nicht nur zulässt, sondern sogar verlangt: „Wenn man schon bei einem Text lange verweilen muss, dann doch bitte bei einem, der es auch erträgt, dass man sich lange bei ihm aufhält, der es erträgt, langsam, wiederholt, zögernd und stolpernd gelesen zu werden“ (Ebd., 115). Dies schult nicht nur die Lesefähigkeit der Schüler, sondern schafft auch Sprechanlässe, die wiederum die kommunikative Kompetenz der Schüler fördern. In diesem Sinne kann der moderne, auf kommunikative und interkulturelle Kompetenzen ausgerichtete Fremdsprachenunterricht laut Steinbrügge seine Standards nicht ohne Literatur erreichen, weil er sie nicht ohne Literarizität verwirklichen kann (Vgl. ebd., 120).

Abschließend soll festgehalten werden, dass es den Lehrkräften weniger darum gehen sollte, den Literatureinsatz durch eine möglichst höhere Anzahl an Für-Argumenten zu legitimieren. In erster Linie sollte das individuelle didaktische, sprachliche und interkulturelle Potenzial des jeweiligen Textes im Vordergrund stehen. Die Gegenstandsanalyse, die eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, im Unterricht didaktische Schwerpunkte zu setzen, also bewusst zu entscheiden, was man mit einem gegeben Text überhaupt anfangen will, ist unabhängig von der jeweiligen Textsorte immer ernst zu nehmen.

1.2 Grenzen

Wie auch jede andere Textarbeit weist auch die Arbeit mit literarischen Texten gewisse Grenzen auf, die einer Lehrperson nicht nur bewusst sein müssen, sondern von ihr auch gekonnt umgangen werden sollten. Neben den aufwendigen Vorbereitungen in Form von Textanalyse, Kommentieren des Textes, Einschätzung und Formulierung der Anforderungsbereiche, die nebenbeigemerkt auch beim Einsatz der anderen Textsorten Voraussetzung sind, gibt es textsortenspezifische Schwierigkeiten. Diese fassen Koppensteiner und Schwarz ebenfalls in drei Gruppen zusammen.

Die Hauptschwierigkeit der inhaltlichen Art liegt dabei in der eher niedrigen Bereitschaft der Schüler überhaupt zu lesen (Vgl. Koppensteiner/Schwarz 2012, 28f.). Größtenteils liegt es an der unangemessenen Textauswahl, die zu langweilig, veraltet und interkulturell bzw. lebensfremd ist. Dies kann man aber meines Erachtens entweder durch eine den Interessen der Schüler entsprechende oder provozierende, also bewusst den Weltbild der Schüler nicht entsprechende Textauswahl lösen. In beiden Fällen würde es die Schüler dazu animieren, sich mit den Charakteren zu oder nicht zu identifizieren sowie sich gegen oder für eine bestimmte Einstellung auszusprechen.

Die sprachliche Schwierigkeit der literarischen Texte ist nicht zu ignorieren. Im Allgemeinen lebt ein literarischer Text von sprachlichen Ausnahmen bzw. Abweichungen (Vgl. ebd., 29). Diese werden sogar von den Muttersprachlern nicht immer verstanden, vor allem wenn ein Text in einer poetischen bzw. metaphorischen Sprache geschrieben wird. Die sprachlichen Schwierigkeiten können zumindest zum Teil ebenso durch eine aktuelle die moderne Sprache imitierende Textauswahl umgegangen werden. Hierbei würde die Schwierigkeit wiederum darin liegen, das umgangssprachliche Sprachmaterial, das eben nicht in jeder kommunikativen Situation angemessen ist, für Schüler als solches zu markieren. Die Hervorhebung von unangemessenen Sprachmaterial könnte aber auch das Gegenteil bewirken und die Schüler dazu motivieren, sich genau dieses zu merken. Das Adaptieren des unangemessenen umgangssprachlichen Materials würde sich in diesem Fall als eine optimale Lösung erweisen.

Aus der methodisch-didaktischen Perspektive schließen sich der Sprach- und Literaturunterricht einander methodisch aus (Vgl. ebd., 30). Die Hauptschwierigkeit hierbei besteht also darin, dass der Literatureinsatz angeblich wenige Übungsmöglichkeiten in den Bereichen der Grammatik, des Wortschatzes und des Sprechens anbietet. Je nach Niveaustufe trifft diese Aussage bestimmt mal mehr, mal weniger zu. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Sprechanlässe durch den Einsatz der literarischen Texte am natürlichsten erzeugen lassen und das Verweisen auf den Text, das Wiederholen oder das Umformulieren der Textaussagen die Grammatik und den Wortschatz zwar nicht explizit aber implizit schult.

Wie schon eingangs angedeutet können die Grenzen, die mit dem Einsatz der literarischen Texte verbunden sind, zumindest größtenteils umgangen werden. Dennoch sind auch diese stets ernst zu nehmen. Insbesondere sind dabei die sprachlichen Anforderungen an die Schüler hervorzuheben, die im Falle der literarischen Texte in der Regel von der Alltagssprache abweichen, die Mehrdeutigkeit der Worte ausnutzen und Leestellen im Text er zeugen. Wie bzw. wie gut man diese Schwierigkeiten der sprachlichen Art durch eine TA überwinden kann, werden die nachfolgenden Kapitel zeigen. Zunächst soll der Adaptionsbegriff geklärt werden.

2. Adaption literarischer Texte

2.1 Definition

Das Studieren der Literatur, die sich mit der Adaption als Methode des Fremdsprachenunterrichts auseinander setzt, brachte zwei interessante Aspekte zum Vorschein. Erstens wird der Adaptionsbegriff in der deutschsprachigen Literatur anders als in der russischsprachigen aufgefasst. Zweitens scheint die Diskussion zu Fragen der Adaption im deutschsprachigen Raum im Gegensatz zum russischsprachigen seit den 1990er Jahren in den Hintergrund getreten zu sein. So findet man diesbezüglich seit 1989 kaum aktuelle deutschsprachige Publikationen. Dementsprechend drängt sich sogleich die Frage nach den Gründen des in Deutschland abnehmenden Interesses an der TA auf. Um auch dieser Frage nachgehen zu können, lohnt es sich zunächst, den in der deutschsprachigen Literatur entwickelten Adaptionsbegriff im geschichtlichen Kontext zu betrachten. Dabei werden drei unterschiedliche Ansätze beleuchtet, die einander keinesfalls entgegenstehen, sondern eher als Ergänzungen des jeweils anderen verstanden werden sollen. Anschließend wird die in der russischsprachigen Literatur vertretene Auffassung des Adaptionsbegriffs vorgestellt, sodass beide Auffassungen für die Entwicklung des eigenen Verstehens des Adaptionsbegriffs berücksichtigt werden.

Otto Hermenau, der durch seine Arbeiten wie Methodik des Russischunterrichts (1955), Wortschatzminimum für den Russischunterricht (1960) und Die Entwicklung der Sprachbeherrschung im Russischunterricht (1963) die Russischmethodik als eine eigenständige Wissenschaftsdisziplin etablierte (Vgl. Bergmann 2014, 142), war einer der ersten, der bereits in den 1950er Jahren die TA als „eine notwendige methodische Maßnahme“ (Hermenau 19955, 149) des Fremdsprachenunterrichts erkannte. Dabei verstand er die Adaption im didaktisch-methodischen Sinne, als eine „Anpassung der Menge und Art der in fremdsprachigen Texten enthaltenen lexikalischen, grammatischen und sonstigen Erscheinungen an das jeweilige Auffassungsvermögen der Schüler […]“ (Ebd., 141). Damit fokussierte sich Hermenau in erster Linie auf das sprachliche Vermögen der Schüler, das mehr oder weniger allein als Kriterium für die Analyse und die anschließende Anpassung der Texte entscheidend war.

Als sich dann Ende der 1980er Jahre die Orientierung innerhalb der sogenannten funktional-kommunikativen Sprachbetrachtung von sprachhandlungstheoretischen Fragen und ihrer unterrichtspraktischen Umsetzung hin zum Text veränderte (Vgl. Krause 2005, 19), bekam die Adaption als Umsetzung textlinguistischer Erkenntnisse im Fremdsprachenunterricht noch mehr Bedeutung. Diese Orientierungsänderung wurde durch viele Arbeiten, die sich vor allem mit Russisch bzw. Russischunterricht befasst haben, vollzogen (Vgl. ebd.). Allen voran kann in diesem Zusammenhang der Sprachwissenschaftler Ludwig Wilske aufgeführt werden, der sich in einem grundlegenden Beitrag Fremdsprachenmethodische Textadaption und Adaptionsbefähigung (1985) nicht nur mit der Vermittlung und Umsetzung des textlinguistischen Wissens im Fremdsprachenunterricht, sondern auch mit der Problematik der Adaptionsbefähigung zukünftiger Russischlehrer auseinander gesetzt hat. Dabei unterschied er zwischen zwei grundsätzlichen Fällen der sprachkommunikativen Adaption:

I. die Anpassung des mutter- oder fremdsprachlichen Sprechers/Schreibers an den tatsächlichen oder gedachten Hörer/Leser im Proze[ss] der Texterzeugung, also bei der geistig-innersprachlichen Formung seiner Gedanken,

II. die Anpassung eines oder mehrerer vorliegender Texte für Hörer/Leser, für deren Voraussetzungen dieser Text (diese Texte) nicht gedacht und nicht erzeugt worden sind; diese Anpassung erfolgt in Form eines abgeleiteten Textes (Wilske 1985, 153f.).

