"Rogue States". Völkerrechtliche Aspekte des Begriffs


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2004

26 Pages, Note: 16 Punkte


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Definitionsansätze
1. Juristische Definition
2. Politische Verwendung
a. Indonesien
b. Pakistan
c. Syrien
d. Kuba
e. Volksrepublik China
3. Philosophischer Ansatz

III. Zwischenfazit

IV. Vom Rogue State zum State of Concern und Zurück

V. Konstruktion

VI. Der Rogue State als völkerrechtliche Rechtsfigur
1. Feindstaatenklausel, Art. 107 UN-Charta
2. Selbstverteidigungsrecht auf Grund permanenter Bedrohung
3. Rogue State gleich Failed State?
4. Rogue State als staatliche Übung

VII. Vorgehen der USA gegen Rogue States
1. Engagement und Containment Politik
2. Secondary Sanctions
3. Aufhebung der Staatenimmunität

VIII. Schlussfazit

Literaturverzeichniss

I. Einleitung

Spätestens seit 1994 warnen die USA vor einer neuen Bedrohung – der durch Rogue States, was ins Deutsche zumeist mit Schurkenstaat[1] übersetzt wird. Synonym zu diesem werden auch die Begriffe Outlaw, Pariah- oder Backlash-State [2] und vor allem für die Staaten Nord Korea, Iran und Kuba die Bezeichnung Axis of Evil verwandt.

Wenngleich diese Begriffe in den Medien vieler Länder aufgegriffen wurden, so werden sie nur von wenigen Staaten, neben den USA durch das Vereinigte Königreich und die Ukraine, auch offiziell verwandt.

Bis heute gänzlich ablehnend gegenüber diesen Begriffen ist die Haltung der Permanent Five -Länder Russland, Frankreich und China. Nach ihrer Auffassung benutzten die USA den Term Schurkenstaaten, der als Sammelbegriff Gegenstand dieser Arbeit ist, nur, um so eine Rechtfertigung für den Aufbau eines Nationalen Raketenabwehrsystems zu schaffen[3].

Unklar bleibt also, ob demnach ein (zwischenstaatliches) Einvernehmen über die rechtliche Existenz von Schurkenstaaten besteht, also lediglich die Verwendung dieses Begriffs im Verkehr zwischen den Staaten unterschiedlich gehandhabt wird oder ob es sich um ein bloßes Konstrukt, handelt, das (zumeist) unilaterale Vorgehen der USA gegen diese Staaten polisch und völkerrechtlich zu rechtfertigen.

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Herausarbeitung des Begriffs unter rein völkerrechtlichen Aspekten – bewusst außen vor gelassen wurde eine Einarbeitung der lediglich politisch kontrovers diskutierten Irak Problematik.

II. Definitionsansätze

Obschon die USA einige der Schurkenstaaten als für den 11. September 2001 verantwortlich ausgemacht haben wollen, so ist der Begriff des Schurken – ähnlich dem des Terrorismus[4] – bislang nur unzureichend definiert.

1. Juristische Definition

Hauptgrund für das Fehlen einer „Schurken-Tatbestandsmerkmale“ beinhaltenden „Checkliste“ ist die ursprüngliche Zielrichtung der Verwendung des Begriffs Rogue. Dieser wurde anfänglich vor allem innenpolitisch verwendet um eine breite Basis für den so genannten Kampf gegen den Terror und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen des täglichen Lebens auch vieler amerikanischer Staatsbürger zu rechtfertigen[5].

In ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie (NSS) aus dem Jahre 2002 unternahmen die USA den Versuch, Rogue States als Staaten zu definieren, die:

„brutalize their own people and squander their national resources for the personal gain of the rulers;

- display no regard for international law,
- threaten their neighbors, and callously violate international treaties to which they are party;
- are determined to acquire weapons of mass destruction, along with other advanced military technology, to be used as threats or offensively to achieve the aggressive designs of these regimes;
- sponsor terrorism around the globe; and
- reject basic human values and hate the United States and everything for which it stands[6]

Eine objektivere, den amerikanischen Blickwinkel zu neutralisieren versuchende Sichtweise will einen Staat dann als Schurkenstaat qualifizieren, wenn folgende Kriterien kumulativ erfüllt sind:

- direkter oder indirekter Terrorismus der politischen Führung (auch gegen die eigene Bevölkerung)
- Aggression gegenüber Nachbarstaaten
- Entwicklung von Massenvernichtungswaffen
- Unterwanderung friedlicher Regierungen[7]

Auf Probleme stoßen beide „Checklisten“ bereits bei ihren ersten Punkten, der objektiven, international verbindlichen Definition von Terrorismus[8], vor allem dann, wenn die obersten Staatsorgane, wie in der zweiteren dargestellt, involviert sind.

