Erfolgsfaktoren bei der Neuorganisation in der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe

Der Suchthilfeverbund Duisburg e.V.


Masterarbeit, 2016

205 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Kapitel I
1 Einleitung

Kapitel II
2 Die Rahmenbedingungen der Suchthilfe
2.1 Deutschland
2.2 Nordrhein Westfalen (NRW)
2.3 Duisburg
2.4 Der Prozess der Neuorganisation in Duisburg
2.5 Suchthilfeverbund Duisburg e.V.
2.6 Zusammenfassung

Kapitel III
3 Organisationsentwicklung / Neuorganisation
3.1 Organisation
3.2 Organisationstheorien
3.3 Organisationsentwicklung
3.3.1 Definition von Organisationsentwicklung
3.3.2 Zusammenfassung

Kapitel IV
4 Methodik und Design
4.1 Das Untersuchungsdesign
4.1.1 Experteninterviews
4.1.2 Interviewleitfaden
4.1.3 Interviewpartnerinnen und -partner
4.1.4 Interviewfragen
4.1.5 Zusammenfassung

Kapitel V
5 Auswertung der Interviews
5.1 Begriffsbestimmung "Erfolgsfaktoren"
5.2 Erfolgsfaktoren der Organisationsentwicklung in der Suchthilfe Duisburg
5.2.1 Verankerung im politischen System
5.2.2 Allianz der Befürworter - Veränderungsbereitschaft und Führungskoalition
5.2.3 Prozessmanagement, Projektorganisation und Verantwortlichkeit
5.2.4 Einsatz eines qualifizierten externen Beraters
5.2.5 Transparenz und Partizipation zur Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
5.2.6 Kommunikation und Information
5.2.7 Zeit (-management)
5.2.8 Einbindung in der neuen Struktur - Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
5.2.9 Sicherung der Nachhaltigkeit durch die Verankerung der Veränderung
5.3 Zusammenfassung

Kapitel VI
6 Erfolgsfaktoren und Übertragbarkeit auf ähnlich gelagerte Organisationsentwicklungs- prozesse
6.1 Erfolgsfaktor: Verankerung im politischen System
6.2 Erfolgsfaktor: Allianz der Befürworter
6.3 Erfolgsfaktor: Prozessmanagement, Projektorganisation und Verantwortlichkeit
6.4 Erfolgsfaktor: Einsatz eines qualifizierten externen Beraters
6.5 Erfolgsfaktor: Transparenz und Partizipation 97 - Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
6.6 Erfolgsfaktor: Kommunikation und Information
6.7 Erfolgsfaktor: Zeit (-management)
6.8 Erfolgsfaktor: Einbindung in der neuen Struktur und Kultur
6.9 Sicherung der Nachhaltigkeit / Verankerung der Veränderung

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Anlagen

Transkribiertes Interview

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Standorte der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe Duis- burg 2005

Abbildung 2: Zeitplan

Abbildung 3: Zeitplan

Abbildung 4: Trägerverbund Duisburger Suchthilfe e.V

Abbildung 5: Organigramm SHV Duisburg e.V

Abbildung 6: Standorte des Suchthilfeverbundes

Abbildung 7: Ablauf des Prozesses der Neuorganisation der ambulan- ten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duis- burg

Abbildung 8: Kernelemente von Organisationen

Abbildung 9: Kategorisierung von Organisationsbegriffen

Abbildung 10: 3 Phasen-Model nach Lewin

Abbildung 11: Phasenmodelle von Veränderungsprozessen

Abbildung 12: Ablaufmodell des qualitativ teilstrukturierten ExpertenIn- terviews

Abbildung 13: Merkmale der Erfolgsmessung nach Greif/Schiffer/Bem- mann (mit Ergänzungen der möglichen Messkriterien)

Abbildung 14: Dimensionales Modell der Erfolgsmessung

Abbildung 15: Prozessarchitektur des Prozesses der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg

Abbildung 16: (Erfolgs-)Faktoren zum Gelingen der Neuorganisation

Abbildung 17: Die Duisburger Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozes- sen im Vergleich zu den in der Literatur genannten Erfolgsfaktoren

Abbildung 18: Unternehmerisch-symmetrische vs. politische top-down Zusammenschlüsse

Kapitel I

1 Einleitung

„Man muss sich nämlich darüber im Klaren sein, dass es kein schwierigeres Wagnis, keinen zweifelhafteren Erfolg und keinen gefährlicheren Versuch gibt, als eine neue Ordnung einzuführen. Denn jeder Neuerer hat alle die zu Feinden, die von der alten Ordnung Vorteile hatten, und er hat in jenen nur laue Verteidiger, die sich von der neuen Ordnung Vorteile erhoffen. Diese Lauheit kommt zum Teil von der Furcht vor den Gegnern, teils von dem Misstrauen der Menschen, die wirkliches Zutrauen zu den neuen Verhältnissen erst haben, wenn sie von deren Dauerhaftigkeit überzeugt worden sind. Daher kommt es, dass die Feinde der neuen Ordnung diese bei jeder Gelegenheit mit aller Leidenschaft angreifen und die anderen sie nur schwach verteidigen.“[1]

Jede Veränderung und jeder Wandel in Organisationen, führt auch zu Fragen nach den Gründen, den Mechanismen oder den Motiven, aber auch nach externen oder internen (Umwelt-)Bedingungen, die die Überprüfung der Strukturen veranlasst haben könnten. Organisationsentwicklung in Organisationen ist eine Herausforderung für alle Betroffenen und Beteiligten, sowohl für das Management als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ursachen für Veränderungen können vielfältig sein. In der Regel sind es tech- nologische, ökonomische und gesellschaftlicher Faktoren.[2] Antworten u.a. nach Herkunft und Anlass der Veränderungsimpulse sowie deren Verarbei- tungsformen können Einfluss auf die Veränderungsbereitschaft der Beschäf- tigten und das Gelingen oder Nichtgelingen der Neuorganisation haben. Ver- änderungen in Organisationen oder Neuorganisation ist keine Selbstverständ- lichkeit, denn es kann sowohl die Bereitschaft der Betroffenen fehlen als auch einen dynamischen Widerstand der Betroffenen zum Organisationswandel ge- ben.[3]

Im Mittelpunkt dieser Masterarbeit steht die theoretische und praktische Aus- einandersetzung mit den Erfolgsfaktoren der Organisationsentwicklung am Beispiel der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg und deren Übertragbarkeit auf ähnlich gelagerte Organisationsentwicklungsprozesse (OE).

In der Stadt Duisburg wurden bereits im Jahre 2005 die ersten politischen Überlegungen in der gemeinsamen Koalitionsvereinbarung von Bündnis 90/Die Grünen und der CDU angestellt, die ambulante Suchthilfe in Duisburg neu zu organisieren. Vor dem Hintergrund der damaligen kommunalen Haus- haltslage sollten die vorhandenen Ressourcen der ambulanten Suchthilfe wei- testgehend gebündelt, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Angeboten verbessert und die Steuerung optimiert werden. Eine Erhöhung der Zuwen- dungen war weder realistisch noch gewollt, das Ziel war eher die damalige Zuwendungshöhe möglichst zu erhalten.

Das Land NRW hatte auch seine Landeszuwendungen für die ambulante Suchthilfe im Jahr 2006 im Schnitt um 20% gekürzt. Notwendig war ein Diskurs aller Verantwortlichen darüber, wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowohl auf der Verwaltungs- und Steuerungsebene als auch auf der Ebene der Leistungserbringung verbessert werden kann.

Die Neuorganisation der zuwendungsabhängigen ambulanten Suchthilfe in Duisburg war ein umfassender, tiefgehender und langfristiger Prozess (sechs Jahre), der unter Beteiligung der Träger der Suchthilfeeinrichtungen, der Ver- waltungsspitze und politischen Akteure mit Hilfe eines externen Beraters zwi- schen 2005 und 2010 durchgeführt wurde. Dabei gab es unterschiedliche Gründe zur Neuorganisation und unterschiedliche „Triebkräfte des organisa- torischen Wandels“[4]: diejenigen, die aus politischen, ökonomischen, fachli- chen oder gesellschaftlichen Motiven eine Veränderung wollten, bzw. die Be- denkenträger, die sich keine Änderungen an den „gewohnten“ Strukturen wünschten und sich auch wehrten. Die Vorstellung der Schaffung einer neuen Organisation durch das Zusammenbringen von Mitarbeiterinnen und Mitarbei- tern aus vier verschiedenen Organisationen mit gravierenden Unterschieden der Betriebskultur und Struktur führte bei allen Beteiligten, insbesondere bei den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zunächst zu Abwehrhaltung, insbesondere bei den städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dennoch wurde die Neuorganisation nach einer sehr langen und dynamischen Prozessphase mit der Gründung des Suchthilfeverbund Duisburg e.V. 2009 abgeschlossen und mit der Arbeitsaufnahme der drei Beratungsstellen 2010 mit 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern praktisch umgesetzt.

Heute verzeichnet der Suchthilfeverbund Duisburg e.V. sowohl bei den Trä- gern (Stadt Duisburg / Wohlfahrtsverbände) als auch bei den Kunden sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach vorliegenden Rückmeldungen (Mitarbeitergespräche / Mitgliederversammlungen und Evaluationsergebnisse aus der Befragung der Kooperationspartner und Kunden) eine sehr hohe Zu- friedenheit. Ist die Neuorganisation also eine Erfolgsgeschichte?

Im Rahmen der Masterarbeit soll der Prozess der Neuorganisation der zuwen- dungsabhängigen ambulanten Suchthilfe in der Stadt Duisburg in unterschied- lichen Entwicklungsphasen mit entsprechenden Erfolgs- und Misserfolgsfak- toren sowie Spannungsfeldern beschrieben und durch die (Experten-)Inter- views aus der damaligen und aktuellen Sicht mit den Schlüsselpersonen/Akt- euren verdeutlicht werden. Anschließend sollen die Informationen aus den In- terviews, die teilweise widersprüchlich sein können, neben diesen subjektiven Einschätzungen über den Prozess der Neuorganisation hinaus, auf Ihre Über- tragbarkeit hin überprüft und der Versuch unternommen werden, daraus allge- meine Erfolgsfaktoren in der Organisationsentwicklung zu benennen. Vorab wird eine kurze Auseinandersetzung mit dem Begriffen „Organisation“ und „Or- ganisationsentwicklung“ stattfinden um die theoretischen Grundlagen aus der wissenschaftlichen Perspektive vorzustellen. Mit dem Begriff „Neuorganisa- tion“ ist hier der Prozess der „Organisationsentwicklung“ gemeint, auch wenn in der hiesigen Literatur mit letzterem Begriff in der Regel mehr ein Prozess innerhalb einer vorhandenen Organisation bezeichnet wird[5].