Entsprechend der jeweiligen Adaptionssituation bezeichnet Wilske die Anpassung im Prozess der Kommunikation als „operativ-innersprachliche Adaption oder Textplanungsadaption“ (Ebd.) und die Anpassung eines bereits vorliegenden Textes als „textableitende Adaption“ (Ebd.). Zusätzlich unterteilt er die textableitende Adaption nach dem Verhältnis von Ausgangs- und adaptiertem Zieltext in zwei Subkategorien: die „textbearbeitende Adaption“ und die „textverarbeitende Adaption“ (Ebd., 155). Im ersten Fall stellt der adaptierte Text „eine adaptive Bearbeitung eines bestimmten Ausgangstextes dar, dessen wesentliche Eigenschaften, insbesondere die vorgegebene Textsorte, erhalten bleiben“ (Ebd.). Im zweiten Fall setzt sich der AT aus mehreren Texten, „z. B. durch Verselbständigung und neue Verknüpfung ausgewählter Teiltexte oder Sätze zu einem neuartigen sinnvollen Ganzem“ (Ebd.) zusammen. Laut Wilske ist vor allem die textbearbeitende Adaption für die Russischlehrerausbildung von hoher Bedeutung, da sie die Grundlage sowohl für die textableitende, als auch für die operativ-innersprachliche Adaption bildet. Mit anderen Worten werden die Fähigkeiten für die operativ-innersprachliche Adaption durch die Befähigung zur textbearbeitenden Adaption gefördert. Damit berücksichtigt Wilske, zwar nur implizit, eine weitere für den Adaptionsbegriff wichtige Komponente, nämlich die Person, die die Adaption vollzieht.

Neben dem fremdsprachlichen Russischunterricht wurde die Adaption als eine Methode des Fremdsprachenunterrichts auch im Bereich Deutsch als Fremdsprache diskutiert. Anders als bei den Arbeiten zum Russischunterricht, die die Adaption als notwendig auffassten (Vgl. dazu Hermenau 1955, Wilske 1985, Wilske et.al. 1989), waren sich die Autoren des fremdsprachlichen Deutschunterrichts, insbesondere über die Adaption der literarischen Texte nicht einig. Genau diese Problematik greift Fachdidaktiker Martin Löschmann in seiner Arbeit Wie notwendig ist die Adaption künstlerischer Texte? (1979) auf und leitet dabei einen didaktisch-methodischen Adaptionsbegriff ab, der seiner Meinung nach sowohl von den Befürwortern, als auch von den Gegnern der Adaption der literarischen Texte akzeptiert wird:

Sowohl die Befürworter als auch die Gegner der Adaption künstlerischer Texte gehen von einem Begriff der Adaption im engeren Sinne aus, d.h., sie subsumieren darunter den Eingriff in den Text, während die Adaption im weiteren Sinne, d.h., die Anpassung des Textes ohne textliche Veränderungen z. B. in Form der Kommentierung von allen Beteiligten an der Diskussion nicht nur akzeptiert, sondern auch […] praktiziert und gutgeheißen wird (Löschmann 1979, 58).

Zentral für diese Definition ist also die Ausgangsform des Textes, die im Falle der Adaption im engeren Sinne immer mit einer Modifikation der Ausgangsform einhergeht. Damit führt auch Löschmann eine weitere Komponente des Adaptionsbegriffs vor Augen, auf die sowohl Hermenau, als auch Wilske zumindest nicht explizit eingegangen sind.

Nach den Ereignissen 1989/90 geriet die Adaption als Methode des Fremdsprachenunterrichts schließlich immer mehr in den Hintergrund. Zunächst traten 1991 „in den neuen Bundesländern neune Rahmenlehrpläne in Kraft, die sich deutlich an den Lehrplänen der westlichen Bundesländer orientierten“ (Bergmann 2014, 147). Dadurch wurde der Fokus auf andere, insbesondere kommunikative Ziele des Fremdsprachenunterrichts gelegt. Die Einführung des GERS (2001), der dem sprachhandlungsbasierten Ansatz in der Fremdsprachendidaktik folgt und damit in der Tradition der Kommunikativen Wende steht (Vgl. Hinger 2014, 36), verfestigte letztendlich die Orientierung des Fremdsprachenunterrichts am kommunikativen Können der Schüler.

Umso aktueller scheint die Diskussion im russischsprachigen Raum zu sein. Hierbei ist vor allem Anna Brygina anzuführen, die in den letzten Jahren eine Menge zur Adaption der literarischen Texte im Bereich Russisch als Fremdsprache publiziert hat. Auffällig bei ihrer Entwicklung des Adaptionsbegriffs ist die inkonsequente Wortwahl bei der Erklärung des eigentlichen Wesens der Adaption. Je nachdem auf wen sie sich bezieht, greift Brygina entweder auf das Wort Vereinfachung (Vgl. z. B. Brygina 2007), oder auf das Wort Anpassung (Vgl. z. B. Brygina/Zozina 2010) zurück. Eine logische Erklärung dafür könnte sein, dass Brygina diese beiden Wörter als Synonyme versteht. In den überwiegenden Arbeiten definiert sie den Adaptionsbegriff aber folgendermaßen:

Адаптирование или адаптация – «упрощение текста для малоподготовленных читателей» [Словарь С.И.Ожегова 1991:26], преобразование, которое может сопровождаться как уменьшением, так и увеличением объема вторичного текста, и которое осуществляется человеком (как правило, преподавателем), служащим своеобразным «проводником» между автором оригинального текста и читателем (иностранным учащимся), для которого неадаптированный текст является малопонятным или непонятным с точки зрения языка и\или внеязыковых реалий (Brygina 2007, S. 114).

Neben dem Adaptionsbegriff scheint in dem russischsprachigen Raum die Auffassung von einem Fremdsprachenlerner auch eine andere zu sein. Dieser wird hier als schwach bzw. schlecht vorbereiteter Leser eingeführt. Dies muss aber nicht zwangsläufig der Fall sein, da ein Leser, der sich auf den ersten Niveaustufen des Fremdspracherwerbs befindet, zwar wirklich über ein begrenztes fremdsprachliches Vermögen verfügt, dies aber nicht mit schwacher bzw. geringer Sprachkompetenz gleichgestellt werden kann. Abgesehen von den beiden Differenzen bezüglich der Auffassung des eigentlichen Wesens der Adaption und der Wahrnehmung des Fremdsprachenlerners berücksichtigt Brygina in ihrer Definition alle Aspekte, also den Lerner, die Adaption durchführende Person und die Ausgangstextveränderung, die von Hermenau, Wilske und Löschmann in ihrer Definitionen nur teilweise beachtet wurden. Im Besonderen hebt Brygina die Rolle der Lehrperson, die als Mittler zwischen dem Text und den Schülern fungiert, hervor und macht somit den hohen Anforderungsgrad und die hohe Verantwortung, die der Lehrperson bei der TA bewusst sein müssen, deutlich.

Im russischsprachigen Raum findet die TA aktuell nicht nur in der Fachdidaktik des fremdsprachlichen Russischunterrichts, sondern auch in der Sprachwissenschaft Anklang. Beim Recherchieren stößt man auf Arbeiten, die sich mit der TA allgemein beschäftigen, d.h. die Anpassung an die vielfältige Informationsumgebung untersuchen (Vgl. z. B. Pervuhina 2014, 2015) und die die Adaption als Methode des Fremdsprachenunterrichts aus der textlinguistischer Perspektive betrachten. Svetlana Pervuhina, die sich in ihrer Arbeit Адаптивный художественный текст: Способы повышения понятности (2011) auf die Vorüberlegungen von Brygina bezieht, entwickelt einen textlinguistischen Adaptionsbegriff. Dabei versteht sie die Adaption als: „сокращение и упрощение текста, часто на иностранном языке, для изучения этого иностранного языка слабо подготовленными читателями“ (Pervuhina 2011, 130). Ähnlich wie Brygina hebt Pervuhina auch die Rolle der Adaption durchführenden Person hervor:

Перед интерпретатором стоит задача адаптировать художественный текст с учетом некоторых особенностей личности читателя: иногда необходимо принимать во внимание его возраст (при адаптации книг для детей), интересы (при адаптации специальной литературы) и т. д. (Ebd.).

