Balanced Scorecard in Non-Profit-Organisationen


Diplomarbeit, 2005

81 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Abgrenzung, Definition und Tätigkeitsfelder der Non-Profit-Organisationen
2.1 Organisationen zwischen Staat und Markt
2.2 Charakteristika von privaten Non-Profit-Organisationen (NPOs)
2.3 Typologie und Zwecksetzung von NPOs

3 Wirtschaftliche Bedeutung des Non-Profit-Sektors in Deutschland
3.1 Besondere Rahmenbedingungen der NPOs
3.2 Der Non-Profit-Sektor in Zahlen
3.2.1 Beschäftigung und Wachstum
3.2.2 Finanzierung und Förderung

4 Management von NPOs
4.1 Controllingrelevante Besonderheiten von NPOs
4.1.1 Komplexe Zielsysteme
4.1.2 Probleme der Messung von Effektivität und Effizienz
4.1.3 Probleme der Operationalisierung
4.1.4 Schwierige Personalstruktur
4.1.5 Die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte und die Folgen für NPOs
4.2 Voraussetzungen für das Controlling von NPOs
4.3 Umsetzungsprobleme beim strategischen Controlling von NPOs

5 Grundlagen der Sozialen Arbeit
5.1 Das Trägersystem in der Soziale Arbeit
5.2 Freie Träger
5.2.1 Rechtliche Einordnung des Begriffs
5.2.2 Begriff und Bedeutung der Wohlfahrtsverbände
5.3 Jugendhilfe
5.3.1 Aufgabenfelder kommunaler Jugendhilfe
5.3.2 Das jugendhilferechtliche Dreiecksverhältnis
5.3.3 Die Finanzierung der Leistungen
5.3.4 Neue Steuerung der Jugendhilfe
5.3.4.1 Das Hilfeplanverfahren
5.3.4.2 Die Jugendhilfeplanung
5.3.4.3 Der Jugendhilfeausschuss als zentrale Steuerungsinstanz

6 Die Balanced Scorecard als Steuerungsmodell in der Sozialen Arbeit
6.1 Die Notwendigkeit einer Balanced Scorecard (BSC)
6.2 Generelle Eignung der BSC für Soziale Organisationen
6.3 Strategische Klärung
6.3.1 Formulierung der Mission
6.3.2 Leitbild und Vision
6.3.3 Bestimmung der strategischen Stoßrichtung
6.4 Ableitung strategischer Ziele
6.4.1 Die Finanzielle Perspektive
6.4.2 Die Kundenperspektive
6.4.3 Die Prozessperspektive
6.4.4 Die Lern- und Entwicklungsperspektive
6.5 Darstellung der Ursache-Wirkungs-Kette
6.6 Strategische Ziele erreichen
6.6.1 Festlegung geeigneter Messgrößen
6.6.2 Festlegung von Zielwerten
6.6.3 Strategische Aktionen bestimmen
6.7 Strategisches Feedback und Lernen

7 Schlussbetrachtung

Anhangverzeichnis

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Dritte Sektor

Abbildung 2: Beschäftigung im westdeutschen Non-Profit-Sektor, 1990

Abbildung 3: Anteil der Beschäftigten im westdeutschen Non-Profit-Sektor an den Gesamtbeschäftigten, 1990

Abbildung 4: Gemeinsame Eigenschaften und Probleme von NPOs und POs

Abbildung 5: Zielsystem für NPOs

Abbildung 6: Das 3 – Ebenen – Konzept

Abbildung 7: Trägerstrukturen der Sozialen Arbeit

Abbildung 8: Quantitative Entwicklung der Jugendhilfe, 1970-2000

Abbildung 9: Das jugendhilferechtliche Dreiecksverhältnis

Abbildung 10: Die Modifikation der Balanced Scorecard für NPOs

Abbildung 11: BSC übersetzt die Mission in konkrete Maßnahmen

Abbildung 12: Ursache-Wirkungs-Kette für eine Jugendhilfeeinrichtung

Abbildung 13: Darstellung der Ist- und Planwerte der BSC

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Typologie und Zwecksetzung von NPOs

Tabelle 2: Größenmerkmale ausgewählter Wirtschaftszweige, 1995

Tabelle 3: Mögliches strategisches Ziel in der Finanzperspektive

Tabelle 4: Mögliche strategische Ziele in der Kundenperspektive

Tabelle 5: Mögliche strategische Ziele in der Prozessperspektive

Tabelle 6: Mögliche strategische Ziele in der Lern- und Entwicklungsperspektive

Tabelle 7: Messgrößen für die strategischen Ziele der Jugendhilfeeinrichtung

Tabelle 8: Dokumentation der Zielwerte

Tabelle 9: Möglicher Aktionsplan der Jugendhilfeeinrichtung

1 Einleitung

Non-Profit-Organisationen (NPOs) spielen eine wichtige gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Rolle.[1] Es dürfte nur wenige Menschen in Deutschland geben, die in ihrem Leben nicht über kürzere oder längere Zeit einer NPO angehört haben – denke man allein an die Mitgliedschaft in verschiedenen Vereinen. Diese Organisationen sind damit für viele ein allgegenwärtiges Phänomen.[2]

NPOs bewegen sich zunehmend in einem dynamischen und komplexen Umfeld. Dieses ist geprägt von veränderten Konkurrenzbeziehungen und tief greifenden staatlichen Sparmaßnahmen. Die veränderten Rahmenbedingungen zwingen auch NPOs, ihre betriebswirtschaftlichen Aktivitäten zu verstärken. Sie erkennen zunehmend die Not­wendigkeit, mess- und kontrollierbare Strategien und Ziele zu formulieren. Die Messung von Zielen erfolgt in erwerbswirtschaftlichen Unternehmen auf Basis monetärer Größen. In NPOs stehen keine finanzwirtschaftlichen Ziele im Vordergrund. Sie müssen zwar mit einem festgelegten Budget arbeiten, ihr Erfolg wird jedoch nicht an der Einhaltung der finanziellen Vorgaben gemessen. Viel wichtiger ist, dass NPOs ihre Aufgabe bzw. Mission effektiv erfüllen.[3]

An diesen Überlegungen knüpft das Konzept der Balanced Scorecard (BSC) an. Sie ist ein Instrument zur strategischen Führung von Organisationen. Im Gegensatz zu traditionellen Kennzahlensystemen kompensiert die BSC die Dominanz der reinen Finanzbetrachtung durch Hinzuziehen qualitativer Dimensionen. Somit wird die Leistung der Organisation im Ganzen als Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Perspektiven abgebildet. Des Weiteren dient die BSC als Bindeglied zwischen der Entwicklung einer Strategie und ihrer Umsetzung. Gerade diese Vielschichtigkeit macht sie auch für NPOs interessant.[4] Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Entwicklung einer BSC in einer Einrichtung der Sozialen Arbeit. Damit leistet sie einen Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion über die Möglichkeit der Anwendung betriebswirtschaftlicher Steuerungs­instrumente in NPOs.

Im ersten Teil der Arbeit wird der Non-Profit-Sektor in Deutschland näher betrachtet. Dazu wird zunächst eine Abgrenzung dieser Organisationen vorgenommen und auf ihre wirtschaftliche Bedeutung eingegangen. Anschließend werden allgemeingültige Besonderheiten des Managements von NPOs herausgearbeitet. Die dabei analysierten Defizite begründen einen möglichen Handlungsbedarf betriebswirtschaftlicher Steu­erungsinstrumente – wie z.B. die BSC. Dazu sind controllingrelevante Adaptionen not­wendig, auf die kurz eingegangen wird.

Der zweite Teil widmet sich dem Bereich der Sozialen Arbeit innerhalb des Non-Profit-Sektors. Ziel ist die Entwicklung einer BSC in einer Jugendhilfeeinrichtung. Hierbei erscheint es sinnvoll, vorab die Grundlagen Sozialer Arbeit zu klären. Interessant dabei ist, welche sozialen Dienstleistungen in Form der Jugendhilfe angeboten werden und wie diese zu finanzieren sind. Abschließend werden Instrumente zur Steuerung der Jugendhilfe vorgestellt, die auf gesetzlichen Anreizen beruhen.

Zur Entwicklung einer BSC in Unternehmen haben Horváth & Partner allgemeine Richtlinien entwickelt. Im Hauptteil wird anhand dieser empfohlenen Schritte vorgegangen und für den speziellen Fall einer Jugendhilfeeinrichtung modifiziert. Es ist anzumerken, dass aufgrund des fehlenden praktischen Bezugs auf Vorschläge aus der Literatur verwiesen werden muss. Dazu wird der Entwurf von Worschischek aufgegriffen, der für das Christliche Jugenddorfwerk Deutschland e.V. in Kiel eine BSC entwarf. Dieses Beispiel wird jedoch an einigen Stellen verändert und durch eigene Ideen erweitert.

Ergebnis ist ein konzeptionelles Gesamtbild, das die Mission einer Jugendhilfeeinrichtung in operative Maßnahmen übersetzt. Mit dieser möglichen BSC wird eine Balance zwischen den Zielen als Wohlfahrtsverband einerseits und einer effizienten Nutzung der Ressourcen bzw. der Einhaltung finanzieller Vorgaben andererseits hergestellt.

2 Abgrenzung, Definition und Tätigkeitsfelder der Non-Profit-Organisationen

2.1 Organisationen zwischen Staat und Markt

Organisationen, die weder dem staatlichen Sektor noch dem privatwirtschaftlichen Sektor direkt zugeordnet werden können, werden als „Non-Profit-Sektor“ oder „Dritter Sektor“ bezeichnet. Diese Organisationen weisen keine einheitlichen Strukturen auf. Damit unterscheiden sie sich von den hierarchisch-bürokratischen Organisationen des Staates und den Organisationen, die dem marktlichen Koordinationsmechanismen unterliegen. Sie verfolgen ideelle oder gemeinnützige Ziele (Sachzielorientierung) und grenzen sich damit gegenüber erwerbswirtschaftlichen Organisationen bzw. Profit-Organisationen (POs) ab. Eine Abgrenzung zu staatlichen Organisationen ist nicht so klar möglich, denn auch diese verfolgen Sachziele und sind primär nicht an einer Gewinnerzielung interessiert. Dritte-Sektor-Organisationen sind für den Staat interessant, weil sie zur Staatsentlastung und zur Stärkung gesellschaftlicher Selbsthilfe beitragen. Der Dritte Sektor fungiert als Schnittstelle zwischen dem privaten Sektor (Familie, Gemeinschaft usw.) und dem Staat. So bieten z.B. soziale Dienstleister Hilfeleistungen für Familien an und entlasten damit staatliche Einrichtungen.[5]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Der Dritte Sektor

In Anlehnung an: Frey, B. [1998], S. 82

Der Dritte Sektor kann als soziale, aber auch politische und wirtschaftliche Infrastruktur charakterisiert werden. Er siedelt sich zwischen Staat, Markt und den privaten Haushalten an (vgl. Abbildung 1, S. 3). Die unterbrochenen Linien sollen zeigen, dass die Abgrenzung von den anderen Bereichen nicht immer eindeutig ist und in den Grenzbereichen verschwimmt.[6] Wirtschaftsverbände nehmen z.B. durch ihre Lobbyarbeit eine wichtige politische Funktion wahr. Dadurch prallen sie häufig mit den unterschiedlichen Standpunkten der Parteien aufeinander.[7]

Der Dritte Sektor nimmt in der Debatte über die Zukunft einer modernen Gesellschaft zunehmend einen bedeutenden Platz ein. Vor allem wird ihm in den Bereichen Kultur, soziale Wohlfahrt, Bildung und Forschung sowie Entwicklungshilfe ein wichtiger Stellen­wert beigemessen.[8] Private Museen, Kulturvereine, Feuerwehren, Sportorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, Parteien und kleine Selbsthilfegruppen ver­deutlichen das breite Spektrum an Beispielen für Organisationen des Dritten Sektors.[9] Aufgrund dieser Erscheinungsvielfalt würde dem Dritten Sektor eine simple Typisierung nicht gerecht werden. Aus diesem Grund betrachtet die vorliegende Arbeit hauptsächlich den Bereich der privaten Non-Profit-Organisationen (NPOs). Die gegenwärtige Finanzkrise des Staates und der verstärkte Wettbewerb unter den NPOs zwingen auch diese, ihre Effizienz und Effektivität zu verbessern.[10]

2.2 Charakteristika von privaten Non-Profit-Organisationen (NPOs)

Private NPOs werden als Alternative zum Staat gesehen. Die Unterscheidung von privaten und staatlichen NPOs gilt im internationalen Kontext als unproblematisch. In Deutschland hingegen treten zahlreiche Mischformen auf. So ist es durchaus möglich, dass private NPOs vom Staat finanziell unterstützt bzw. auch weitgehend getragen werden.[11] Zum besseren Verständnis ist deshalb eine Abgrenzung privater NPOs vorzunehmen.

- NPOs werden von privaten Personen getragen und zumeist als Verein oder Stiftung gegründet. Sie sind durch ein Mindestmaß an formaler Organisation gekennzeichnet.
- NPOs verfolgen selber keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke, sondern haben den Auftrag bzw. die Mission, spezifische Leistungen (z.B. Erziehung) zur Deckung eines bestimmten Bedarfs abgrenzbarer Leistungsempfänger (z.B. verhaltens­auffällige Jugendliche) zu erbringen. Der Auftrag bzw. die Mission einer NPO wird von dieser selbst bestimmt oder ihr teilweise vom Staat übertragen.
- NPOs sind entweder mitgliedschaftlich strukturiert und erstellen Leistungen für die eigenen Mitglieder (Selbsthilfe-Organisationen) oder sie geben Leistungen an Dritte ab im Sinne von Hilfe, Unterstützung oder Förderung aufgrund eines ethisch be­gründeten Auftrages (z.B. Wohlfahrtsverbände).
- NPOs vertreten die Interessen ihrer Mitglieder und Kunden gegenüber dem Staat und anderen Organisationen (Interessenvertretung, Lobbying).
- NPOs sind durch ehrenamtliche Arbeit von Mitgliedern auch in den obersten Leitungsebenen gekennzeichnet.[12]
- Innerhalb bestimmter gesetzlicher Rahmenbedingungen ist es NPOs grundsätzlich gestattet, Gewinne zu erwirtschaften. Es ist Ihnen jedoch nicht erlaubt, diese an die Organisationsmitglieder oder Teilhaber auszuschütten (Nondistribution-Constraint).[13]

Zusammenfassend wird folgende Definition zitiert, die für alle weiteren zu behandelnden NPOs in dieser Arbeit Gültigkeit hat.

„Eine Nonprofit-Organisation ist ein zielgerichtetes, produktives, soziales, offenes, dynamisches, komplexes System, dessen Ziel die Befriedigung von Bedürfnissen verschiedener Interessensgruppen (Changes Human Being = Wirkungserzielung) durch die Erbringung von Sach- und, in dominierendem Ausmaß, Dienstleistungen ist, wobei eventuell erzielte Gewinne (Umsatz - Herstellkosten + indirekte Erlöse (Spenden etc.) – Steuern) nicht an Organisationsmitglieder (Eigentümer, Mitarbeiter etc.) verteilt werden dürfen.“[14]

Wenn NPOs zielgerichtete, produktive und soziale Systeme sind, dann müssen auch Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre von POs übertragbar sein. Dieser These wird in der Literatur allgemein zugestimmt. Beispiele hierfür finden sich bei Schwarz, Horak oder Schwarz/Purtschert/Giroud. Aufgrund der erheblichen Unterschiede zwischen beiden Organisationsformen sind jedoch Einschränkungen notwendig.[15] Im zweiten Teil der Arbeit soll die Anwendbarkeit von betriebswirtschaftlichen Instrumenten am Beispiel der Entwicklung einer Balanced Scorecard (BSC) in einer spezifischen NPO nachgewiesen und damit o.g. Aussage gestützt werden. Zuvor gilt es, den Bereich der NPOs weiter zu systematisieren und ihre gegenwärtigen Problemfelder herauszustellen.

