Die Theorie der Embedded Democracy. Das politische System Russlands als defekte Demokratie?


Hausarbeit, 2017

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Analyserahmen
2.1 Embedded democracy
2.2 Defekte Demokratien

3. Das politische System Russlands in seinen Grundzügen

4. Demokratiedefekte in Russland
4.1 Analysemodell
4.2. Defekte im russischen Wahlregime
4.3 Abschlussbewertung

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenn es an der Tür klingelt, und man nicht sicher sein kann, dass es der Milchmann ist, dann lebt man in einer defekten Demokratie! So oder ähnlich wäre vermutlich Churchills Definition der defekten Demokratie, in Kontraposition zu seinem Verständnis einer funktionierenden Demokratie, ausgefallen. Bereits mehrere Hundert Jahre vor Christi entwarfen u.a. die Griechen in der Antike politische Entscheidungsmodelle, in denen die Herrschaft vom Volke ausgehen sollte. Die maßgebliche Verbreitung der Demokratie fand allerdings erst im 20. Jahrhundert statt, „[…] vornehmlich in der Zeit nach 1974“ (Merkel et. al. 2006: 12). Die Geschichte der Demokratie ist lang und die Versuche ihrer Verwirklichung sind zahlreich. Ebenso lang ist die Liste namhafter Theoretiker, die Definitionen, Theorien, Konzepte und Modelle sowohl zum Demokratiebegriff selbst als auch zu dessen praktischer Umsetzung entworfen haben. Zu ihnen gehören Montesquieu, Rousseau, Locke, Schumpeter, Dahl und Habermas, um nur einige von ihnen zu nennen (Merkel 2010: 26f). Bei der Frage nach der Qualität der Demokratie, die seit der Jahrtausendwende vermehrt in der vergleichenden Demokratie- und Transformationsforschung Aufmerksamkeit erhielt, stellt die von Wolfgang Merkel entwickelte Theorie der „ embedded democracy “ einen erheblichen Fortschritt in der Forschung dar (Merkel 2010: 28). „Das Konzept der eingebetteten Demokratie […]“ bietet durch die genaue Betrachtung und Bewertung fünf verschiedener Teilregime eine solide Grundlage für die Bestimmung der Qualität einer Demokratie (Merkel 2010: 30). Wahlregime, politische Freiheiten, bürgerliche Rechte, horizontale Verantwortlichkeit und effektive Regierungsgewalt werden an Hand ihrer jeweiligen Prüfkriterien bewertet. Durch die über das Wahlregime hinausgehende Bewertung ist bereits an dieser Stelle das Verständnis des rein elektoralen Demokratiebegriffs überwunden. „Der demokratisch faire Ablauf der Auswahl der Regierenden genügt nicht. Es muss auch institutionell verbürgt sein, dass die demokratisch gewählten Repräsentanten zwischen den Wahlen nach demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen regieren“ (Merkel 2010: 31). Jedes der genannten Teilregime ist alleine funktionsfähig, sie „[…] können ihre Wirkung für die Demokratie [aber] nur dann voll entfalten, wenn sie wechselseitig „eingebettet“ sind“ (Merkel 2010: 34). Eben diese interne Einbettung sichert die Stabilität der liberalen Demokratie nach innen ab. Der komplementäre Charakter, der den Teilregimen hierbei zukommt, ist also ein wesentlicher Faktor für die Begrenzung demokratisch gegenläufiger Tendenzen in einzelnen Teilregimen (Merkel 2010: 34f). Die Stabilität einer jeden Demokratie ist weiter abhängig von der sie umgebenden Umwelt, also ihrer externen Einbettung. Obgleich die externe Einbettung von großer Bedeutung bei der Frage nach der Entstehung von Defekten in einer Demokratie ist, liegt das Ziel dieser Arbeit darin festzustellen, dass das demokratische System Russlands nach dem Konzept der embedded democracy Defekte aufweist und ob es sich einer defekten Demokratie zuordnen lässt.

