Punk im Osten. Die Punkszene in der DDR


Hausarbeit, 2014

16 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Rebellion im Arbeiter- und Bauernstaat
2. Eine neue Jugendkultur im Osten
2.1 Entstehung der Szene
2.2 Erscheinungsbild
2.3 Punkrock
2.4 Ideologien

3. Politik
3.1 politische Ausrichtung der Punks
3.2 Opposition Staat?
3.2.1 "Härte gegen Punks"
3.2.2 "Klärung eines Sachverhalts"
3.2.3 Zufluchtsort: Kirche

4. Resümee

5. Quellenverzeichnis
5.1 Literaturverzeichnis
5.2 Internetquellenverzeichnis
5.3 Abbildungsverzeichnis

1. Rebellion im Arbeiter- und Bauernstaat

Edgar versucht sich in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) selbst zu verwirklichen. Der junge Musterschüler will endlich raus aus dem kleinbürgerlichen Leben und wird zu einem typischen Rebell, der sich nichts sagen lässt. Beim Lesen von Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" findet er immer wieder neue Parallelen und Ähnlichkeiten mit sich selbst und seinem eigenen Leben.

"Die neuen Leiden des jungen W." von Ulrich Plenzdorf wurde 1972 in Halle an der Saale uraufgeführt. Der Roman über das Lebensgefühl junger DDR-Bürger wurde zu einem großen Erfolg und ist vor allem bei den Jugendlichen sehr beliebt gewesen. Zum einen ist es im Ju- gendjargon geschrieben und zum anderen sind es die Jugendlichen selbst, welche aus dem alltäglichen Trott, geführt von der DDR-Regierung, ausbrechen und etwas verändern möch- ten. Da dies in der DDR jedoch gegen die Politik verstieß, sorgte Plenzdorf mit diesem gesell- schaftskritischem Gegenwartsstück für großes Aufsehen (vgl. Malycha 2011, 56). Mit der Ablösung Walter Ulbricht durch Erich Honecker in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) im Jahr 1971, begann eine Zeit der kulturellen und geistlichen Entspan- nung. Doch die gewonnenen Freiheiten der Jugendlichen werden stets durch die Staatssicher- heit beobachtet und durch die SED gelenkt. Der Marxismus-Leninismus sollte den Jugendli- chen durch Propaganda und politische Phrasen eingetrichtert werden, damit diese Weltan- schauung als einzig wahre angenommen wird (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. 2008).

Die Zielsetzung der SED war "´allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeiten´ heranzubilden, ´die ihrem sozialistischen Vaterland treu ergeben sind´" (Heydemann 2001, 46). Die Jugendlichen nehmen dieses jedoch nicht an, sondern beginnen allmählich zu rebellieren. Mitte der 70er Jahre werden die Freiheiten und Rechte durch die SED wieder reduziert. Veranstaltungen werden verboten und Ausbürgerungen von Künstlern verstärken die "kulturelle Eiszeit in der DDR" (Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann- Gesellschaft e.V. 2008). Doch dieser "Eiszeit" soll schon bald durch eine neue Art der Jugendkultur entgegengewirkt werden (vgl. Thurm 2013, 3).

Doch wie kann es sein, dass eine Jugendbewegung, welche auf so viel Unverständnis und Misstrauen der Regierung traf, immer mehr Mitglieder gewann, welche ein großes Risiko für Bestrafungen eingingen? Die Frage, welche Motivation die Jugendlichen in der damaligen DDR hatten, um Punk zu werden, wird in dieser Belegarbeit untersucht und beantwortet.

2. Eine neue Jugendkultur im Osten

2.1 Entstehung der Szene

Noch bevor sich Punk als Musikrichtung entwickelte, gab es schon kleinere Gruppierungen, welche den Kleidungsstil und das Lebensgefühl von Punk prägten. Der Begriff Punk bedeutet übersetzt `Dreck` und macht damit Anspielungen auf das ungewöhnliche Äußere der Punks. Der Ursprung liegt zwar in den USA, doch erst in England kam es zu einer Massenbewegung. Man setzte sich der Regierung entgegen, sowie dem alltäglichen, bürgerlichen Leben. Bands, wie " The Sexpistols", machten die Punkszene von den 70er Jahren an auf der ganzen Welt bekannt. Der Musikstil wurde immer aggressiver und die Texte immer politischer, was be- sonders bei den ostdeutschen Jugendlichen großen Anklang fand (Mohr).

1979: "In der wohlgeordneten Welt der DDR blühte eine wilde Jugendkultur, die den Staat das Fürchten lehrte." (Denk 2009, 11). Durch illegales Hören von West-Radio-Berichten und Lesen von Bravo-Zeitschriften vermehrten sich die Anhänger und Andersdenkenden in Ostdeutschland immer mehr (vgl. Thurm 2013, 5).