2.3 Typologie und Zwecksetzung von NPOs

Der Bereich der NPOs ist durch eine Vielfalt verschiedenster Organisationen geprägt. Schwarz differenziert sie nach privater, halbstaatlicher und staatlicher Erscheinungsform (vgl. Tabelle 1, S. 6 f.).[16] Diese Systematik sieht sich aktuellen Veränderungen gegen­über. Öffentliche Ver­waltungen und Betriebe haben den Bürger als Kunden entdeckt, entwickeln neue Organisations und Steuerungsmodelle, werden privatisiert und erbringen Leistungen zu Preisen, die möglichst vollständig vom Kunden getragen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Typologie und Zwecksetzung von NPOs

Quelle: Schwarz, P. [2001], S. 13

Aus Sportvereinen entwickeln sich kommerziell aufgestellte und gewinnorientierte Unternehmen. Wirtschaftliche und politische NPOs lagern Teilbereiche aus und treten als Anbieter von Dienstleistungen am Markt ebenfalls gewinnorientiert auf (z.B. Fortbildungs-Akademien, Stiftung Warentest). Soziale Dienstleistungen werden vermehrt von gewerblichen Anbietern kunden- und marktorientiert angeboten. An diesen Beispielen wird deutlich, dass die gegenwärtige Entwicklung von NPOs durch die Begriffe Kundenorientierung, Wettbewerb, Markt und Marketing geprägt ist.[17] Eine klare Abgrenzung zwischen NPOs und POs ist unter diesen Aspekten nicht möglich. Folglich sind m.E. beide Organisationsformen auch durch gemeinsame Problemstellungen gekennzeichnet (vgl. Kapitel 4).

3 Wirtschaftliche Bedeutung des Non-Profit-Sektors in Deutschland

3.1 Besondere Rahmenbedingungen der NPOs

Die Beziehungen zwischen dem öffentlichen und dem Non-Profit-Sektor bzw. Dritten Sektor sind in zentralen Bereichen durch eine ausgeprägte Strukturierung gekenn­zeichnet. Die Grundlage dafür bilden drei Prinzipien:

- Das Subsidiaritätsprinzip weist NPOs den Vorrang gegenüber der öffentlichen Hand bei der Erstellung sozialer Dienstleistungen zu. Dies führt zur Entstehung von sechs übergeordneten Wohlfahrtsverbänden, die zu den weltweit größten NPOs zählen (vgl. Kapitel 5.2.2).
- Das Selbstverwaltungsprinzip sicherte, dass sich in einer autokratischen Gesellschaft, in der die Vereinigungsfreiheit nur teilweise möglich war, NPOs aus der kommunalen und ständischen Ordnung heraus entwickeln konnten.
- Das Gemeinwirtschaftsprinzip beruht auf der Suche nach einer Alternative sowohl zum Kapitalismus als auch zum Sozialismus. Es trieb die Genossenschaftsbewegung und die Schaffung von „Organisationen auf Gegenseitigkeit“ im Bank- und Wohnungswesen voran.[18]

Diese drei Prinzipien haben in unterschiedlichem Ausmaß die verschiedenen Bereiche des Non-Profit-Sektors geformt. Das Subsidiaritätsprinzip übertrifft hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Bedeutung die beiden anderen. Es ist auf die Erstellung sozialer Dienst­leistungen und Wohlfahrtspflege ausgerichtet. Die gesetzliche Verortung des Subsidiaritätsprinzip in der Sozialgesetzgebung (§ 4 SGB VIII) bewirkt, dass staatliche Wohlfahrtsmaßnahmen zwar öffentlich finanziert, aber häufig durch freie Träger ausgeführt werden, die dadurch entsprechend wachsen und expandieren. Dieses Prinzip stellt das ökonomische Fundament des deutsches Non-Profit-Sektors dar. Die Wachstumsraten sind in den Sozialen Diensten und im Gesundheitswesen am größten, da diese Bereiche in den durch das Subsidiaritätsprinzip erfassten freien Wohlfahrts­verbänden tätig sind.[19]

3.2 Der Non-Profit-Sektor in Zahlen

3.2.1 Beschäftigung und Wachstum

Im Jahr 1990 waren in den alten Bundesländern 1,3 Millionen Arbeitsplätze im Non-Profit-Sektor vorhanden, was einem Äquivalent von etwa einer Millionen Vollzeitarbeitsplätzen gleichkommt. Dies entspricht jedem zehnten Arbeitsplatz im Dienstleistungsbereich. Der Non-Profit-Sektor beschäftigt so viele Arbeitnehmer wie die Großunternehmen Siemens und Mercedes Benz zusammen. Die wirtschaftliche Bedeutung ist vergleichbar mit der des Banken- und Versicherungswesens (0,89 Millionen Beschäftigte). In Ostdeutschland gehört der Non-Profit-Sektor zu den wenigen Wirtschaftszweigen, die in der Zeit von 1990 bis 1993 überhaupt ein Wachstum verzeichnen konnte. Für die Beschäftigungszahlen bedeutete dies einen leichten Anstieg von 86.000 auf 92.000 Arbeitnehmer.[20] Der Zuwachs der Arbeitsplätze lässt sich durch die Ausweitung des Bedarfs an Dienst­leistungen erklären. Der Anstieg in den 1990er Jahren ist auch auf die Wiedervereinigung und den Aufbau des Sektors in den neuen Bundesländern zurückzuführen. Der Non-Profit-Sektor erzielte im Jahr 1990 einen Umsatz von rund 100 Milliarden DM. Dieser Wert hat sich 1995 auf rund 135 Milliarden DM erhöht, was etwa vier Prozent des Brutto­inlandprodukts entspricht.[21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Beschäftigung im westdeutschen Non-Profit-Sektor, 1990[22]

Datenquelle: Anheier, H. K. [1997], S. 36

Die Bereiche Gesundheitswesen und Soziale Dienste dominieren den deutschen Non-Profit-Sektor (vgl. Abbildung 2, S. 9). Das Gesundheitswesen stellte 1990 einen Anteil von 36 Prozent an der Gesamtbeschäftigung der NPOs. Die Sozialen Dienste (Jugendhilfe, Altenwohnheime, Kindertagesstätten, etc.) sind mit einem Anteil von 32 Prozent ein ebenfalls bedeutender Arbeitgeber.[23] Im Gesundheitswesen wurde jede dritte und im Bereich der Sozialen Dienste jeder vierte Deutsche Mark ausgegeben.[24]

Im Vergleich mit den Beschäftigungszahlen der anderen Sektoren (Staat und Markt) wird die quantitative Bedeutung des Nonprofit-Sektors ebenfalls deutlich (vgl. Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Anteil der Beschäftigten im westdeutschen Non-Profit-Sektor an den Gesamtbeschäftigten, 1990

Datenquelle: Anheier, H. K. [1997], S. 44

Im Gegensatz zum Gesundheitswesen dominiert der Non-Profit-Sektor in den Sozialen Diensten die anderen Sektoren. Lediglich 17 Prozent der Arbeitsplätze werden durch die POs und nur 22 Prozent durch den öffentlichen Sektor gestellt.[25] Insgesamt ist zu erkennen, dass diese Zahlen auf eine Priorität der Dienstleistungserstellung im Non-Profit-Sektor hindeutet. Dafür gibt es 2 wesentliche Gründe. Zum einen folgt aus der demographischen Verschiebung und den Veränderungen im Arbeitsangebot eine neue Nachfragesituation. Die Zahl der älteren Menschen steigt und damit auch die Nachfrage nach ambulanter und häuslicher Pflege. Außerdem ist die Anzahl der Frauen auf dem Arbeitsmarkt seit den 70er Jahren deutlich gestiegen, was sich in der starken Nachfrage nach Diensten im Familienbereich (z.B. Alten- und Kinderbetreuung) niederschlägt. Zum anderen wurden die Verbände der freien Wohlfahrtspflege zunehmend in die wohlfahrtsstaatliche Politik und in die öffentliche Aufgabenbewältigung einbezogen (vgl. Kapitel 3.1). So expandierten die NPOs im Bereich der sozialen Wohlfahrt, begleitet durch steigende öffentliche Sozialausgaben und sich ausdehnende soziale und gesundheitliche Maßnahmen.[26]

3.2.2 Finanzierung und Förderung

Gerade in den Bereichen, in denen das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung kommt, erhält der deutsche Non-Profit-Sektor einen hohen Anteil seiner Gesamteinnahmen aus öffentlichen Mitteln. Im Jahr 1990 betrug der finanzielle Anteil des Staates (betrifft alte Bundesländer) im Gesundheitswesen 83,9 Prozent und bei den Sozialen Diensten 82,6 Prozent. Diese Einnahmen werden größtenteils von den gesetzlichen Kranken­versicherungen und der Sozialhilfe getragen. Dies geschieht in Form verschiedener Kosten- und Leistungserstattungen, die auf Kostendeckung ausgerichtet sind (vgl. Kapitel 5.3.3). Die übrigen Einnahmen werden aus Spenden und selbsterwirtschafteten Mitteln generiert.[27] Die staatliche Unterstützung stellt ein komplexes Netz verschiedener Förderungsarten dar. Es wird unterschieden zwischen Kostenerstattungen der öffentlichen Hand, deren Anteil sich auf 35,4 Prozent beläuft und Zuwendungen bzw. Subventionen, die 32,8 Prozent der Non-Profit-Einnahmen ausmachen. Die Mehrheit der staatlichen Zuwendungen ist gesetzlich festgelegt. Eine Organisation hat Anspruch auf staatliche Förderung, wenn sie die gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien erfüllt. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege erhalten z.B. gesetzlich garantierte Fördermittel gemäß dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG).

In den 80er Jahren entwickelte sich eine zweite Form der staatlichen Förderung von NPOs. Vertragliche Vereinbarungen über spezielle Dienstleistungen zwischen NPOs und dem Staat (auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene) garantieren seitdem mehr Flexibilität. Diese Verfahrensweise wurde z.B. für die Förderung einiger Museen von nationaler Bedeutung auf Bundesebene gewählt. Vertragliche Vereinbarungen gewährleisten eine sichere, langfristige Finanzierung der NPOs.[28] In Zukunft wird diese Form der Finanzierung m.E. an Bedeutung gewinnen, insbesondere im Bereich sozialer Dienstleistungen.

4 Management von NPOs

POs und NPOs sind durch gemeinsame Eigenschaften und Probleme gekennzeichnet (vgl. Abbildung 4). Beide Organisationsformen brauchen ein Management, das Ziele formuliert, Pläne erarbeitet, Entscheidungen fällt, die Umsetzung der Planungen begleitet und unterstützt, Ressourcen (personelle & materielle) zur Verfügung stellt und die Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität überprüft sowie kontinuierlich verbessert. Im Gegensatz zu den gewinnorientierten Unternehmen ist in der praktischen Arbeit von NPOs nach wie vor ein Defizit an Managementkapazitäten festzustellen. Dies bedeutet, dass NPOs weder auf personeller noch auf sachlicher Ebene die entsprechenden Instrumentarien einsetzen. Ebenso gehen sie nicht nach festgelegten Prozessschritten vor. Das Management von NPOs arbeitet weniger zielorientiert, sondern reagiert nur auf äußere Einflüsse.[29]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Gemeinsame Eigenschaften und Probleme von NPOs und POs

In Anlehnung an: Schwarz, P. [2001], S. 18

4.1 Controllingrelevante Besonderheiten von NPOs

„Wenn wir das Controlling-Konzept ganz allgemein als Hilfsmittel zur Steuerung sozialer Systeme durch Informationen begreifen, so ist unbestritten, daß auch Verbände [Anm. Verf.: und somit NPOs allgemein] ein Controlling brauchen.“[30] Controlling hat u.a. die Aufgabe, das Management bei der Lösung spezieller Problemstellungen zu unterstützen. Die ausgeprägte Komplexität der zu lösenden Aufgaben in Verbindung mit dem an­gesprochenen Management-Defizit in NPOs begründet den Einsatz von Controlling zur aktiven Unterstützung der obersten Leistungsorgane. Durch die Besonderheiten von NPOs ergeben sich zwangsläufig Probleme bei der praktischen Anwendung bzw. Durch­setzung eines Controllings.[31] Im Folgenden werden dominierende Problemstellungen in NPOs herausgearbeitet:

1. Komplexes Zielsystem
2. Messung von Effektivität und Effizienz
3. Operationalisierung von Zielen und Leistungen
4. Schwierige Personalstruktur
5. Finanzkrise der öffentlichen Haushalte

4.1.1 Komplexe Zielsysteme

NPOs müssen auf unterschiedliche Anspruchsgruppen, die in ihrem Umfeld aktiv sind, eingehen. Da die verschiedenen Gruppen meist qualitative Ziele verfolgen, ergibt sich ein komplexes Zielsystem:

- Leistungswirkungsziele: Eine NPO strebt durch ihre angebotenen Leistungen Veränderungen von Zuständen bzw. Verhalten an. Da die Anspruchsgruppen unterschiedliche Rollen gegenüber der NPO einnehmen, sind auch die zu bewirkenden Veränderungen bei diesen Gruppen abweichend. Eine karitative NPO möchte z.B., dass Geld gespendet wird, wo bisher nicht gespendet wurde (Verhaltensänderung bei potentiellen Geldgebern). Die neuen Finanzmitteln können bei Hilfebedürftigen gegen deren Hunger eingesetzt werden (Zustands­veränderung).[32] Dieses Beispiel einer sozialen Organisation deckt ein besonders Problem auf. NPOs müssen sich oftmals mit komplexen Bürger- bzw. Kunden­beziehungen auseinander setzen. Der Kreis der Leistungsempfänger ist häufig nicht deckungsgleich mit dem der Leistungsfinanzierer (vgl. Kapitel 5.3.2).[33]

[...]


[1] Vgl. Badelt, C. [1999c], S. 517

[2] Vgl. Schwarz, P. [2001], S. 13

[3] Vgl. Tiebel, C. [1998], S. 2 ff.

[4] Vgl. Lange W./Lampe, S. [2002], S. 101

[5] Vgl. Frey, B. [1998], S. 81 f.

[6] Vgl. Frey, B. [1998], S. 80 ff.

[7] Vgl. Schwarz, P. [2001], S. 14

[8] Vgl. Anheier, H. K./Priller, E./Seibel, W./Zimmer, A. [1997], S. 13

[9] Vgl. Badelt, C. [1999a], S. 3

[10] Vgl. Schwarz, P./Purtschert, R./Giroud, C. [1996], S. 13 f.

[11] Vgl. Badelt, C. [1999a], S. 9 f.

[12] Vgl. Schwarz, P./Purtschert, R./Giroud, C. [1996], S. 17 f.

[13] Vgl. Zimmer, A./Priller, E. [2004], S. 33

[14] Horak, C. [1993], S. 18

[15] Vgl. Schwarz, P./Purtschert, R./Giroud, C. [1996], S. 29

[16] Vgl. Schwarz, P. [2001], S. 14

[17] Vgl. Maelicke, B. [1998a], S. 466 f.

[18] Vgl. Anheier, H. K. [1997], S. 30 f.

[19] Vgl. Anheier, H. K./Seibel, W. [1999], S. 22 f.

[20] Vgl. Anheier, H. K. [1997], S. 33 ff.

[21] Vgl. Zimmer, A./Priller, E. [2004], S. 54 ff.

[22] weitere, nicht erwähnte Bereiche in dieser statistischen Erhebung: Umwelt- und Naturschutz, Wohnungswesen und Beschäftigung, Bürger- und Verbraucherinteressen, Stiftungs- und Spendenwesen, Internationale Aktivitäten, Wirtschafts- und Berufsverbände

[23] Vgl. Anheier, H. K. [1997], S. 35 ff.

[24] Vgl. Anheier, H. K. [1997], S. 35 ff.

[25] Vgl. Anheier, H. K./Seibel, W. [1999], S. 29

[26] Vgl. Anheier, H. K. [1997], S. 49 ff.

[27] Vgl. Anheier, H. K./Seibel, W. [1999], S. 34 f.

[28] Vgl. Anheier, H. K. [1997], S. 52 ff., weitere Finanzierungsformen: Projektförderung, Förderung über Mittlerorganisationen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen

[29] Vgl. Horak, C./ Heimerl-Wagner, P. [1999], S. 140

[30] Horak, C. [1993], S. 245 f., zit. nach Zünd, A [Controlling], S. 17

[31] Vgl. Horak, C. [1993], S. 245 ff.

[32] Vgl. Tweraser, S. [1998], S. 437 f.

[33] Vgl. Bergmann, M. [2004], S. 231

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Balanced Scorecard in Non-Profit-Organisationen
Hochschule
Hochschule Merseburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
81
Katalognummer
V36284
ISBN (eBook)
9783638359528
ISBN (Buch)
9783656567769
Dateigröße
885 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Balanced, Scorecard, Non-Profit-Organisationen
Arbeit zitieren
Christian May (Autor:in), 2005, Balanced Scorecard in Non-Profit-Organisationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36284

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