Als weitere Ähnlichkeit kann auch die Wahrnehmung des Fremdsprachenlerners angeführt werden. Das Besondere an ihrer Betrachtung des Adaptionsbegriffs ist aber die Tatsache, dass die TA für Pervuhina zwangsläufig mit einer Verkürzung des OT einhergeht. Dies hängt vor allem mit den von ihr vorgeschlagenen textlinguistischen Adaptionsverfahren zusammen, die hauptsächlich darauf ausgerichtet sind, den Kerngedanken des Ausgangstextes zu erfassen. Da es beim Einsatz der literarischen Texte im Fremdsprachenunterricht aber nicht allein um die Erschließung des Kerninhalts, sondern auch um eine ästhetische Erfahrung gehen sollte, mag diese Reduzierung und die damit verbundene Verkürzung des OT zu übertrieben sein. Außerdem beginnt die Adaption eigentlich bereits bei der Selektion der Texte, sodass die Textauswahl unter der Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen der jeweiligen Lerngruppe abläuft. Im Idealfall verhindert ein gut ausgewählter Text den zu starken Eingriff in das Textgefüge. Mit anderen Worten sollte es bei der TA im Sinne des Fremdsprachenunterrichts eben nicht darum gehen, einen Text, der eigentlich einer viel höheren Niveaustufe entspricht, auf eine niedrigere Niveaustufe herunter zu brechen. Es sollte lediglich darum gehen, in einem entsprechend der Lernvoraussetzungen der Schüler ausgewählten Text die komplexen Textstellen ausfindig zu machen und diese, und zwar nur diese, mit Hilfe der Adaptionsverfahren an die Lernvoraussetzungen der Schüler anzupassen.

Letztendlich lässt sich sagen, dass die Beleuchtung der unterschiedlichen Perspektiven, also der methodisch-didaktischen (Vgl. Hermenau 1955, Löschmann 1979, Brygina u.a. 2007), sprachkommunikativen (Vgl. Wilske 1985) und textlinguistischen (Vgl. Pervuhina 2011) Adaptionsbetrachtung drei wichtige Aspekte des Adaptionsbegriffs hervorgehoben hat. Darunter sind vor allem die Bedeutung der Lerngruppe und der Lehrperson sowie die Veränderung des OT gemeint. Ausgehend von diesen drei Aspekten wird die Adaption als Methode des Fremdsprachenunterrichts in dieser Arbeit als Anpassung des jeweiligen Textes unter der Berücksichtigung der Spezifik der jeweiligen Lerngruppe, also des Alters, der Interessen, des Ziels des Spracherwerbs (Schüler, Beruf, etc.), der Lernvoraussetzungen (Leistungs- bzw. Niveaustufe) usw. verstanden. Diese Anpassung ist immer mit einer Veränderung des Ausgangstextes, insbesondere des Textumfangs (Textverlängerung oder Textverkürzung) verbunden. Die Adaption durchführende Person, meistens die Lehrperson, spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie für die Lerngruppenanalyse, Textauswahl, Textanalyse und schließlich TA verantwortlich ist.

2.2 Spezifik der Adaption der literarischen Texte

Das Schwierige in Fragen der Adaption der literarischen Texte im Vergleich z. B. zu der Adaption von Sachtexten ist, dass es dem literarischen Text in der Regel weniger um die bloße Informationsvermittlung geht, sondern mehr darum, wie die jeweilige Information vermittelt wird. Ein literarischer Text lebt also davon, anders im Sinne von individuell, abweichend, expressiv usw. zu sein. Neben der sprachlichen Individualität bestimmt gerade das Nichtgesagte, also die literarischen Leer- bzw. Unbestimmtheitsstellen den hohen Grad an der Literarizität eines Textes. Im Allgemeinen sind aber genau diese Stellen, die einen literarischen Text so individuell bzw. besonders machen, für die Schüler schwer zu verstehen. Dies bedeutet automatisch, dass, wenn man genau diese Stellen verändern würden, man dem literarischen Text die Eigenschaften nehmen würde, von denen er eigentlich getragen wird. Aus diesem Grund sind die Adaptionsgegner im Endeffekt so dagegen, speziell literarische Texte zu adaptieren (Vgl. z. B. Wilske et. al. 1989, Löschmann 1979).

Da die Argumente für die Adaption der literarischen Texte bereits in der Einleitung diskutiert wurden, die Problematik einer solchen Adaption aber nicht unbeachtet werden darf, werden nun vier Prinzipien der literarischen TA vorgestellt, die sowohl bei der Analyse der Adaptionsverfahren, als auch bei der exemplarischen Textanalyse und -adaption der ausgewählten Texte berücksichtigt werden müssen. Erstens bringt jeder einzelne Eingriff in den Text eine gewollte oder ungewollte Veränderung mit sich (Vgl. dazu Wilske et. al. 1989, 6; Löschmann 1979, 159). Im Falle der literarischen Texte würde es in der Regel zum Verlust der Expressivität führen. Demnach sollte zweitens so wenig wie möglich in den Text eingegriffen und dabei nur so viel wie nötig adaptiert werden (Vgl. Wilske et. al. 1989, 6). Eine weitere Eigenschaft, die das Wesen der literarischen Texte ebenfalls bestimmt, ist die Ganzheit eines Textes: „Целостность и индивидуальность особенно ярко проявляется в текстах художественной литературы, определяя её сущность.“ (Ebd.). Dementsprechend sollte drittens die ideologische und strukturelle Ganzheit eines literarischen Textes möglichst unverändert bleiben (Vgl. ebd.). Mit anderen Worten sind die Folgen für die Ganzheit des AT bei jedem einzelnen Texteingriff stets zu prüfen. Viertens sollte schließlich immer wieder überprüft werden, ob die zu adaptierende Textstelle durch den ausgeführten Texteingriff wirklich vereinfacht und nicht noch schwerer gemacht wurde. Die aus den Hilfsmitteln entnommenen Adaptionsstützen sollten also ebenfalls an die Lernvoraussetzungen der Schüler angepasst bzw. adaptiert werden (Vgl. Wilske 1985, 161).

Zusammenfassend kann in Bezug auf die Adaption der literarischen Texte das Prinzip „so wenig wie möglich bzw. nur so viel wie nötig“ nicht genug wiederholt werden. Um es nochmals mit Wilskes Worten zu verdeutlichen: „Адаптация тем лучше, чем менее она заметна“ (Wilske et. al. 1989, 6). Eine TA ist also umso besser, desto unauffälliger sie ist.

2.3 Adaptionsverfahren

Ähnlich wie bei der Definition des Adaptionsbegriffs entwickeln die Autoren ausgehend von den differenten Ansätzen und Zielen der Adaption unterschiedliche Klassifikationen der Adaptionsverfahren. Um einen besseren Überblick über diese Verfahren zu bekommen, werden die in der Fachdidaktik entwickelten Adaptionsverfahren bzw. Klassifikationen getrennt von den in der Sprachwissenschaft ausgearbeiteten betrachtet.

2.3.1 Adaptionsverfahren aus der fachdidaktischen Perspektive

Obwohl die Vorarbeiten von Hermenau schon über 60 Jahre zurückliegen und damit eigentlich nicht mehr aktuell sind, spielen sie für die Entwicklung der Adaptionsverfahren eine entscheidende Rolle. Fast alle deutschsprachigen Arbeiten zur Klassifikation der Adaptionsverfahren (Vgl. z. B. Kowalke 1970, Löschmann/Schröder 1988, Wilske 1985), bauen nämlich auf Hermenaus Überlegungen auf und entwickeln diese weiter.

Hermenau unterscheidet zwischen fünf Formen der Adaption: eliminierende, selektive, distributive, modifizierende und komplementierende Adaption (Vgl. Hermenau 1955, 149). Bei der eliminierenden Adaption werden alle „Texte oder Textabschnitte, deren sprachliche Form den Schülern unbekannt ist und nicht zum Stoff der jeweiligen Unterrichtsphase gehört“ (Ebd.), weggelassen. Die selektive Adaption zeichnet sich dadurch aus, dass die „Texte oder Textabschnitte je nach der Zielsetzung […] nach ihrem Gehalt, an bestimmten phonetischen, lexikalischen, grammatischen oder idiomatischen Stoff ausgewählt“ (Ebd.) werden. In der distributiven Adaption geht es je nach dem Unterrichtsziel der jeweiligen Unterrichtseinheit oder Einzelstunde darum, „bestimmtes lexikalisches, grammatisches oder idiomatisches Material unterrichtsmethodisch und zweckmäßig in einen Sprachtext“ (Ebd.) einzuarbeiten. Bei der modifizierenden Adaption wird der unbekannte Sprachstoff durch den „bekannten oder für den jeweiligen Unterricht vorgesehenen synonymen lexikalischen oder grammatischen Sprachstoff ersetzt“ (Ebd.). Die komplementierende Adaption nimmt letztlich Ergänzungen, die der Originalsprache fremd sind, vor. Als Beispiel für die komplementierende Adaption gibt Hermenau das Setzen von Betonungszeichen an (Vgl. ebd.).