2. Theoretischer Analyserahmen

2.1 Embedded democracy

Der nachfolgend dargestellte verfassungsrechtliche Staatsaufbau Russlands erfordert für dessen Einordnung in die Reihe der defekten Demokratien zunächst eine theoretische Grundlage. Das Konzept der embedded democracy bildet in dieser Arbeit den grundlegenden Baustein. Die aus der Feder von Wolfgang Merkel stammende Theorie umfasst in ihrem dreidimensionalen Aufbau die vertikale Dimension der Herrschaftslegitimation und -kontrolle, die Dimension des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates und abschließend die Dimension der Agendakontrolle (Croissant/Thiery 2001: 20f.). Obgleich die embedded democracy ihren Blick auf die „institutionelle Architektur“ und dessen Niederschrift in der Verfassung eines Staates richtet, ist es von Nöten, auch die faktische Einhaltung der darin enthaltenen demokratischen Rechte und Normen zu prüfen. oder ob die Herrschenden als dekorativer Bestandteil verstanden werden. Wie in dieser Arbeit festgestellt werden wird, gibt es nicht selten erhebliche Unterschiede zwischen der Demokratie per Verfassung und der faktisch angewendeten Demokratie. Unter Umständen werden diese soweit pervertiert indem die demokratischen Grundsätze von den Herrschenden lediglich als dekoratives Beiwerk verstanden werden und eine autokratische Herrschaft ummanteln sollen.

Die eingebettete Demokratie stellt nach Merkels Vorstellung also ein komplexes Institutionenarrangement dar. Demnach ist die eingebettete Demokratie ein Gefüge, bestehend aus fünf Teilregimen, die in sich zwar funktionsfähig sind, ihre vollständige demokratische Wirkung jedoch erst entfalten können, wenn sie in das Gesamtgefüge institutioneller Teilregime eingeflechtet sind. Um die Logik der Einbettung erschließen zu können, müssen Interdependenz und Independenz so ausbalanciert sein, um legitimes und effektives Regieren zu ermöglichen, ohne diese der notwenigen vertikalen und horizontalen Kontrolle zu entziehen“ (Merkel 2003: 48). (siehe zu oben erklärter Theorie auch Merkel 2010: 34f.)

Wahlregime (A)

Dem Wahlregime kommt dabei eine besondere Rolle zu, da bereits die Grundidee der Demokratie dem Volk die Funktion der Herrschenden zuschreibt und somit „[…] der sichtbarste Ausdruck von Volkssouveränität [ist] […]“ (Merkel 2003: 50). Allerdings war das Verständnis bei den alten Griechen mehr eine direkte Demokratie, die unter den heutigen Bedingungen nicht mehr möglich ist und vornehmlich in repräsentativer Form in Erscheinung tritt. „In Anlehnung an Robert Dahl soll [das Wahlregime] […] vier Kriterien – aktives und passives, universelles Wahlrecht, freie und faire Wahlen sowie gewählte Mandatsträger – umfassen […]“ (Merkel 2003: 51). Eine präzise Ausführung genannter Kriterien erfolgt in Kapitel 4. Aus Sicht der Herrschenden stellt die Tatsache, dass in regelmäßig abgehaltenen Wahlen letztlich das Volk über deren Zugang und Verbleib im Amt entscheidet, eine Art Sanktionsmechanismus dar. Mit dieser Aufgabe übernimmt das Teilregime A eine Form der (harten) Herrschaftskontrolle.

Politische Teilhaberechte (B)

Die vertikale Herrschaftskontrolle beinhaltet neben dem Wahlregime die politischen Teilhaberechte. Der harten Form der vertikalen Herrschaftskontrolle muss die Bildung von Konkurrenz um die Herrschaftspositionen vorausgehen. Dies ist nur dann möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen in der öffentlichen Arena gegeben sind, also kollektive Meinungs- und Willensbildungsprozesse ungehindert stattfinden können und die Mitwirkung jedem Bürger offensteht. Der öffentliche Raum muss also, z.B. in Form von Meinungs- und Redefreiheit, der Bildung politischer Gruppen oder gesellschaftlicher Interessengruppen, des Empfangs und der Verbreitung von Informationen oder des Demonstrationsrechts genutzt werden können und dürfen, damit sich organisatorische und kommunikative Macht erst entfalten kann. Dem Teilregime B wird hierbei die Aufgabe der weichen Kontrolle durch die Öffentlichkeit zugeteilt. (siehe dazu auch Merkel 2003: 51f.)