Weitaus problematischer ist allerdings der amerikanische Alleinanspruch festzustellen, ob diese Kriterien erfüllt sind. Die USA versuchen hierbei darauf abzustellen, inwieweit das Verhalten eines Staates einem, wieder von den USA festgelegten, internationalen Standard genügt. Dieser Standard bestimmt sich nach der Voraussehbarkeit des Verhaltens eines Staates im diplomatischen Verkehr und seiner Reaktion auf Druck durch einen anderen Staat. Verhält er sich nicht voraussehbar, so sei er als „crazy state“ bis zu seiner „Genesung“ aus der Staatengemeinschaft auszuschließen.[9]

2. Politische Verwendung

An dieses Kriterium anschließend sieht das Department of State (DoS) die Merkmale des Schurkenstaates allerdings bereits dann als erfüllt an, wenn, ausgehend vom Export Administration Act (EAA)[10] ein Staat „den internationalen Terrorismus unterstützt“[11].

Kriterium des DoS für die Aufnahme in seine jährlich aktualisierte Liste ist entweder die aktive, unmittelbare Unterstützung international begangener terroristischer Akte oder die indirekte Unterstützung einer terroristischen Organisation, wobei als Unterstützung auch angesehen wird als Save Haven, als Rückzugsgebiet dieser Gruppierungen, zu fungieren.[12]

Wiederum wird der vage Begriff des Terrorismus verwandet. Jetzt aber anknüpfend an die in der US-amerikanischen Innenpolitik vorherrschende Verwendung zur Rechtfertigung der Einschränkung der Freiheitsrechte von US-Bürgern, wodurch wieder lediglich eine politische, nicht aber eine juristische Definition geschaffen wurde.

Diese auf opportunen Beweggründen beruhende, „politische Definition“[13] wird ersichtlich bei Betrachtung der heutigen Schurkenstaaten: Iran, Sudan, Nord Korea, Kuba[14] – zeitweise wurden auch Venezuela, die Volksrepublik China und während der Kosovokrise Serbien miteinbegriffen. Syrien befindet sich in einer Art Grauzone[15], die sich jedoch (siehe unten) von der „normalen“ Politik gegenüber Schurkenstaaten teilweise unterscheidet.

Libyen hingegen, dass sich in der Lockerbie Kontroverse und durch seine „Lossagung vom Terrorismus“ kooperativ[16] zeigt wird allmählich eine „Rückkehr“ in die Völkergemeinschaft gewährt - zuletzt durch die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit den USA. Begründet wurde diese Rehabilitierung durch ein 1999 zwischen Libyen und den USA unterzeichnetes Abkommen, wonach der Schurkenstatus Libyens und das Einfrieren libyscher Gelder[17] im Gegenzug zur Auslieferung zweier libyscher Geheimdienstagenten aufgehoben wurde. Die USA verpflichteten sich darin weiter auf eine weitere Nachforschung der libyschen Involvierung in den Anschlag zu verzichten.

Der klassische Rogue der 1980er Jahre, Irak, wird seit seiner „Befreiung“ im Frühjahr 2003 nicht mehr zu den Schurkenstaaten gezählt.

Diese Staaten zeichnen, bzw. zeichneten sich nach Auffassung des DoS dadurch aus, dass sie eine „proven history of sponsoring terrorism either directly or by providing training, money, weapons, logistical support and safe haven to terrorists“[18] haben, „Religion has nothing to do with it“[19].

Wenngleich letztlich mit der Benennung von Schurkenstaaten ein inner-usamerikanischer Konsens suggeriert werden soll, so zeigt die Existenz dieser zwei Definitionsansätze doch die Uneinigkeit über die Merkmale eines Rogues sogar innerhalb der USA.

Diese Uneinigkeit wird noch deutlicher, wenn sich die Betrachtung den - sich hierzu der amerikanischen Kriterien bedienend - Staaten zuwendet, die beide Ansätze erfüllen, von den USA allerdings nicht als Schurkenstaaten verdammt werden – hier sind exemplarisch Indonesien und Pakistan aber auch das wieder rehabilitierte China zu nennen.

a. Indonesien

Indonesien wurde mit der Machtübernahme General Suhartos, den Präsident Clinton noch 1995 als „our kind of guy“ bezeichnete, im Jahre 1965 quasi über Nacht von einem Feind- zu einem Freundstaat erklärt – dies obwohl der Putschist während der 1980er Jahre 10000e indonesische Staatsbürger umbringen und sie, so Suharto wörtlich „als Schocktherapie in den Strassen herumliegen“ ließ. Trotz der einstimmigen Aufforderung des UN Sicherheitsrats an die indonesische Invasionsmacht in Ost Timor im Jahre 1975 sich aus der nun unabhängigen ehemaligen portugiesischen Kolonie zurückzuziehen, lieferten die USA weiterhin Waffen an den Aggressor. Die Carter Administration erhöhte die Waffenlieferungen. Selbst 1978, als der Tötung der Ost-Timoresen bereits Genozid-Maßstäbe erreicht hatte, unterstützten die USA weiterhin das Regime. Der ehemalige Staatenvertreter der USA bei den Vereinten Nationen, Daniel Patrick Moynihan, bezeichnete das Vorgehen der US-Regierung stolz als „rendering the UN utterly ineffective in whatever measures it undertook“ in seinen Memoiren.[20]