Laut Hermenau können diese Formen der Adaption für die Anpassung der „umgangssprachlichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Ausdruckweise“ (Ebd.) eingesetzt werden. Damit legt sich Hermenau im Vergleich zu Löschmann oder Brygina auf keine bestimmte Textsorte fest und nimmt somit gleichzeitig an, dass diese Adaptionsformen für die Adaption aller Textsorten geeignet sind. Außerdem leitet Hermenau noch keine konkreten Verfahren für die jeweilige Adaptionsform explizit ab. Diese werden aber implizit in der Definition der jeweiligen Adaptionsform mit eingeführt, sodass man schlussendlich auf folgende Verfahren schließen kann: Weglassen (eliminierende Adaption), Auswählen (selektive Adaption), Hinzufügen (distributive Adaption), Austauschen (modifizierende Adaption), Setzen des Betonungszeichens (komplementierende Adaption). Mit dem Rückblick auf die formulierten Prinzipien der literarischen TA muss vor allem die distributive Adaptionsform kritisch betrachtet werden, die den Texteigriff nicht von der sprachlichen Individualität bzw. Komplexität des jeweiligen Textes, sondern von dem Ziel der jeweiligen Unterrichtsstunde abhängig macht.

Wie schon erwähnt, lehnt sich unter anderem auch Löschmann an Hermenaus Vorarbeiten aus der Methodik des Russischunterrichts (1955) an und entwickelt diese für die Adaption der literarischen Texte in Deutsch als Fremdsprachenunterricht weiter. Im Großen und Ganzen unterscheiden sich Löschmanns Adaptionsformen kaum von Hermenaus. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Löschmann von vier anstatt fünf Adaptionsformen ausgehet, die da wären: selektive, komplementierende, eliminierende und modifizierende Adaption (Vgl. Löschmann 1979, 58). Die modifizierende Adaption umfasst dabei weitere zwei Adaptionsformen: die substituierende und die komplementierende Adaption.

Aus den Erläuterungen der einzelnen Adaptionsformen wird ersichtlich, dass die Vierteilung durch die Zusammenlegung der komplementierenden und der distributiven Adaptionsformen zu Stande kommt. Alle beide werden von Löschmann unter der Kategorie der komplementierenden Adaptionsform zusammengefasst. Bei der ersten Unterkategorie, „bei der der ausgewählte Text bzw. Textteil ergänzt wird – z. B. im Form von Wort- und Sacherklärungen bzw. Kommentierungen“ (Ebd.), findet die Anpassung außerhalb des Textes, also ohne textliche Veränderung statt. Bei der zweiten Unterkategorie, „bei der in einem Satz, in einem Absatz etwas hinzugefügt, der Text also mehr oder weniger expandiert wird“ (Ebd.), findet die Anpassung innerhalb des Textes, also mit einer textlichen Veränderung statt. Diese zweite Unterkategorie wird von Löschmann als Sonderfall der komplementierenden Adaptionsform bezeichnet.

Kritisch zu hinterfragen wäre Löschmanns Vierteilung der Adaptionsformen aber vor allem in Bezug auf seinen Adaptionsbegriff. Obwohl er klar zwischen der textverändernden und der textnichtverändernden Adaption unterscheidet, führt er die eliminierende Adaption, die meines Erachtens gleich der substituierenden und der komplementierenden in das Textganze eingreift, nicht als Unterkategorie der modifizierenden Adaptionsform, sondern als Extrakategorie an. In weiteren Ausführungen seiner Arbeit wird aber deutlich, dass Löschmann die eliminierende Adaption eben aufgrund des Texteingriffes so bedenklich findet: „Sprachliche Vereinfachung im Sinne der eliminierenden und modifizierenden Adaption greift, […], in das komplexe Beziehungsgefüge eines Kunstwerks ein und nimmt einen Teil seiner Wirkung“ (Ebd., 159). Mit anderen Worten blieb Löschmann in seiner Kategorisierung bzw. der Weiterentwicklung von Hermenaus Adaptionsformen nicht endgültig konsequent. Endsprechend seines Adaptionsbegriffs müsste er also zwischen der selektiven, der komplementierenden und der modifizierenden Adaptionsform unterscheiden, wobei die modifizierende nochmals in drei Subkategorien die eliminierende, die substituierende und die komplementierende Adaption (Sonderfall) unterteilt werden müsste.

Eine aktuellere ebenfalls für die Adaption der literarischen Texte ausgearbeitete Kategorisierung von Adaptionsverfahren bietet Anna Brygina. Dabei spricht sie anders als Hermenau und Löschmann explizit von konkreten Adaptionsverfahren, die sie in zwei Kategorien, linguistische und nichtlinguistische, unterteilt (Vgl. Brygina 2007, 115).

Im Falle der nichtlinguistischen Verfahren, die in die Komposition und Struktur des Textes eingreifen, handelt es sich um solche Verfahren wie цитация, исключение, перестановка (im Weiteren werden folgende deutsche Entsprechungen verwendet: das Zitieren, das Weglassen, das Umordnen). Das Zitieren ist, wie der Name schon sagt, die wörtliche Erhaltung des OT (Vgl. Ebd.). Im Vergleich zu anderen Adaptionsverfahren geht Brygina auf dieses Verfahren in keiner ihrer Arbeiten näher ein. Höchstwahrscheinlich hängt es damit zusammen, dass das Zitieren die Komposition und die Struktur des Textes unverändert übernimmt und damit für Brygina als unbedenklich erscheint. Ähnlich geht sie auch im Falle des Umordnens vor, das der Vereinfachung der Textstruktur diene: „При перестановке изменяется порядок следования текстовых единиц, что позволяет упростить структуру фрагмента текста“ (Brygina/Krasikova 2010, 197). Allein dem Verfahren des Weglassens wird etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Folgendes versteht sie dabei darunter: „ Исключение – это прием трансформации путем изъятия текстовых компонентов, утрата которых не искажает смысловой доминанты оригинала“ (Ebd.). Im Vergleich zu Hermenau und Löschmann spricht Brygina nicht von einer bloßen Eliminierung der unbekannten Sprachmittel, sondern geht schon in der Definition auf die eigentliche Problematik des Weglassens ein, nämlich auf die Eliminierung einzig der Textkomponenten, deren Verlust die Bedeutungsdominante des OT nicht verändern bzw. verzerren würde. Zusätzlich führt sie mehrere Sprachmittel auf, die unter die Bedeutungsdominante nicht verändernde Kategorie fallen würden:

Так, из текста оригинала могут исключаться не несущие значительной смысловой нагрузки описания природы, интерьера, внешности человека; эпизоды, связанные с второстепенными персонажами; побочные сюжетные линии; лирические отступления, если их понимание сопряжено со значительными языковыми трудностями (Ebd.).

Trotz der durchaus nachvollziehbaren Begründung bzw. Rechtfertigung der Entscheidung, die im obigen Zitat aufgezählten sprachlichen Mittel wegzulassen, erscheint mir diese Aufzählung vor allem im Hinblick auf die Textsorte dennoch problematisch. Insbesondere ist dabei das Weglassen der Natur-, Interieur- und Personenbeschreibungen, die meines Erachtens in einem literarischen Text stets für die Erzeugung einer bestimmten Stimmung bzw. Wirkung verantwortlich und damit auch stets bedeutungstragend sind, kritisch zu betrachten. Darüber hinaus begrenzt Brygina das Weglassen nicht allein auf die „komplexen Stellen“ im Sinne von Wortgruppen oder Sätzen, sondern spricht vom Weglassen kompletter Episoden und Nebenhandlungen. Dies steht wiederum den oben formulierten Prinzipien der literarischen TA entgegen, sodass schon jetzt klar ist, dass sich das Weglassen bei der exemplarischen TA nur auf einzelne Worte, Wortgruppen und in seltensten Fällen auf komplette Sätze beschränken würde.

Добавление, замена, редукция, инверсия (im weiteren Verlauf werden folgende deutsche Entsprechungen verwendet: das Hinzufügen, das Auswechseln, die Reduktion, die Inversion) sind Verfahren der linguistischen Adaption, die in die Sphäre der Sprache des OT eingreifen (Vgl. Brygina 2007, 115).

Das Verfahren des Hinzufügens versteht Brygina dabei folgendermaßen: „Добавление - трансформирует текст путем включения в состав производного варианта новых текстовых компонентов“ (Brygina/Krasikova 2010, 198). Ausgehend von dieser Definition kann dieses Verfahren mit Löschmanns Sonderfall der komplementierenden Adaption verglichen werden. Neben der Definition der jeweiligen Adaptionsverfahren führt Brygina zusätzlich mögliche Adaptionsziele der einzelnen Verfahren ins Feld. Durch das Hinzufügen können z. B. folgende Ziele verfolgt werden: die Explikation bzw. die Erläuterung von bestimmten Textfragmenten, die im OT implizit dargestellt sind oder die Erklärung, die Konkretisierung sowie die Präzisierung der Informationen, die beim Empfänger zu Verständnisschwierigkeiten des konzeptionellen Charakters führen. (Vgl. Ebd.).

Das Verfahren des Auswechselns impliziert laut Brygina die Wechselwirkung zwischen dem Weglassen und dem Hinzufügen:

Замена – это комплексная рече-мыслительная операция адаптирования, раскладывающаяся на простейшие: исключение и дополнение. Из оппозиции данных двух процессов, которые стремятся перейти в свою противоположность, складывается адаптирование как таковое (Brygina 2011(a), 110).

Dadurch wird auf einen weiteren Aspekt der Adaptionsverfahren, auf den Hermanau und Löschmann nicht eingegangen sind, nämlich die Wechselwirkungen zwischen allen Adaptionsverfahren, aufmerksam gemacht und somit gleichzeitig die eigentliche Komplexität der in den Text eingreifenden Adaption verdeutlicht. Ziele, die durch das Auswechseln verfolgt werden können, sind: die Vereinfachung oder die Veränderung des lexiko-semantischen Bestands des Textes. Im ersten Fall geht es in erster Linie darum, den semantischen Kern des jeweiligen Wortes bzw. der jeweiligen Aussage zu bewahren und, soweit möglich, durch das nächstbeste semantische Äquivalent zu ersetzen. Dies kann durch a) den Ersatz der stilistisch gefärbten Wörter durch stilistisch neutrale, b) den Ersatz der eher selten verwendeten Wörter durch höher frequentierte und c) den Ersatz durch Realisierung der Art-Gattungs-Relation erreicht werden (Vgl. Brygina 2004, 39f.). Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Brygina bei der Formulierung der Anwendungsbereiche des Auswechselns das Ersetzen des unbekannten Sprachmaterials durch das bekannte vernachlässigt. Meines Erachtens würde es aber einzig in diesem Fall um die Vereinfachung des lexiko-semantischen Bestandes des Textes gehen. In den von ihr dargelegten Beispielen geht es nämlich auch im ersten Fall um die Veränderung des lexiko-semantischen Textbestandes, die, solange die stilistisch gefärbten oder selten verwendeten Wörter den Schülern bekannt sind, mit Rückblick auf die Prinzipien der literarischen TA keinen Sinn machen. Im zweiten Fall wird das jeweilige Wort bzw. die jeweilige Aussage nicht durch ein Synonym bzw. synonyme Wortgruppe, sondern durch diejenigen Wörter ersetzt, die außerhalb des Textes etwas anderes bezeichnen und nur innerhalb der jeweiligen Textsemantik als gleichwertig gelten. Zum Schluss führt Brygina noch das kontextuelle Auswechseln bzw. den Sonderfall des Auswechselns an, das vor allem der konzeptionellen Orientierung (z. B. der Ersatz der Pronomen durch Eigennamen) und der Vermeidung lexikalischer Wiederholungen im adaptierten Text diene (Vgl. ebd., 41). Das Auswechseln wird hier durch die im Zuge des Adaptionsprozesses veränderten Sprachrelationen im neuen Text motiviert.

Im Falle der Reduktion spielen die Wechselwirkungen zwischen den Verfahren ebenfalls eine Rolle. Mehr noch impliziert die Reduktion das Zusammenwirken von allen, also sowohl von nichtlinguistischen, als auch von linguistischen Adaptionsverfahren:

Прием редукции можно назвать многокомпонентным приемом, поскольку в нем сочетаются элементы других приёмов адаптации: исключения, добавления, замены, инверсии (перестановки) и цитации (дословного сохранения текста оригинала); однако разделять данные приемы не представляется возможным, поскольку их действие, проявление свойств и функций осуществляется именно в совокупности, в неком синтезе, […] (2011(a), S. 111).

Insbesondere die syntheseartige Verschmelzung von allen Adaptionsverfahren, die die Grenzziehung zwischen diesen bzw. das Nachvollziehen der einzelnen Schritte des Zusammenwirkens unmöglich macht, lässt auf zwei wichtige Aspekte der Reduktion schließen. Erstens setzt die Reduktion die Beherrschung aller anderen Verfahren voraus. Dies macht sie, zweitens, zum anspruchsvollsten Adaptionsverfahren überhaupt. Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt, der sich ähnlich wie beim Weglassen auf den Unterschied zwischen der Neben- und Hauptinformation der Handlung bezieht: „Редукция – […] трансформирует текст через исключение несюжетообразующих текстовых фрагментов и сохранение сюжетообразующих; […]“ (Ebd.). Demnach muss der Einsatz der Reduktion ähnlich wie der Einsatz des Weglassens, vor allem im Zusammenhang mit einem literarischen Text stets kritisch betrachtet werden und nur begründet erfolgen. Die Ziele, die dabei verfolgt werden, können folgende sein: die Reduzierung des Textumfangs; die Beseitigung der konzeptionellen Schwierigkeiten der landeskundlichen Natur; die Vereinfachung der semantischen Struktur des Textes; die Korrektion bzw. Präzisierung oder Konkretisierung des inhaltlichen und semantischen Gehalts des Textes; die Bildung eines deutlichen, klaren und dynamischen Handlungsstrangs; die Beseitigung der lexikalischen und grammatikalischen Schwierigkeiten; die Angebotserweiterung der kommunikativen Aufgaben, die sich an das Lesen anschließen; die Erzeugung neuer Sprechsituationen (Vgl. Ebd., 115f.).

Für etwas Verwirrung sorgt schließlich die Grenzziehung zwischen dem Umordnen und der Inversion. Ausgehend von Bryginas Ausführungen besteht nämlich kein Unterschied zwischen diesen beiden Verfahren. Das Umordnen versteht sie als Veränderung der Reihenfolge der jeweiligen Texteinheiten, die zur Vereinfachung der Textstruktur beiträgt (s.o.). Nicht viel anders wird von ihr die Inversion definiert: „Инверсия – это один из лингвистических приёмов адаптирования текста, при котором происходит изменение порядка следования текстовых компонентов [Hervorhebungen von mir; Verf.]“ (Brygina 2011(b), 140). Im Artikel zur Reduktion geht Brygina sogar soweit, dass sie zur Erläuterung der Inversion auf den Begriff des Umordnens, den sie in Klammern setzt, zurückgreift: „инверси[я] (перестановк[a])“ (Vgl. 2011(a), 111). Dennoch wird das Umordnen von ihr als ein nichtlinguistisches und die Inversion als ein linguistisches Verfahren verstanden. Die genauere Betrachtung der Definition einer linguistischen Adaptionsform und der Umsetzung der Inversion, lässt darauf schließen, dass sich die Inversion auf die Satzebene bzw. Bedeutungsebene innerhalb eines Satzes beziehen muss. So sorgt der Einsatz der Inversion z. B. a) zur Umkehrung der vorgegebenen Wortstellung in die stilistisch neutrale, b) zur Umkehrung der üblichen bzw. normativen Wortstellung in die expressiv und stilistisch gefärbte bzw. subjektive, c) zur Änderung der kommunikativen Einstellung der Äußerung, d) zur Änderung des konzeptionell-semantischen Aspekts der Äußerung, e) zur Erläuterung der logischen sowie semantischen Beziehungen einer Äußerung, f) zur Änderung der Folgerichtigkeit der Gedankenentfaltung (Vgl. Brygina 2011(b), 140). Damit wird durch die Inversion nicht nur die Wortstellung, sondern auch die Bedeutung der Aussage verändert. Ein typisches Beispiel dazu ist die Veränderung der stilistisch-gefärbten Wortstellung „лет пятнадцать назад“ (Ebd.) zu der neutralen „пятнадцать лет назад“ (Ebd.). In der ersten Aussage wird eine ungefähre Zeitangabe gegeben, also vor ca. 15 Jahren. In der zweiten Aussage ist die Zeitangabe dagegen konkret, also genau vor 15 Jahren. Die Inversion greift also in die Sphäre der Bedeutung bzw. der Sprache ein und ist deswegen ein linguistisches Verfahren. Das Umordnen müsste also im Gegenzug, als ein nichtlinguistisches Verfahren, so in die Textstruktur eingreifen, dass dabei die Sprache bzw. die Bedeutung unverändert bleibt. So könnte man z. B. einen nichtchronologischen Handlungsverlauf zugunsten besserer Verständlichkeit in einen chronologischen umordnen. Obwohl das Umordnen auf den ersten Blick unbedenklich erscheinen mag, weil es in die Semantik einer Aussage nicht eingreift, sollte es trotzdem mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden. Der Aufbau des Textes ist ebenso wie jede einzelne Aussage im Text selbst eine bewusste Entscheidung des jeweiligen Autors, die nicht ohne weiteres zugunsten der Verständlichkeit verändert werden kann. Jeder Eingriff in die Textstruktur nimmt nämlich genauso wie jeder Eingriff in die Textsemantik einen Teil der Textwirkung.

2.3.2 Adaptionsverfahren aus der sprachwissenschaftlichen Perspektive

Für die Beschreibung der Verfahren der textableitenden Adaption (siehe 2.1) nutzt Wilske ebenfalls die schon ausgearbeiteten Adaptionsformen von Hermenau (1955) und entwickelt sie weiter, indem er sie nach Schwierigkeitsgrad und Leistungsanspruch an die Adaptionsbefähigung des Studenten bzw. der zukünftigen Lehrperson in drei Leistungsstufen ordnet. Demnach steht für Wilske anders als für Löschmann oder Brygina die Adaptionskompetenz des Lehrers und nicht die Adaption einer bestimmten Textsorte im Vordergrund. Darüber hinaus systematisiert Wilske die Anwendungsbereiche seiner Adaptionsverfahren nach drei Ebenen des Textes: Lexem-, Satz- und Textebene. Dies macht nicht nur die Funktionen der einzelnen Adaptionsverfahren noch nachvollziehbarer, sondern ermöglicht auch eine Einschätzung des Auswirkungsgrads des jeweiligen Texteingriffs. Ausgehend von dieser Dreiteilung haben die Texteingriffe auf der lexikalischen Ebene zwar ebenfalls Auswirkungen auf den Text, diese fallen aber im Vergleich zur Adaption auf der textuellen Ebene eher gering aus.

Auf der ersten Leistungsstufe, die ohne Befragung von Muttersprachlern und ohne oder nur mit geringen Hilfsmitteln zu bewältigen ist, bei der auch nur geringe textanalytische Vorarbeiten erforderlich sind, erfolgt die Adaption durch das Weglassen (Vgl. Wilske 1985, 157). Dabei kann das Weglassen entweder die lexikalische und damit die Beseitigung von bestimmten Wörtern oder die textuelle Ebene und damit die Eliminierung von Teiltexten betreffen (Vgl. ebd., 158). In folgenden drei Fällen kann das Weglassen laut Wilske angewandt werden (Vgl. Wilske et.al. 1989, 26): Im ersten Fall erfolgt das Weglassen von bestimmten lexikalischen Einheiten eher als Nebeneffekt bei der Ausführung anderer Adaptionsverfahren, und zwar beim Umordnen und Verdichten. Im zweiten Fall werden nur die unbekannten Wörter bzw. komplexen syntaktischen Konstruktionen weggelassen, deren Abwesenheit sich eher unwesentlich auf den Textinhalt bzw. den Handlungsverlauf auswirken würde. Darunter sind vor allem Attribute zu Substantiven; Adverbien zu Verben; Partikel, Affixe und Wortgruppen bzw. Satzteile gemeint. Im dritten Fall dient das Weglassen der Wiederherstellung der Beziehungen zwischen den Sätzen, die durch das Weglassen von Textteilen verletzt wurden. Diese letze Form des Weglassens ist mit Bryginas Sonderform des Auswechselns (siehe 2.3.1) zu vergleichen.

Die zweite Leistungsstufe, die von Nichtmuttersprachlern nur mit Hilfe sorgfältiger Nutzung von Hilfsmitteln sowie Beratung durch Muttersprachler zu bewältigen ist,[3] ist durch die Dominanz der Adaptionsverfahren wie Auswechseln bzw. Umordnen und Erweitern bzw. Hinzufügen gekennzeichnet (Vgl. Wilske 1985, 157).

Auffälliger in Bezug auf beide Adaptionsverfahrenspaare ist das erste. Wilske fasst nämlich im Unterschied zu den anderen Autoren die Verfahren des Auswechselns und Umordnens zusammen, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben. Dies macht er, weil er das Umordnen ebenfalls „als Auswechslung der Position sprachlicher Einheiten oder Teiltexte in der textlichen Linearität“ (Ebd., 160), also als Unterkategorie vom Auswechseln versteht, die „vor allem Änderungen der Wort- und Satzfolge sowie die Veränderungen der Stellung von Textteilen als kompositorische Bestanteile eines Textes“ (Ebd.) betrifft. Auf dieser Weise kann das Umordnen ebenfalls auf zwei verschiedene Ebenen eingreifen, und zwar auf der Satzebene und auf der Textebene. Gleichwie im Falle des Weglassens würde der Eingriff auf der Textebene meines Erachtens zu weit führen. Neben der Auswechslung der Position der sprachlichen Einheiten bezieht sich das Verfahren ebenso auf das Auswechseln von elementaren semantischen Einheiten, einzelnen unbekannten Wörtern und komplexen oder unbekannten morphologischen Phänomenen (Vgl. Wilske et. al. 1989, 26). Dementsprechend fallen auch die Ziele des Auswechselns vergleichsweise vielfältig aus: a) die Ersetzung eines schwierigen Wortes durch ein bekanntes oder rezipierbares Synonym, b) die Auswechslung von festen Verbindungen oder Phraseologismen, c) die Ersetzung schwieriger bzw. nicht behandelter grammatischer Kategorien oder syntaktischer Konstruktionen durch einfache bzw. behandelte (z. B. Transformation der Partizip- oder Adverbialpartizipkonstruktionen) (Vgl. Wilske 1985, 159 f.).

Das zweite Adaptionsverfahrenspaar ist mit Löschmanns komplementierenden Adaptionsform (siehe 2.3.1) zu vergleichen. Wilske unterscheidet ebengleich zwischen Erweiterungen bzw. Hinzufügungen, die sowohl innerhalb eines laufenden Textes ausgeführt, als auch außerhalb des Textes als Zusatztext in Form von Erläuterungen oder Kommentaren eingefügt werden können (Vgl. ebd, 160). Beide Formen des Erweiterns bzw. Hinzufügens sind darauf ausgerichtet, die unbekannten bzw. die komplexen lexikalischen Einheiten zu erläutern bzw. zu vereinfachen (Vgl. Wilske et.al. 1989, 28).

Die Bewältigung der dritten Leistungsstufe kann schließlich nur in unmittelbarer Zusammenarbeit mit einem Muttersprachler realisiert werden,[4] da die textanalytischen Ansprüche viel höher sind als bei der 1. und der 2. Leistungsstufe (Vgl. Wilske 1985, 157). Auf dieser letzen Leistungsstufe spielen die Verfahren der Umschreibung und des Verdichtens (Komprimieren) eine große Rolle.

Die Umschreibung wird von Wilske „als […] verdeutlichende oder erklärende Paraphrase verstanden“ (Ebd., 161). Demnach dient die Umschreibung dem Zweck, mit leichteren bzw. bekannten sprachlichen Mitteln den gleichen Sinngehalt des OT wiederzugeben. Von dem Auswechseln kann die Umschreibung dementsprechend durch die Tatsache unterschieden werden, dass sie immer dann eingesetzt wird, wenn das unbekannte Wort oder die unbekannte Wortgruppe durch ein Synonym nicht ausgewechselt werden kann. Problematisch in diesem Zusammenhang ist meines Erachtens aber die Adaption von Partizipien oder Adverbialpartizipien, die sowohl durch ein synonymes Adjektiv bzw. Verb ersetzt, als auch zu Relativ-, Temporalsätze umformuliert werden können. In beiden Fällen spricht Wilske aber von Auswechseln (Vgl. dazu Beispiele bei Wilske et. al. 1989, 27).

Das Verdichten bzw. das Komprimieren ist laut Wilske das Gegenteil von der Umschreibung, das zwar ebenfalls die Erhaltung des Sinngehalts des OT anstrebt, dafür aber auf eine geringere Anzahl von Wörtern zurückgreift (Vgl. Wilske et. al. 1989, 30). Dabei kann das Verdichten genauso wie das Weglassen entweder die lexikalische oder die textuelle Ebene betreffen. Auf der Lexemebene dient das Verdichten der Verkürzung bzw. Zusammenfassung der Aufzählungen unter einen Begriff und der Formulierung von neuen Überschriften oder Teilüberschriften für den adaptierten Text (Vgl. Wilske 1985, 162). Auf der Textebene kann die Verdichtung zur Vermeidung von Brüchen in der thematischen Entfaltung eingesetzt werden (Vgl. ebd.). Insbesondere auf der Textebene wirkt das Verdichten stark mit dem Verfahren des Weglassens zusammen und sorgt in erster Linie zur Verkürzung des Textes. Demnach sind die Folgen für die Gesamtheit des AT auch beim Verdichten stets zu prüfen.

Da Wilske sich in seinen Ausführungen auf keine bestimmte Textsorte begrenzt, lohnt es sich zum Schluss wenigstens noch eine Klassifikation aus der sprachwissenschaftlichen Sicht anzuschauen, die sich konkret mit der Adaption der literarischen Texte auseinandersetzt. In diesem Zusammenhang kann nur Pervuhina aufgeführt werden, die wie schon Wilske eine Vorarbeit aus der Fachdidaktik des Fremdsprachenunterrichts nutzt und diese für eine linguistische Adaption weiterentwickelt. Dabei bezieht sie sich vor allem auf Bryginas Dissertation Лингвистические принципы адаптирования художественного текста (2005). Da Brygina aber laut Pervuhina aufgrund ihrer fachdidaktischen Herangehensweise nur auf der lexikalischen bzw. lexiko-grammatischen Ebene der TA beharrt, schlägt Pervuhina eine neue Klassifikation der Adaptionsverfahren vor. Diese Klassifikation verfolgt den semantischen Ansatz, der den jeweiligen Eingriff in den Text auf der interpretativen Ebene begründet. Die eigene Interpretation zur Begründung der jeweiligen Adaptionsentscheidung heranzuziehen, erscheint mir vor dem Hintergrund der Mehrdeutigkeit eines literarischen Textes höchst problematisch. Natürlich besteht die Aufgabe der jeweiligen Lehrperson bei der TA darin, als Mittler zwischen dem Text und den Schülern zu fungieren. Dabei beeinflusst das eigene Verständnis des Textes gewiss mal mehr, mal weniger die jeweilige Adaptionsentscheidung. Um aber den Schülern die Möglichkeit zu geben ein eigenes Textverständnis zu entwickeln, muss die Lehrperson den jeweiligen Text so distanziert und unvoreingenommen wie möglich allein auf das unbekannte Sprachmaterial untersuchen und anschließend nur an die Lernvoraussetzungen der Schüler anpassen.

Entsprechend ihrem interpretativen Ansatz sind auch ihre Adaptionsverfahren eher kritisch zu betrachten. Sie schlägt folgende drei Kategorien der Adaptionsformen vor: „семантические способы адаптации текста, структурные способы адаптации текста, композиционные способы адаптации текста“ (Pervuhina 2011, 131f.) (im Folgenden werden diese deutsche Äquivalente verwendet: Adaption auf der semantischen, strukturellen, kompositionellen Ebene).

Auf der semantischen Ebene erfolgt die TA durch die Bildung der Präsuppositionen und das Auswechseln. Auf dieser Ebene dient das Auswechseln der Erläuterung der impliziten Informationen im Text. Das Verfahren kann dabei zur Explikation der kulturspezifischen Informationen oder der Explikation der übertragenen Bedeutung wie z. B. im Falle der rhetorischen Mittel eingesetzt werden (Vgl. ebd). Damit kann das Auswechseln mit den Verfahren des Hinzufügens der anderen Autoren verglichen werden (siehe dazu komplementierende Adaptionsform von Löschmann, Hinzufügen von Brygina und Erweitern bzw. Hinzufügen von Wilske). Die Bildung der Präsuppositionen muss hingegen etwas genauer diskutiert werden. Sie impliziert nämlich die Reduktion des jeweiligen Textes auf bloße Informationswiedergabe. Die bloße Informationswiedergabe zieht ihrerseits den Verlust der Expressivität nach sich. Der Verlust der Expressivität nimmt dem literarischen Text schließlich die Texteigenschaft von der er hauptsächlich getragen wird. Ein kurzes Beispiel, das Pervuhina anführt, soll den Verlust der Expressivität noch mehr verdeutlichen. Der Satz „Should we camp out or sleep at inns?“ (Sollten wir zelten oder in Gasthäusern schlafen?) wird durch die Bildung von Präsupposition zum folgenden: „The next question was where to sleep at night“ (Die nächste Frage war, wo man nachts schläft.) (Ebd.). Der Originalsatz ist eine direkte Rede, die eine gewisse Nähe zwischen dem Protagonisten und dem Leser erzeugt und gleichzeitig zur Identifizierung mit dem Protagonisten animiert. Darüber hinaus werden im Originalsatz Schlafalternativen angeboten, nämlich die Möglichkeit im Freien (im Zelt) oder in einem geschlossenen Raum (Gasthaus) zu schlafen. Je nach Textkontext können diese Informationen für die Interpretationsentwicklung durchaus von Bedeutung sein. Der adaptierte Satz wirkt dagegen distanziert auf den Leser und eröffnet durch das Weglassen von den vorgeschlagenen Schlaffalternativen kein Raum zu den unterschiedlichen Interpretationsansätzen. Nun geht es allgemein um eine beliebige Schlafmöglichkeit und nicht mehr konkret um die Entscheidung, draußen oder drinnen zu schlafen.

Auf der strukturellen Ebene unterscheidet Pervuhina nochmals zwischen syntaktischen und lexikalischen Verfahren (Vgl. ebd.). Bei den syntaktischen Verfahren wird der Text durch die Vereinfachung der grammatischen Strukturen angepasst. Dies erfolgt durch a) die Verwendung von einfachen anstatt zusammengesetzten Sätzen, b) die Verwendung von Nebensätzen anstatt Partizipialkonstruktionen, c) die Ersetzung der spezifischen Wortverbindungen durch allgemeinere d) die Vereinfachung der Wortverbindungen, e) die Ersetzung der selten verwendeten Wörter durch eine Erläuterung (Vgl. ebd.). Das Auswechseln spielt auch im Falle der lexikalischen Verfahren eine große Rolle. Hierbei geht es darum, a) die selten verwendeten Worte durch häufiger verwendete, b) die Wörter mit einer engeren Semantik durch Wörter mit einer breiteren Semantik oder c) Wörter aus der gleichen thematischen Reihe zu ersetzen (Vgl. ebd.). Der Anwendungsbereich der syntaktischen Verfahren ähnelt Wilskes Adaptionsverfahrenspaar des Umordnens und des Auswechselns. Demnach gelten auch hier die gleichen Bedenken.

Auf der kompositionellen Ebene geht es vor allem darum, den Textumfang durch die Bildung von Präsuppositionen und Propositionen zu verkürzen (Vgl. ebd.). Die Problematik, die die Verkürzung des Textes sowie die Bildung von Präsuppositionen und Propositionen mit sich zieht, wurde ebenfalls schon mehrfach diskutiert. Aus diesem Grund sollte die Aufmerksamkeit an dieser Stelle kurz auf drei weitere Verfahren gerichtet werden, die laut Pervuhina dazu beitragen, die Stilistik des OT trotz der Eingriffe beizubehalten (Vgl. ebd., 132f.).

Wenn es die Sprache des OT erlaubt, sollte erstens der Anfang und das Ende des OT möglichst identisch übernommen werden. Zweitens sollte auch der Diskurs der Situation erhalten bleiben. Dies kann durch den Rückgriff auf die Grundbegriffe bzw. die Diskurstopiken der Situation gewährleistet werden. Drittens sollten die signifikanten, expressiven Metaphern des OT, wenn dies die Sprache erlaubt, ebenfalls bewahrt werden. Durch diese Verfahren wird das hohe Ausmaß der Textmodifikation, das im Hinblick auf die Adaption der literarischen Texte so nicht akzeptabel sein kann, noch deutlicher gemacht. Demnach spiegelt sich Pervuhinas Verstehen des Adaptionsbegriffs, wie schon bereits vermutet, in der Entwicklung der Adaptionsverfahren wider, sodass auch sie dem hier verfolgten Ziel der möglichst unauffälligen Anpassung eines literarischen Textes widersprechen.

2.4 Auswertung

Vergleicht man die beiden Tabellen (Vgl. dazu Zusammenfassung der Adaptionsverfahren im Anhang: A, Tabelle 1 und 2) sowie die vorangegangene Analyse der fachdidaktischen und der sprachwissenschaftlichen Adaptionsverfahren, so kann folgende Haupterkenntnis festgehalten werden: Unabhängig von der jeweiligen Perspektive stehen sich die analysierten Klassifikation einander keinesfalls entgegen. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Alle Klassifikationen weisen gemeinsame Schnittstellen in Form von gleichen Adaptionsverfahren auf und können sogar als Erweiterung bzw. Ergänzung des anderen angesehen werden. Dementsprechend lohnt es sich, die meines Erachtens gelungenen bzw. hervorstechenden Aspekte der jeweiligen Klassifikation in einer gemeinsamen Übersicht zusammenzufassen (Vgl. dazu auch Anhang: A, Tabelle 3).

In Bezug auf die Systematisierung der Adaptionsformen erscheint mir Löschmanns grundsätzliche Teilung in die textverändernde und die textnichtverändernde Adaptionsform am einleuchtendsten. Mit dieser Teilung berücksichtigt Löschmann eben anders als Wilske, Brygina oder Pevuhina die Möglichkeiten der textnichtverändernden Adaption. Unter Löschmanns textnichtverändernder Adaption fallen dabei nur die selektive (Textauswahl) und die komplementierende (Kommentieren) Adaptionsform zusammen (siehe 2.3.1). Ich würde zusätzlich alle anderen Formen der Vorentlastung, also die Arbeit vor, während und nach dem Lesen, die zum Textverständnis der Schüler beiträgt, ebenso dazu zählen (Vgl. dazu z. B. Wapenhans 2014). Im Falle der Verfahren der textnichtverändernden Adaption werden nur die Grenzziehung und die Begriffsgebung zugunsten der besseren Verständlichkeit und Übersichtlichkeit etwas präziser gewählt. Dabei werde ich mich einerseits sehr stark an die Ausarbeitung von Wilske halten (siehe 2.3.2), wobei hier nicht die Beschreibung der einzelnen Leistungsstufen und der dazugehörigen Schwierigkeitsgrade, die aufgrund der Betonung der Zusammenarbeit mit einem Muttersprachler so nicht mehr aktuell sind, sondern die Systematisierung der Anwendungsbereiche nach den jeweiligen Ebenen des Textes (Lexem-, Satz-, und Textebene) hervorzuheben ist. Außerdem wurden die vier Prinzipien der literarischen TA (siehe 2. 2) größtenteils aus Wilskes Vorüberlegungen zu Fragen der linguistischen TA abgeleitet (Vgl. Wilske et. al. 1989, 6f.), sodass Wilskes Adaptionsverständnis das meine sehr beeinflusst hat. Andererseits werden die sieben Adaptionsverfahren von Wilske (Weglassen, Auswechseln bzw. Umordnen, Erweitern bzw. Hinzufügen, Umschreibung und Verdichtung (Komprimieren)) ähnlich wie bei Brygina separat von einander und nicht als Adaptionspaare betrachtet. Meiner Meinung nach wird dadurch eine bessere Grenzziehung gewährleistet. Zusätzlich werden die einzelnen Verfahrensnamen ebenfalls der besseren Grenzziehung halber verändert, sodass man schließlich zu folgenden sechs Adaptionsverfahren kommt: Weglassen, Ersetzen, Umordnen, Erweitern, Umschreiben und Verdichten.

Auf der lexikalischen Ebene sollen dabei die Verfahren des Weglassens, des Ersetzens, des Erweiterns, des Umschreibens und des Verdichtens eingesetzt werden.

Das Weglassen wird in dieser Arbeit nur in zwei Fällen akzeptiert: a) als Nebeneffekt beim Umschreiben oder Verdichten und b) zur Eliminierung von unbekannten Wörtern, wenn deren Abwesenheit sich eher unwesentlich auf den Textinhalt auswirkt. Wenn es doch zur Eliminierung von ganzen Sätzen wie z. B. von unbekannten Zitaten aus Filmen, Büchern, etc. kommen sollte, wird diese nur in Kombination mit Umschreiben als akzeptabel angesehen.

Das Ersetzen wird in einem einzigen Fall als solches verstanden, wenn ein unbekanntes bzw. komplexes Wort ebenfalls durch ein einziges bekanntes oder rezipierbares Synonym ersetzt wird. Hierbei wurde bewusst auf den Begriff des Auswechselns verzichtet, um das Ersetzen vom Umordnen und Umformulieren klar unterscheiden zu können. Das Umordnen selbst wird sich allein auf die Satzebene beziehen und damit nur zur Umkehrung der vorgegebenen Wortstellung in die stilistisch neutrale zu Nutze gezogen. Alle anderen Möglichkeiten des Umordnens, die z. B. von Brygina vorgeschlagen werden (siehe 2.3.1), sind in Bezug auf einen literarischen Text eher kritisch zu betrachten. Unter Umschreiben fällt dabei alles, was über das Ersetzen eines einzelnen Wortes durch das Synonym hinausgeht. Auf der lexikalischen Ebene würde es größtenteils das Umformulieren von Wortgruppen, festen Verbindungen oder Phraseologismen betreffen.

Eine weitere Begriffspräzisierung wurde auch im Falle des Erweiterns bzw. Hinzufügens vorgenommen. Dies wurde gemacht, um sich bewusst von dem Begriff Hinzufügen zu distanzieren, der insbesondere bei Hermenau je nach dem Unterrichtsziel das Einarbeiten des lexikalischen, grammatischen oder idiomatischen Materials vorsieht (siehe 2.3.1). Hier wird aber ein einziges Ziel verfolgt, nämlich die Verständlichkeit des Textes durch den kleinstmöglichen Eingriff in diesen zu steigern. Dementsprechend wird die im Text vorausgesetzte Information nicht einfach hinzugefügt, sondern mit Hilfe der ebenfalls an die Lernvoraussetzungen angepasste Explikation, Erläuterung, Konkretisierung oder Präzisierung erweitert. Auf der lexikalischen Ebene betrifft es die phonetischen Erweiterungen durch das Setzen der Betonungszeichen oder die klare Markierung des Buchstabens ë, die bei Hermenau unter der komplementierenden Adaptionsform zusammengefasst wurden. Außerdem würde es auch das Kommentieren betreffen, das die jeweilige Lexik zwar außerhalb aber ebenfalls durch eine Erläuterung erweitert.

Das Verdichten wird auf dieser Ebene einzig der Zusammenfassung der Aufzählungen unter einen Begriff bei sehr langen Sätzen dienen.

Auf der Satzebene werden die Verfahren des Umordnens, des Erweiterns und des Umschreibens ausgeübt. Das Umordnen verfolgt dabei, wie schon oben verdeutlicht, ein einziges Ziel, nämlich die Umkehrung der vorgegebenen Wortstellung in die stilistisch neutrale. Das Erweitern und das Umformulieren werden auf dieser Ebene zur Explikation bzw. Verdeutlichung von grammatischen Beziehungen (Vgl. Brinker 1997, 21) innerhalb des Satzes eingesetzt.

Auf der Textebene werden ebenfalls das Erweitern und das Umschreiben ausgeführt.[5] An dieser Stelle werden sie zur Explikation bzw. Verdeutlichung von thematischen Beziehungen (Vgl. ebd.) eingesetzt. Was genau unter den grammatischen und den thematischen Beziehungen im Zusammenhang mit Textstruktur zu verstehen ist, wird zum späteren Zeitpunkt im Kapitel zur Analyse der Texte (3.2) ausführlich erläutert. An dieser Stelle sei aber schon gesagt, dass bei der Entwicklung der Analyseebenen neben den vier Prinzipien der literarischen TA auch die Anwendungsbereiche der Verfahren, also die Lexem-, Satz- und Textebene berücksichtigt wurden.

Für alle oben aufgeführten Verfahren gilt zweierlei. Erstens wird das jeweilige Verfahren nur dann eingesetzt, wenn das unbekannte oder das komplexe Sprachmaterial nicht aus dem Kontext erschlossen werden kann, und wenn die Abwesenheit dieses Sprachmaterials sich eher unwesentlich auf den Textgehalt auswirkt. Zweitens muss jeder einzelne Texteingriff unabhängig von dem jeweiligen Verfahren stets auf die Folgen für die Ganzheit des adaptierten Textes überprüft werden. Aus diesem Grund fand auch keine Hierarchisierung der Verfahren nach Schwierigkeitsgrad oder der Einsatzhäufigkeit statt. Die Schwierigkeit bei allen Verfahren besteht nämlich darin, die Notwendigkeit des Einsatzes überhaupt zu erkennen, alle Vor- und Nachteile des Eingriffes abzuwägen und die anschließende Entscheidung für oder gegen den Eingriff zu begründen. Diese enorme Entscheidungs- und Verantwortungslast, die die Adaption eines literarischen Textes mit sich bringt, ist bei der Ausführung jedes einzelnen Adaptionserfahrens ernst zu nehmen.

[...]


[1] Aus Gründen der Ökonomie wird durchgängig die maskuline Form benutzt.

[2] Bei der Transliteration des Kyrillischen wird in dieser Arbeit auf die Kodeks-ISO Transliterationstabelle zurückgegriffen, die den aktuellen wissenschaftlichen Normen der Transliteration des Kyrillischen entspricht (Vgl. Kempgen).

[3] Am Rande soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Unterscheidung zwischen den Nichtmuttersprachlern und den Muttersprachlern in dem Sinne nicht mehr aktuell ist, da man auch als Muttersprachler auf die Nutzung von Hilfsmitteln zurückgreift bzw. zurückgreifen sollte. Dies ist sowohl im Interesse der Lehrperson, die sich immer der Richtigkeit ihrer Materialien vergewissern sollte, als auch der Schüler, die auf die sprachliche Richtigkeit der Materialien bzw. adaptive Kompetenz der Lehrperson angewiesen sind.

[4] Auch in diesem Zusammenhang ist die Angewiesenheit der nichtmuttersprachlichen Lehrperson an die muttersprachliche nicht mehr aktuell. Zunächst profitieren alle Lehrpersonen unabhängig von dem jeweiligen Fach von einer Zusammenarbeit in allen Sphären des Lehrerberufs. Im diesem besonderen Fall der Zusammenarbeit kann die muttersprachliche Lehrpersonen von der nichtmuttersprachlichen sogar mehr profitieren, da die zweite die russische Sprache viel bewusster erworben hat und sich auf Grund dessen mit den Schwierigkeiten des Spracherwerbs besser auskennt.

[5] Die Verfahren des Umordnens und des Verdichtens können natürlich ebenso auf der textuellen Ebene eingesetzt werden. Auf der Niveaustufe B2 ist dies aber aufgrund der fortgeschrittenen Lernvorrausetzungen der Schüler nicht nur bedenklich, sondern auch nicht mehr nötig.

Ende der Leseprobe aus 114 Seiten

Details

Titel
Zur Adaption literarischer Texte für den fremdsprachlichen Russischunterricht
Untertitel
Begründung und Verfahren am Beispiel ausgewählter Texte
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Slawistik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
114
Katalognummer
V359082
ISBN (eBook)
9783668444881
ISBN (Buch)
9783668444898
Dateigröße
3363 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Russischunterricht, Literatureinsatz im Fremdsprachenunterricht, Textauswahl, Auswahlkriterien, Textanalyse, Textadaption, Adaptionsverfahren, Weglassen, Ersetzen, Erweitern, Umordnen, Umschreiben, Verdichten
Arbeit zitieren
Sofia Gutjahr (Autor:in), 2016, Zur Adaption literarischer Texte für den fremdsprachlichen Russischunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359082

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