Kapitel I beinhaltet eine Einführung in das Thema der Masterarbeit.

Im II. Kapitel wird zunächst die Struktur der Suchthilfe in Deutschland, in NRW und in Duisburg kurz vorgestellt. Anschließend wird die ambulante zuwen- dungsfinanzierte Suchthilfe in Duisburg vor der Neuorganisation und die ers- ten kommunalpolitischen Schritte zum Prozess der Neuorganisation beschrie- ben. Dann werden die Suchthilfestrukturen in der Kommune, die kommunal- politischen Rahmenbedingungen und die finanziellen und fachlichen Motive der Stadt Duisburg exemplarisch anhand der Drucksachen der Verwaltung der Stadt Duisburg dargestellt.

Im III. Kapitel werden zunächst einige theoretische Ausführungen zum grund- legenden Verständnis und Charakter des Begriffs „Organisation“ sowie Orga- nisationstheorien und elementare Merkmale (Kernelemente) der Organisation und Organisationsentwicklung vorgestellt. Um sich dem Begriff zu nähern, werden verschiedene Blickweisen in der wissenschaftlichen Betrachtung vor- gestellt. Damit wird die Grundlage geschaffen, um den Prozess der Neuorga- nisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe im Einzelnen un- ter sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, und um die Er- gebnisse dieser Analyse im Hinblick auf ihre Allgemeingültigkeit hin nachvoll- ziehbar überprüfen zu können.

Da „Organisationen nicht nur als abstrakte Gebilde zu analysieren sind, son- dern dass sie auch als lebendige Organismen wahrzunehmen sind, in denen Menschen mit unterschiedlichen Interessen agieren (…),“[6] soll mit Hilfe der Methode „leitfadenunterstützte qualitative Experteninterviews“ der Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe aus der Perspektive der daran beteiligten Hauptakteure analysiert werden, um u.a. deren Motive und Interessen sowie Ängste und Bedenken zum Ausdruck zu bringen.

Im IV. Kapitel wird daher das Untersuchungsdesign der Arbeit, insbesondere der Experteninterviews vorgestellt. Als Experten im Kontext der vorliegenden Masterarbeit werden Personen fungieren, die im Prozess der Neuorganisation politisch, fachlich und in der Rolle als zuständiger Dezernent, Geschäftsführer oder Leiter der einzelnen Anbieter der ambulanten Suchthilfe in Duisburg aktiv beteiligt waren bzw. den Prozess aktiv begleitet haben (politische Vertreter der Parteien, zuständiger Dezernent, Geschäftsführer des Diakoniewerk Duis- burg, Leiter des Suchthilfezentrum St. Nikolausburg des Caritas Verband Du- isburg, Suchtkoordinator der Stadt Duisburg und Leiter des Jugendamtes Du- isburg sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen Träger). Die Ex- perteninterviews werden als Leitfadeninterviews durchgeführt, um eine rudi- mentäre Vergleichbarkeit der Ergebnisse und Aussagen gewährleisten zu können[7]. Die Interviews werden durchgeführt, um die einzelnen Handlungs- motive, Beweggründe, Interessen und Ziele zur Bereitschaft einer Neuorgani- sation der Prozessbeteiligten aus der damaligen Perspektive zu durchleuch- ten, und um anschließend aus der heutigen Sicht das Gelingen/Nichtgelingen der Neuorganisation abzufragen.

Im V. Kapitel werden die Ergebnisse der Auswertung der Experteninterviews einzeln vorgestellt. Durch die Interpretation der Aussagen der Experten aus den Interviews soll der Frage nachgegangen werden, ob es allgemeingültige Erfolgsfaktoren in der Organisationsentwicklung gibt oder nicht und ob die Erfolgsfaktoren der Prozessergebnisse der Neuorganisation der Suchthilfe in Duisburg auf andere Organisationsentwicklungen übertragen werden können? Sind die Erfolgsfaktoren generalisierbar oder sind sie ein Duisburger Spezifikum? Warum ist der Prozess aus der heutigen Sicht gelungen/nicht gelungen? Hierzu werden die Experteninterviews ausführliche Antworten auf die Fragen geben.

Im Kapitel VI wird die Frage der Übertragbarkeit der Erfolgsfaktoren auf ähn- lich gelagerte OE-Prozesse mit den Ergebnissen aus dem Prozess der Neu- organisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe beantwortet.

Im Kapitel VII der Masterarbeit wird ein Fazit entsprechend der Ergebnisse der Interviews über die „günstigen“ und „ungünstigen“ Rahmenbedingungen gezogen und die möglichen Erfolgsfaktoren im Prozess der Organisationsent- wicklung insbesondere am Beispiel der Neuorganisation in der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in Duisburg zusammenfassend darge- stellt.

Kapitel II

2 Die Rahmenbedingungen der Suchthilfe

In diesem Kapitel werden zunächst die Rahmenbedingungen der Suchthilfe, mit grundlegende Informationen zur Regelung der Zuständigkeiten sowie die Finanzierung auf der Bundes,- Landes- und der kommunalen Ebene bzw. in Duisburg vorgestellt. Im zweiten Schritt wird kurz der historische Verlauf der einzelnen Prozessentwicklungsphasen vorgestellt.

2.1 Deutschland

Durch die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland und das Prinzip der Subsidiarität gibt es Unterschiede innerhalb des Sucht- und Drogenhilfe- systems. Das Hilfesystem kann von Bundesland zu Bundesland unterschied- liche Schwerpunkte in der Form der Hilfeleistungen enthalten. Die Kostenträ- ger von Behandlung und Rehabilitation der Suchtkranken und Drogenabhän- gigen sind überwiegend die Rentenversicherungen bzw. die gesetzlichen Krankenversicherungen. Subsidiär tritt der Sozialhilfeträger ein. Unter den Trägern der Sucht- und Drogenhilfeeinrichtungen gibt es, bedingt durch das Prinzip der Subsidiarität im Sozialgesetzbuch (SGB VIII), zumeist geprägt von den Wohlfahrtsverbänden eine breite Trägerstruktur. Sie sind in der Regel die Träger der Sucht- und Drogenberatungsstellen, die von öffentlichen Mitteln des Bundes, Landes und der Kommunen finanziert werden. Sozialpolitik wird auch sarkastisch als Machtverteilungs- und Ressourcenumverteilungspolitik zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen definiert, deren Ge- rechtigkeit auch in Frage gestellt werden kann.[8] Da es bei der Umverteilung um die Finanzierung der einzelnen sozialpolitischen Themenbereiche geht, sind die Gesamtkosten der Drogenhilfeleistungen auch eine sozialpolitisch re- levante Frage.

2.2 Nordrhein Westfalen (NRW)

Die Verantwortung für Planung und Sicherstellung der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe(-leistungen) in den Städten und Gemeinden in NRW gehören ge- mäß dem Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nord- rhein-Westfalen (ÖGDG NRW) zu den Kernaufgaben der kommunalen Da- seinsvorsorge und entsprechen dem Sozialstaatsgebot. Sie ist allerdings in ihrer personellen und finanziellen Ausstattung und Ausgestaltung nicht festge- legt, sondern freiwillig.[9]

Insbesondere die Kommunalisierung der Mittel zur Finanzierung der ambulan- ten Sucht- und Drogenhilfe im Jahr 2007 führte in NRW dazu, dass einerseits den Kommunen die Rolle als „sozialpolitische Akteure“[10] übertragen wurde und andererseits dadurch unterschiedliche Trägerkonstellationen entstanden. Es entwickelten sich kleinere und größere Organisationen (Einheiten) mit ver- schiedenen ambulanten Sucht- und Drogenhilfeeinrichtungen, deren finanzi- elle - weniger die inhaltlichen - Rahmenbedingungen dann von der Haushalts- lage der einzelnen Kommunen und der gesundheits- und sozialpolitischen Ak- zentuierung der politischen Mehrheiten abhängig war (und weiterhin ist). Laut Angaben des Monitoringberichts der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe NRW des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen (MGEPA) aus dem Jahr 2013 wird der überwiegende Teil der „durch das Land geförderten Einrichtungen der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe“ in Nordrhein-Westfalen (NRW) von einem Träger aus der freien Wohlfahrtspflege unter „versorgungsvertraglicher Bindung“[11] betrieben (89 %). Lediglich jede 10. Einrichtung befindet sich noch in kommunaler Träger- schaft. Demnach sind die Caritas mit 45 % und die Diakonie mit 39% die größ- ten Träger der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe in NRW.[12]

2.3 Duisburg

Bereits im Jahre 2005 wurden erste politische Überlegungen in der gemeinsa- men Koalitionsvereinbarung von Bündnis 90/Die Grünen und CDU angestellt, die ambulante Suchthilfe in Duisburg neu zu organisieren. Vor dem Hinter- grund der damaligen kommunalen Haushaltslage sollten die vorhandenen Ressourcen der ambulanten Suchthilfe weitestgehend gebündelt, die Schnitt- stellen zwischen den einzelnen Angeboten verbessert und die Steuerung op- timiert werden. Eine Erhöhung der Zuwendungen war weder realistisch noch gewollt, das Ziel war eher die derzeitige Zuwendungshöhe möglichst zu erhal- ten.

Das Land NRW hatte auch seine Landeszuwendungen für die ambulante Suchthilfe im Jahr 2006 im Schnitt um 20% gekürzt. Notwendig war ein Diskurs aller Verantwortlichen darüber, wie das Kosten-Nutzen-Verhältnis sowohl auf der Verwaltungs- und Steuerungsebene als auch auf der Ebene der Leistungserbringung verbessert werden kann.

Die ambulante Sucht- und Drogenhilfe in Duisburg war bis dahin über die Angebote der Stadt Duisburg und der freien Träger der Wohlfahrtsverbände (Caritasverband Duisburg, Diakoniewerk Duisburg GmbH und Alexianer Bürgerhaus Hütte gGmbH) „konkurrierend“ strukturiert.

Wie viele andere Kommunen insbesondere in NRW hatte die Stadt Duisburg Finanzprobleme und musste Haushaltssicherungskonzepte vorlegen, um ei- nen vom Regierungspräsidenten genehmigten kommunalen Haushalt zu be- kommen. Da die Stadt wegen der Bewältigung der Finanzprobleme unter einer enormen Kostendruck stand, waren die Kürzungen der Mittel bzw. Stellen auch im Bereich der Sucht- und Drogenberatungsstellen nicht zu vermeiden. Als Folge „der Finanzprobleme über Kürzungen und über das Ausüben eines verstärkten Kostendruck…“[13] kam es im Bereich der ambulanten zuwen- dungsfinanzierten Suchthilfe zu der Überlegung, die Drogenberatung-Walsum der Stadt Duisburg mit entsprechenden Leistungsbeschreibungen und einer pauschalen Finanzierung (Kontrakt) auf das Diakonische Werk Duisburg zu übertragen. Nach langen politischen und fachlichen Diskussionen entschied sich dann die Politik im Jahr 2006 für den Weg der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe unter Einbeziehung der Träger der Suchthilfe in der Stadt Duisburg.

2.4 Der Prozess der Neuorganisation in Duisburg

Wenn Veränderungen in Organisationen anstehen, gibt es hierzu immer organisationsinterne oder umweltbedingte Anlässe, Mechanismen oder Diskrepanzerfahrungen (Impulse), die es notwendig machen, Strukturen und Abläufe der Organisationen zu überprüfen.

„Wenn über Veränderungen in Organisationen gesprochen werden soll, muss zu- nächst erörtert werden, durch welche Vorgänge oder Mechanismen Organisationen überhaupt zur Überprüfung ihrer Strukturen und Abläufe veranlasst werden. Schließ- lich kann die Veränderungsbereitschaft von Organisationen nicht einfach als elemen- tares Organisationsmerkmal vorausgesetzt werden. Woher kommen die Impulse zur Veränderung von Organisationen und wie die Impulse verarbeitet werden müssen, damit sich in Organisationen überhaupt eine Veränderungsbereitschaft herausbildet.“[14]

Um den langjährigen und sehr komplexen Prozess der kommunalen Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in Duisburg übersichtlich nachvollziehen zu können, hilft hier ein kurzer historischer Verlauf der einzelnen Organisationsentwicklungsphasen.

2005

Die ambulante Suchthilfe war im Jahr 2005 so strukturiert, dass das Gesundheitsamt der Stadt Duisburg in Duisburg-Walsum über eine Drogenberatungsstelle, das Jugendamt in Duisburg-Mitte über eine Einrichtung für Suchtvorbeugung und die Diakoniewerk Duisburg GmbH in Duisburg-Mitte über eine Drogenberatungsstelle verfügten (vgl. Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Standorte der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe Duisburg 2005

Insbesondere die Versorgung der Drogenabhängigen in Duisburg war geogra- phisch unter den beiden Drogenberatungsstellen bis auf einzelne Straßen als Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt (siehe Abb. 1). Wegen der geographischen Aufteilung der Stadt war es den Klienten aus dem Norden nicht möglich, sich in der Drogenberatung-Mitte beraten zu lassen, ebenso auch Klienten aus der Stadtmitte konnten sich nicht in der Drogenberatung in Walsum beraten las- sen. Die Einrichtungen waren in ihrer konzeptionellen und personellen Aus- stattung sehr unterschiedlich aufgestellt und arbeiteten autonom mehr gegen- als miteinander. Das Diakoniewerk Duisburg war bemüht, als Träger von meh- reren Suchthilfeeinrichtungen im stationären Bereich auch im Bereich der am- bulanten Suchthilfe, neben der eigenen Drogenberatungsstelle Duisburg- Mitte, die städtische Drogenberatungsstelle in Duisburg-Walsum für sich zu beanspruchen und meldete Interesse auf die Übernahme an. Solche Entwick- lungen sind aus der Praxis der Organisationsentwicklung bekannt.

„Versuche von Organisationen, ihre Umwelt bzw. relevante Teile ihrer Umwelt zu kon- trollieren, sind im Bereich der Sozialen Arbeit aufgrund der Pluralität der Träger nur begrenzt Erfolg versprechend. Dennoch sind solche Versuche in der Praxis immer wieder zu registrieren z.B. im regionalen Bereich, wo bisweilen große Wohlfahrtsver- bände sich um Dominanz oder gar um eine monopolartige regionale Stellung bemü- hen“ [15]

Nach den Kommunalwahlen 2004 schlossen die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und CDU einen Kooperationsvertrag und bestimmten damit auch maßgeblich den Rat der Stadt Duisburg. In der Kommunalpolitik herrschte eine haushaltspolitische Diskussion um das Maßnahmenpaket zum Haushaltssicherungskonzept für das Jahr 2006, das auch Maßnahmen zum Personalabbau innerhalb der städtischen Einrichtungen u.a. auch der Sucht- und Drogenhilfe vorsah. Die Fraktionsspitzen der regierenden Schwarz-Grü- nen Kooperationspartner überlegten in dieser Zeit als Sparmaßnahme u.a. die städtische Drogenberatungsstelle an die Diakoniewerk Duisburg GmbH abzu- treten und die vorhandenen Stellen zu streichen, um somit einen Spareffekt zu erreichen.

März 2006

Allerdings waren die damaligen Sozial- und Gesundheitspolitiker der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen damit nicht einverstanden, lehnten eine Übernahme durch die Diakoniewerk Duisburg gGmbH u.a. wegen Monopolisierung des Versorgungsbereichs ab und beschlossen in ihrem Hauptarbeitskreis „Arbeit, Soziales und Gesundheit“ u.a. im Zusammenhang mit der Frage der psycho- sozialen Versorgung der Suchtkranken und Drogenabhängigen mit Migrati- onshintergrund in Duisburg,[16] zunächst die Erstellung eines neuen Suchthilfe- konzepts für Duisburg.

Als Folge der fraktionsinternen Beschlüsse der grünen Ratsfraktion wurde ein „Eckpunktepapier für ein Suchthilfekonzept Duisburg“ verabschiedet und ge- meinsam mit dem damaligen Kooperationspartner, der CDU-Ratsfraktion, die kommunale Neuordnung der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in Duisburg gesundheits- und haushaltspolitisch in die Wege geleitet.

Bereits in der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Gesundheit am 13.03.2006 mit der Mitteilungsvorlage Drucksache Nr. 06- 0369 kündigte die Stadt Duisburg den Vertrag über die Wahrnehmung der Drogenberatung in den Duisburger Stadtteilen südlich der Ruhr mit dem Dia- koniewerk Duisburg GmbH (DW), das Träger einer der beiden Drogenbera- tungsstellen in Duisburg war, zum 31.12.2006. Zur Notwendigkeit der Ver- tragskündigung wies die Stadt Duisburg auf die „ständig steigenden Kosten“ die den städtischen Haushalt belasteten und die auferlegten „Sparzwänge“ zur Haushaltssicherung hin. In der gleichen Mitteilungsvorlage teilte die Stadt Du- isburg auch schon die neue Vereinbarung dem Diakoniewerk Duisburg GmbH mit, dass die städtische Drogenberatung und die Drogenberatungsstelle der Diakonie und später die übrigen ambulanten Sucht- und Drogenhilfeeinrich- tungen gemeinsam ein Konzept erarbeiten sollten, das die Versorgung im ge- samten Stadtgebiet sichern sollte.[17]

Mai 2006

Die Umstrukturierung der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe in Duisburg begann mit einem Antrag vom 12.05.2006 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Erstellung eines Sucht- und Drogenberichts für ein neues Suchthilfekonzept für Duisburg, insbesondere mit interkulturellen Leitlinien, für den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit.[18]

In der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Gesund- heit am 18.05.2006 wurde dann einstimmig beschlossen, einen umfassenden Drogen- und Suchtbericht für ein neues Suchthilfekonzept für Duisburg, ins- besondere mit interkulturellen Leitlinien, zu erstellen.[19] Somit war der Prozess der Umstrukturierung und Neuorganisation der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe in Duisburg als „gesundheitspolitischer Wille“ der regierenden Kooperationspartner Bündnis 90/Die Grünen und CDU vorgegeben.

Nach dem mehrheitlichen politischen Beschluss im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit vom 18.05.2006 unter der Federführung von Herrn Dr. Peter Greulich, Dezernent für Gesundheit und Umwelt, gründete sich eine Projektgruppe unter Beteiligung der kommunalen ambulanten und stationären Suchthilfeträger mit dem Ziel der „Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg“. Hierzu beschloss die neue Projektgruppe, einen externen Berater für den Prozess zur gemeinsamen Organisationsentwicklung einzubeziehen.

Oktober 2006 - Dezember 2007

Bereits im Oktober 2006 informierte das zuständige Dezernat schriftlich alle Träger der Suchthilfe in Duisburg über das Vorhaben. Nach ausführlichen internen Beratungen, Recherchen und Gesprächen mit potentiellen Beteiligten erteilte der zuständiger Dezernent der Stadt Duisburg, Herr Dr. Peter Greulich, am 26.10.2006 einvernehmlich der Firma basyss Systemische Supervision Rainer Bathen den Moderationsauftrag für das Projekt „Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg“. Dazu heißt es in der Drucksache Nr. 08-0689 vom 09.04.2008:

„Vor diesem Hintergrund wurde auf Initiative der Stadt Duisburg mit Hilfe eines exter- nen Moderators eine Arbeitsgruppe eingerichtet, bestehend aus Vertretern der Kom- mune und der o.g. freien Träger, mit der Zielsetzung, eine tragfähige Neuordnung für den Bereich der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe zu entwickeln.“[20]

Der externe Berater Rainer Bathen war und ist Geschäftsführer der Netzwerk Suchthilfe gemeinnützige GmbH - Arbeitskreis für Jugendhilfe - in Hamm und somit auch fachlich mit dem Thema Sucht und Drogen vertraut.

Der Prozess dauerte über ein Jahr und gliederte sich in drei Werkstattgespräche und mehrere Arbeits- und Planungsgruppen zu bestimmten Themenschwerpunkten.[21]

Bereits im Oktober 2006 ging eine schriftliche Erstinformation an die beteiligten Personen/Institutionen durch die Stadt Duisburg.

Im November 2006 führte der externe Berater die ersten Einzelgespräche mit den im Prozess relevanten Vertreterinnen und Vertretern (Geschäftsführer) der Träger der Suchthilfe. Er erstellte einen Zeitplanentwurf, bestehend aus unterschiedlichen Phasen für die Organisationsentwicklung der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe der Stadt Duisburg (Abb. 2 und 3). Im Dezember 2006 fand das erste gemeinsame Werkstattgespräch zur Ana- lyse der aktuellen Versorgungsstrukturen und Finanzen mit den Geschäftsfüh- rern der Träger der Suchthilfe statt. Im Januar 2007 folgten mehrere Einzel- und Kleingruppengespräche mit den Vertretern der Träger der Suchthilfe zu den Konzept- und Strukturvorschlägen.

Im März 2007 führte der externe Berater ein Coaching der Steuerungsverant- wortlichen zum Thema Strukturvorschläge durch und im April 2007 fand dann im Rahmen des 2. Werkstattgesprächs eine Diskussion für ein optimiertes Konzept sowie für eine verbesserte Organisationsstruktur und Leistungser- bringung statt. Es wurde versucht, einen gemeinsamen Konsens zu erreichen. Im Mai 2007 fanden erneut Einzel- und Kleingruppengespräche mit Steue- rungsverantwortlichen und Vertretern der Träger zur Umsetzung der Struktur- vorschläge statt. Bereits im August 2007 erfolgte dann ein begleitendes Coaching zu den Personal- und Vertragsgestaltungen. Im Oktober 2007 war es dann soweit, dass im Rahmen des 3. und letzten Werkstattgesprächs die Projektergebnisse allen Prozessbeteiligten präsentiert wurden.

Die Projektgruppe legte nach mehr als einer einjährigen gemeinsamen Pro- jektarbeit im November 2007 das von allen Beteiligten verabschiedete Neuor- ganisationsmodell für die zukünftige ambulante zuwendungsfinanzierte Sucht- hilfe in der Stadt Duisburg zur fachpolitischen Diskussion in Form eines Ab- schlussberichts vor.

Der externe Berater übergab den Abschlussbericht der Organisationsentwicklung „Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg, 2006-2007“ im Dezember 2007 dem zuständigen Dezer- nenten.

Abbildung 2: Zeitplan [22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Zeitplan

April 2008

Am 09.04.2008 stellte dann die Fachverwaltung die Ergebnisse der Arbeits- gruppe als neuen „konsensualen Vorschlag“[23] zur politischen Diskussion vor. Bereits in dieser Vorlage wurde u.a. die Gründung eines Vereins „Kooperati onsverbund Suchthilfe Duisburg e.V.“ als Ergebnis des Arbeitsgruppenprozes ses mitgeteilt. Die Arbeitsgruppe verständigte sich nach einem konstruktiven und fachkompetenten Diskussionsprozess darauf, einen Verein zu gründen, der den Namen „Kooperationsverbund Suchthilfe Duisburg e.V.“ tragen sollte. Die Gründung dieses Vereins sollte 2008 umgesetzt werden. Die Stadt Duis- burg, der Caritasverband für die Stadt Duisburg e.V., das Diakoniewerk Duis- burg gGmbH und die Alexianer Bürgerhaus Hütte gGmbH sollten Mitglieder des Vereins sein. Das Ziel dieser Neuorganisation wurde mit einer „größeren Effizienz und Optimierung“ der Suchthilfeangebote begründet.

„...Der Kooperationsverbund Suchthilfe Duisburg e.V. wird gegründet, um die einzel- nen bei der Stadt Duisburg und den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege vorhan- denen Ressourcen zu einer noch effizienteren Suchthilfe zu bündeln. Eine Steuerung „aus einer Hand“ schafft Optimierung durch verbesserte Schnittstellen zwischen ein- zelnen Leistungsbausteinen und verhindert Doppelsysteme. Damit wird ein innovati- ves, ganzheitliches Gesamtkonzept, welches sich an den Anforderungen einer mo- dernen Suchtkrankenhilfe orientiert, konsensual auf den Weg gebracht.“[24]

September 2008

Als Ziel der Neugründung wurde die „effiziente“ Bündelung der vorhandenen Ressourcen mit mehr Effektivität und durch Steuerung aus einer Hand, die Optimierung der Schnittstellenarbeit sowie Vermeidung von Doppelsystemen einer zukünftigen modernen ambulanten Sucht- und Drogenhilfe angegeben.[25] Nach den fachpolitischen Diskussionen über die Pläne für die zukünftige am- bulante Sucht- und Drogenhilfe der Stadt Duisburg wurde bereits am 22.09.2008 in der Ratssitzung die Beschlussvorlage Nr. 08-0689/1, „Schaf- fung eines Suchthilfeverbundes Duisburg e.V.“, sowie der Abschluss eines Leistungsvertrags zwischen dem Verein und der Stadt Duisburg einstimmig beschlossen. Mit diesem zunächst gesundheits- und sozialpolitisch fortschritt- lichen Beschluss und Abschluss eines Kontrakts übertrug die Stadt Duisburg die in die Zuständigkeiten der Gemeinde fallenden Aufgaben im Bereich der Suchtprävention und Sucht- und Drogenhilfe von der öffentlichen Trägerschaft auf den freien Träger. Nach der Beschlussvorlage der Stadt Duisburg von 2008, Anlage 1 zur Drucksache Nr. 08-0689/1 (Abb. 4) mit der Satzung des Vereins wurde eine Organisationsstruktur nach dem Willen der Stadt Duisburg festgelegt.

Abbildung 4: Tr ä gerverbund Duisburger Suchthilfe e.V.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Demnach behielt die Stadt Duisburg als Geldgeber in der Mitgliederversamm lung mit vier Stimmen gegenüber drei Stimmen der Vertreter der freien Träger weiterhin die Kontrolle über die aktuelle und zukünftige Gestaltung der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe in Duisburg. In der Verwaltungsvorlage Drucksache Nr. 08-0689/1 vom 22.09.2008 heißt es dazu:

„Organe dieses neuen Vereins“

„In der Mitgliederversammlung haben die Stadt Duisburg vier Stimmen und die o.g. Ver- bände der Freien Wohlfahrtspflege jeweils eine Stimme. Die Stadt Duisburg wird durch Herrn Stadtdirektor Dr. Greulich, Herrn Dr. Fries, Herrn Storm und Herrn Beigeordneten Janssen (bzw. Vertreter) im Suchthilfeverbund Duisburg e.V. vertreten sein. Ein haupt- amtlicher Vorstand ist verantwortlich für die laufende Geschäftsführung des Suchthilfe- verbundes Duisburg e.V. Er besteht aus zwei Personen, die gleichberechtigt jeweils die Bereiche „Drogenberatung“ und Fachstelle für Suchtvorbeugung Jugendsuchtbera- tung“ koordinieren“.[26]

2009

Nach der Gründung des Vereins „Suchthilfeverbund Duisburg e.V.“ wurde am 26.08.2009 ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Stadt Duisburg und dem Verein Suchthilfeverbund Duisburg e.V. zur Durchführung der Suchtar- beit in der Stadt Duisburg geschlossen. Mit dem Abschluss des Vertrags ge- mäß § 2 (Aufgabenwahrnehmung) übertrug die Stadt Duisburg die in die Zu- ständigkeiten der Gemeinde fallenden Aufgaben in Übereinstimmung mit §5 Abs. 3 Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst NRW (ÖGDG) an den Verein zur Durchführung in eigenem Namen. Im Rahmen dieses Vertrags wur- den die 9,0 Stellen mit entsprechendem Personal (ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle und der Suchtvorbeugung) im Wege der Zuweisung, die Angestellten gemäß nach §4 Abs. 2 des Tarifvertrag Öffentliche Dienst (TV-ÖD) und die Beamten gemäß nach §123a Abs. 2 Be- amtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) zur Verfügung gestellt. Außerdem wurde die Finanzierung so geregelt:

„Der Kooperationsverbund Suchthilfe Duisburg e.V. schließt einen Leistungsvertrag mit der Stadt Duisburg ab. Die Mittel der Stadt Duisburg hierfür speisen sich aus dem Haus- halt der Stadt Duisburg und der im Rahmen der Kommunalisierung der Stadt Duisburg zugewiesenen Fachpauschale für Suchthilfe durch das Land NRW. Der Kooperations-verbund Suchthilfe e.V. überweist an die beteiligten Verbände die in diesen Mitteln ent- haltenen Personalkostenzuschüsse für die bei diesen Verbänden angestellten Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter. Etwaige Fehlbeträge gehen zu Lasten der jeweiligen Anstel- lungsträger. Im Grunde wird das bisherige Finanzierungssystem zunächst fortgesetzt“ .[27]

Die Dokumentationspflicht, Verwendungsnachweiseregelung und die Qualitätssicherung waren ebenfalls Bestandteil des Leistungsvertrages. Der Suchthilfeverbund Duisburg e.V. nahm 2010 die Arbeit auf.

2.5 Suchthilfeverbund Duisburg e.V.

Der Suchthilfeverbund Duisburg ist heute ein trägerübergreifender Verbund der ambulanten Sucht- und Drogenhilfe. Er bietet Beratung und Unterstützung für Duisburger Bürgerinnen und Bürger, die Suchtmittel konsumieren und/oder suchtartige Verhaltensweisen zeigen. Die Beratungsstellen sind ebenso An- sprechpartner für Angehörige und Bezugspersonen. Die Fachstelle für Sucht- vorbeugung richtet sich an Fachkräfte, Kinder, Jugendliche und weitere Ziel- gruppen. Im Suchthilfeverbund arbeiten die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachstelle für Suchtvorbeugung des Jugendamtes und der Drogenberatungsstelle des Gesundheitsamtes sowie des Diakoniewerkes und seit 2013 vereinseigene Fachkräfte zusammen. Außerdem unterstützen das Suchthilfezentrum Nikolausburg des Caritasverbandes und die Alexianer Bür- gerhaus Hütte gGmbH die Arbeit des Vereins mit 10 Std./Woche Personalein- satz. Zurzeit sind 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Abb. 5) an drei Stand- orten (Abb. 6) in Duisburg tätig. Das Einzugsgebiet des Suchthilfeverbundes ist auf das Stadtgebiet von Duisburg begrenzt.