Bürgerliche Freiheitsrechte (C)

Die bürgerlichen Freiheitsrechte bilden das Kernelement einer effektiven Staatsbürgerschaft. Sie beinhalten die individuellen Schutzrechte „von Leben, Freiheit und Eigentum“ und gewähren gleichen Zugang zum Recht für alle Bürger. Die Teilhabe an Rechten und Freiheiten muss unabhängig von Geschlecht, Klasse oder Ethnizität gewährleistet sein. Geschützt sein müssen die Bürger vor willkürlicher Verhaftung, Terror, Folter oder sonstigen gravierenden Eingriffen staatlicher wie privater Akteure. Voraussetzung für die Gewährleistung der Freiheitsrechte der Bürger sind die Eigenständigkeit und die Funktionsfähigkeit der Gerichte. (Vergleich hierzu Merkel 2010: 32f.)

Horizontale Gewaltenkontrolle: Teilregime (D)

Teilregime D schließt im demokratischen System die Lücke der horizontalen Gewaltenkontrolle. Indem die Institutionen weitgehend Autonomie genießen, unterliegt der „gewählte Amtsträger“ deren Kontrollfunktion, neben der punktuellen Kontrolle in Wahlen und der öffentlichen Arena durch die vertikale Dimension. Diese Kontrolle ist erforderlich, um über „die Sicherung bürgerlicher Freiheitsrechte (…) hinaus gehende Schutzvorkehrungen gegen die Verselbstständigung (…) generierter Macht“ zu treffen (Merkel 2003: 54).

Effektive Regierungsgewalt: Teilregime (E)

„Das Kriterium der effektiven Regierungsgewalt […] bestimmt, dass außerkonstitutionelle Akteure, wie das Militär oder andere machtvolle Kräfte [z.B. Großgrundbesitzer, Milizen, Guerilla, …], die keiner demokratischen Verantwortlichkeit unterworfen sind, nicht die Verfügungsgewalt über bestimmte Politikbereiche besitzen dürfen. Aufbauend auf dem Wahlregime muss dem in freien und fairen Wahlen legitimierten Herrschaftsträger die Entscheidungsbefugnis über das gesamte Staatsterritorium sowie der reserved domains obliegen. (Vergleich hierzu: Merkel 2010: 33f. und Merkel 2003: 55f.)

2.2 Defekte Demokratien

Aufbauend auf Merkels Grundidee der eingebetteten Demokratie ist eben „[…] die[se] wechselseitige Einbettung der Teilregime zerbrochen und „[…] die Gesamtlogik der rechtsstaatlichen Demokratie gestört […]“ (Merkel 2003: 65). Wie bereits in Kapitel 2.1 dargestellt, liegen die Anforderungen an eine liberale Demokratie oberhalb der ausschließlich verfassungsrechtlichen Sicherung demokratischer Grundrechte und Verfahren. Die defekte Demokratie muss sich in ihrer Bewertung auf der einen Seite von einer funktionierenden Demokratie, andererseits von einer Autokratie abgrenzen lassen. Die näheren Bestimmungskriterien hierfür werden im anschließenden Kapitel ergänzt. Innerhalb der Grenzen der defekten Demokratie unterscheidet Merkel vier verschiedene Typen. Welchem Typ sich ein System zuordnen lässt, entscheidet letztlich das Teilregime mit den größten Defekten. Defekte in den Teilregimen A und/oder B führen zu einer exklusiven Demokratie, zu einer illiberalen wenn die Defekte in Teilregime C am größten sind und zu einer delegativen auf Grund des defekten Teilregimes D. Einer Enklavendemokratie liegen die größten Defekte Teilregime E zu Grunde.

3. Das politische System Russlands in seinen Grundzügen

Artikel 1 der Verfassung legt Russland (auch russische Förderation) als einen demokratischen förderativen Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform fest. Die Verfassungsväter konstituierten die Verfassung nach dem Vorbild der V. französischen Republik. Sie begründet ein semipräsidentielles Regime bzw. ein parlamentarisch-präsidentielles Mischsystem: „Sowohl das Parlament als auch der Präsident verfügen über die direkte Legitimation durch das Wahlvolk“