b. Pakistan

Auch das Verhältnis der USA zu Pakistan lässt die konsequente Anwendung der Schurkenkriterien bezweifeln. Pakistan, das seit der Erlangung eigener Atomwaffen und seiner Unterstützung der Talibanherrschaft das Rogue -Kriterium erfüllen würde, wurde nicht zuletzt auf Grund seiner geopolitischen Lage von den, nach Durchführung der ersten erfolgreichen Kernwaffenzündung über das Land verhängten Sanktionen, befreit. Das Know how des Pakistanischen Geheimdienstes, der zunächst Ausbilder, dann großzügiger Unterstützter des Talibanregimes war, wird im noch andauernden „Kampf gegen den Terror“ in Afghanistan und bei der Suche nach Osama bin Laden dringend benötigt. So dringend, dass diese Unterstützung und selbst die Verbreitung von Informationen über den Bau von Nuklearzentrifugen an den Schurkenstaat Nord Korea, Pakistan in den Augen der USA nicht diskreditiert. Vielmehr wird, zum Schutz der Putsch-Regierung des Generals Muscharraff, die Verantwortung - weg vom Staate - alleinig auf den „Schurkenwissenschaftler“Abdul Qadeer Khan, den Chefentwickler der pakistanischen Atombombe, geschoben[21].

c. Syrien

Das Verhältnis der USA zu Syrien war und ist ambivalent. Zwar wurde das als Sponsor von Terroristen geltende[22] Land, das nachweislich chemische Waffen besitzt und in der Lage ist, seine Nachbarstaaten mit Raketen zu erreichen, zu Beginn der Offensive im Irak im Frühjahr 2003 ebenfalls als mögliches Ziel einer amerikanischen Intervention genannt; dies nicht zuletzt begründet durch die amerikanische Befürchtung, hohe Mitglieder der irakischen Baath Partei könnten sich nach Syrien absetzen.

[...]


[1] Pons Großwörterbuch Englisch, 2001, Stuttgart.

[2] Public Papers of the Presidents: George Bush, 1990, S. 1092.

[3] http://www.spacedaily.com/news/bmdo-00v.html, am 15. Juni 2004.

[4] Dahm, VölkerR, Bd. I/3, S. 1110.

[5] Jaberg, in: Lutz/Gießmann, Die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren, S. 8; O’Sullivan, Les dilemmes de la politique américaine, S. 1.

[6] National Security Strategy, 2002, S. 14.

[7] Bundeszentrale für Politische Bildung, http://www.bpb.de/popup_druckversion.html?guid=QC8BA7, am 15. Juni 2004.

[8] Dahm, VölkerR, Bd. I/3, S. 1110.

[9] Rubin, U.S. Foreign Policy And Rogue States, 3. September 1999, Bd. 3 S. 18.

[10] http://www.access.gpo.gov/nara/cfr/waisidx_00/31cfr596_00.html, am 15. Juni 2004; RL30169: Export Administration Act of 1979.

[11] International Lawyers.

[12] http://www.bxa.doc.gov, am 15. Juni 2004.

[13] Chomsky, Rogue State, S.1

[14] Murphy, United States’ Practice in International Law, S. 224

[15] Le Monde diplomatique, Atlas der Globalisierung, S. 94.

[16] Weisburd, Use of Force, S. 215.

[17] McCormack, Self Defence in International Law, S. 227.

[18] Fact Sheet, DoS Bureau of South Asian Affairs, Dezember 2000.

[19] Fact Sheet, DoS Bureau of South Asian Affairs, Dezember 2000.

[20] Noam Chomsky, U.S. Policy Rogue States, http://www.zmag.org/zmag/articles/chomskysept97.htm, am 15. Juni 2004.

[21] The Economist, Rogues Step in, 8. 1.2004, S. 15

[22] Rubin, U.S. Foreign Policy And Rogue States, in: http://www.biu.ac.il/SOC/besa/meria/ journal/1999 /issue3 /jv3n3a7 .html, am 15. Juni 2004.

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
"Rogue States". Völkerrechtliche Aspekte des Begriffs
Université
University of Frankfurt (Main)
Cours
Konstitutionalisierung der internationalen Gemeinschaft oder amerikanischer Unilateralismus?
Note
16 Punkte
Auteur
Année
2004
Pages
26
N° de catalogue
V36229
ISBN (ebook)
9783638359054
Taille d'un fichier
800 KB
Langue
allemand
Mots clés
Rogue, States, Konstitutionalisierung, Gemeinschaft, Unilateralismus
Citation du texte
LL.M. Timo Knaebe (Auteur), 2004, "Rogue States". Völkerrechtliche Aspekte des Begriffs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36229

Commentaires

  • Pas encore de commentaires.
Lire l'ebook
Titre: "Rogue States". Völkerrechtliche Aspekte des Begriffs



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur