Das Bedingungslose Grundeinkommen als sozialpolitische Alternative


Thèse de Bachelor, 2016

40 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der deutsche Sozialstaat
2.1 Rechtliche Grundlagen
2.2 Struktur- und Gestaltungsprinzipien
2.3 Die Finanzierung des Sozialstaates
2.4 Kritik am Sozialstaat

3 Das Bedingungslose Grundeinkommen als sozialpolitische Alternative
3.1 Der Grundgedanke des Bedingungslosen Grundeinkommens
3.2 Diskutierte Modelle des Bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland
3.2.1 Das Bedingungslose Grundeinkommen nach Götz W. Werner
3.2.2 Das Solidarische Bürgergeld
3.2.3 Das Transfergrenzen-Modell
3.3 Fallbeispiel Dauphin – Kanada

4 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb.: 1 Soziale Grundrechte

Abb.: 2 Leistungsspektrum des deutschen Sozialstaates

Abb.: 3 Sozialbudget: Leistungen nach Institutionen 2014

Abb.: 4 Finanzierung der Sozialpolitik im Wirtschaftskreislauf

Abb.: 5 Finanzierungslast des Sozialstaates

Abb.: 6 Entwicklung der Anzahl von Leiharbeitnehmer/-innen

Abb.: 7 Vergleich des BGE mit bestehenden Sozialleistungen

Abb.: 8 Trend Arbeitsunfähigkeit- und Krankengeldtage

Abb.: 9 Positiver und negativer Steuerbereich

Abb.: 10 Gesundheitskosten 2013

Abb.: 11 Bruttokosten des Bürgegeldkonzeptes

Abb.: 12 Transfergrenzen-Modell

Abb.: 13 Das BGE nach dem Transfergrenzen-Modell

Abb.: 14 Vergleich der Immatrikulationen im Zeitraum des Experiments

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Ich halte den Sozialstaat, wie wir ihn in Deutschland und anderen Staaten kennen, für die größte Kulturleistung, die die Europäer im Lauf dieses schrecklichen 20. Jahrhunderts zustande gebracht haben.“[1]

Nicht nur für Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist der Sozialstaat eine wichtige Errungenschaft. Der deutsche Sozialstaat bewahrt die Menschen vor Lebensrisiken wie Armut, Not und Elend. Er ermöglicht ein menschenwürdiges Leben. Seit der Einführung des sozialen Netzes im Kaiserreich unter dem Reichskanzler Otto von Bismarck, steht die Sozialpolitik unter Druck. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen, Beschäftigungsprobleme, Globalisierung, Flüchtlingsströme, demographische Entwicklungen verlangen stetige Anpassungen und Veränderungen.

Im Jahr 2001 hat die Bundesregierung den ersten Armuts- und Reichtumsbericht veröffentlicht. Seit dem sind Armut und soziale Ungleichheit in Deutschland offiziell als bestehende Probleme anerkannt.[2] Armut in einem der reichsten Länder der Erde ist widersprüchlich. Soziale Ungleichheit sowie schwierige Lebenssituationen lassen Menschen nicht am gesellschaftlichen Wohlstand teilnehmen. Seit dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht hat es in der Sozialpolitik gravierende Veränderungen gegeben, um die hohe und strukturell bedingte Arbeitslosigkeit, sowie die zunehmende soziale Ungleichheit zu reduzieren. Mit der Regierungserklärung des ehem. Bundeskanzler Gerhard Schröder vom 14. März 2003 wurde mit der Agenda 2010 ein einschneidendes Reformpaket vorgestellt und eingeführt. Sozialstaatliche Absicherungen bei paralleler Aktivierung der Bürger sollen die Eigenverantwortung der Menschen fordern und fördern. In diesem Jahr soll der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht veröffentlicht werden. Trotz steigender Beschäftigung und einer relativ konstanten Sozialstaatsquote sind keine nennenswerten Errungenschaften in der Armutsbekämpfung zu verzeichnen. Die Armutsgefährdungsquote lag 2014 in Deutschland bei 15,4 Prozent. Während mittlere Einkommen steigen, wächst die Armut, da Transfereinkommen und Einkommen der Geringverdiener nicht im selben Umfang steigen. Der Armutsbericht 2016 zeigt deutlich, dass besonders Alleinerziehende, Arbeitslose sowie Rentner von Armut bedroht sind.[3]