Die Punkszene schockte die DDR-Bürger und -Regierung, indem sie sich Freiheiten nahm und ihre Bedürfnisse befriedigte, was bis dahin in der DDR unvorstellbar war. Bis 1982 schien sich die Szene noch relativ überschaubar entwickelt zu haben. Trotzdem geriet sie allmählich außer Kontrolle, sodass das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) langsam härter gegen die "dekadente" Szene durchzugreifen versuchte.

Für Aufsehen sorgen, auf Missstände aufmerksam machen und die Regierung kritisieren, das war den Punks wichtig. Man traf sich deshalb auch nicht nur in den eigenen (besetzten) Unterkünften, sondern in der Öffentlichkeit und auf den Straßen, wo das normale Bürgertum mit den Rebellen konfrontiert wurde (vgl. Farin 2010).

Da den Punks oftmals die finanziellen Mittel fehlten oder das benötigte Material nicht erhält- lich war, wurden Instrumente selbst zusammengebaut und Radios zu Verstärkern umgelötet. So konnten sie still und heimlich an ihrem Punk-Eigentum basteln, ohne dass die Regierung sie überwachen konnte (vgl. Westhusen 2005, 21). Kassetten waren zwar sehr teuer in der damaligen Zeit, dienten den Jugendlichen aber als wichtigstes Medium, um beispielsweise Punkmusik im Radio mitzuschneiden oder ihre eigene Musik aufzunehmen, die man dann in der Szene verbreiten konnte. Das Motto "Do it yourself" wurde nirgendwo so konsequent angewandt wie in der Ostpunkszene. So breiteten sich trotz der ständigen Überwachung durch den Staat neue Nischen im "Underground" für die Anhänger und ihre Aktionen aus (vgl. Denk 2009, 14).

2.2 Erscheinungsbild

"Geralf: Ich hab damals een in der Straßenbahn jesehn, [...] der hatte Jesuslatschn, hatte so helle Strümpfe un hatte Punk droffjeschriebn off den. Un da dacht ich: ´Ach das is n Punk´."

(Westhusen 2005, 17, zit. n. Pochop). Anfangs war es recht schwierig einen Kleidungsstil zu finden, da die Szene noch sehr neu und unbekannt war, bzw. fehlten den Jugendlichen viele Informationen. "´Wir wollten Einzelwesen sein´, sagte die ehemalige Punkerin [...] Cornelia Schleime" (Thurm 2013, 5, zit. n. Boehlke 2006). Einzigartig sein war das Ziel, vor allem, was die Mode anging. Die DDR-Punker wollten auffallen und für Furore sorgen und orien- tierten sich an den Punks im Westen. So wurden T-Shirts und Hosen zerschnitten, zerrissen, mit Parolen (z.B. "Haut die Bullen platt wie Stullen") oder dem Anarchiezeichen beschriftet und mit Nieten und Buttons versehen (vgl. ebd., 6). Oder man klaute im nächsten Kranken- haus OP-Klamotten und machte diese zu Punker-Outfits, denn zu kaufen gab es diese nir- gendwo. Als Fußbekleidung dienten häufig Sicherheitsschuhe oder ´Dr. Martens´- Stiefel (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.2008). Auch die Frisur musste bald auffallend und provokant sein. Statt der bisher beliebten langen Hippie-Haare, schnitt man sich diese ab, rasierte sich die Seiten kurz und stylte sich einen

Irokesenschnitt. Dies konnte aber nur unter Freunden geschehen und nicht beim Friseur, weil dieser mit Konsequenzen vom Staat rechnen musste. Da es im Handel genauso wenig Utensi- lien für den Frisurbedarf gab, suchte man sich Hilfsmittel. Die Haare wurden mit Batikfarben, Stempelfarbe, manchmal auch mit Fußpilzmittel, gefärbt, um einen intensiven Lila-Ton zu erreichen, und mit Zuckerwasser und Haarlack zum Stehen gebracht. Das Gesicht wurde mit auffälligem Make-Up versehen und selbst umrandete Augen und schwarze Lippen waren bei den Männern beliebt (vgl. Thurm 2013, 6f.). Für die Szene wurde dieses Aussehen zu einem Zugehörigkeitsmerkmal, das den Zusammenhalt verdeutlichte, eine Art Uniform, die je nach Wohnort aber unterschiedlich war.

"Harty: Du hast dich sofort anjesprochen [gefühlt], wenn eener so rumlief wie du. Das war sofort Familie." (Westhusen 2005, 19, zit. n. Sachse). Ob Frau oder Mann machte in Sachen Mode keinen Unterschied, da die Frauen in der DDR allgemein sehr emanzipiert waren. Sie bildeten zwar eine Minderheit unter den männlichen Anhängern, doch sie zogen sich genauso ungewöhnlich an, hatten bunte Irokesen und beschmierte Klamotten (vgl. Denk 2009, 13). Doch gerade diese Äußerlichkeiten machten ihnen den Alltag schwerer, als es für männliche Punks der Fall war. Sie verstießen damit zum einem gegen das sozialistische Ideal, zum ande- ren auch gegen das Geschlechterrollenverständnis der DDR-Gesellschaft (vgl. Westhusen 2005, 66).