(http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/47940/verfassungsordnung-versus-politische-realitaet). Weitere Kerninstitutionen sind der vom Präsidenten vorgeschlagene und durch das Parlament zu bestätigende Ministerpräsident (auch Premierminister) mit samt seinen zahlenmäßig nicht festgelegten Vertretern sowie das Verfassungsgericht. Weiter findet man eine Präsidialadministration (die aus etwa 2.000 Beschäftigten besteht) und insbesondere den Nationalen Sicherheitsrat, dem „[…] eine besondere Aura der Machtfülle […]“ auf nicht ganz übersichtliche Weise zukommt (Mommsen 2010: 429). „Laut Artikel 110 der Verfassung obliegt die vollziehende Gewalt allein der Regierung“, also dem Regierungsapparat um den Ministerpräsidenten (ebd.). Die Komponente der legislativen Gewalt stellt die „Förderalversammlung“ (Parlament) dar, sie wird „[…] als „Vertretungs- und Gesetzgebungsorgan“ der Russländischen Förderation definiert“ (Mommsen, 2010: 441). Sie „[…] besteht aus zwei Kammern […]. Die Erste Kammer […] trägt die Bezeichnung „Staatsduma“; die Zweite Kammer heißt offiziell „Förderationsrat“ “ (ebd.). Die Amtszeit der 450 Mitgliedern der Duma beträgt fünf Jahre. Dem in Anlehnung an den amerikanischen Senat als „eine Art ‚Länderkammer‘ “ bezeichneten Förderationsrat gehörten „[…] je zwei Vertreter aus jedem Subjekt [insgesamt 89] der Förderation an, und zwar je ein Repräsentant der regionalen Legislative und der regionalen Exekutive“ (Mommsen 2010: 447f.). „Die Ersetzung der bisherigen „Senatoren“ durch deren Delegierte“ ließ den neu zusammengestellten Förderationsrat als eine Mischform von „Wirtschaftslobbyismus“ und dem „Anhängsel des oligarchischen Systems“ erscheinen (Mommsen 2010: 449 und Wiest 2003: 338). Den uns bekannten drei Gewalten empor steht der Präsident mit einer Machtfülle sondergleichen. „Der russische Präsident ist gleichzeitig „Staatsoberhaupt“ und „Garant der Verfassung“ sowie der „Rechte und Freiheiten des Menschen und des Bürgers“ und selbst mit diesen weitreichenden Kompetenzen ist sein „Machtvolumen“ noch lange nicht ausgeschöpft. Der „Schutz der Souveränität“ und der „staatlichen Integrität“ obliegen seinem Verantwortungsbereich ebenfalls wie die Gewährleistung des „koordinierten Funktionierens und Zusammenwirkens der Organe der Staatsgewalt“ (Mommsen 2010: 424). Gleichzeitig ist er auch der „Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Art. 87nVerf.)“ und ernennt den Ministerpräsidenten. Dieser muss zwar durch das Parlament bestätigt werden, allerdings hat der Präsident bei dreimaliger Ablehnung die Option das Parlament aufzulösen und Neuwahlen zu verkünden. So „sind die Abgeordneten in ihrer Willensbildung stets davon bedroht, letztlich ihres Abgeordnetenmandats verlustig zu gehen (Art. 111 Verf.). Unter ähnlich folgenreichen Bedingungen verfügt die Staatsduma über das Recht, der Regierung das Misstrauen auszudrücken“ (Mommsen 2010: 424f.). Eine begriffliche Definition zu finden, die den tatsächlichen Verhältnissen versucht gerecht zu werden, ist Aufgabe des nachfolgenden Kapitels.

4. Demokratiedefekte in Russland

4.1 Analysemodell

Nachdem in Kapitel 3. ein Einblick in das politische Russland gewährt wurde, folgt anschließend eine systematische Herausarbeitung der Demokratiedefekte des russischen Wahlregimes. Zunächst bedarf es jedoch einer grundlegenden Auseinandersetzung mit den besonderen Herausforderungen, die das Konzept der defekten Demokratie mit sich bringt. Nach einer Übersicht der Herausforderungen, die das Konzept von Wolfgang Merkel an ihre praktische Anwendung auf einen realen Staat stellt, folgt die Bestimmung der Indikatoren, auf dessen Grundlage diese Arbeit die Einstufung Russlands vornimmt. Die abschließende Bewertung findet an Hand des im Wahlregime festgestellten Defektmodus statt.