Die Bundesrepublik Deutschland gilt als Motor Europas, ist eines der reichsten Länder der Welt und trotzdem existiert Alters- und Kinderarmut. Die Ungleichverteilung von Reichtum und Vermögen steigen, nach aktuellen Zahlen der Bundesbank besitzen 10 Prozent der Haushalte rund 60 Prozent des gesamten Nettoreinvermögens. Fast drei Viertel der privaten Haushalte verfügten 2014 über ein Nettovermögen was unter dem Durchschnitt von 214.500 Euro lag.[4] Dementsprechend ist es erforderlich, Alternativen zur sozialen Sicherung zu betrachten. Eine in allen öffentlichen und privaten Bereichen diskutierte Idee ist die des Bedingungslosen Grundeinkommens. Ein umstrittener Grundgedanke, wie die aktuelle Volksbefragung zur Einführung in der Schweiz aufzeigte. Die Eidgenossen entschieden sich mit 78 Prozent gegen eine Einführung, es bestanden/bestehen Unklarheiten bezüglich der Finanzierung des Grundeinkommens. Die Auseinandersetzung entfachte eine rege Diskussion. Die Forschungsfrage, die dieser Studienabschlussarbeit zu Grunde liegt, lautet daher:

Kann die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland eine sozialpolitische Alternative sein, um die Probleme des aktivierenden Sozialstaats zu lösen?

Um dieser Frage nachgehen zu können, wird im zweiten Kapitel der deutsche Sozialstaat mit den rechtlichen Grundlagen, seiner Struktur- und Gestaltungsprinzipien, die Finanzierung sowie ausgewählte Probleme betrachtet und aufgezeigt. Da es zahlreiche Modelle und Ideen eines Bedingungslosen Grundeinkommens gibt, werden im dritten Kapitel dieser Arbeit drei diskutierte Modelle/Ideen erläutert und im Anschluss ein Fallbeispiel und dessen Ergebnisse dargestellt. Ein kurzer Ausblick auf eine mögliche Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens schließt diese Arbeit im vierten Kapitel ab.

2 Der deutsche Sozialstaat

Dieses Kapitel gibt in einem ersten Schritt einen verfassungsrechtlichen Überblick über den Sozialstaat. Anschließend werden die Grundnormen und Gestaltungsprinzipien thematisiert. Nachfolgend wird die Finanzierung erörtert, um im Anschluss einige problematische Bereiche, die sich in diesem Zusammenhang ergeben, zu erörtern.

2.1 Rechtliche Grundlagen

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ - Art. 20 Abs. 1 GG. Erstmals in einer deutschen ‚Verfassung‘ wird der Staat als sozialer Staat bezeichnet. In Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG muss die verfassungsrechtliche Ordnung in den Ländern „den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen.“[5] Das Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz nur rahmenmäßig definiert. Es legt nicht fest, welche sozialpolitischen Leistungen in welcher Höhe und mit welcher Tragweite notwendig sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet das Sozialstaatsprinzip den Staat zur Herstellung einer gerechten Sozialordnung sowie die Existenzgrundlagen der Bürgerinnen und Bürger zu sichern und zu fördern.[6] Die Sozialstaatlichkeit gehört zu den unabänderlichen fundamentalen Normen des Staates. Eine Grundgesetzänderung darf den Zustand der Bundesrepublik als einen sozialen Staat gemäß Art. 79 Abs. 3 GG nicht tangieren.

Weitere Grundrechte verpflichten den Staat auf bestimmte soziale Basisstandards. Sozialpolitisch relevant sind vor allem der Gleichheitsgrundsatz im Art. 3 GG oder der Schutzauftrag zugunsten der Ehe und Familie laut Art. 6 Abs. 1 GG. Besonders deutlich wird es im Art. 1 Abs. 1 GG, welcher die Unantastbarkeit der Würde des Menschen betont und somit den Staat in die Pflicht nimmt, jedem Bürger das Existenzminimum zu sichern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 1 Soziale Grundrechte[7]

Die Passagen aus dem Grundgesetz werden in der Fachliteratur als „Sozialstaatspostulat“ beschrieben, aus dem sich das Sozialstaatsprinzip als eine Grundlage des Grundgesetzes ableitet. Die Normen sind sozialpolitisch relevant, bleiben jedoch in ihrer Operationalisierbarkeit unspezifisch. Offen bleibt, wie werdende Mütter und Menschen mit Behinderungen geschützt werden. Die Forderungen nach familienpolitischen Leistungen sind im Artikel nicht zwingend vorgeschrieben. Vielmehr wird das Sozialstaatsprinzip durch die Gesetzgebung spezialisiert, insbesondere im Sozialgesetzbuch.