2.3 Punkrock

"Es ging um die Texte, es ging ja nicht darum schöne Musik zu machen - konnten wir auch gar nicht." (Boehlke 2005).

Die Musik wurde für die Jugendkultur zu einem wichtigen Bestandteil, eine Art Sprachrohr. Durch die Liedtexte konnte man seine Kritik äußern und verbreiten, und die Anhängerschaft unterhalten. Die Musik Punkrock an sich war zu Beginn der Szene noch etwas total Unbe- kanntes. "Harty: [...] Von den Texten keine Ahnung, das hätt och rechte Musik sein könn [...] In dem Auchenblick war´s ejal. Erstma nur die Musik und dieser rotzige Gesang, das war sofort drin un is bis heute nich wieder rausjegang." (Westhusen 2005, 15, zit. n. Sachse).

Doch durch Mitschnitte vom Westradio (z.B. Hessische und Bayerische Rundfunk) fügte sich nach und nach das Bild und es entstanden erste selbstgegründete Gruppen; schrille Gitarren, wenige Akkorde, grölender Gesang. Bands wie "Planlos" oder "Schleimkeim" gehörten mit zu den ersten Gruppierungen der Szene. Sie schrieben kritische Texte, etwa über die politi- schen Missstände, dem Konflikt mit der DDR-Regierung, Stasi-Bespitzelungen und Zensur und gingen somit ein großes Risiko ein, von der Regierung erwischt und bestraft zu werden, was für die Jugendlichen jedoch mehr einen Reiz als eine Gefahr darstellte (vgl. Denk 2009, 14).

Wenn man in der DDR Musik öffentlich verbreiten und vortragen wollte, benötigte man eine Erlaubnis, denn es war nur den staatlich genehmigten Bands erlaubt öffentlich aufzutreten und eigene Schallplatten zu produzieren (vgl. Westhusen 2005, 15). Doch Vorschriften gehörten nicht zur Lebensweise der Punks. Sie setzten sich nahezu täglich über diese hinweg und nah- men das Risiko auf sich "ein Auftrittsverbot für die ohnehin illegale Punkmusik einzufangen." (Thurm 2013, 8). So spielte man in Galerien, Kirchen, Wohnungen und Ateliers, denn darauf hatte die Polizei kein Zugriffsrecht. In staatlichen Einrichtungen sind Punk-Konzerte undenk- bar gewesen.

"Lychener Straße 5 im Prenzlauer Berg, [...] In der Mitte einer Altbauwohnung sitzt „Locke“ (16) auf einer Leiter und versucht, mit einem Walkman die Musik aufzunehmen. Drei andere verteidigen den Kanonenofen gegen die Pogotänzer.

Es spielen die Bands Rosa Extra, Fünf Wochen im Ballon, Planlos und Unerwünscht. Sie spielen laut, wütend, falsch und mitreißend [...]. Die Musiker schreien dem jungen Publikum aus der Seele."

(Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. 2008).

Chaos, Lautstärke und Aggressivität waren typisch für solche Konzerte, denn dies gehörte zum Punk-Sein einfach dazu (ebd.).

Während die erste Generation der Ostpunks noch über die Missstände der Regierung und den Konflikten mit der Staatssicherheit sang, hat sich die folgende Generation vielmehr von der Politik ferngehalten und distanziert. Für sie lag das Reizvolle vielmehr darin, etwas Rätselhaftes und Unentschlüsselbares darzustellen, und damit den kontrollbegierigen Staat noch mehr zu provozieren (vgl. Denk 2009, 14).

Ein Höhepunkt des Ostpunks war mitunter der Auftritt der Band "Die Toten Hosen", welche im Westen ihre Punkmusik berühmt machte.

Eines Tages "[...] poltern sie in den Proberaum der Ostberliner Band Planlos und wollen mal spielen - im Osten. [...] Pfarrer Langhammer von der Erlöserkirche nickt das Ganze ab. Es gibt ein Konzert - zur Hälfte Planlos, zur Hälfte die Hosen - vor circa 15 Zuschauern. Pünkt- lich null Uhr sind die Hosen wieder am Checkpoint Charlie und werden Stars. Im Osten kommt die Order von ganz oben: Das Punk-Problem ist bis Ende 1983 zu lösen!" (Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. 2008).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Punk im Osten. Die Punkszene in der DDR
Autor
Jahr
2014
Seiten
16
Katalognummer
V359171
ISBN (eBook)
9783668434325
ISBN (Buch)
9783668434332
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
punk, osten, punkszene, Jugend, Jugendgeneration
Arbeit zitieren
Lisa Bartschat (Autor:in), 2014, Punk im Osten. Die Punkszene in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359171

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