Die Arbeit wird in erster Linie aus Mitteln der Stadt Duisburg und des Landes NRW finanziert. Zusätzlich erhält der Verein zweckgebundene Spenden.[28]

Abbildung 5: Organigramm SHV Duisburg e.V.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Standorte des Suchthilfeverbundes

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.6 Zusammenfassung

Die Aufgabe der Organisationsentwicklung in Duisburg bestand darin, unter Berücksichtigung der haushaltspolitischen Gesichtspunkte (Stellenkürzung), die Optimierungspotenziale innerhalb der ambulanten Versorgung der Sucht- kranken und Drogenabhängigen, insbesondere für die mit Migrationshinter- grund, gemeinsam mit den Vertretern der Träger der ambulanten Suchthil- feeinrichtungen und deren betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit Hilfe eines externen Beraters durch die Neuorganisation herauszuarbeiten. Im Prozess der Organisationsentwicklung mit dem Ziel der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in Duisburg waren sowohl die Vertreter der Kommunalpolitik und Träger der Suchthilfe (Geschäftsfüh- rung, Leitungskräfte und zum Teil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) als auch ein externer Berater und die Verwaltungsspitze mit den zuständigen Dezer- nenten, dem Suchtkoordinator und den Amtsleitern mit unterschiedlichen Mo- tiven und Zielen involviert. Er bestand aus verschiedenen Phasen und Ent- scheidungsprozessen (Abb. 7).

Abbildung 7: Ablauf des Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwen- dungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg war von den ersten Überlegungen zur Verän- derung bis zur Arbeitsaufnahme der neuen Organisation „Suchthilfeverbund Duisburg e.V.“ ein langer Prozess. Ziele der Neuorganisation waren, u.a. mit Hilfe eines Organisationsentwicklungsprozesses die vorhandenen Ressour- cen der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in Duisburg, die An- gebote der Stadt Duisburg und der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, zu einer noch effizienteren Suchthilfe zu bündeln und mit der Steuerung aus einer Hand Doppelsysteme (Optimierung der Leistungen) zu vermeiden.[29] Anschlie- ßend sollte gemeinsam mit allen zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Suchthilfeträger, ein innovatives, ganzheitliches Gesamtkonzept erstellt werden, um den Anforderungen einer modernen Suchtkrankenhilfe gerecht zu werden. Insbesondere war es die „leise“ Absicht und die Hoffnung der Kom- munalpolitik, durch diesen Prozess der Neuorganisation auch noch Stellen zu kürzen und weitere Ausgaben zu vermeiden.

Mit der politische Entscheidung zur Neuorganisation war beabsichtigt u.a.:

Stellen (1,5) zu kürzen, ohne die Versorgung zu gefährden und die Angebote zu erweitern
- Interkulturelle Öffnung der Suchthilfe zur Versorgung der Suchtkranken mit Migrationshintergrund gewährleisten
- Neues einheitliches Konzept
- Entwicklung neuer Qualitätsstandards in der ambulanten Suchthilfe Errichtung einer Jugendsuchtberatung
- Erhalt der beiden Standorte der Drogenberatungsstellen Steuerung aus einer Hand
Leistungsvereinbarung
Trägergemeinschaft (Mitglieder der Suchthilfeverbund Duisburg e.V.)

Es war das Anliegen der am Prozess beteiligten Personen, nach der kommunalpolitischen Entscheidung mit Hilfe der Organisationsentwicklung einen Rahmen für die Umsetzung der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg zu schaffen, diese gemeinsam zu meistern und die notwendige Schritte einzuleiten. Hinsichtlich der Veränderungsbereitschaft, Akzeptanz, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit war dabei wichtig, transparent und partizipativ unter Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Prozess zu gestalten.

Da allein mit dem Wunsch etwas verändern zu wollen, sich automatisch nichts verändert, sondern es systematisch-methodisch organisiert und der Weg da- hin beschrieben und gestaltet werden muss, ist zunächst eine Auseinander- setzung mit dem Begriff „Organisationsentwicklung“, ohne in die Tiefe zu ge- hen, notwendig, um dies aus der wissenschaftlichen Perspektive zu erläutern. Um den langjährigen Prozess der ambulanten zuwendungsfinanzierten Sucht- hilfe in der Stadt Duisburg in einzelnen Phasen und Schritten mit unterschied- lichen Akteuren und Zielen nachzuvollziehen, ist es hilfreich, sich mit den ele- mentaren Merkmalen der Begriffe wie Organisation, Organisationstheorien, Kernelemente der Organisation sowie mit der Organisationsentwicklung aus der wissenschaftlichen Perspektive näher zu beschäftigen.

Kapitel III

3. Organisationsentwicklung / Neuorganisation

In den bisherigen Ausführungen wurde der Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg, chronologisch beschrieben, ohne darauf einzugehen, was sich hinter dem Begriff „Organisationsentwicklung“ an Verständnis, Instrumenten und Kon- zepten verbirgt, woher sie kommt, woraus sie besteht oder wie sie definiert wird und warum sie wichtig ist. Um einen allgemeinen Überblick über Or- ganisationsentwicklungen zu erhalten, ist es notwendig, sich damit aus der wissenschaftlichen Perspektive auseinanderzusetzen. In diesem Kapitel werden einige theoretische Ausführungen zur Übersicht über grundle- gende Verständnisse und Charaktere des Begriffs „Organisation“ sowie über Organisationstheorien und elementare Merkmale (Kernelemente) der Organisation und Organisationsentwicklung vorgestellt. Um sich den Begriffen anzunähern, werden - ohne in die Tiefe zu gehen - verschiedenen Blickweisen in der wissenschaftlichen Betrachtung vorgestellt. Auf die Fra- gen, warum Organisationentwicklung wichtig ist, was sie ist und woher sie kommt, woraus sie besteht und wie sie in der Sozialwissenschaft definiert wird, werden Antworten aus der Fachliteratur kurz vorgestellt, um den Pro- zess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Sucht- hilfe in der Stadt Duisburg nachzuvollziehen bzw. unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu begründen. Zunächst stellt sich die Frage, was eigent- lich eine Organisation ist, um ein allgemein nachvollziehbares Verständnis zu erhalten und anschließend die unterschiedliche Theorien und Kernele- mente der Organisation kennenzulernen.

3.1 Organisation

Organisationen sind allgegenwärtig und präsent im Alltag des gesellschaftlichen Lebens jedes einzelnen Individuums, auch in der Sozialen Arbeit.[30]

„Unser Leben wird maßgeblich von Organisationen bestimmt […].“[31] Schon mit der Geburt in einem Krankenhaus, der Besuch des Kindergartens, der Schule oder Studium an einer Fachhochschule / Universität oder Arbeit in einem Betrieb und Mitgliedschaft in einer Partei - wird der Mensch Mitglied der Organisationen, ohne es zu wissen, was eine Organisation ist und wie sie funktioniert. Dabei existieren unterschiedliche Richtlinien und Rahmenbedingungen, um in diesen Organisationen Mitglied, Kunde oder Arbeitnehmer zu werden. Merchel sieht in den organisatorischen Gebilden unterschiedliche Rollen der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft.

„Gesellschaft wird durch organisatorische Gebilde geschaffen, und Organisationen sind eine Sozialform, in die Menschen in vielfältiger Weise eingebunden sind, als aktiv Han- delnde in Organisationen, als Adressat der Aktivitäten von Organisationen und als Sub-jekte, die mit bestimmten Zuständen und erwartbaren Handlungsmustern von Organi- sationen kalkulieren und darauf bezogene eigene Handlungsstrategien entwerfen“.[32]

Organisationen haben unterschiedliche Erscheinungsformen wie Parteien, Betriebe, Verbände oder Unternehmen in unserem Lebensalltag. Es gibt in der Literatur keine einheitliche Begriffsbestimmung über „Organisation“. In den meisten wichtigen organisationstheoretischen Schriften wird auf eine präzise Organisationsdefinition verzichtet.[33] James G. March verweigert es zu definie- ren und spricht davon, dass Organisationen immer das seien, wofür eine Or- ganisationstheorie sie halte[34]. Karl E. Weick verzichtet sogar auf den Begriff und spricht vom „Organisieren“.[35]

Dennoch gibt es Versuche den Begriff „Organisation“ zu definieren. Merchel und Weick bezeichnen Organisationen als lebendige Organismen mit unter- schiedlichen Akteuren, die sich untereinander und mit dem Gebilde auseinan- dersetzen[36].

„Organisationen halten Leute beschäftigt, unterhalten sie bisweilen, vermitteln ihnen eine Vielfalt von Erfahrungen, halten sie von den Straßen fern, liefern Vorwände für Geschichtenerzählen und ermöglichen Sozialisation. Sonst haben sie nichts anzubie- ten.“[37]

Kühl (2011) definiert Organisation als „[…] eine Form von sozialem Gebilde - oder wenn man will: sozialem System […], das* sich von anderen sozialen Gebilden wie Familien, Gruppen, Netzwerken, Protestbewegungen oder auch dem Nationalstaat unterscheiden lässt.“[38]

Demnach ist nahezu jeder Mensch in der Gesellschaft Mitglied einer oder mehrerer Organisationen. Sie sind in diese Organisationen, in passiver oder aktiver Art und Weise, ob das bereits schon durch die Geburt in einer Klinik, danach im Kindergarten, Schule, Arbeit oder in einem Sportverein und Par- teien ist, eingebunden.[39] Die Entscheidung der aktiven oder passiven Mitglied- schaft in einer Organisation ist zwar mehr oder weniger freiwillig, dennoch be- stehen Rollenverteilung, Strukturen, Regeln, Erwartungen, Verpflichtungen, moralische, soziale, wirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Ziele und Zwecke und bei Verstößen möglicherweise auch Sanktionen, die als zentrale Merkmale der Organisation-(en)[40] über die die Organisationen selbst entschei- den können. Merchel (2007) spricht in diesem Zusammenhang von Kernele- menten der Organisationen, um sie nach „maßgeblichen Sinn- und Deutungs- mustern hin untersuchen zu können“[41]. Dabei spricht er von fünf wesentlichen inneren Kernelementen, die die Organisationen im Hinblick auf den inneren Aufbau unterscheiden (Abb. 8).[42] Demnach stehen diese in einer Wechselbe- ziehung sowohl untereinander als auch zur Umwelt, die mit Erwartungen und Aufträgen an die Organisation und umgekehrt mit Zuweisungen von Ressour- cen an die Organisation zu sehen seien.[43]

Abbildung 8: Kernelemente von Organisationen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die inneren Kernelemente der Organisation nach Merchel (2007) finden sich in der Organisationstheorie von Schulte-Zurhausen (2014) wieder..

3.2 Organisationstheorien

Die Inhalte des Organisationsbegriffs nach den Organisationstheorien lassen sich in drei Kategorien einteilen:

1. Institution mit bestimmten Eigenschaften
2. Instrumente, mit deren Hilfe die Ziele der Institution erreicht werden sollen Und als Funktion des Organisierens von Institution und Instrumente gibt es zusammenfassend die dritte Kategorie:
3. Managementfunktion des Organisierens[44] (Abb. 9).

Die Organisationsstrukturen werden als „das Ergebnis menschlichen Han- delns“ in Organisationen, in dem das „gestalterische Handeln“ eine zentrale Position hat, als „künstliche Gebilde des menschlichen Handelns“[45] der Organisationsgestaltung definiert. Die Organisationsgestaltung wird als „planmäßige Einführung organisatorischer Regelungen zur zielgerichteten Beeinflussung der Handlungen einer Mehrzahl von Personen verstanden“.[46]

Abbildung 9: Kategorisierung von Organisationsbegriffen [47]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Institutionale Organisationsbegriff bedeutet, geprägt durch die Organisationssoziologie und -psychologie, ein zielgerichtetes, offenes, soziales System mit einer formalen Struktur und zielt auf drei wesentliche Eigenschaften von Organisationen:

- Organisationen sind offene und soziale Systeme, deren Mitglieder miteinander in Beziehung stehen und deren Grenzen gegenüber ihrer Umwelt bewusst festgelegt sind.
- Organisationen sind ziel- und zweckorientiert und streben koordiniert nach Verwirklichung ihre verbindlich festgelegten Organisationsziele.
- Organisationen haben formale Strukturen mit rationalen Regeln, um die Ziele zu erreichen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Organisationen auf Dauer angelegte und sich aus Individuen und Gruppen zusammensetzende Institutionen sind, die nach einem gemeinsamen Ziel streben[48].

Der Instrumentale Organisationsbegriff kann als „die Gesamtheit aller generellen, expliziten Regelungen“[49] definiert werden (Regeln als Instrumente zur Herstellung der Ordnung wie Arbeits- und Aufgabenteilung in Organisationen).

Der funktionale Organisationsbegriff bezieht sich auf die (Regel-) Veränderungen im Sinne organisatorischer Gestaltung. Er umfasst „alle Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Planung, der Einführung und der Durchsetzung von organisatorischen Regeln“[50] stehen, wie zum Beispiel die Arbeitsprozesse an veränderte Umweltanforderungen anzupassen oder bei „Neuorganisationen“ die Planung von neuen Organisationsstrukturen.

Im Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe waren vier unterschiedliche Organisationen mit unterschiedlichen Organisationsstrukturen, Organisationskulturen, Organisationszwecken und Zielen, unterschiedlich qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unterschiedlichen Funktionen und Rollen sowie Befürchtungen und Erwartungen beteiligt. Um die einzelnen Gründe, Motive, Schritte, eingesetzten Instrumente und Methoden nachzuvollziehen, ist es wichtig, sich mit dem Begriff „Organisationsentwicklung“ auseinanderzusetzen.

Was heißt eigentlich hier Organisationsentwicklung? Gibt es eine allgemein- gültige Definition? Woraus besteht sie? Warum gibt es Organisationsentwick- lung? Aus welchen Schritten, Interaktionen, Instrumenten, Methoden und Akt- euren besteht sie? Welche Ziele und Zwecke verfolgt eine Organisationsent- wicklung? Wer entscheidet es? Wie wird in der wissenschaftlichen Auseinan- dersetzung der Begriff und die Prozesse, die damit gebunden sind, erklärt?

3.3 Organisationentwicklung

„Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber wenn es besser werden soll, muss es anders werden“[51]

Zum Begriff „Organisationsentwicklung“ finden sich in der Literatur sehr viele Auffassungen. Es ist ein vielfach gebrauchter Begriff, der für alle im Zusam- menhang mit den Anforderungen aus der Umwelt resultierenden Erschei- nungsformen irgendwelcher sozialen und organisatorischen Veränderungs- prozesse in den Organisationen verwendet wird.[52] Ursprünglich kommt der Begriff Organisationsentwicklung aus den USA, („Organization Develop- ment“), dessen Ausgangspunkt sich u.a. auf die von dem Psychologen Kurt Lewins (1890-1947) durchgeführte Gruppendynamikprozess-Forschung in den Jahren 1946/1947 bezieht. Er stellte fest, dass tiefgehende Selbstrefle- xion der Leitungskräfte zu neuen Umgangsformen innerhalb der Organisatio- nen führen und damit einhergehend notwendige Überprüfungen und Verände- rungen der Organisationsstruktur und Organisationsabläufe erzeugen kann.[53] Durch Gruppenarbeit können neue Lernmöglichkeiten entstehen und Verän- derungen und Probleme in der Gruppe leichter diskutiert werden.[54] Es „sollte zu einer humanen und effektiveren Organisation führen“. [55] Lewins „Drei-Pha- sen-Modell“ (Abb. 10) aus dem Jahr 1946 lieferte eine fundamentale Grund- lage zum Prozess der Organisationsentwicklung bis heute. Nach Lewins The- orie (sogenanntes Gleichgewichtsmodell) wirken in Organisationen zwei grundsätzliche Kraftfelder. Einerseits die Gruppe die sich für den Erhalt der Status Quo einsetzt und andererseits die Gruppen, die Veränderungen provo- zieren. Lewins Theorie zufolge streben die „Organisationen nach sozialen Gleichgewichtzuständen.“ So müssen „grundsätzlich veränderungsfördernde und hemmende Kräfte (…) aus dem Gleichgewicht gebracht werden (...), um Wandel herbei zu führen, und wieder zum Ausgleich kommen (...), um an- schließend erneut Stabilität zu erreichen.“[56]

Abbildung 10: „ 3 Phasen-Model nach Lewin “ [57]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Demzufolge besteht die Organisationsentwicklung aus drei Hauptphasen, nämlich Phase des Auftauens (Unfreezing), Phase der Veränderung (Move- ment) und Phase der Wiedereinfrierung (Refreezing). Dabei sieht er in der ers- ten Phase die verfestigten kognitiven und betrieblichen Strukturen in einem Gleichgewichtszustand. In dieser Phase muss die Organisation „(…) ihren vor- herigen Zustand des Gleichgewichts aufgeben und Bereitschaft zur Verände- rung entwickeln“.[58] Ein solcher Prozess kann dann sowohl von innen durch Diskrepanzerfahrungen oder Fehleranalysen als auch von außen durch die Umweltveränderungen oder massive öffentlicher Kritik ausgelöst werden. Je massiver die Störungen und der Leidensdruck sind, desto höher liegt die Mo- tivation für einen tiefgehenden Prozess der Organisationsveränderung.[59] In dieser Phase findet die Vorbereitung auf die möglichen Veränderungen wie zum Beispiel „auftauen“ von „etablierten Mustern und Routinen“[60] mit entsprechenden Impulsen (Ist- und Bedarfsanalyse, Ansammlung von Informationen, Diskussionen mit den möglichen Akteuren und Motivationsaufbau, insbesondere Feedback) statt. Es wird eine Veränderungsbereitschaft erreicht.

In der 2. Phase steht die fachliche- und strukturelle Auseinandersetzung mit allen Beteiligten (Phase des Bewegens). In dieser Phase gibt es Versuche durch Veränderungen an Strukturen und Handlungsweisen einen Gleichgewichtzustand zu erreichen. Es werden Änderungen eingeleitet und durchgeführt um das Gleichgewicht wieder zu erreichen.

In der dritten Phase wird mit geeigneten Maßnahmen und Instrumenten ein neues gefestigtes Gleichgewicht (Restrukturierung) wiederhegestellt.[61] In der Phase „Einfrieren“ geht es um die Stabilisierung der Um- und Eingewöhnung an die neuen Inhalte und Strukturen der neuen Organisation und deren „Be- standsicherung“[62] um die realisierten Veränderungen langfristig zu sichern (Rückfallvermeidung). Auffällig im 3-Phasen Modell ist, dass es sowohl zu Be- ginn des Prozesses als auch am Ende einen Gleichgewichtzustand gibt, wobei der am Ende auf einem höheren Level liegt.[63] Dieser neuer Gleichgewichtzu- stand, ist aber nicht mehr mit dem Gleichgewicht am Anfang zu vergleichen. Allerdings muss auch der neue Zustand für neue Anstöße (Auftauen) und da- mit für neue Organisationsentwicklungsprozesse ansprechbar bleiben[64]. In diesem Zusammenhang spricht man vom „temporalen Gleichgewicht“, d.h. Or- ganisation ist immer wieder mit Veränderungsprozessen konfrontiert und ent- wickelt sich fort. Eine zentrale Aufgabe der Organisationsentwicklung nach Lewins 3-Phasen Modell ist es, dass bei Veränderungsvorhaben zu erwarten- den Widerstände überwunden werden müssen, um eine Bereitschaft zu Ver- änderung zu erreichen. Anschließend kann dann „mithilfe großflächiger Partizipation Gelegenheit“ geschaffen werden, „neue Strukturen miteinander hervorzubringen und sich in die veränderte Rollen und Verantwortlichkeiten einzuüben (a.a.O.)“[65]

Der Begriff „Organisationsentwicklung“ kam zum erster Mal 1957 in den USA zur Anwendung und verbreitete sich dann in den 70er/80er Jahren als „weit- gehendes Partizipationsmodell für die Beschäftigten“ und als ein „Instrumen- tarium zur Demokratisierung in Organisationen“ in Deutschland.[66] In der Lite- ratur sind unterschiedliche Modelle zur Organisationsentwicklung vorzufinden. Aufbauend auf dem 3-Phasen-Modell nach Lewin spricht Kotter (1996),[67] von einen 8-Stufen-Modell und Streich (1997) von einem 7-Stufen Modell (Abb. 11).[68]

Abbildung 11: Phasenmodelle von Ver ä nderungsprozessen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das 12-Stufen Modell nach Doppler/Lauterburg[69] setzt einen Akzent auf die psychologische Prozessgestaltung und das Phasenmodell nach Glasl[70] legt den Schwerpunkt mehr auf die Veränderungen der Organisationskultur.

Die Vielfalt der Ansätze, Stufenmodelle oder Phasen von Veränderungsprozessen sind auf die unterschiedlichen Gesichtspunkte und Kriterien der Phaseneinteilung bzw. Untersuchungsschwerpunkte der einzelnen Autoren zurückzuführen, die den Ausgangspunkt für zahlreiche Theorien der Organisationsentwicklung bilden.[71]

Als theoretische Grundlage zur Erklärung und Begründung der Organisations- entwicklung im Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfi- nanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg, eignet sich hier das sogenannte „3-Phasen-Modell“ nach Lewin am ehesten. Eine ausführliche Erklärung hierzu bieten sowohl die Ausführungen im Kapitel II unter Punkt 2.4 als auch die Ergebnisse der Analysen der Experteninterviews im Kapitel V.

Zunächst ist es aber notwendig, sich mit der Definition der Organisationsent- wicklung auseinanderzusetzen, um ein nachvollziehbares, allgemeingültiges Verständnis des Begriffs zum Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg zu erhalten.

3.3.1 Definition von Organisationsentwicklung

Der Begriff „Organisationsentwicklung“ ist eine „inflationäre verwendete Voka- bel.“[72] Es gibt vielfältige Definitionen, akzentuiert in unterschiedlichen wissen- schaftlichen (soziologischen, betriebswirtschaftlichen oder psychologischen) Varianten. Die Definitionen werden je nach Kontext mit unterschiedlichen me- thodischen Aspekten und Instrumenten ergänzt bzw. erweitert. Zwei Beispiele hierzu sollen dies deutlich machen. Nach der Definition der „Deutschen Ge- sellschaft für Organisationsentwicklung e.V.“ (GOE) kann man Organisations- entwicklung auffassen:

"… als einen längerfristig angelegten, organisationsumfassenden Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Organisationen und der in ihr tätigen Menschen. Der Prozess beruht auf Lernen aller Betroffenen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrung. Sein Ziel besteht in einer gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität) und der Qualität des Arbeitslebens (Humanität).“ (Vgl. Becker H. / Langosch I., 2002, S.6)

In der Definition des „ Gabler - Wirtschaftslexikons“ 2016 heißt es:

„1. Begriff: Strategie des geplanten und systematischen Wandels, der durch die Be- einflussung der Organisationsstruktur, Unternehmenskultur und individuellem Verhal- ten zustande kommt, und zwar unter größtmöglicher Beteiligung der betroffenen Ar- beitnehmer. Zielsetzung ist einerseits, der Leistungsfähigkeit der Organisation, und andererseits der Entfaltung der einzelnen Organisationsmitglieder zu dienen. Die ge- wählte ganzheitliche Perspektive berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen In- dividuen, Gruppen, Organisationen, Technologie, Umwelt, Zeit sowie die Kommuni- kationsmuster, Wertestrukturen, Machtkonstellationen etc., die in der jeweiligen Or- ganisation real existieren. 2. Ziele: Die Verbesserung der organisatorischen Leis- tungsfähigkeit zur Erreichung der strategischen Ziele der Unternehmung und die Ver- besserung der Qualität des Arbeitslebens für die in ihr beschäftigten Mitarbeiter (Hu- manisierung der Arbeit)“. [73]

Der Begriff „Organisationsentwicklung“ wird nicht nur unterschiedlich definiert, sondern es findet sich im deutschen Sprachgebrauch auch die Unterschei- dung zwischen „Organisation im engeren Sinne“ und „Organisation im weite- ren Sinne“. Organisationsentwicklung “im engeren Sinn“ wird definiert:

„als eine Methode bzw. als ein Inventar verschiedener Methoden zur zielgerichteten und in einem eigenen Prozess konzipierten Veränderung von Organisationen (mit mehr oder weniger intensiver normativer Ausrichtung)“.[74]

Und Organisationsentwicklung “im weiteren Sinn“ wird beschrieben:

"Als Formel für eine alltägliche Fortentwicklung und Anpassung von Organisationsstrukturen und Organisationsabläufen an laufend sich verändernde Anforderungen und für eine kontinuierliche Ausrichtung an Erfahrungen und neuen Erkenntnissen, wobei diese Anpassung sich in der Regel nicht auf die Gesamtorganisation bezieht und nicht die „Tiefe“ der Organisationsstrukturen erreicht.“[75]

Demnach handelt es sich bei der Organisationsentwicklung (im engeren Sinn) um eine Ansammlung von unterschiedlichen Instrumenten und Vorgehenswei- sen. Sie umfasst organisationsbezogene Veränderungsstrategien zur Opti- mierung von Organisationen. Sie muss geplant, mit Hilfe eines internen oder externen Organisationsberaters gelenkt und systematisch unter Einbeziehung der Betroffenen durchgeführt, aus dem Gesamtsystem der Organisation(en) heraus verstanden und gestaltet werden. Damit ist in der Regel eine Intensität an Umfang und Tiefe der Veränderungen in den Organisationen verbunden.[76]

Auch wenn aus den bisherigen Ausführungen deutlich wird, dass keine in sich geschlossene Definition existiert, gibt es jedoch ein weit verbreitetes Verständnis und diverse Definitionsversuche von Organisationsentwicklung.

3.3.2 Zusammenfassung

Es gibt keine einheitliche Definitionen und Theorien zum Begriff „Organisation“ und unterschiedliche Verständnisse über „Organisationsentwicklung“. Den- noch gibt es Definitionsversuche, die in Grundzügen vorgestellt wurden. Das „3-Phasen-Modell“ von Lewin bildet die Grundlage der meisten Definitionen von Organisationsentwicklung. Bezugnehmend zum bisherigen Verständnis von „Organisation“ handelt es sich beim Begriff „Organisationsentwicklung“ „...um eine Sammlung von unterschiedlichen Konzepten, Prozessabläufen und methodischen Instrumentarien, mit denen „Organisation“ zum Gegen- stand von Veränderungen bzw. Weiterentwicklung gemacht werden soll“[77]. Folgender Definitionsversuch dient zur Nachvollziehbarkeit der Schritte der Organisationsentwicklung im Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg und als Verständnis- grundlage dieser Arbeit.

„Im sozialwissenschaftlichen und vielleicht idealen Sinn des Wortes ist Organisationsentwicklung eine langfristige Bemühung, die Problemlösungs- und Erneuerungsprozesse in einer Organisation zu verbessern, vor allem durch wirksamere und auf Zusammenarbeit gegründete Steuerung der Organisationskultur - unter besonderer Berücksichtigung der Kultur formaler Arbeitsteams - durch die Hilfe eines OE-Beraters oder Katalysators und durch Anwendung der Theorie und Technologie der angewandten Sozialwissenschaften unter Einbeziehung von Aktionsforschung“.[78]

Außerdem gibt es immer Impulse oder Diskrepanzen zur Notwendigkeit einer Organisationsentwicklung in einer Organisation, dies können zum Beispiel Veränderungsimpulse durch Umweltanforderungen sein, die die zukünftige Entwicklung und Finanzierung der Arbeit entscheidend beeinflussen können.

„Eingebunden in gesellschaftliche Wandlungs- und Modernisierungsprozesse gerät auch die Soziale Arbeit immer stärker unter Legitimationsdruck und ist daher gefordert, ihre Ziele und Methoden in Abstimmung zwischen öffentlichen Erwartungen, Politik und Ökonomie, sozialpädagogischer Praxis und Wissenschaft offen zu legen und ihren ge- sellschaftlichen Nutzen transparent zu machen. Gegenwärtig beansprucht das Wirt- schaftssystem in wachsendem Maße die Definitionsmacht darüber, nach welchen Kri- terien gesellschaftliche Produktivität - auch die der Sozialen Arbeit - zu definieren sei. Die Soziale Arbeit eng an von außen gesetzten Wirtschaftlichkeitskriterien auszurich- ten, muss aber fast zwangsläufig in Konflikt mit ihren funktionalen Aufgaben geraten“.[79]

Welche Impulse und Diskrepanzen als Ausgangspunkt und welche Methoden und Instrumente bei der Gestaltung der einzelnen Phasen und Faktoren zum Gelingen/Nichtgelingen im Prozess der Neuorganisation der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe in der Stadt Duisburg eine Rolle gespielt haben, wird im Rahmen der Experteninterviews von Prozessbeteiligten in Erfahrung gebracht. Somit ist es möglich, die bisherigen theoretischen Grundlagen der Organisationsentwicklung aus der Praxisperspektive zu vergleichen und die sogenannten „Erfolgsfaktoren“ ausfindig zu machen.

Vorab wird im folgenden Kapitel zunächst die theoretische Grundlage der Methode der leitfadenunterstützten qualitativen Experteninterviews, Interviewpartnerinnen und -partner (Experten) und die Fragen zum Interview vorgestellt. Mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse sollen dann anschließend die sogenannten Erfolgsfaktoren und die Übertragbarkeit auf ähnlich gelagerter Organisationsentwicklungsprozesse überprüft werden.

Kapitel IV

4 Methodik und Design

Im folgenden Kapitel soll die Methodik und das Design „qualitativ teilstruktu- rierte Experten-Interviews“, das zur Datenerhebung und Datenauswertung als Grundlage verwendet wurde und die Fragen für die sogenannten Experten be- züglich der Untersuchung der Forschungsfrage und die Experten selbst kurz vorgestellt werden.

4.1 Das Untersuchungsdesign

Ziel der Untersuchung ist es, mit Hilfe der Methode des leitfadenunterst ü tz- ten qualitativen Experteninterviews (Vgl. Abb. 12) mit 10 Personen, die in unterschiedlichen Funktionen am Prozess der Neuorganisation der Suchthilfe in Duisburg beteiligt waren, die sogenannten Erfolgsfaktoren bei der Neuorga- nisation ausfindig zu machen, um anschließend deren Gültigkeit und Über- tragbarkeit auf ähnliche Neuorganisationsprozesse zu überprüfen.

Abbildung 12: Ablaufmodell des qualitativ teilstrukturierten Experten- Interviews[80]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.1.1 Experteninterviews

Die Experteninterviews werden als Leitfadeninterviews durchgeführt, da die Ergebnisse und Aussagen sich so viel leichter auswerten, vergleichen und ver- allgemeinern lassen.[81] Der Leitfaden umfasst mehrere Fragenkomplexe mit Fragen zur Beteiligungsform, zu den Motiven und Interessen zum Thema der Neuorganisation, zum Grund der Neuorganisation, zur Prozessgestaltung (Rolle des externen Beraters / Moderators), zur Mitarbeiterbeteiligung und zur gesamten Bewertung aus der damaligen und heutigen Sicht (Was ist gut ge- laufen? Was ist schlecht gelaufen?). Der Leitfaden dient bei allen Beteiligten als Grundlage der Interviews. Eine ergänzende Akzentuierung wird eingesetzt, um Informationen zu einzelnen Themenbereichen aus verschiedenen Blick- richtungen zu erhalten und zu vergleichen.

Als Experten im Kontext der vorliegenden Masterarbeit werden Personen fun- gieren, die am Prozess der Reorganisation in ihrer damaligen und zum Teil heutigen Position, politisch, fachlich und in der Rolle als zuständiger Dezer- nent, Geschäftsführer bzw. Leiter der einzelnen Anbieter der ambulanten Suchthilfe in Duisburg oder als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv beteiligt waren bzw. den Prozess aktiv begleitet haben und „über notwendig erachtetes Sonderwissen durch ihre institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit“[82] verfügen.

Die Interviews wurden mit Hilfe eines Tonbandgeräts aufgezeichnet und an- schließend transkribiert. „Das Wortprotokoll ermöglicht es auch, einzelne Aus- sagen in ihrem Kontext zu sehen und gibt so die Basis für eine ausführliche Interpretation.“[83] Die Auswertungsverfahren der Interviews werden nach der Methode der „Qualitativen Inhaltsanalyse“ durchgeführt. Die Transskripte wer- den in Kategorien aufgeteilt, systematisch analysiert und schrittweise theorie- geleitet.[84]

[...]


[1] Zitiert nach: Niccolò Machiavelli (1469-1527) in IBM Deutschland GmbH, Stuttgart 2007. Making Change Work. S. 6

[2] Vgl.: Jick/Peiperl 2003, Picot et al. 2003 und Tichy in Picot / Dietl / Franck (=und andere). 2012. S. 516

[3] Vgl.: Merchel, 2004. S. 7

[4] Vgl.: Picot 2015. S. 516

[5] Vgl.: French, Wendell L. / Bell, Cecil H., 1994. S. 31

[6] Vgl.: Merchel, 2007. S. 8

[*] der Verfasser

[7] Vgl.: Brand 2010. S. 113ff

[8] Vgl.: Dietz 2012, Sozialpolitik. S. 7

[9] Vgl.: Freie Wohlfahrtspflege NRW, Arbeitsausschuss Drogen und Sucht 2010. S.4.

[10] Vgl.: Dietz 2012. S. 59

[11] Vgl.: Frevel / Dietz 2008. S. 86 ff

[12] Vgl.: MGEPA-NRW 2013. S.12

[13] Vgl.: Merchel 2009. S. 55

[14] Vgl.: Merchel 2004. S. 7

[15] Vgl.: Merchel 2007. S. 111

[16] Vgl.: Arslan 2007, Grünes Duisburg, Nr.5, April 2007. S. 5 ff.

[17] Vgl.: Stadt Duisburg 2006: Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Gesundheit vom 13.03.2006: Seite 32)

[18] Vgl.: Stadt Duisburg 2006: Drucksache Nr. 06-1041

[19] Vgl.: Stadt Duisburg, 2006: Drucksache Nr.06-1041, S. 26

[20] Vgl.: Stadt Duisburg, 2006: Drucksache Nr.08-0689

[21] Vgl.: Stadt Duisburg, Drucksache-Nr. 08-0689 vom 09.04.2008

[22] Vgl.: Rainer Bathen, 2007. S. 10 und 11

[23] Vgl.: Stadt Duisburg, 2008. Drucksache-Nr. 08-0689

[24] Vgl.: Stadt Duisburg 2008. Drucksache-Nr. 08-0689 vom 09.04.2008: S. 4 25

[25] Vgl.: Stadt Duisburg 2008, Drucksache-Nr. 08-0689, S. 3ff).

[26] Vgl.: Stadt Duisburg 2009. Anlage 1 zur DS 08-0689/1

[27] Vgl.: Stadt Duisburg 2009. Anlage 1 zur DS 08-0689/1: S. 5ff

[28] Vgl.: Stadt Duisburg 2013,Drucksache-Nr. 13-0970: S. 1 ff.

[29] Vgl.: Stadt Duisburg 2008. Drucksache-Nr. 08-0689 vom 09.04.2008: S. 4

[30] Vgl.: Merchel 2007. S. 11

[31] Vgl.: Kühl 2011. S. 9

[32] Vgl.: Merchel 2007. Seite 11

[33] Vgl.: Frese / Graumann / Teuvsen 2012. S. 20

[34] Vgl.: ebenda. S. 21

[35] Vgl.: ebenda. S. 20ff

[36] Vgl.: Merchel 2007. S. 5.

[37] Vgl.: Weick 1995, S. 375 in Merchel 2007. S. 5.)

[38] Vgl.: Kühl 2011. S. 13

[39] Vgl.: ebenda. S. 9ff

[40] Vgl.: ebenda. S.18ff

[*] der Verfasser

[41] Vgl.: Merchel 2007. S. 30

[42] Vgl.: ebenda. S. 30

[43] Vgl.: ebenda. S. 30

[44] Vgl.: Schulte-Zurhausen 2014. S.1.

[45] Vgl.: Frese / Graumann / Teuvsen 2012. S. 25

[46] Vgl.: ebenda. S. 25

[47] Vgl.: Schulte-Zurhausen 2014. S. 1.

[48] Vgl.: ebenda. S. 2.

[49] Vgl.: Zitat nach Schulte-Zurhausen 2014. S. 2

[50] Vgl.: Zitat ebenda. S. 4.

[51] Vgl.: Zitiert nach Georg Christoph Lichtenberg in Radtke 2015. S. 238

[52] Vgl.: Merchel 2004. S. 32.

[53] Vgl.: ebenda. S. 34.

[54] Vgl.: Fatzer 1993. S.13.

[55] Vgl.: Becker / Langosch 2002. S. 3ff.

[56] Vgl.: Schulte-Zurhausen 2014. S. 359

[57] Vgl.: unter: https://organisationsberatung.net/change-management-modelle-im-vergleich/

[58] Vgl.: Merchel 2004. S. 43

[59] Vgl.: Merchel 2004. S. 42

[60] Vgl.: Werther / Jacobs 2014: S. 51

[61] Vgl.: Bornewasser 2009: S. 168.

[62] Vgl.: Merchel 2004. S. 44

[63] Vgl.: Werther / Jacobs 2014: S. 51

[64] Vgl.: Merchel 2004. S. 44

[65] Vgl.: zitiert nach Merchel 2004. S. 45

[66] Vgl.: Merchel 2004: S. 34 und Fatzer 1993: S.13.

[67] Vgl.: Klug 2008. S. 62

[68] Vgl.: Werther / Jacobs 2014. S. 51

[69] Vgl.: ebenda. S. 66

[70] Vgl.: ebenda. S. 67

[71] Vgl.: Werther / Jacobs 2014. S. 51

[73] Vgl.: Gabler Wirtschaftslexikon 2016. Stichwort: Organisationsentwicklung,

[74] Vgl.: Merchel 2004. S. 35

[75] Vgl.: Ebenda

[76] Vgl.: Merchel 2004. S. 38

[77] Vgl.: Merchel 2004. S. 60

[78] Vgl.: French/ Bell. S. 31

[79] Vgl.: Böllert, Hansbauer, Hasenjürgen, Langenohl (Hrsg.) 2006. S. 7

[81] Vgl.: Mayring 2002. S. 70

[82] Vgl.: Hitzler / Honer / Maeder 1994. S. 1

[83] Vgl.: Mayring 1999. S. 69

[84] Vgl.: Mayring 2002. S. 114

Ende der Leseprobe aus 205 Seiten

Details

Titel
Erfolgsfaktoren bei der Neuorganisation in der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe
Untertitel
Der Suchthilfeverbund Duisburg e.V.
Hochschule
Fachhochschule Münster
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
205
Katalognummer
V360903
ISBN (eBook)
9783668446281
ISBN (Buch)
9783668446298
Dateigröße
2035 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Gutachten zur Masterarbeit Gesamturteil „die erheblich über den durchschnittlichen Anforderungen liegt.“ Daher wird die Arbeit mit der Gesamtnote gut (2,0) bewertet.
Schlagworte
Organisationsentwicklung, Erfolgsfaktoren, Management, Externe Berater, kommunen, Sucht, Drogen, Kommunalpolitik
Arbeit zitieren
Mustafa Arslan (Autor:in), 2016, Erfolgsfaktoren bei der Neuorganisation in der ambulanten zuwendungsfinanzierten Suchthilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/360903

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