2.2 Struktur- und Gestaltungsprinzipien

Das Sozialstaatsprinzip der Bundesrepublik Deutschland hat sich historisch vor allem aus der Sozialgesetzgebung des Kaiserreiches unter dem Reichskanzler Otto von Bismarck ausgebildet. In wenigen Jahren verabschiedete der Reichstag das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883, das Unfallversicherungsgesetz vom 06. Juli 1884 und das Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juli 1889.[8] Hinzu kommt das Gesetz über Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 1927 sowie die Einführung der Sozialen Pflegeversicherung mit Wirkung zum 01. Januar 1995.

Die Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung bilden die Säulen des deutschen sozialen Sicherungssystems. Das Fundament ist das Solidaritätsprinzip. Gemeinsam mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Personalitätsprinzip gehört dieses zu den bedeutendsten Gestaltungsprinzipien des deutschen Sozialstaates.

Das Solidaritätsprinzip begründet die Wirksamkeit des Sozialstaates und macht seine wesentlichen Inhalte aus. Der Grundgedanke für die Sozialpolitik ist die Solidarität mit anderen Menschen. Solidarität schließt wechselseitige Hilfsbereitschaft ihrer Träger in Notlagen und Konfliktsituationen ebenso ein, wie die Bereitschaft eines sozialen Ausgleichs zwischen den besser und schlechter Gestellten.[9] Je mehr eine Person verdient, desto höhere Beiträge muss sie zahlen, jedoch sind beide Personen gleich abgesichert. Auf dieser Basis bietet der Sozialstaat jedem Einzelnen durch Minimierung existenzieller Risiken ein Höchstmaß an biografischer Sicherheit und individueller Planbarkeit des eigenen Lebenslaufes.

Das Subsidiaritätsprinzip drückt aus, dass die Verantwortung für die Behebung sowie Vermeidung schwieriger Lebenslagen möglichst von kleineren Einheiten übernommen werden sollen. Dies können Individuen, private Haushalte oder öffentliche Körperschaften sein. Übergeordnete Einheiten, wie der Staat oder größere Gemeinschaften, sollen nur dann eingreifen, sobald die unteren Einheiten nicht dazu in der Lage sind. Vorrang hat dabei die Hilfe zur Selbsthilfe. Dieses Zuständigkeitsprinzip stellt eine Verbindung von der gesellschaftlichen zur individuellen Verantwortung her.

Die Wirkungsrichtung des sozialpolitischen Handelns sowie dessen Wirkungsradius gibt das Personalitätsprinzip an. Zentral besagt es, dass soziale Leistungen individuell zugeteilt werden müssen.[10]

Das Spektrum der Sozialpolitik in Deutschland ist breit gefächert und setzt sich aus unterschiedlichen Politikfeldern zusammen. Fürsorgeleistungen, Vorsorgeleistungen und Versicherungsleistungen sind das Leistungsspektrum des deutschen Sozialstaates. Diese regeln die Art der Risikovorsorge und der Finanzierung.

Fürsorgeleistungen begründen den Rechtsanspruch bedürftiger Bürger auf staatliche Hilfe für den Fall, dass sie sich nicht selbst helfen können und keine Leistungen von anderer Seite erbracht werden. Hierzu zählen Wohngeld, Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe.

Unter Vorsorgeleistungen fallen die staatlichen Leistungen für Bürger, welche auf der einen Seite Opfer oder auf der anderen Seite besondere Leistungen für die Gemeinschaft erbracht haben. Kindergeld und Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene von Kriegsopfern zählen ebenfalls dazu wie die Beamtenversorgung, da diese in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat stehen.