Der Grundgedanke der embedded democracy lässt sich nur in Form eines multidimensionalen Konzeptes erschließen. In genau dieser Besonderheit liegen gleichermaßen die typischen Schwierigkeiten der Operationalisierung, indem ein breites Band an Indikatoren in die abschließende Bewertung mit aufgenommen werden muss. Die mit dem Konzept einhergehende Verflechtung der Teilregime wird zugunsten der partikularen Klassifizierung der Indikatoren zunächst aufgehoben. Die anschließende Kumulation der Defekte ist notwendig, um dem Schemata der ineinander verflochtenen und sich einander beeinflussenden Teilregime gerecht zu werden, stellt aber dennoch eine Herausforderung dar. Da der ausschließliche Bezug auf quantitative, also harte Fakten zwar die Vergleichbarkeit erhöht, gleichzeitig aber nur ein enorm reduktionistisches Demokratieverständnis zulässt, bleibt die Feststellung einer defekten Demokratie weiter abhängig von qualitativen und somit subjektiven Einschätzungen. Darum muss nach dem Konzept der embedded democracy von Wolfgang Merkel bei der Bewertung einer Demokratie als defekt in Abgrenzung zu liberalen Demokratien einerseits und zu Autokratien andererseits auf exakte Schwellenwerte verzichtet werden. (Merkel 2003: 74f)

Um der zentralen Bedeutung des Wahlregimes insbesondere in dieser Arbeit gerecht zu werden, gilt es folgende Kriterien zu bewerten: das aktive und passive universelle Wahlrecht sowie freie und faire Wahlen. Begründet im universellen Wahlrecht war die Demokratie der alten Griechen, wie bereits erwähnt, eine exklusive Demokratie, ebenso dazu zählt man die Schweiz bis zur Einführung des Frauenwahlrechts 1971. Der Anspruch einer inklusiven Demokratie misst sich daran, dass „[…] zumindest alle volljährigen männlichen und weiblichen Staatsbürger […]“ im Besitz des Wahlrechts sein sollten. „Abweichungen davon, etwa auf Grundlage von Rasse, Ethnie, Geschlecht, Eigentum, sind ein Defekt“ (Merkel 2003: 77). Um das Kriterium der freien und fairen Wahlen zu beurteilen, wird mit den Indikatoren offen und fair gearbeitet. Die Offenheit der Wahlen muss die Frage beantworten, ob die Wahlen in Russland tatsächlich kompetitiv sind oder ob das Wahlergebnis auf Grund einer fehlenden Alternative bereits vor der Wahl feststeht. Die fehlende Hausbildung einer Alternative steht dabei meist in Zusammenhang mit dem Verbot von Parteien, mindestens aber sehen sich Parteien mit erheblichen Behinderungen konfrontiert, z. B. durch einen erschwerten Zugang zu den Medien. Die Fairness der Wahlen bezieht sich auf einen korrekten Ablauf der Wahlen, einschließlich des Wahlkampfes sowie der Auszählung der Stimmen. (Vgl. Merkel 2003: 76-79)

Die Familie der Demokratie umfasst neben den uneingeschränkt funktionierenden demokratischen Staaten auch jede, dessen System partielle Defekte aufweist. Gekoppelt ist dies an ein systemerhaltenes Mindestmaß demokratischer Grundwerte. Eben diese müssen trotz der zerbrochenen Einbettung der Teilregime gewährleistet werden. Institutionelle Minima können hierbei in einem oder mehreren Teilregimen unterschritten werden. Auf Grund seiner bereits erwähnten zentralen Bedeutung stellt Merkel an das Wahlregime besondere Anforderungen, die der Staat erfüllen muss, damit er nicht jenseits der Demokratiefamilie seinen Platz im Bereich der Autokratie findet. Zum einen muss ein Machtverlust der Regierenden prinzipiell möglich sein, zum anderen muss die Dimension der horizontalen Kontrolle in der Lage sein, unkontrollierte Machtkreisläufe zu Gunsten der Regierenden auf Grund eventueller Defekte im Wahlregime, zu verhindern. (Vgl. Merkel 2003: 67)

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Theorie der Embedded Democracy. Das politische System Russlands als defekte Demokratie?
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Vergleich politischer Systeme
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
17
Katalognummer
V365345
ISBN (eBook)
9783668457034
ISBN (Buch)
9783668457041
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Russland, defekte Demokratie, Bewertung einer Demokratie, defekte Demokratie nach Merkel, embedded democracy, defektes Wahlregime
Arbeit zitieren
Lisa Valerie Lagala-Anthes (Autor:in), 2017, Die Theorie der Embedded Democracy. Das politische System Russlands als defekte Demokratie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/365345

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