Integrierte Geo-Risiko- und Lageanalysen mit Location Intelligence

Aus Sicht der globalen Logistik


Tesis de Máster, 2016

120 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Thema der Arbeit
1.2 Zielstellung
1.3 Struktur der Arbeit

2 Geoinformationen in Wirtschaft und Logistik
2.1 Geoinformationen als Wirtschaftsfaktor
2.2 Geoinformationen in der Logistik
2.3 Geoinformationen im Supply Chain Risikomanagement

3 Mit Location Intelligence zu integrierten Geoanalysen
3.1 Geo-Intelligenz: Voraussetzung für erfolgreiche Geo-Lösungen
3.2 Der Geofaktor in der Business Intelligence

4 Ressourcen relevanter Geoinformationen
4.1 Überblick
4.2 Typisierung der Informationen
4.2.1 Geobasisdaten
4.2.2 Geofachdaten
4.3 Informationsquellen
4.3.1 Geobasisdaten
4.3.2 Geofachdaten

5 Extraktion der Geodaten
5.1 Informationen und Daten
5.2 Herstellen des Raumbezugs
5.2.1 Georeferenzierung und Geokodierung
5.2.2 Bezugssysteme
5.2.3 Geodaten mit direktem Raumbezug
5.2.4 Raumbezug aus strukturierten geografischen Angaben
5.2.5 Raumbezug aus semantischen Beschreibungen
5.2.6 Raumbezug bei geografischen Karten
5.3 Qualitätsaspekte
5.3.1 Grundlagen der Geodaten-Qualität
5.3.2 Geokodierung von Adressdaten
5.3.3 Verwendung von Geodatenlayern
5.3.4 Verwendung von Themenkarten

6 Das Location Intelligence-Konzept in der praktischen Analyse
6.1 GIS in der Risiko- und Lageanalyse
6.1.1 Das Layerprinzip als Basis für Analysen
6.1.2 Beispielhafte Analysen
6.1.3 Einsatz von GIS als Erfolgsfaktor
6.2 Vorgehensmodelle und Prozesse
6.2.1 Grundsätzliches Vorgehen
6.2.2 Prozessdarstellungen
6.3 Handlungsempfehlungen

7 Zusammenfassung und Ausblick
7.1 Zusammenfassung
7.2 Fazit und Ausblick

Begriffsglossar

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Alle Abbildungen ohne Quellenangaben wurden vom Autor erstellt

Abb. 1: Risikoradar für die Automobil- und Konsumgüterindustrie (Quelle: Ernst & Young)

Abb. 2: Ergebnisse zur Befragung im Allianz Risk-Barometer (Quelle: Allianz)

Abb. 3: Schematische Darstellung der Lieferkette (Supply Chain) (Quelle: Kuhn/Hellingroth)

Abb. 4: GIS-T-Themenbereiche (Quelle: AASHTO)

Abb. 5: Allgemeiner vierphasiger Prozess des Risikomanagements (Angelehnt an Pfohl)

Abb. 6: Prozess des Supply Chain Event Management (Quelle: Behdani et al.)

Abb. 7: GIS im SCRM (Quelle: Sheffi et al)

Abb. 8: Web-Oberfläche des DHL Resilience360-Tools zum Risikomonitoring (Quelle: DHL)

Abb. 9: Faktoren der Geo-Intelligenz (Angelehnt an geo7.ch)

Abb. 10: Location Intelligence, der Wo-Faktor in der BI (Quelle: Arthen, geändert)

Abb. 11: Beispiel der Integration der LI in der BI (Quelle: Arthen)

Abb. 12: Bausteine der Location Intelligence (Angelehnt an Arthen)

Abb. 13: Überblick über die relevanten Geoinformationen

Abb. 14: Maßstabsbereiche der Geodatenlayer auf naturalearthdata.com (Quelle: Natural Earth)

Abb. 15: Darstellung der HighRes-Cresta-Zonen um den Golf von Mexiko, basierend auf 5stelligen Postleitzahlen (USA) und Municipalities (Mexico) (Quelle: CRESTA)

Abb. 16: Darstellung globaler Hotspots zu Naturereignissen und deren ökonomische Auswirkung (Quelle: SEDAC)

Abb. 17: Regionale Risikozonen für Wirbelstürme am Golf von Mexiko (Quelle: CHRR)

Abb. 18: Ausbreitung der Ebola-Epidemie (Quelle: CDC

Abb. 19: Analyse des Erdbebens in Nepal (Quelle: USGS)

Abb. 20: Analyse des Hochwassers in Sachsen-Anhalt 2013 (Quelle: PERILS)

Abb. 21: Schwerpunkte der Seepiraterie (Quelle: ICC IMB & MIPT)

Abb. 22: Einflussbereiche der verschiedenen mexikanischen Drogenkartelle (Quelle: Mexikanische Regierung, Stratfor)

Abb. 23: Ausschnitt aus einer Tabelle mit geokodierten Standortdaten

Abb. 24: Ablauf einer Geokodierung von Adressen (Angelehnt an WiGeoGIS.com)

Abb. 25: Durchführen einer Geokodierung über den Webdienst „Find Latitude and Longitude“

Abb. 26: Auszug aus einer Tabelle mit strukturierten Angaben für einen Layerabgleich, hier über die Spalte Postal Code

Abb. 27: Vorgehen bei der Herstellung des Raumbezugs aus semantischen Beschreibungen

Abb. 28: Grundarten der kartografischen Projektion (Quelle: Kohlstock)

Abb. 29: Projektionen in der Software RegioGraph von GfK

Abb. 30: Überarbeitung von Adressangaben zur besseren Geokodierung

Abb. 31: Falschpositive Geokodierung und deren Behebung durch Korrektur der Eingaben

Abb. 32: Übersicht über mögliche Topologie-Fehler (Quelle: UNIGIS, geändert)

Abb. 33: Beispiel für einen Topologie-Fehler bei der Überlagerung zweier Layer (Lücke)

Abb. 34: Georeferenzierung einer stark generalisierten Themenkarte mit zudem nicht übereinstimmender Projektion (Quelle der Themenkarte: ZEIT Online)

Abb. 35: Schematische Darstellung des Layerprinzips in GIS (Quelle: ESRI)

Abb. 36: Analyse der Bedrohung durch Hamas-Raketen vom Gazastreifen auf Israel

Abb. 37: Analyse der Ebola-Epidemie in Afrika

Abb. 38: Analyse der Ukrainekrise mit Kampfhandlungen, Stand Anfang 2015

Abb. 39: Prozessschema nach dem Location Intelligence-Konzept

Abb. 40: UML-Darstellung der Geokodierung als Anwendungsfalldiagramm

Tabellenverzeichnis

Alle Tabellen ohne Quellenangaben wurden vom Autor erstellt

Tabelle 1: Top 10 der größten globalen Geschäftsrisiken 2015 (Quelle: Allianz)

Tabelle 2: Top 5 der schwersten Lieferkettenunterbrechungen (Quelle: Allianz)

Tabelle 3: Zusammenfassung der möglichen Bezugsquellen für Risikodaten

Tabelle 4: Arten des Raumbezugs in Abhängigkeit von der Information

Tabelle 5: Genauigkeit der Geokodierung (Accuracy Level) im Google-Geocoder (Quelle: Google)

Tabelle 6: Übersicht der Qualitätskriterien zu den einzelnen Geodaten

Tabelle 7: Überblick über die Handlungsempfehlungen für die Durchführung von Geoanalysen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Thema der Arbeit

Die Risikolandschaft für global agierende Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Die Globalisierung und Vernetzung der Wirtschaft zeigt sich gerade auch in der Risikosituation, mit der die einzelnen Branchen konfrontiert werden und stellt sie vor völlig neue Situationen und Herausforderungen. Insbesondere das Logistik- bzw. Supply Chain-Gewerbe hat es infolge dem mit der Globalisierung verbundenen Bedürfnis, in alle Regionen der Welt Güter zu transportieren, mit einer großen Bandbreite an Risiken und Gefahren zu tun, die Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette haben können und je nach Region völlig unterschiedlich sein können. Der Ernst & Young Business Risk Report 2010 dokumentiert in einem Geschäfts-Risiko-Radar für unterschiedliche Industriesegmente eine Bewertung der Risikolandschaft. Das Risiko-Radar ist dabei in 4 Sektoren unterteilt, die strategische, operative, finanzielle und Compliance-Risiken bewerten. Je zentrumsnäher eine Bewertung im Radar ausfällt, desto größer ist ihre Bedeutung in dieser Branche. Am Beispiel der Automobil- und Konsumgüterindustrie lässt sich gut erkennen, dass dem Thema Lieferketten eine sehr große Bedeutung in einer umfassenden Risikoanalyse zukommt (s. Abbildung 1) [vgl. EY].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Risikoradar für die Automobil- und Konsumgüterindustrie (Quelle: Ernst & Young)

Die Begleiteffekte der Globalisierung, wie Global Sourcing und Offshoring im internationalen Maßstab auf der einen Seite und die Spezialisierung von produzierenden Unternehmen und Zulieferern (Single Sourcing) auf der anderen Seite, bringen es mit sich, dass sich der Blickwinkel auf den eigenen Organisationsbereich verengt und die Transparenz für die gesamte Lieferkette und beteiligter Dritter darunter leidet und letztlich auch die Anfälligkeit der Wertschöpfungskette erhöht. Der Nutzen aus der Globalisierung bringt so gleichzeitig versteckte Kosten mit sich, durch erhöhte Risiken an Unterbrechungen und Störungen in der Lieferkette. Zusätzlich machen ein schlankes (Lean) Supply Chain Management und eine Just-in-Time- oder gar Just-in-Sequence-Lagerhaltung und ‑Lieferung Netzwerke anfälliger für Risiken. Und obwohl ein unternehmensweites Risikomanagement potenzielle Verluste aufgrund solcher Gefahren minimieren kann, können Versicherungen Marktanteile oder den Verlust der Reputation eines Unternehmens nicht ersetzen oder Kundenvertrauen wiederherstellen, das sich aus Geschäftsausfällen ergeben kann. Neben verschiedenen unternehmensinternen, immateriellen, betriebswirtschaftlichen, rechtlichen oder den immer weiter aufkommenden Cybercrime-Risiken gewinnen auch externe, physische, eigentums­bezogene Risiken an Bedeutung und zeigen die Anfälligkeit der Transportsysteme gegenüber äußeren Einflüssen.

Laut einer im Jahr 2004 von FM Global und Harris Interactive Research durchgeführten Umfrage unter 600 Führungskräften von Unternehmen aus den Bereichen Finanzen und Risikomanagement von führenden Unternehmen in Nordamerika und Europa betrachten 69% der Befragten eigentumsbezogene Gefährdungen und Unterbrechungen in der Lieferkette als die größte Bedrohung der wichtigsten Einnahmequellen [vgl. Green 2004, S. 105]. Entsprechend induzierte Risiken, sei es durch Naturgefahren, auch durch infolge des Klimawandels zunehmende, extreme Wetterereignisse, Katastrophen, Epidemien oder Konflikte, erhalten durch die Globalisierung und weltweite Vernetzung eine immer größere Bedeutung und führen zu einer immer größer werdenden Risikokomplexität. Dies trifft insbesondere die Logistikwirtschaft, die von einer funktionierenden Infrastruktur abhängig ist. So haben in einer Umfrage des American Productivity and Quality Center (APQC) bei 195 großen Unternehmen aus dem Jahr 2013 75% der Befragten angegeben, in den vergangenen 24 Monaten von mindestens einem bedeutenden Ereignis, das eine Störung der Lieferkette zur Folge hatte, betroffen gewesen zu sein [vgl. Driscoll 2013]. Zu demselben Ergebnis kommt eine aktuelle DHL-Studie, der zufolge von über 400 befragten Unternehmen 74% angaben, mindestens einmal in 2015 von Störungen bzw. Unterbrechungen in ihrer Lieferkette betroffen gewesen zu sein [vgl. DHL InsightOn 2016]. Gemeint sind hier unvorhergesehene und bedeutende Ereignisse, die sich auf materielle Vermögenswerte des Unternehmens oder verbundener Dritter auswirkten. Als bedeutend wird hierbei ein Ereignis definiert, das das Potential zu einer schwerwiegenden Unterbrechung der Geschäftstätigkeit hat und die so genannte Betriebskontinuität beeinträchtigt oder das Potential dazu hat.

Obwohl in allen (größeren) Unternehmen ein Risk Management, auch als unternehmens­weites und ganzheitliches Enterprise Risk Management (ERM) bezeichnet, betrieben wird, scheint die Sensibilität für derartige Risiken auf strategischer Ebene noch nicht so ausgeprägt zu sein, da Störungen in der Lieferkette eher als Risiken auf der operativen Ebene angesehen werden, wie auch im Geschäfts-Risiko-Radar der Ernst & Young-Studie erkennbar ist (s.o.). Dagegen sind bspw. Risiken aus den Bereichen Management, Investment, Finanzen, Recht, IT und Ökonomie typische Themen auf strategischer Ebene. Verschiedene Studien zum Thema globales Risikomanagement zeigen jedoch das Bedrohungspotential u.a. aus den o.g. Risiken und listen unter den Top 10 der globalen Risiken regelmäßig u.a. auch Natur-. und andere Katastrophen sowie Konflikte und Krisen. Ganz allgemein steht hier das Risiko von Lieferkettenunterbrechungen überhaupt an erster Stelle, was dessen Bedeutung für die globale Logistik zeigt. Tabelle 1 zeigt die Top 10 der größten globalen Geschäftsrisiken aus dem Allianz Risk Barometer 2015 [vgl. FM Global 2009, Allianz 2015].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch für die mittel- und langfristige Zukunft wird von einer signifikanten Bedrohung aus derartigen Risiken ausgegangen. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse einer Befragung im Rahmen des o.g. Allianz Risk Barometers.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Ergebnisse zur Befragung im Allianz Risk-Barometer (Quelle: Allianz)

Unterbrechungen der Lieferkette, ausgelöst durch katastrophale Ereignisse und andere äußere Einflüsse, können zudem sehr kostenintensiv sein und dasselbe Ausmaß haben, wie andere Krisen im Unternehmen und sich auch auf den Unternehmenswert mindernd auswirken [vgl. Knight/Pretty 1996, S. 22]. Obwohl Risikomanager wissen, dass Einrichtungen geschädigt oder zerstört werden können und Betriebsunterbrechungen sowie Stillstand von Produktionsketten zu einem Verlust von Marktanteilen und sinkender Shareholder Value führen und Reputationsrisiken die Folge sind, wird oftmals nicht angemessen reagiert [vgl. FM Global 2010]. Nach den Ereignissen in Japan und Thailand haben global agierende Unternehmen aber schmerzhaft gespürt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Das gilt insbesondere für den aktuellen Wachstumsmarkt China, für den eine Studie ein noch höheres Schadenspotential bescheinigt [vgl. FM Global 2011]. Auch andere aufstrebende Märkte, wie Indien und Vietnam sollten so auf dem Risikoradar sein. Eine aktuelle Studie des British Standards Institute summiert den Schaden aufgrund solcher Ereignisse und Gefahren für das globale Supply Chain-Gewerbe im Jahr 2015 auf 56 Mrd. USD [vgl. BSI 2016]. Tabelle 2 zeigt die fünf schwerwiegendsten Ursachen für Lieferkettenunterbrechungen aus dem Jahr 2014, deren voraussichtlichen Schaden und die Zeitdauer der Wiederherstellung einer funktionierenden Lieferkette.

Tabelle 2: Top 5 der schwersten Lieferkettenunterbrechungen (Quelle: Allianz)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für ein weltweit agierendes (Logistik-)Unternehmen sollten die o.g. Naturgefahren, Katstrophen und Krisen fester Bestandteil eines entsprechend global ausgerichteten ERM und einer Risikoanalyse sein. Nur so lässt sich strukturiert und vorausschauend ermitteln, mit welchem Gefährdungspotential und Schadensausmaß bei Eintritt eines derartigen Ereignisses für die unterschiedlichen Schutzgüter (Mitarbeiter, Betriebsstätten, Infrastruktur, Waren) zu rechnen ist. So können dann zielgerichtet Maßnahmen ergriffen werden, um mögliche Gefahren abzumildern und eine Anpassung an sich verändernde Gefahren und Umweltbedingungen zu ermöglichen und so letztlich die Vulnerabilität des Unternehmens zugunsten der Resilienz zu minimieren. Minimierte Lieferkettenrisiken können so nicht nur Millionenverluste verhindern, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

Ein ERM muss ferner dazu in der Lage sein, bei katastrophalen Ereignissen oder kritischer Sicherheitslage infolge von Unruhen oder Krisen, einerseits die aktuelle Lage und andererseits eine mögliche Gefährdung für das eigene Unternehmen bzw. den Geschäftsbetrieb (Lieferkette) darzustellen. Daneben bieten sich Gefahrenanalysen auch im Rahmen von Szenarien an, um bereits im Vorfeld auf mögliche, künftige Ereignisse vorbereitet zu sein.

Aufgrund der per definitionem räumlichen Orientierung, werden die genannten Risiken auch als Georisiken bezeichnet. Somit haben Geoinformationen und entsprechende Systeme, die solche Geoinformationen verarbeiten (Geoinformationssysteme, kurz GIS), eine Schlüsselfunktion. Nur über eine Kartendarstellung lassen sich komplexe, räumliche Sachverhalte übersichtlich und intuitiv verständlich darstellen. Auch das Risikomanagement und die Risikoanalyse kann durch Geoinformationen bzw. eine entsprechende Kartierung der Risiken und Gefahren wirkungsvoll unterstützt werden, da Geoanalysen und –lösungen die Risikotransparenz verbessern. Als Voraussetzung müssen die relevanten Informationen in ihrem räumlichen Bezug erhoben und miteinander kompatibel gemacht werden, um sie in einem GIS für die geforderten Lage- und Gefahrenanalysen sinnvoll einsetzen zu können. Ferner gehört dazu die Einbindung und Visualisierung betrieblicher Daten, die die gesamte Lieferkette und deren Elemente in den geografischen Zusammenhang mit den Risiken stellen.

Dies erfordert zum einen ein grundlegendes Verständnis über den Nutzen des Einsatzes von Geoinformationen (Geo-Awareness) bzw. das Bewusstsein über vorhandene Unternehmensdaten mit Raumbezug und den Einsatz geointelligenter Lösungen, sowie zum anderen eine methodische Herangehensweise und Durchführung integrierter Geo-Risikoanalysen. Als Grundlage für eine entsprechende Vorgehensweise eignet sich das Konzept der so genannten Location Intelligence, das seit Anfang der 2000er Jahre als Erweiterung der zumindest in größeren Unternehmen etablierten Business Intelligence zunehmend an Bedeutung gewinnt und den (Unternehmens-)Daten die räumliche Dimension hinzufügt und erst so raumbezogene Analysen ermöglicht [vgl. GfK 2013]. Location Intelligence verbindet die bislang eher separat betriebenen Stränge der vorwiegend betriebswirtschaftlich geprägten Business Intelligence auf der einen und die meist isoliert und von Spezialisten betriebenen geografischen Analysen auf der anderen Seite, die bislang eher nebenher agiert haben. Die in der Location Intelligence definierten drei Kernbereiche Location Discovery, Location Analytics und Location Optimization (s. Kap. 3.2) dienen gleichzeitig als Rahmen für die einzelnen Schritte zur Durchführung der in dieser Arbeit thematisierten Geo-Risikoanalysen und daraus abgeleiteten Vorgehensmodellen (s. Kap. 6.2).

1.2 Zielstellung

Die Herausforderung bei der Implementierung einer integrierten geodatengestützten Risiko- und Lageanalyse besteht nicht nur in der Komplexität der einzelnen Themen, sondern auch in der Heterogenität und Interdisziplinarität der jeweils infrage kommenden Informationen und deren Quellen. D.h., dass die Informationen in völlig unterschiedlicher Art und Weise vorliegen und auch der notwendige Raumbezug in unterschiedlicher Weise definiert sein kann. Hinzu kommt, dass manche Informationen primär nicht auf eine GIS-Tauglichkeit ausgelegt sind und erst bearbeitet werden müssen. Die verfügbaren Informationen müssen somit auf ihre GIS-Tauglichkeit geprüft und über einen ggf. herzustellenden, einheitlichen und untereinander kompatiblen Raumbezug in einem GIS integriert werden, um sie, insbesondere unter Bezugnahme auf die eigenen Unternehmensstammdaten, gegenseitig analysieren zu können. Das erfordert nicht nur ein Verständnis für die Bedeutung von raumbezogenen Informationen, deren Potential und Einsatzmöglichkeiten, sondern auch eine methodische Herangehensweise in der Erhebung und Analyse.

Die Integration von externen Informationen zu den genannten Risikofeldern mit den unternehmensinternen Stammdaten, deren Analyse und Visualisierung hinsichtlich möglicher Gefährdungen für die eigene Betriebstätigkeit, soll nicht nur die vorhandene Informationen intuitiv und nachvollziehbar darstellen, sondern zusätzliches Wissen generieren, nicht nur für die Sicherheit des Unternehmens, sondern gleichermaßen gegenüber Zulieferern und Kunden, deren Güter transportiert werden, denen so eine entsprechende Geo-Intelligenz vermittelt werden kann. Dies kann auch als Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern identifiziert werden und stellt somit einen Erfolgsfaktor für das Unternehmen dar.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, nicht nur die Bedeutung von Geoinformationen für die Wirtschaft im Allgemeinen und die Logistik sowie deren Risikomanagement im Speziellen hervorzuheben und die Notwendigkeit eines grundlegenden Verständnisses für die Einbeziehung räumlicher Informationen und Anwendung geointelligenter Lösungen zu begründen, sondern insbesondere aufkommende Fragen und Herausforderungen bei der Erhebung und Integration der Geoinformationen samt möglicher Lösungswege aufzuzeigen und möglichen Vorgehensmodelle daraus zu entwickeln.

Hierzu sollen folgende Fragestellungen erörtert werden:

- Welchen Nutzen und Vorteil bietet die geografische Visualisierung von Risikodaten, insbesondere für die Transportwirtschaft, im Rahmen eines Risikomanagements?
- Welche Bedeutung hat hierzu das Konzept der Location Intelligence?
- Welche (Risiko-)Daten und Informationen kommen in Frage bzw. sind geeignet und welche Quellen stehen zur Verfügung?
- Wie ist der Raumbezug jeweils definiert bzw. wie lässt sich ein einheitlicher Traumbezug herstellen?
- Welche Qualitätsprobleme können auftreten, mit welchen Auswirkungen und wie lassen sich diese ggf. beheben?
- Wie lassen sich die Informationen in einem GIS integrieren und analysieren?
- Welche geeigneten Vorgehensmodelle und Prozesse lassen sich zur Durchführung der Analysen definieren?
- Welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus ableiten?

Wie einleitend bereits erwähnt, gibt es eine sehr breite und sich ständig verändernde Palette an internen und externen Risiken, die zudem je nach Land und Region völlig unterschiedlich ausgeprägt sind. Im Rahmen dieser Arbeit stehen externe, durch Naturgefahren, Katastrophen, Konflikte und die Sicherheitslage (z.B. durch organisierte Kriminalität) induzierte Risiken und deren mögliche physische Auswirkung auf die Lieferkette von Logistikunternehmen im Fokus. Risiken also, die sich gleichermaßen geographisch verorten und visualisieren lassen. Unternehmensinterne, rechtliche, immaterielle und betriebswirtschaftliche Risiken, sowie Risiken innerhalb des Unternehmens (Managements) oder durch Cybercrime (IT-Sicherheit), etc. sind demzufolge nicht Gegenstand der Betrachtung.

Ebenso bleibt die grundsätzliche Frage der Modellierung von Risiken im Detail außer Betracht und wird im Rahmen der Herstellung des Raumbezugs lediglich am Rande behandelt.

1.3 Struktur der Arbeit

Kapitel 2, im Anschluss an diese Einleitung, führt in die Bedeutung von Geoinformationen für die Wirtschaft im Allgemeinen und die Logistik sowie dem Risikomanagement im Besonderen ein. Es hebt den besonderen Wert des Wirtschaftsfaktors Geoinformation gerade auch durch die Integration im Supply Chain Risikomanagement und die sich daraus ergebenden Vorteile hervor.

Kapitel 3 beschreibt die so genannte Geo-Intelligenz und das damit verbundene Verständnis in Bezug auf Geoinformationen und das Erkennen des sich daraus ergebenden Mehrwerts als notwendige Voraussetzung für den effektiven Einsatz von Geoinformationen. Ferner wird das Konzept der Location Intelligence erläutert, anhand derer die räumliche Dimension für Unternehmens- und weitere relevante Daten eingeführt wird und die so georeferenzierten Daten visualisiert und analysiert werden können.

In Kapitel 4 werden mögliche Ressourcen für die relevanten Geoinformationen dargestellt, wofür die Typen der infrage kommenden Informationen identifiziert, definiert, entsprechend strukturiert und mögliche Datenquellen recherchiert und dargestellt werden.

Kapitel 5 behandelt die Aufbereitung der unterschiedlichen Geoinformationen zur Schaffung IT-tauglicher Geodaten und damit zusammenhängend die Frage des Raumbezugs und wie dieser hergestellt und vereinheitlicht werden kann. Ferner werden damit verbundene Qualitätsaspekte und ‑probleme und deren mögliche Vermeidung oder Beseitigung dargestellt.

Kapitel 6 beschreibt Vorgehensmodelle und Prozesse für die Durchführung der Analysen, zeigt an Beispielen die Integration und Analysemöglichkeiten in einem GIS auf und warum GIS als Erfolgsfaktor angesehen werden können. Ferner werden dazu Handlungs­empfehlungen für eine optimierte Durchführung definiert.

Kapitel 7 bietet abschließend eine Zusammenfassung sowie einen Ausblick zum Thema unter Berücksichtigung kommender Themen, wie Big Data und GIS.

2 Geoinformationen in Wirtschaft und Logistik

2.1 Geoinformationen als Wirtschaftsfaktor

Eine sehr weit verbreitete These in der GIS-Welt lautet, dass 80% aller Informationen einen Raumbezug haben. Neben dieser sehr allgemeinen Form findet sich diese Aussage auch in verschiedenen Variationen in der internationalen Fachliteratur, so bspw. dass 80% aller Unternehmensdaten oder Daten öffentlicher Stellen einen Raumbezug haben, oder dass sich 80% aller Unternehmensentscheidungen auf räumliche Sachverhalte beziehen. Im Bereich der Geoinformationswissenschaft ist diese These sehr weit verbreitet und wird teilweise als belegter Fakt angenommen, zumindest aber als Common Sense angesehen. Sie dient im Spektrum der GIS-Branche auch als Marketinginstrument. Entsprechend wird diese These von den jeweiligen Autoren in einer der o.g. Formen zitiert, jedoch ohne eine Angabe empirischer Belege oder Methoden und, wenn überhaupt, lediglich auf frühere akademische oder nicht-akademische Quellen verwiesen [vgl. Hahmann 2014, S. 3]. Der genaue Ursprung der These lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei identifizieren. Es lässt sich aber feststellen, dass der Ausgangspunkt in den 1980er Jahren, mit dem Aufkommen der ersten Geo-Informationssysteme, liegt und aus dem nordamerikanischen Raum stammt. Ursprünglich bezog sich die These auf den Bereich der Raum- und Umweltplanung im kommunalen Bereich, der traditionell sehr viele räumliche Referenzen enthält [vgl. Hahmann et.al. 2011]. Dieser ursprüngliche, spezielle Bezug wich in der Nachfolgezeit einer (Über)Generalisierung, so dass diese These, als allgemein akzeptierte Grundannahme angesehen, auch in allgemeinen Kontexten und nicht selten auch wissenschaftlichen Publikationen verwendet wird.

Eine aktuellere wissenschaftliche Untersuchung, basierend auf einer Analyse der deutschen Wikipedia, zur Überprüfung dieser These, kommt zu dem Ergebnis, dass knapp 60% der Informationen einen direkten oder indirekten Raumbezug aufweisen [vgl. Hahmann 2012]. Auch wenn diese Zahl deutlich geringer ist, als die ursprüngliche Annahme von 80 %, zeigt sie aber dennoch die Relevanz von georäumlichen Informationen. Im Zeitalter der Informationsgesellschaft sind Geoinformationen zudem ein wichtiger Bestandteil und gelten mittlerweile als Wirtschaftsgut und werden auch als digitaler Rohstoff bezeichnet. So sind Geoinformationen nicht nur in den traditionellen Einsatzgebieten staatlicher Stellen, Behörden und Institutionen wichtiger Bestandteil der Aufgabenerfüllung und Grundlage raumbezogener Planungsprozesse, sondern zunehmend auch in der privaten Wirtschaft. Maßgeblich getrieben durch die zunehmende Fülle an Geoinformationen, dem Auf- und Ausbau (internationaler) Geodateninfrastrukturen, die einen leichten Zugang sicherstellen sollen und der damit verbundenen, angestrebten, internationalen Harmonisierung der Geodatenstrukturen selber, aktuell bspw. auf europäischer Ebene durch die INSPIRE-Richtlinie zum Aufbau einer einheitlichen europäischen Geodateninfrastruktur [INSPIRE]. Gerade in Verbindung mit Webtechnologien kann so ein schneller und leichter Zugriff auf Geoinformationen gewährleistet werden.

Darüber hinaus macht heute die rasante technische Weiterentwicklung im Bereich der Informations- und Computertechnologie, sowohl auf dem Feld der Software wie auch der Hardware, eine effiziente Nutzung von Geoinformationen möglich, zumal sich mittlerweile bereits ein Geoinformationsmarkt gebildet hat, der auch Unternehmen zur Verfügung steht. Insbesondere Geschäftsfelder mit einem starken geografischen Bezug profitieren von dem Zugang zu und der Arbeit mit Geoinformationen, wie bspw. Marketing und Vertrieb, Risikomanagement in der Versicherungswirtschaft, wie auch spezifische Bereiche, wie Geostatistik, Standort- und Routenplanung oder Location Based Services, um nur einige wenige zu nennen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Risiko- und Katastrophen­management sind Geoinformationen unverzichtbar. Insbesondere hinsichtlich Naturrisiken und –katastrophen, die in den vergangenen Jahren durch entsprechende Ereignisse an Bedeutung erheblich zugenommen haben. Sei es präventiv durch eine Risikobeurteilung oder der Unterstützung der Einsatzplanung bei konkreten Katstrophenfällen. Speziell die Versicherungswirtschaft und hier die Rückversicherer, wie Munich Re, haben sich auf das Monitoring von Naturrisiken und –gefahren spezialisiert. Beispielhafte Einsatzbereiche in der Wirtschaft finden sich bei Simon und Szabo [vgl. Simon 2013, Szabo 2006] und mit Schwerpunkt auf dem Sicherheits- und Katastrophenmanagement bei Strobl/Roth [vgl. Strobl/Roth 2006].

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und finden sich sowohl auf operativer, als auch strategischer Ebene. Geodaten unterstützen Unternehmen dabei, bestimmte Fragestellungen zu analysieren und zu visualisieren. Das umfasst nicht nur die Nutzung vorhandener öffentlicher Geodaten sondern insbesondere die Erzeugung eigener, unternehmensbezogener Geodaten. Bringt man dann externe Geodaten mit internen, georeferenzierten Unternehmensdaten in Verbindung, lassen sich Sachverhalte und Zusammenhänge verständlich visualisieren und räumliche Zusammenhänge in der Regel schneller oder überhaupt erst erfassen, als durch verbale Beschreibungen, reine Texte oder Daten in Tabellen. Die daraus abgeleiteten Schlüsse bilden eine Grundlage für Planungen, Maßnahmen und Entscheidungen und können den Unternehmenserfolg erheblich steigern. Die Arbeit mit Geodaten bildet die Grundlage für neue Informationen und zur Generierung von (neuem) Wissen über räumliche Zusammenhänge. Der Nutzen besteht dabei in allen Bereichen und nicht nur in den unmittelbar geografisch orientierten.

2.2 Geoinformationen in der Logistik

Das Gebiet der Logistik umfasst die Planung und Steuerung aller Aufgaben zu Transport, Lagerung und Umschlag von (materiellen) Gütern und Personen in und zwischen Betrieben, bezieht sich also insbesondere auf den physischen Transport. Ziel ist „…die Verfügbarkeit des richtigen Gutes, in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, für den richtigen Kunden, zu den richtigen Kosten“ [Gabler 2013, S. 279]. Damit zusammen hängt der Begriff der Lieferkette, die neben der reinen transportbezogenen Logistik die gesamte Wertschöpfung und Versorgungskette, vom Lieferanten/Zulieferer bis hin zum Händler/Kunden, inkl. Produktion und Dienstleistungen sowie nicht-physische Aktivitäten umfasst [vgl. Gabler 2013, S. 423]. Dabei handelt es sich jedoch nicht nur um eine kettenartige, lineare Beziehung der Teilnehmer, sondern vielmehr um ein Netzwerk an beteiligten Unternehmen. Der englische BegriffSupply Chainfür Lieferkette wird auch im deutschen Sprachraum häufig verwendet. Abbildung 3 zeigt schematisch eine Lieferkette.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Schematische Darstellung der Lieferkette (Supply Chain) (Quelle: Kuhn/Hellingroth)

Die Logistikbranche gehört ohne Zweifel zu den Branchen, für die Geoinformationen von hoher Relevanz sind, da sich deren Geschäftstätigkeit per Definition im realen geografischen Raum abspielt und somit der Anteil an georäumlichen Informationen sogar deutlich über den allgemein postulierten 80% liegen dürfte, in jedem Fall aber immer der räumliche Bezug im Vordergrund steht. Das ergibt sich nicht zuletzt aus den typischen Wo-Fragen der Logistikbranche:

- Wo sind meine (optimalen) Standorte?
- Wo sind meine Lieferanten/Kunden?
- Wo sind Verkehrsknotenpunkte (Flughäfen, Häfen)?
- Wo verlaufen die besten Routen?
- Wo sind meine Transportmittel (Fahrzeuge/Flugzeuge/Schiffe)?
- Wo sind meine Güter?

Nach der oben erwähnten Umfrage setzen 60% der Logistikunternehmen bereits GIS für interne und externe Zwecke ein. Demzufolge wird schon traditionell in dieser Branche vermehrt mit Geoinformationen gearbeitet, nicht zuletzt, um die erwähnten Wo-Fragen beantworten zu können. Erfolgreiche Anwendungen finden sich bspw. im Flottenmanagement für die Touren- und Gebietsplanung sowie bei der Routenoptimierung (Einsatz von Navigationssystemen). Die Fahrzeugortung durch Telematik spielt hier eine wichtige Rolle. Auch für die Analyse von Warenströmen werden räumliche Informationen genutzt. Selbst die permanente Überwachung von wertvollen oder gefährlichen Gütern mittels GPS-Verfolgung ist eine Geolösung, ebenso wie das so genannte Container Tracking mit RFID-Technik (Radio Frequency Identification), bei dem Waren oder Container exakt verfolgt werden können.

Eine Standortplanung und –auswahl ist ohne geographische Informationen gänzlich undenkbar, wofür jedoch die exakte Kenntnis der Lage des Standortes unerlässlich ist. Damit zusammen hängt auch die Frage, wo sich der nächste relevante Kunde bzw. Zulieferer befindet, was sich dann wiederum auf die bereits erwähnte Routenplanung auswirkt. Ergänzt wird dies durch darauf basierende geografisch definierte Liefer- und Transportzonen.

Im deutschsprachigen Raum weniger geläufig, im nordamerikanischen Raum dagegen ein Spezialgebiet, ist das sogenannteGIS for Transportation(GIS-T), das sich mit Verkehrsplanung im Allgemeinen und der dazu notwendigen Infrastruktur befasst und ein Bereich derAmerican Association of State Highway and Transportation Officials(AASHTO) ist [AASHTO GIS-T]. GIS-T stellt transportbezogene GIS-Anwendungen und Analysen bereit und umfasst u.a. Datenmodellierung und ‑analyse, Visualisierung, Netzwerkanalysen, Routing und Risiken durch äußere Einflüsse [GIS-T].

Schwerpunkte typischer GIS-T-Anwendungen sind:

- Infrastrukturplanung und -management
- Verkehrsüberwachung- und -planung
- Routenplanung und Navigation
- Intelligente Transportsysteme und Tracking
- Transportrelevante Sicherheitsanalysen
- Analyse von Umwelteinflüssen
-Risikominimierung
- Unterstützung relevanter Industriezweige

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch wenn GIS-T kein rein spezifischer Logistik-Anwendungsbereich ist, so gibt es insbesondere in der Routenplanung und Netzwerkanalyse viele Überschneidungen und Bezugspunkte, was sich auch im GIS-T-ThemenbereichLogistics and Transportation(L&T) ausdrückt. So nutzen bereits Logistikunternehmen wie DHL entsprechende GIS-Anwendungen für die Optimierung von Transportrouten [vgl. ESRI]. Abbildung 4 auf der vorhergehenden Seite zeigt die besondere Natur von GIS-T und damit zusammenhängenden Themenbereichen, die als Orientierung für den Einsatz von GIS in der Logistik dienen können.

2.3 Geoinformationen im Supply Chain Risikomanagement

Neben den weitgehend operativ orientierten Fragestellungen (Wo-Fragen), stellt das eher strategisch orientierte ERM einen weiteren Schwerpunkt dar. Da sich dieses in der Branche nicht nur auf die rein transportbezogene Logistik sondern auf die gesamte Lieferkette bezieht, wird es, angelehnt an den englischen Begriff, alsSupply Chain Risk Management(SCRM) bezeichnet.

Für den Risikobegriff selber gibt es keine allgemeingültige Standarddefinition. Es wird vielmehr, je nach Forschungsgebiet, unterschiedlich aufgefasst und definiert. Am häufigsten findet sich eine Definition für einen allgemeinen Risikobegriff, die aus dem mathematisch-statistischen Bereich stammt. Demnach fasst das Risiko (R) die Gefährdung mit der Vulnerabilität (Anfälligkeit, Verletzlichkeit) zusammen und wird als das Produkt aus der Eintrittswahrscheinlichkeit (W) eines bestimmten Ereignisses und dem möglichen Schadensausmaß (S) ausgedrückt, in der Versicherungswirtschaft auch mit der entsprechenden Formel: R = W * S [vgl. Dikau/Weichselgartner 2005, S. 180]. Übertragen auf das unternehmerische Handeln bedeutet dies eine mögliche Abweichung von a-priori getätigten Planungen eines Unternehmens, aufgrund bestimmter Ereignisse und deren (negative) Auswirkung auf die Geschäftstätigkeit bzw. den Betriebsablauf [vgl. Pfohl et al 2008, S. 13]. Im Rahmen dieser Arbeit umfasst dies Störungen oder Ausfälle, bezogen auf die gesamte Lieferkette. Da sich der Risikobegriff auf die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses bezieht, jedoch nicht das eintretende Ereignis selber umfasst, wird dieses im Risikomanagement differenziert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Allgemeiner vierphasiger Prozess des Risikomanagements (Angelehnt an Pfohl)

Risikomanagement kann allgemein als ein Führungsprozess verstanden werden, in der die negativen Auswirkungen von Risiken und Ereignissen auf die unternehmerische Tätigkeit gering gehalten oder, sofern möglich, deren Eintritt verhindert werden soll [vgl. Pfohl et al 2008, S. 14]. Der entsprechende Prozess umfasst dabei mehrere Phasen, deren Ausprägung und Anzahl je nach Sichtweise unterschiedlich ist. Abbildung 5 auf der vorhergehenden Seite zeigt beispielhaft einen allgemeinen vierphasigen Prozess.

Allen Prozessmodellen gemein ist eine Risikoidentifikation und Risikoanalyse, die insofern entscheidend sind, da in diesen Phasen die hier im Raum stehenden Geoanalysen von entscheidender Bedeutung für die Entscheidungsunterstützung und die weiteren Maßnahmen sind. Auf das SCRM kann das allgemeine Prozessmodell übertragen und um einen weiteren Prozess, bezogen auf eintretende Ereignisse und konkrete Gefährdungen, erweitert werden, der ergänzend alsSupply Chain Event Management(SCEM) oderSupply Chain Disruption Managementbezeichnet wird [vgl. Behdani et al 2012, S. 8].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Prozess des Supply Chain Event Management (Quelle: Behdani et al.)

Abbildung 6 zeigt diesen erweiterten Prozess, der aus einem Zyklus für das Risiko- und einem für das Ereignis-Management besteht und so auch auf die im Rahmen dieser Arbeiten thematisierten Risiken und Ereignisse anwendbar ist. Im erweiterten Sinne umfasst das SCRM auch das Ereignis bezogene (Risiko-)Management.

Im SCRM können verschiedene IT-Systeme als Unterstützung eingesetzt werden, die als Monitoring-, Alarm-, Decision-Support- oder auch automatisierte Korrektur-Systeme bezeichnet werden können [vgl. dazu Gül 2012]. In diesem Rahmen halten mittlerweile auch Geoinformationen und entsprechende Systeme Einzug. in der einfachsten Form als reine Standortdarstellung auf topographischen Hintergrundkarten, wie Google Maps oder Bing Maps. So lässt sich der operative Fußabdruck eines Unternehmens bzw. das komplette Unternehmensprofil, unter Einbeziehung von Lieferanten, Händlern und Kunden und im kleinmaßstäblichen Bereich die globale Präsenz des Unternehmens visualisieren. Kombiniert werden kann das mit Markern für konkrete Störereignisse (s. Abbildung 7).

Einen Schritt weiter gehen IT-Lösungen, wie bspw. von DHL, die neben dem eigenen betrieblichen Fußabdruck und lieferanten- bzw. kundenbezogenen Daten auch gezielt Lieferkettenrisiken zur besseren Überwachung visualisieren, um so effektive Gegenmaßnahmen zu entwickeln (s. Abbildung 8). Unterstützend kann sowohl ein Risiko-Assessment als auch ein zeitnahes Monitoring für Vorfälle und Ereignisse integriert sein [DHL Resilience360]. In dieser Form lassen sich auf schnellem Wege mögliche Einflüsse von Störereignissen auf die eigenen Standorte und ggf. die der Zulieferer und Kunden erkennen. Entsprechende IT-Lösungen basieren i.d.R. auf der punktgezogenen Darstellung von Ereignissen auf topographischen Hintergrundkarten. Die Aussagekraft kann daher eingeschränkt sein, da neben den organisatorischen Daten der Lieferkette der Ort des Auftretens der Ereignisse dargestellt wird. Die geografische Ausprägungen oder Darstellung möglicher räumlicher Einflüsse auf die Lieferkette können dagegen fehlen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Web-Oberfläche des DHL Resilience360-Tools zum Risiko-Monitoring (Quelle: DHL)

Geoanalyse bedeutet aber mehr als die bloße Fähigkeit, Punkte auf einer Karte anzuzeigen. Es ist die Fähigkeit, thematische Sachverhalte wie bspw. die oben erwähnten Risiken, in ihrem geographischem Bezug und deren mögliche Auswirkungen auf das Unternehmen zu visualisieren. Seien es aufgrund historischer Daten definierte Risikogebiete oder konkrete, einzelne aktuelle Ereignisse und Bedrohungen. So lassen sich durch eine Risikokartierung mögliche Auswirkungen auf Standorte und Transportrouten erkennen, wo mit welchen Gefahren zu rechnen ist, wo Bereiche mit besonderem Risikopotential und wo bei Ereigniseintritt welches Schadensausmaß zu erwarten ist. Über die Kombination mit der logistikrelevanten Infrastruktur, wie Straßenverbindungen, Eisenbahnen, Schifffahrt, Flughäfen, Seehäfen, können Auswirkungen auf das gesamte Unternehmensnetzwerk dargestellt und Alternativszenarien sowie Pläne zur Sicherstellung der Betriebstätigkeit (Geschäftskontinuität) für den Ereignisfall erstellt werden. Dies kann auch die Mitarbeitersicherheit umfassen, indem Informationen über die Anzahl der Mitarbeiter an den Standorten mit einbezogen werden. Ferner spielen im Zeitalter der Vernetzung auch Serverstandorte, die oftmals an ausgelagerten Standorten weltweit angesiedelt sind, eine große Rolle, da auch diese von Risiken und Störereignissen betroffen sein können.

Die Einbeziehung ergänzender Informationen zu den Standortdaten und deren Visualisierung bietet die Grundlage für weitergehende Erkenntnisse für strategische Entscheidungen. Gerade durch die Möglichkeiten der erweiterten Visualisierung bieten GIS gerade im SCRM ein großes Potential in dessen Einsatz. GIS ermöglichen die Einbeziehung und Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen, so dass die Nutzer eine intuitive bildliche Darstellung erhalten, als nur Daten in Tabellenform oder als schriftliche Berichte vor sich liegen zu haben. Ein besonderer Mehrwert liegt darin, dass ein GIS über die reine räumliche Darstellung von Objekten und Sachverhalten auch komplexe Analysen ermöglicht, durch die gänzlich neue Informationen und somit auch neues Wissen erzeugt werden können.

Der Einsatz eines GIS als SCRM-Tool kann dessen Potential und den Benefit für das Unternehmen daraus voll ausschöpfen. Um diesen Mehrwert generieren zu können, muss bei den Verantwortlichen zum Einen die notwendige Erkenntnis und das Verständnis über die Bedeutung von Geoinformationen und dessen Wert vorhanden sein und die adäquate Methodik angewandt werden. Zum Zweiten müssen die relevanten Informationen erhoben und für die Nutzung in einem GIS aufbereitet und die Qualität gesichert werden. Ebenso gehört dazu die Erkenntnis, dass ein GIS nicht nur ein x-beliebiges unterstützendes Tool oder nur dazu da ist, um bunte Karten zu erstellen und Berichte zu illustrieren, also alsnice–to-have, sondern auch als wesentliches Informationsmedium sowie zentrales Risikomanagement- und Planungstool, zur Unterstützung von Unternehmens-entscheidungen, eingesetzt werden kann und so zu einemneed-to-havewird.

3 Mit Location Intelligence zu integrierten Geoanalysen

3.1 Geo-Intelligenz: Voraussetzung für erfolgreiche Geo-Lösungen

Die wirtschaftliche Nutzung von Geoinformationen hat ein hohes ökonomisches Potential und kann die Grundlage für Innovationen sein. Eine Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aus dem Jahr 2003 beziffert die Wertschöpfung durch Geodaten allein in Deutschland auf etwa acht Milliarden Euro, mit steigender Tendenz. Lediglich 15% waren zum damaligen Zeitpunkt ausgeschöpft [vgl. BMWi 2003, S. 164]. Eine effektive Nutzung von Geoinformationen erfordert verschiedene Voraussetzungen und einen bestimmten Umgang mit dem Thema, was sich unter dem BegriffGeo-Intelligenzzusammenfassen lässt. Für diesen Begriff gibt es keine einheitliche oder normierte Definition, weswegen er in einschlägigen Lexika auch nicht aufgeführt ist. Im englischen Sprachraum steht der entsprechende BegriffGeo Intelligence(meistGeospatial Intelligence,GEOINT), für die raumbezogene, nachrichtendienstliche bzw. militärische Aufklärung auf Basis von Geodaten. Entsprechende spezielle Geheimdienste haben bspw. die USA [NGA] und Australien [AGO]. Im deutschen Sprachraum besteht dieser Blickwickel so nicht. Im E-Commerce wird der Begriff im Zusammenhang mit der IP-Geolokalisierung als deutsche Übersetzung des englischen BegriffsIP- Intelligenceverwendet [vgl. Euroweb].

In der deutschsprachigen GIS-Welt wird Geo-Intelligenz als eine ganzheitliche Sicht auf Geoinformationen unterschiedlichster Art und Herkunft und deren Kombination, unter Einbeziehung verschiedener Methoden und IT-Tools zur Lösung konkreter Problemstellungen und Erstellung von Konzepten verstanden. Geo-Intelligenz setzt das notwendige Bewusstsein und die Sensibilität im Umgang mit Geoinformationen und insbesondere das Wissen um deren Bedeutung und Wert voraus. Dieses notwendige, grundlegende Verständnis bezeichne ich selber alsGeo-Awareness. Vorwiegend findet sich der Begriff der Geo-Intelligenz in den Bereichen Marketing & Vertrieb und im Risikomanagement der Versicherungswirtschaft [geomer, Munich Re], sowie daneben auch im Sprachgebrauch von Dienstleistern im GIS-Umfeld. Entsprechende Leistungen werden demzufolge gerne als geointelligente Lösungen angeboten.

Eine grundlegende Geo-Awareness sollte nicht nur in den typischen o.g. Anwendungs­feldern, sondern in allen Unternehmensbereichen zu finden sein. Nur aus dem grundlegenden Verständnis kann eine effektive und zielgerichtete Nutzung und Verarbeitung an Geoinformationen erfolgen und ein messbarer Mehrwert erzeugt werden. Insbesondere im Zuge der Globalisierung werden neben dem eigenen Geschäftsbetrieb zunehmend Randthemen relevant, die erst durch die globale Präsenz eine Relevanz erlangen. Dies bedingt aber auch den Einsatz entsprechender Technologien. Dass diese Erkenntnis noch nicht überall durchgedrungen ist, zeigt eine Umfrage des Forschungsinstituts Vanson Bourne zum Thema Geo-Technologien unter 250 deutschen IT-Managern aus Finanz- und Transportfirmen, dem Einzelhandel und dem öffentlichen Sektor aus dem Jahr 2012 [vgl. Pressebox]. Demnach setzt mehr als die Hälfte der IT-Verantwortlichen in Deutschland bereits Kartendienste ein, insbesondere zur Standortvisualisierung. An Vorteilen von Mapping-Technologien sahen die Befragten insbesondere die Kundenbindung (48%), einen verbesserten Erkenntnisgewinn (38%), mehr Produktivität und Effizienz (38%), eine Umsatzsteigerung (32%) und eine Kostensenkung (30%). Knapp die Hälfte der Verantwortlichen plant, die Verwendung von Geo-Technologien zu erweitern oder sogar neue Projekt damit zu realisieren. Allerdings nutzen 42% der Befragten noch keine Geotechnologien und so geben 29% an, die geografische Beschaffenheit ihrer Lieferkette nicht ausreichend zu kennen, 21% geben an, die Standorte ihrer Kunden nicht zu kennen und 17% äußern, dass Kunden ihre Filialen, Büros oder andere Firmenstandorte nur unter Schwierigkeiten finden. Dennoch möchten 53% verschiedene, regionale Informationen intern analysieren. Diese Umfrage zeigt einerseits den bereits stattfindenden, positiven Einsatz von Geotechnologien, aber andererseits auch das noch vorhandene, ungenutzte Potential, das durch Schaffung von Geo-Awareness und der Nutzung von Geo-Intelligenz genutzt werden kann, um den darin steckenden Mehrwert nicht nur zu erkennen, sondern auch umzusetzen. Abbildung 9 zeigt schematisch die Faktoren der Geo-Intelligenz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Faktoren der Geo-Intelligenz (Angelehnt an geo7.ch)

3.2 Der Geofaktor in der Business Intelligence

Ein wesentlicher Bestandteil in der Generierung geointelligenter Lösungen ist die so genannteLocation Intelligence(LI), die seit einigen Jahren zunehmend Verbreitung findet. Nicht nur begrifflich orientiert sich LI an der Business Intelligence (BI), sondern auch inhaltlich, da die LI in enger Verbindung mit der BI steht bzw. als räumliche Erweiterung in diese integriert ist. BI dient dabei als Sammelbegriff für den IT-gestützten Zugriff sowie die systematische Analyse und Aufbereitung von Informationen und umfasst die entsprechenden Methoden und Prozesse. Einen Schwerpunkt bilden dabei interne betriebswirtschaftliche Daten aus dem Controlling, die um relevante externe Daten, bspw. zu Mitbewerbern, der Marktentwicklung oder anderen unternehmensrelevanten, erweitert werden können. Ziel ist die Gewinnung neuer Erkenntnisse und neuen Wissens zur Unterstützung von Managemententscheidungen, insbesondere hinsichtlich der Unternehmensziele [vgl. Gabler 2013, S. 78]. Die Analysen beziehen sich dabei originär auf Fragestellungen desWer, Was, WannundWieviel. Die Frage nach demWowird häufig weder gestellt, noch lässt sie sich so beantworten. Dabei beeinflusst und steuert das Wo oftmals das Wer, Was, Wann und Wieviel, so dass eine objektive Bewertung nur unter Einbeziehung des räumlichen Aspektes möglich ist. LI fungiert hier als Verbindung zwischen den alphanumerischen und räumlichen Anwendungen, fügt den (betriebswirtschaftlichen) Unternehmensdaten nunmehr die räumliche Dimension als weiteres Ordnungskriterium hinzu und schafft so die Grundlage für eine zusätzliche, georäumliche Analyse der Unternehmensdaten unter Verwendung digitaler Karten. LI ermöglicht so erst Fragestellungen des Wo (s. Abbildung 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Location Intelligence, der Wo-Faktor in der BI (Quelle: Arthen, geändert)

Die gerade durch den räumlichen Bezug naheliegende Geo-Visualisierung folgt dabei dem zunehmenden Einsatz neuer BI-Tools der Data Discovery, die die Visualisierung der gewonnenen Erkenntnisse unterstützen. LI verbindet so die bislang eher separat nebeneinander agierenden Bereiche der rein betriebswirtschaftlich orientierten BI auf der einen und der eher spezialisierten Geoanalysen in einzelnen Abteilungen auf der anderen Seite. Der konkrete Ortsbezug und die zusätzliche geografische Analyse integriert die räumliche Sichtweise als weiteren Bestandteil des Gesamtsystems und ermöglicht neue Perspektiven für die unternehmerische Entscheidungsfindung und Steuerung [vgl. GfK 2013]. Durch die damit einhergehende enge Verzahnung mit BI wird LI zunehmend als Zusatzkomponente in etablierte BI-Systeme integriert, um so den Geofaktor als entscheidenden Faktor hervorzuheben. Die Kombination von BI mit LI wird so zurGeoBusiness Intelligence(GeoBI). Durch das wachsende Interesse an der Nutzung von Geodaten und der damit verbundenen Awareness gewinnt LI immer mehr an Bedeutung. Typische Einsatzgebiete sind bspw. die Bereiche Vertrieb & Marketing, Standort- & Routenplanung und Risikominimierung und Sicherheitsmanagement. Ein erfolgreiches Beispiel für die Integration von LI in ein Geschäftsmodell ist der Unternehmensbereich PeP (Brief und Paket national) der Deutschen Post AG, der über eine GeoServer-Lösung bundesweit neben Haushalten und Geschäftskunden die eigene Vertriebsinfrastruktur in Form von Produktionsstätten, Filialen, Verkaufspunkten und der so genannten Automation (Briefkästen, Packstationen, Paketboxen) sowohl für den unternehmensinternen Gebrauch als auch für den Kunden bereitstellt [vgl. Antoine 2014, S. 15].

International betrachtet findet sich hierzu eine Vielzahl an Definitionen und Interpretationen, allerdings ohne eine klare Darstellung der Kernelemente, die die LI bestimmen. Die LI folgt dem Grundsatz des Lokalisierens, Analysierens und Handelns, woraus sich nach Arthen drei entsprechende Kernbereiche differenzieren lassen:Location Discovery,Location AnalyticsundLocation Optimization[vgl. Arthen o.J.].

Location Discovery

Nach dem Wortsinn das Entdecken bzw. Erheben relevanter Unternehmensdaten und deren Ergänzung mit einem räumlichen Datum zur Herstellung des Raumbezugs. Grundlage sind dazu integrierte Informationsquellen, wie sie vor allem in größeren Unternehmen in Form eines Data Warehouse (DWH), existieren. Innerhalb eines solchen DWH existieren bereits Daten mit indirektem Raumbezug, wie bspw. Kunden- und Lieferantenadressen, Betriebsstandorte, Einzugs- und Versorgungsgebiete sowie Routen und Transport­verbindungen. Da das für eine Visualisierung und Analyse nicht ausreicht, ist die Herstellung des direkten Raumbezugs ein wichtiger Schritt in der Location Discovery, indem den jeweiligen Daten Koordinatenpaare zugeordnet werden. Je nach Art der Quelldaten kann die Art und Weise der Zuordnung von Realweltkoordinaten unterschiedlich ausfallen (s. hierzu Kap. 5.2). Durch die Verbindung der raumbezogenen Daten mit den Sachdaten entsteht so auch eine neue Datenqualität, die den Wert der Daten erhöht. Durch die Datenhaltung in einem einheitlichen System werden die vorliegenden Daten gleichsam untereinander in einem kompatiblen Format vorgehalten.

Location Analytics

Nach der Herstellung des direkten Raumbezugs ist die Voraussetzung geschaffen, um im zweiten Kernbereich, der Location Analytics, die Daten in geeigneten GIS-Tools zu visualisieren, analysieren und für Prognosen anzuwenden. Schon über die erste Visualisierung (Mapping) der Daten lassen sich räumliche Disparitäten und Muster erkennen, da bereits die räumliche Darstellung eine andere Sicht auf die Daten ermöglicht, als man es über die rein nummerische Sichtweise hätte. Die reine Visualisierung mittels Karte stellt eine weitere Darstellungsform bekannter Fakten dar und eignet sich gut zur Kombination mit anderen tabellarisch und statistisch dargestellten Sachdaten in einem BI-Report (s. Abbildung 11).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Beispiel der Integration der LI in der BI (Quelle: Arthen)

Die Analyse geht dagegen über eine reine räumliche Visualisierung hinaus und beinhaltet die Kombination verschiedener Ebenen mit unterschiedlichen Informationen. Es ist gerade diese Layertechnik als typische Eigenschaft von GIS, die durch die Überlagerung von verschiedenen Layern und Anwendung räumlicher Analysefunktionen zum Erkennen von Zusammenhängen und Gewinnen neuer Informationen beiträgt (s. Kap. 6.2). Zwar lassen sich diese Informationen auch in ihrem alphanummerischen Wert in herkömmlicher Weise darstellen, jedoch wird der räumliche Zusammenhang so nicht deutlich. Findet die Visualisierung zunehmend Anwendung und ist noch relativ einfach umzusetzen, stellt die Analyse weitergehende Anforderungen auch an das Knowhow der Anwender. Gerade der analytische Teil nimmt im gesamten LI-Konzept eine zentrale Funktion ein, da dadurch der gesamte BI-Prozess verbessert werden kann. Die Verbesserung der analytischen Leistungsfähigkeit sollte daher ein Schwerpunkt sein.

Die Prognose bzw. Anwendung von Vorhersagemodellen im räumlichen Kontext nimmt die komplexeste Stellung ein. Vorhersagen aufgrund von bestimmten, nicht-zufälligen Ereignissen und der Einbeziehung räumlicher Einflussgrößen soll zu mehr Transparenz führen. Solche räumlichen Einflussgrößen können ganz unterschiedlicher Natur sein und schließen auch die Einbeziehung externer Informationen, wie topographische, umweltbedingte oder sozio-kulturelle Parameter, mit ein. Im Ergebnis sollen so bessere Vorhersagen in Bezug auf die eigenen Geschäftsprozesse ermöglicht werden.

Location Optimization

Neben strategisch orientierten und rein analytischen Fragestellungen kann LI auch in operative Geschäftsprozesse eingebunden sein, indem anhand der Erkenntnisse aus der Location Analysis geeignete Maßnahmen festgelegt werden und eine Anpassung und Optimierung operativer Strukturen, wie bspw. Standort- und Gebietsplanung sowie Routenmanagement, erfolgt.

Der gesamte LI-Prozess stellt keinen statischen, rein linearen Prozess dar sondern kann auch dynamisch in Geschäftsprozesse eingebunden werden, so dass einzelne Funktionen immer dann abgerufen werden, wenn sie benötigt werden (on demand), bzw. einzelne, neue analytische Erkenntnisse zeitgleich direkt in Geschäftsprozesse einfließen.

Abbildung 12 gibt einen Überblick über die einzelnen Bausteine der Location Intelligence.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Bausteine der Location Intelligence (Angelehnt an Arthen)

Das LI-Konzept dient als Basis für das weitere Vorgehen im Rahmen der vorliegenden Arbeit. Wenngleich der Ursprung der Location Intelligence originär im BI-Umfeld liegt, mit dem Schwerpunkt auf betriebswirtschaftlich orientierte Unternehmensdaten, findet sich das Konzept mittlerweile in vielfältiger Weise in allen Themenbereichen und Branchen mit räumlichem Bezug zunehmend wieder, sei es bei Handel, Versicherungen, Energie, Kommunikation, Transport, im Risikomanagement oder für das Supply Chain-Gewerbe [vgl. ESRI 2012]. Ebenso ist das Konzept nicht mehr nur auf privatwirtschaftliche Unternehmen begrenzt, sondern findet sich auch im behördlichen Umfeld wieder, wie bspw. bei der Raumplanung und im Crime Mapping [vgl. Kolbe et al. (Hrsg) 2016]. Neben den eigenen Unternehmensdaten werden dazu externe Informationen und Daten erhoben, die für den jeweiligen Anwendungsfall relevant und geeignet sind und mit den internen Daten verknüpft.

Insofern umfassen die ersten beiden Bereiche der LI, Location Discovery und Location Analytics, im Rahmen der hier thematisierten Geo-Risikoanalysen, als Ergänzung umfassende, weitere externe Daten zu Topographie und dem Schwerpunkthema Risiken und Gefahren. Der Schwerpunkt der zu verarbeitenden Daten verlagert sich dabei von den überwiegend intern und betriebswirtschaftlich orientierten Unternehmensdaten hin zu externen (Risiko-)Daten. Hinsichtlich der prozessorientierten Vorgehensweise für integrierte Geo-Risikoanalysen wird das zugrunde gelegte LI-Konzept entsprechend definiert. (s. Kap. 6.2). Der Bereich der Location Optimization mit den auf den Analysen nachgelagerten Aktivitäten zur Dokumentation und Einbettung in entsprechenden Berichten, der Bewertung der sich daraus ergebenden Erkenntnisse sowie die Umsetzung notwendiger Maßnahmen auf strategischer oder operativer Ebene, ist inhaltlich nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit und wird daher auch lediglich der Vollständigkeit halber im Vorgehensmodell mit aufgenommen, da er unmittelbarer Ausfluss und Folge der vorhergehenden Schritte und insbesondere der Analyse ist.

4 Ressourcen relevanter Geoinformationen

4.1 Überblick

Zur Durchführung von GIS-basierten Risiko- und Gefahrenanalysen müssen die benötigten Informationen für die jeweilige Anforderung in der notwendigen Qualität (Vollständigkeit, Genauigkeit, Aktualität, Konsistenz, s. Kap. 5.3) vorliegen, um darauf basierend aussagefähige, geografische Analysen erstellen zu können. Hierzu ist es notwendig, die relevanten Informationen zu identifizieren und nach Art und Beschaffenheit zu differenzieren und auf Ihren Nutzen hin zu prüfen. Je nach Art der angestrebten Analysen kommen unterschiedliche Informationen in Frage. Nicht alle Informationen sind für alle Arten an Analysen geeignet. Durch die Heterogenität und Vielfältigkeit der einzelnen Informationen ergeben sich somit unterschiedliche Fragestellungen zur Art und Weise der Verwendbarkeit:

- Welcher Art sind die benötigten Informationen?
- Welcher Dynamik (Veränderung) unterliegen die Informationen?
- Welche Bezugsquellen stehen zur Verfügung?
- In welcher Form liegen diese Informationen vor?
- Inwieweit ist der Raumbezug definiert oder muss bzw. kann hergestellt werden?
- Entspricht die Qualität den fachlichen Anforderungen?
- Welche Informationen lassen sich wie für welche Analysen verwenden?

Die grundsätzliche Differenzierung der Informationen folgt der Datenorganisation aus der Geoinformatik. So kann hier prinzipiell zwischen Geobasisdaten und Geofachdaten unterschieden werden. Geobasisdaten entstammen im Wesentlichen amtlichen Quellen und dienen als Grundlage der Datenverarbeitung in Geoanwendungen. Sie beschreiben administrative, postalische oder topographische Geoobjekte, enthalten Daten zu Bezugs­systemen und sind thematisch neutral [vgl. Bill/Zehner 2001, S. 106]. Geofachdaten enthalten Daten zu bestimmten fachlichen Themen mit geografischem Bezug und entstammen spezifischen fachlichen Quellen [vgl. Bill/Zehner 2001, S. 87]. Im thematischen Kontext der vorliegenden Arbeit werden unter Geobasisdaten alle administrativen, postalischen und topographischen Strukturen verstanden. Unter Geofachdaten werden die operativen, verortbaren Unternehmensdaten sowie alle infrage kommenden Daten von Risiken und Gefahren zusammengefasst. Der Schwerpunkt im Rahmen dieser Arbeit liegt dabei auf den Risiken und Gefahren.

Risiko- und Lagedaten sind sehr breitbandig und umfassen im Rahmen der vorliegenden Arbeit sowohl eher abstrakte Gefahren durch noch nicht eingetretene Ereignisse, als auch konkrete Gefahren unmittelbar nach eingetretenen Ereignissen oder durch bestehende latente Bedrohungen. Als Gefahr bezeichnet man ein extremes Ereignis, das zu einer Bedrohung von Menschen, Sachkapital oder Umwelt führen kann. Eine solche Gefahr kann nicht nur durch ein einzelnes Ereignis entstehen, sondern sich auch aus einer Situation oder einem Sachverhalt ergeben. Eine Gefährdung konkretisiert die von einer Gefahr ausgehende Bedrohung auf ein konkretes Gut [vgl. Plate/Merz 2001, S. 12].

Wie in der Einleitung dargestellt, sind für die nachfolgende Betrachtung alle externen Risiken und Gefahren relevant, die zu einer physischen Beeinträchtigung oder Unterbrechung der Logistikkette, auch im Zusammenspiel mit Zulieferern und Kunden, führen, oder die Sicherheit von Betriebsstätten und der eigenen Mitarbeiter beeinträchtigen können. Ferner müssen sich diese Risiken geografisch spezifisch verorten lassen oder in Form einer Risikokartierung vorliegen. Spezifisch bedeutet, dass bspw. das Risiko organisierten so genanntenTruck-Hijackingvon Fahrzeugen von Transportunternehmen auf die betroffenen Regionen oder Routen konkretisiert wird und nicht auf ein Land insgesamt verallgemeinert wird („In Mexiko besteht ein erhöhtes Risiko für Truck-Hijacking“). Ungeeignet sind auch rein punktuelle Ereignisse, deren Auftreten sich von vorneherein nicht geografisch konkretisieren lassen. Dazu zählt bspw. ein terroristisch motiviertes Anschlagsrisiko, das lediglich abstrakt für Länder oder Regionen besteht, aber sich nicht geografisch konkretisieren und abbilden lässt. Zudem sind derartige punktuelle Ereignisse aufgrund ihrer begrenzten räumlichen und zeitlichen Ausdehnung aus strategischer Sicht für das Betriebsrisiko grundsätzlich eher nachrangig. Ausnahmen sind hier Nachwirkungen in Folge eines Anschlags, die eine zeitliche und insbesondere räumliche Ausdehnung und nachgelagerte Auswirkungen haben (bspw. Anschlag auf ein AKW). Strukturell sollen die relevanten Risiko- und Lagedaten folgendermaßen unterschieden werden:

- Natur- und technische Gefahren
- Katastrophen
- Krisen, bewaffnete Konflikte, Unruhen
- Bedrohungen durch organisierte Kriminalität, Sicherheitslage

Nach der erfolgten Strukturierung stellt sich die Frage möglicher Bezugsquellen. Hier kommen sowohl interne Quellen (für Unternehmensdaten) als auch externe Quellen (für Geobasis- und andere Geofachdaten) in Frage. Im Zusammenhang mit externen Quellen kann ferner zwischen kommerziellen und frei verfügbaren (Open Source) Quellen unterschieden werden. Letzteres hat dabei nicht nur einen betriebswirtschaftlichen (Kosten) sondern vor allem auch einen Qualitätsaspekt, der zu berücksichtigen ist und der noch aufgezeigt wird. Unmittelbar damit verbunden ist die Frage, in welcher Form die gewünschten Informationen vorliegen und bezogen werden können. Diese Frage wirkt sich unmittelbar auf die Verwendbarkeit in einem GIS aus. Von zentraler Bedeutung ist hier die Frage des Raumbezugs, die in Kapitel 5.2 thematisiert wird, sowie die resultierende Qualität der Geodaten. Letztendlich ist für die praktische Anwendung und Durchführung von Analysen von Interesse, welche der aufgeführten Risiko- und Lagedaten für welche Art von Analyse geeignet ist.

4.2 Typisierung der Informationen

4.2.1 Geobasisdaten

Geobasisdaten umfassen zum Einen administrative Geodaten zu Ländern und deren Verwaltungsgliederung, teilweise bis auf Gemeindeebene hinunter, differenziert als Admin Level (0 bis max. 5, je nach Land), zum Zweiten postalische Geodaten mit der Einteilung nach Postleitzahlen/Postcodes und zum Dritten topographische Layer mit Städten, Verkehrswegen (Infrastruktur), Flug- und Seehäfen, Flüsse, Seen, etc.

Die Veränderungen in den Geobasisdaten können durch regelmäßige Aktualisierungen in bestimmten Abständen, gewöhnlich einmal jährlich, abgefangen werden. Veränderungen sind hier relativ gering bzw. finden eher im Detail statt, so dass diese Daten einen persistenten Charakter haben.

4.2.2 Geofachdaten

Unternehmensdaten

Darunter fallen Daten, die den eingangs bereits genannten operativen Fußabdruck des Unternehmens darstellen, sofern diese einen geografischen Bezug haben. Das sind in erster Linie Standorte des Unternehmens, in unterschiedlicher Form, mit oder ohne Personal, die je nach jeweiliger Firmensprache als Betriebsstätten, Produktionsstätten, HUBs, Lagerhallen, Depots, Stützpunkte oder, aus dem englischen Sprachgebrauch entlehnt, allgemein alsFacilitiesbezeichnet werden. In zweiter Linie sind dies Transportrouten in Form von Verbindungen zwischen den Betriebstätten, zu Flug- oder Seehäfen zwecks Ladungsaustauschs oder hin zu Kunden. Ferner können dies auch Versorgungs- bzw. Einzugsbereiche von Betriebsstätten sein. Transportrouten können dabei nicht nur zu Land sondern auch zu Wasser und zu Luft definiert sein. Auch Kundenstandorte, zu denen regelmäßige Verbindungen unterhalten werden, können Bestandteil der Betrachtung sein.

Die Veränderungen in den Unternehmensdaten werden gewöhnlich durch interne Aktualisierungs- bzw. Meldeprozessen abgefangen, so dass diese Daten immer in einer aktuellen Form vorliegen.

Natur- und technische Gefahren (Risiken)

Von Naturgefahren spricht man, wenn ein Naturereignis ein potentiell schadenbringendes Ereignis und somit eine Bedrohung für Leben und Eigentum von Menschen darstellt. Naturgefahren haben so einen anthropozentrischen Bezug. Naturgefahren bezeichnen die Wahrscheinlichkeit eines zukünftig auftretenden natürlichen Ereignisses in Raum und Zeit [vgl. Dikau/Weichselgartner 2005, S. 180]. Durch die Definition in Raum und Zeit ergibt sich der für Geoanalysen notwendige geografische Bezug, auch wenn deren Eintreten zeitlich und örtlich, insbesondere auch in der jeweiligen Ausdehnung, nicht exakt und nur über eine Eintrittswahrscheinlichkeit definiert ist. Die Analyse solcher Risiken und deren Gefährdung erfolgt proaktiv anhand typischer Risikogebiete solcher Ereignisse und ermöglicht die Festlegung von Maßnahmen für den Fall des Ereigniseintritts bzw. den Katastrophenfall.

Zu solchen Gefahren zählen klimatische Naturereignisse, wie Hochwasser/Flut, Flächenbrand, Dürre, extreme Windereignisse (Sturm/Orkan) und geologische Naturereignisse, wie Erdbeben, Tsunamis und Vulkanismus. Die Gefährdung durch Vulkanismus lässt sich allerdings nur sehr schwer darstellen, da diese letztlich von der Art und Weise des Ereignisses abhängt und die Folgen sehr unterschiedlich sein können. So sind bspw. die Folgen durch eine Aschewolke (Störung des Luftraums) stark von den dann vorherrschenden meteorologischen Verhältnissen abhängig und nur nach einem Ereigniseintritt konkretisierbar. Eine präventive Analyse wäre jedoch im Rahmen eines Szenarios denkbar.

Neben Naturgefahren werden hier auch technische Gefahren, also solche mit menschlicher Beteiligung (anthropogen-induzierte Risiken), mit erfasst. Dies sind insbesondere Störfälle bei Atomkraftwerken (AKW), die die Umgebung kontaminieren können. Als Risikogebiet wird hier bspw. ein 30-km-Puffer um ein AKW definiert. Auch hierbei ist die Folgegefährdung durch eine Strahlungswolke (radioaktiver Niederschlag) analog einer Aschewolke bei Vulkanausbrüchen aufgrund der wetterbedingten Abhängigkeiten und Dynamik nicht eindeutig definierbar bzw. kann nur im Rahmen von Szenarien unter angenommenen Bedingungen behandelt werden. Ferner umfassen technische Risiken auch Störfälle in industriellen Anlagen, die eine Gefährdung der Umwelt nach sich ziehen können, bspw. Anlagen der chemischen Industrie.

Eine Gefahrenanalyse bezieht sich hier auf Risikogebiete, die in ihrer geografischen Definition, ähnlich der Geobasisdaten, einen persistenten Charakter haben und bedarfsweise angepasst werden.

Katastrophen

Der Begriff der Katastrophe (Synonym: Großschadensereignis) ist nicht einheitlich definiert und weist unterschiedliche Bedeutungsebenen auf, abhängig von der jeweiligen Betrachtungsweise und dem Kontext, in dem das zugrundeliegende Ereignis betrachtet wird. Eine verbreitete und grundlegende Definition liefert die Disaster Relief Organisation der Vereinten Nationen (UNDRO):

„Eine Katastrophe ist ein Ereignis, in Raum und Zeit konzentriert, bei dem eine Gesellschaft einer schweren Gefährdung unterzogen wird und derartige Verluste an Menschenleben oder materiellen Schäden erleidet, dass die lokale gesellschaftliche Struktur versagt und alle oder einige wesentlichen Funktionen der Gesellschaft nicht mehr erfüllt werden können.“[UNDRO 1987, zitiert nach HANISCH 1996, S. 22].

Diese Definition begründet den geografischen Bezug, da sie die Konzentration eines Ereignisses „in Raum und Zeit“ anspricht. Weiterhin bezieht sie sich auf die Gesellschaft bzw. spricht von einer betroffenen Gesellschaft als alleinigen Maßstab für eine Katastrophe und der dadurch implizierten Notwendigkeit externer Hilfeleistung. So führte z.B. der Hurrikan Katrina 2005 in Nordamerika zu erheblichen Behinderungen in den Lieferketten der betroffenen Region.

Je nach Verursachung werden Katastrophen in Natur- und technische Katastrophe unterteilt. Naturkatastrophen werden demnach durch klimatische und geologische Variabilität ausgelöst und liegen zumindest teilweise außerhalb menschlicher Kontrolle. Technische Katastrophen hingegen sind anthropogen verursacht und entstehen durch Unfälle im Kontext mit technischen Anlagen und Systemen. Biologische Katastrophen (Seuchen und Epidemien) werden durch den anthropogenen Bezug in einer erweiterten Betrachtung gerne im Zusammenhang mit technischen Katastrophen genannt [vgl. Hellbrück/Fischer 1999, S. 498]. Die Relevanz solcher Ereignisse zeigen bspw. der Ausbruch von E. Coli-Bakterien 2006 in Nordamerika oder SARS 2003 in Asien, die beide zu erheblichen Behinderungen in den Lebensmittel-Lieferketten führten.

Typische Ereignisse als Auslöser von Katastrophen können sein: Erd- und Seebeben, Flut/Hochwasser, Wald- und Steppenbrand, Sturm/Orkan, Vulkanausbruch, Starkregen/ Starkschnee, Seuche/Epidemie/Pandemie, nuklearer Unfall, Chemieunfall.

Da es hier, im Gegensatz zu den allgemeinen Gefahrenanalysen der Natur- und technischen Risiken, um konkrete Ereignisse geht, die ihrer Natur nach jederzeit und überall auftreten können, sind Katastrophen ihrem Wesen nach ubiquitär.

Krisen und Konflikte, Unruhen

Gerade im Zuge der Globalisierung sind für weltweit agierende Unternehmen auftretende Krisen und Konflikte ein immer stärker werdendes Thema, da diese, egal wo immer sie auftreten, einen möglichen Einfluss auf die Logistikkette haben und diese beeinträchtigen können. Solche Krisen können innerstaatlich, in Form von politischen Unruhen bis hin zu Bürgerkrieg, oder zwischenstaatliche Konflikte, auch mit kriegerischen Auseinander­setzungen, sein. Gerade Transport- und Logistikunternehmen sind davon betroffen, sei es, dass sich Standorte in Krisengebieten befinden oder Transportrouten durch solche Gebiete führen. Durch den zeitlichen Unsicherheitsfaktor hat die fortlaufende Gefahren- und Situationsanalyse hier eine große Bedeutung, insbesondere für die Standort- und Routenplanung, sofern Standorte nicht mehr aufrechterhalten werden können.

Auch Krisen und Konflikte können nahezu überall ausbrechen, sind in ihrem Wesen nach also ebenso ubiquitär. Hinzu kommt, dass sie in ihrer zeitlichen Dimension auch längerfristig andauern können und nicht kalkulierbar sind.

Kriminalität und Sicherheitslage

Gemeint ist hier nicht Kriminalität im kleinräumlichen Bereich, mit typischen Massendelikten, wie Diebstahl, Betrug, Einbruch, Überfall, Sachbeschädigung, etc., auch keine interne Kriminalität in den Unternehmen oder Wirtschaftsdelikte. Derartige Vorfälle sind eher Gegenstand operativer Sicherheitsmaßnahmen bzw. der internen Revision. Gemeint ist hier die oft überregionale, organisierte oder Bandenkriminalität, die Auswirkungen auf die betriebliche Kontinuität hat bzw. sich gezielt gegen Logistik-Einrichtungen richtet und die ggf. auch die innere Sicherheit von Ländern beeinträchtigt.

Hierunter fallen die maritime Piraterie an Schwerpunkten wie vor der Küste Somalias oder der Straße von Malakka vor Malaysia, die die Schifffahrtsrouten betrifft, sowie das insbesondere in Ländern Lateinamerikas und Afrikas auftretende so genannteTruck-Hijackingmit dem Fokus auf Transportunternehmen, bei dem auf bestimmten Straßenabschnitten Transportfahrzeuge mitsamt der Ladung und dem Fahrer entführt und anschließend ausgeraubt werden.

Zusammenhängend mit der Kriminalität spielt die Sicherheitslage eine Rolle, soweit diese mit einer Beeinträchtigung der Sicherheit des Geschäftsbetriebs einhergeht. Von Relevanz ist hier insbesondere eine verringerte staatliche Kontrolle im eigenen Hoheitsbereich, die mit gleichzeitiger regionaler Machtausübung nichtstaatlicher Strukturen einhergeht. So bspw. die Kontrolle einzelner Landstriche durch Drogenkartelle in Lateinamerika oder Clans bzw. Milizen in einzelnen Regionen Afrika, die die Sicherheit von Transportwegen und Verbindungen beeinträchtigt oder wo Transporte sogar für Schmuggel missbraucht werden. Daneben kommen auch einzelne Ereignisse in Betracht, die ähnlich den Unruhen zumindest für einen gewissen Zeitraum zu einer Beeinträchtigung der Sicherheitslage führen können, wenn zu bestimmten Anlässen, wie Wahlen, Jahrestagen, politischen Auseinander­setzungen, etc. mit größeren Ausschreitungen oder Aufruhr gerechnet werden muss.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 13: Überblick über die relevanten Geoinformationen

Bis auf die zuletzt genannten, meist zeitlich begrenzten, Ereignisse, die ihrerseits ubiquitär sind, lässt sich die geografische Dimension dieser Gefahren vergleichbar den bereits angeführten Naturrisiken definieren und weist eine ähnliche Persistenz auf. Die Veränderung und Anpassung erfolgt je nach aktueller Lage.

Abbildung 13 zeigt die relevanten Geoinformationen in der Übersicht.

4.3 Informationsquellen

4.3.1 Geobasisdaten

Geobasisdaten können aus verschiedenen externen Quellen als fertige Layer bezogen werden, je nach Anforderung. Ausgehend von der geforderten weltweiten Abdeckung an Geodaten bieten kommerzielle Anbieter einen hohen Grad der Abdeckung, Aktualität und Qualität, der allerdings mit Kosten verbunden ist [DDS, GfK]. Manche Anbieter setzen dabei auch Schwerpunkte in der Layerauswahl. So setzt die Firma GfK GeoMarketing mit Schwerpunkt Business Mapping in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Statistik, auf administrative und postalische Layer, ergänzt für Europa um Hintergrunddaten für eine adressgenaue Geokodierung. Topographische Layer stehen hier von der Detailfülle, abgesehen von Städtelayern, eher im Hintergrund [GfK].

Daneben bieten sich Geodaten aus Open Source-Quellen an, wobei hier insbesondere auf die Aktualität zu achten ist. Eine große Detailfülle bieten die Geodaten aus Open Street Map (OSM), die grundsätzlich für alle Länder verfügbar sind, allerdings ggf. in ein gängiges Layerformat (bspw. shp) konvertiert werden müssen [Geofabrik]. Durch die Datenerhebung seitens einer freiwilligen Community können der weltweite Deckungsgrad und die jeweilige Aktualität regional unterschiedlich sein. Aufgrund der Detailfülle und Größe der Layerdaten bieten sich OSM-Daten vorwiegend für kleinräumige Analysen an. Eine weitere freie Quelle für weltweite Layerdaten ist die Plattform Natural Earth, auf der freie Vektor und Rasterdaten verfügbar sind und die von derNorth American Cartographic Information Society(NACIS) unterstützt wird. Angeboten werden die Layerdaten für drei Maßstäbe (1:110.000.000, 1:50.000.000 und 1:10.000.000) [Natural Earth]. Das bedeutet jedoch, dass bei Analysen in größeren Maßstäben, die Layerdaten ggf. die geforderte Genauigkeit und Auflösung nicht besitzen (s. Abbildung 14 auf der Folgeseite). Darüber hinaus finden sich auch Portale, die ergänzend thematisch orientierte Layerdaten und Karten anbieten, inkl. diverser (GIS-) Tools, wie MapCruzin oder GeoCommons [MapCruzin, GeoCommons].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 14: Maßstabsbereiche der Geodatenlayer auf naturalearthdata.com (Quelle: Natural Earth)

Eine Alternative ist das Einbinden von Hintergrundkarten über einen Web Map Service (WMS) oder über OpenLayers, soweit dies vom jeweiligen GIS unterstützt wird. Aber auch hier gilt das zuvor gesagte, dass die Detailfülle relativ groß ist und ggf. über Ausblenden bzw. Selektion der angebotenen Layer gesteuert werden muss. Die Verwendung wird letztlich von der beabsichtigten Analyse abhängig sein.

Prinzipiell finden sich im Netz viele weitere Quellen mit freien Layerdaten. Es muss dabei jedoch immer auf die Aktualität und Originalität der angebotenen Daten geachtet werden. Ein Indiz für eine gute Datenqualität ist, wenn der Anbieter mit Organisationen oder Firmen aus dem GIS-Umfeld zusammenarbeitet bzw. von solchen unterstützt wird oder auf eine breite Community zur Pflege zurückgreifen kann. Sofern Webseiten Layerdaten von Dritten verlinken, sollte auf die Originalquellen zurückgegriffen werden bzw. deren Herkunft erkennbar sein, um die notwendige Qualität bzw. Aktualität prüfen zu können. Das Einbinden von Hintergrunddaten über einen WMS oder OpenLayers bietet hier ohne Zweifel die höchste Aktualität.

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Final del extracto de 120 páginas

Detalles

Título
Integrierte Geo-Risiko- und Lageanalysen mit Location Intelligence
Subtítulo
Aus Sicht der globalen Logistik
Universidad
Anhalt University of Applied Sciences  (IGV)
Calificación
1,3
Autor
Año
2016
Páginas
120
No. de catálogo
V365715
ISBN (Ebook)
9783668451452
ISBN (Libro)
9783668451469
Tamaño de fichero
6191 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
GIS, Location Intelligence, Logistik, Risikoanalyse, Lageanalyse
Citar trabajo
Jochen Ickinger (Autor), 2016, Integrierte Geo-Risiko- und Lageanalysen mit Location Intelligence, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/365715

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Título: Integrierte Geo-Risiko- und Lageanalysen mit Location Intelligence



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