Die Versicherungsleistungen dienen der Vorsorge von Einkommensausfall durch Beiträge, welche kollektiv ausgerichtet sind. Die Leistungen im Falle einer Rente oder einer Arbeitslosigkeit sind an die Beitragshöhe gebunden, hingegen in der Krankenversicherung die Orientierung an dem medizinischen Bedarf gekoppelt ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 2 Leistungsspektrum des deutschen Sozialstaates[11]

2.3 Die Finanzierung des Sozialstaates

Gemäß den Schätzungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mussten für die Finanzierung von Sozialleistungen im Jahr 2014 insgesamt 849,2 Mrd. Euro aufgebracht werden. Die Bundesregierung erstellt regelmäßig zur Überschaubarkeit der Sozialleistungen und ihrer finanziellen und gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen ein Sozialbudget. In diesem werden fast alle Leistungen der sozialen Sicherung zusammengestellt, welche auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und/oder öffentlich finanziert werden. Nicht berücksichtigt bleiben die Bereiche der sozialstaatlichen Gestaltung. Sie verursachen Kosten, werden aber nicht direkt budgetwirksam, sondern sprechen über gesetzliche Regelungen bestimmte Gebote und Verbote aus und beeinflussen das Handeln von Personen und Unternehmen.[12] Direkte monetäre Transferleistungen wie Renten, Arbeitslosengeld oder Grundsicherung werden den Berechtigten überwiesen und bilden bzw. erhöhen deren Einkommen. Steuerermäßigungen die beim Vorliegen bestimmter sozialer Tatbestände wie einer Behinderung gewährt werden, sind indirekte monetäre Transfers. Hinzu kommen ebenfalls die Realtransfers, dies sind soziale Sach- und Dienstleistungen, welche unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehört beispielsweise die Nutzung von öffentlich geförderten Kindertageseinrichtungen.

In Abb. 3 findet sich ein Überblick über die geschätzten Leistungen nach Institutionen für das Jahr 2014. Unterschieden wird nach der Ausgabenhöhe, nach dem relativen Anteil der Ausgaben innerhalb des Sozialbudgets und am Sozialprodukt. Eine große Bedeutung nehmen die Sozialversicherungssysteme ein, umgerechnet 61,2 Prozent aller Sozialleistungen werden über die Sozialversicherung abgewickelt. Einen mit Abstand großen Anteil nehmen die Rentenversicherung mit 30,7 Prozent und die Krankenversicherung mit 23,1 Prozent ein. Deutlich geringere Kosten entfallen auf die Sozialhilfe und die Jugendhilfe mit 3,6 Prozent und 3,9 Prozent. Wohngeld, Elterngeld und Ausbildungsförderung haben mit einem Ausgabeanteil von insgesamt 1,1 Prozent einen vergleichsweise geringeren Stellenwert. Insgesamt verteilen sich die Sozialausgaben zu rund einem Fünftel auf Realtransfers und zu vier Fünftel auf monetäre Transfers. Das Sozialbudget wächst seit 1991 mit einem Volumen von 395.459 Mio. Euro stetig an. Die steigenden Sozialausgaben lassen aber keinen Rückschluss auf eine sozialere Gesellschaft und dementsprechend besseren Lebenslagen der Bevölkerung zu. Offen bleibt die Klärung der Wirksamkeit und Qualität der Sozialpolitik.

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Abb.: 3 Sozialbudget: Leistungen nach Institutionen 2014[13]

Um das Leistungsniveau einzuschätzen, werden die absoluten Beträge der Sozialleistungen zum Bruttoinlandsprodukt, also die Summe aller im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen ins Verhältnis gesetzt. Dieses Verhältnis wird als Sozialleistungsquote bezeichnet. Ihre Höhe lag im Jahr 2014 bei 29,2 Prozent.[14] Seit 1970 zeigt sich eine nur schwach schwankende Sozialleistungsquote um die 30 Prozent. Unentgeltliche soziale Hilfeleistungen im Zusammenhang von Familie, Nachbarschaft, Selbsthilfegruppen und sozialem Ehrenamt bleiben unberücksichtigt. Es werden nur soziale Dienstleistungen berücksichtigt, deren Erbringung erwerbsförmig und gegen Entgelt erfolgt. Private Aufwendungen der sozialen Sicherung, wie Privatversicherungen, private Vorsorge, Kauf von medizinischen und sozialen Gütern, Leistungen und Diensten, private Unterhaltszahlungen oder durch Spenden und Eigenmittel finanzierte Leistungen von sozialen Projekten werden nicht erfasst.[15] Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung können durch eine Erhöhung der Zusatzbeteiligung der Kranken an den Kosten von Arzneimittel gesenkt werden. Dies senkt das Sozialbudget, jedoch werden die Kosten in der Regel auf die privaten Haushalte verlagert. Somit ist es eine politische Entscheidung, was als Sozialaufwand bezeichnet wird und in die Berechnung eingeht.

Für die Finanzierung der Sozialausgaben greift der Staat durch Steuern und Beiträge auf die im Wirtschaftsprozess erzielten Einkommen zurück. Sozialpolitik ist eine Einkommensumverteilungspolitik (vgl. Abb. 4). Personen und Haushalte, welche keine oder nicht genügend Einkommen erzielen, erhalten durch sozialstaatliche Umverteilung Anteile vom Einkommen anderer. Hierzu zählen alle, welche nicht oder nicht mehr am Erwerbsprozess teilnehmen können, bzw. deren Einkommen durch Unterhalt verpflichtete Kinder aufgestockt wird. Auf Grund der öffentlichen Bereitstellung von Einrichtungen und Diensten im Gesundheits- und Sozialwesen, sowie der Daseinsvorsorge, können Leistungen größtenteils ohne Bezahlung in Anspruch genommen werden. Arbeitnehmereinkommen sowie Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen werden durch Steuern und Beiträge vermindert. Lohnersatzleistungen wie Renten sind ebenfalls steuerpflichtig, beziehungsweise wie das Kindergeld beitragspflichtig. Neben diesen direkten Steuern werden bei der Einkommensverwendung aus der Wertschöpfung durch indirekte Steuern wie der Mehrwertsteuer oder spezieller Verbrauchersteuer Ressourcen abgeleitet. Anhand der Besteuerung gesonderter Lohnersatzleistungen sowie des privaten Konsums finanzieren die Sozialleistungsempfänger ihre Einkommen partiell selbst mit.

Den monetären Größen entspricht immer ein realer Gegenwert. Denn der Nutzen für den Empfänger tritt erst dann ein, wenn er mit dem übertragenen Geld Güter und Dienstleistungen auf dem Markt kaufen kann. Neben den Einkommen werden somit auch Ansprüche auf Güter und Dienstleistungen umverteilt. Nach dem Sozialökonom Gerhard Mackenroth muss der Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden.[16] Hauptsächlich ist es die mittlere Generation, welche die Güter und Dienstleistungen für die Konsumansprüche der Bevölkerung produziert. Kinder und Jugendliche sind in der Regel noch nicht, und die ältere Generation nicht mehr in der Lage bzw. verpflichtet, an der Erstellung des Sozialprodukts durch Erwerbstätigkeit teilzuhaben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 4 Finanzierung der Sozialpolitik im Wirtschaftskreislauf[17]

Die Finanzierung der Sozialleistungen in Deutschland erfolgt größtenteils über das Umlageverfahren. Es werden Leistungen jeder Periode aus dem laufenden Beitragsaufkommen der entsprechenden Periode finanziert. Einkommensübertragungen wie die Altersrente, wo der zeitliche Abstand zwischen individueller Beitragszahlung und späterer Leistung groß ist, zählen entsprechend. Die aktuellen Beitragszahler versorgen die jeweiligen Rentenbezieher. Für den Beitragszahler erwächst aus seinen Beiträgen eine Anwartschaft für eine eigene Rente in der Zukunft. Die tatsächliche Höhe hängt zum Zeitpunkt der Auszahlung aber von den sozioökonomischen Bedingungen, vor allem von der Höhe des Lohnniveaus sowie der Belastungswilligkeit und Zahlungswilligkeit ab.

Im Unterschied zu dem Umlageverfahren gibt es das Kapitaldeckungsverfahren, welches auf Ansparen und den Verbrauch von vorhandenem Kapital beruht. Die Beiträge werden in einem Kapitalstock angesammelt. Dies kann in Form von Immobilien oder Wertpapieren geschehen. Das Deckungskapital, welches der Versicherte in der Phase der Erwerbstätigkeit aufbaut wird durch produktive Anlagen verzinst und damit seine spätere Rente finanziert. Größtenteils wird das Kapitaldeckungsverfahren in Form einer freiwillig abzuschließenden privaten Lebensversicherung betrieben. Eine Übertragung des privatwirtschaftlichen Kapitaldeckungsverfahrens auf die Gesamtbevölkerung ist unwahrscheinlich. Deutschland könnte weder die Rentabilität noch die Auszahlung der liquiden Mittel zu einem späteren Zeitpunkt garantieren. Risiken entstehen bei der Anlage im Ausland durch Wechselkursrisiken oder vor allem bei Inflation und Währungsreform.[18]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 5 Finanzierungslast des Sozialstaates

Zur Finanzierung der Sozialleistungen wurden laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales 897,4 Mrd. Euro eingesetzt. Im Vergleich zu 2013 entspricht dies einer Erhöhung um 29,3 Mrd. Euro. Die Ausgaben für soziale Leistungen wurden auf 849,2 Mrd. Euro beziffert. Die Differenz von 48,2 Mrd. Euro erklärt sich überwiegend durch die kapitalgedeckten Systeme. Umgerechnet 65,1 Prozent aller Finanzierungskosten kommt den Sozialbeiträgen zu Gute. 298,0 Mrd. Euro der Finanzierungskosten entfallen im Jahr 2014 auf Zuschüsse des Staates, dies entspricht 33,2 Prozent. Die Arbeitgeber haben mit 311,9 Mrd. Euro weit mehr als die Hälfte der im Sozialbudget ausgewiesenen Sozialbeiträge erbracht. Dies macht einen Anteil von 34,8 Prozent an den gesamten Finanzierungskosten des Sozialbudgets aus. Mit 272,7 Mrd. Euro beteiligen sich die Versicherten an der Finanzierung des Sozialstaates.[19]

Versicherungspflichtige Beschäftigte und deren Arbeitgeber sind in erster Linie Beitragszahler. Arbeitgeber und Arbeitnehmer leisten die Zahlungen zu gleichen Teilen, auch als Prinzip der Parität bezeichnet. Es gibt Ausnahmen, wie den von den Arbeitgebern bezahlten Beiträgen für die Unfallversicherung oder das vom Versicherten allein finanzierte Krankengeld. Beim Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze können Arbeitnehmer /-innen in eine private Versicherung wechseln.

„Man kann keine Sozialpolitik treiben, wenn nicht eine starke, gute und ertragreiche Wirtschaft sowie finanzielle Unterlage für die Sozialpolitik vorhanden ist.“[20]

Die Sozialversicherungssysteme stehen derzeit nicht in Frage. Das Bundesfinanzministerium erwartet für das Jahr 2016 eine Rekordbeschäftigung von 43,4 Mio. Erwerbstätigen. Die Sozialkassen sind gut gefüllt und die Staatsfinanzen stabil. Auf Grund der guten Wirtschaftslage wird prognostiziert, dass die Schuldenstaatsquote bis zum Jahr 2020 unter die erlaubten 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der Maastrich-Obergrenze sinkt.[21]

2.4 Kritik am Sozialstaat

Die Sozialpolitik steht gegenwärtig unter einem politischen Veränderungsdruck. Die aktuellen Flüchtlingsströme, anhaltende Beschäftigungsprobleme, der enorme gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel, die demographische Entwicklung, die Prozesse der Europäisierung und Globalisierung der Wirtschaft stellen die Sozialpolitik vor anspruchsvolle Aufgaben. Da sich neben den ökonomischen Rahmenbedingungen auch das gesellschaftlich-politische Klima verändert, geht es nicht allein um das Pro und Contra sondern vielmehr um einen grundlegenden Umbau. Die Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherung in Deutschland weist im internationalen Vergleich einen hohen Standard aus.

Deutschland liegt bei der Steuer- und Abgabenlast weit über dem OECD Durchschnitt. Alleinstehende Vollzeitarbeitnehmer müssen im Durschnitt 49,5 Prozent Steuern und Abgaben zahlen (OECD 35,9 Prozent). Steuerfreibeträge und Kindergeld reduzieren bei Ehepaaren mit Kindern die Steuerlast, jedoch liegt diese 10 Prozent über dem OECD Durchschnitt.[22] Hauptsächlich verantwortlich sind dafür, wie in den vorrangegangen aufgezeigten Kapiteln, die hohen Sozialbeiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen im Jahr 2013 unter Bundeskanzler Schröder die AGENDA 2010. Deutschland galt 2002 als „kranker Mann Europas“. Eine stagnierende Wirtschaft und mehr als 4,7 Mio. Menschen ohne Job zwangen die Regierung zu umfassenden Reformen. Mit den sogenannten Hartz IV-Gesetzen sollen Anreize geschaffen werden, schnell einen neuen Job aufzunehmen, auch wenn dieser schlechter bezahlt ist. Leistungen für Empfänger des ALG II können bei Ablehnung einer zumutbaren Tätigkeit für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden. Die Anzahl der Leih- und Zeitarbeit ist seitdem deutlich angestiegen, von 2003 mit 282.000 auf 961.000 Menschen Stand 2015.[23] Der Niedriglohnsektor wuchs von 14 auf 21,5 Prozent an.[24] Dementsprechend reicht vielen Menschen selbst eine Vollzeitbeschäftigung nicht mehr zum Bestreiten des Lebensunterhaltes. Die Anzahl der erwerbstätigen ALG II- Bezieher wurde laut der Bundesagentur für Arbeit auf 1,327 Mio. geschätzt (Stand Juni 2011).[25]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 6 Entwicklung der Anzahl von Leiharbeitnehmer/-innen[26]

Der vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigte eine deutliche Tendenz der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen auf. Deutschland zählt zu den reichsten Ländern der Welt, laut dem Armuts- und Reichstumsbericht verfügten jedoch zehn Prozent der Bevölkerung über 53 Prozent (60 Prozent laut Bundesbank – Stand 2016) des Nettogesamtvermögens, wohingegen die ärmere Hälfte der Bevölkerung nur noch über ein Prozent verfügt, im Jahr 1998 waren es noch 2,9 Prozent.[27] Demnach müssen fast 40 Mio. Menschen ihre gesamten Einnahmen ausgeben und können nicht sparen.

[...]


[1] Helmut Schmidt (2008).

[2] Vgl. (2001), S. XVI ff.

[3] Vgl. Asmus, Antje/Pabst Franziska (2016), S 27 ff.

[4] Vgl. Deutsche Bundesbank (2016), S. 62.

[5] Vgl. Gerhard Bäcker/Gerhard Naegele/Reinhard Bispinck/Klaus Hofemann/ Jennifer Neubauer (2010), S. 72.

[6] Vgl. ebd. (2010), S. 72 f.

[7] Vgl. Gerhard Bäcker/Gerhard Naegele/Reinhard Bispinck/Klaus Hofemann/ Jennifer Neubauer (2010), S. 72.

[8] Vgl. Jürgen Boeckh/Ernst-Ulrich Huster/Benjamin Benz (2011), S. 37.

[9] Vgl. Christoph Butterwegge (2014), S. 32.

[10] Vgl. ebd. (2014), S. 33.

[11] Vgl. o. V. (2013).

[12] Vgl. Gerhard Bäcker/Gerhard Naegele/Reinhard Bispinck/Klaus Hofemann/ Jennifer Neubauer (2010), S. 101.

[13] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2015), S. 9 ff.

[14] Vgl. ebd. (2015), S. 6.

[15] Vgl. Gerhard Bäcker/Gerhard Naegele/Reinhard Bispinck/Klaus Hofemann/ Jennifer Neubauer (2010), S. 108 f.

[16] Vgl. Gerhard Bäcker/Gerhard Naegele/Reinhard Bispinck/Klaus Hofemann/ Jennifer Neubauer (2010), S. 115.

[17] Vgl. ebd. (2010), S. 116.

[18] Vgl. Gerhard Bäcker/Gerhard Naegele/Reinhard Bispinck/Klaus Hofemann/ Jennifer Neubauer (2010), S. 118.

[19] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2015), S. 13 ff.

[20] Konrad Adenauer (1956).

[21] Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2016), S. 7 f.

[22] OECD Bericht Taxing Wages (2016).

[23] Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2016), S. 6 f.

[24] Vgl. Ronald Schettkat (2014), S. 2 ff.

[25] Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2013), S. 10.

[26] Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2016), S. 7.

[27] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013), S. 465.

Fin de l'extrait de 40 pages

Résumé des informations

Titre
Das Bedingungslose Grundeinkommen als sozialpolitische Alternative
Université
VWA Ostbrandenburg
Note
1,3
Auteur
Année
2016
Pages
40
N° de catalogue
V365433
ISBN (ebook)
9783668447851
ISBN (Livre)
9783668447868
Taille d'un fichier
1083 KB
Langue
allemand
Mots clés
bedingungslose, grundeinkommen, alternative
Citation du texte
Denny Knäbke (Auteur), 2016, Das Bedingungslose Grundeinkommen als sozialpolitische Alternative, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/365433

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