Wie lassen sich die unterschiedlichen Erklärungsmodelle von Wählerverhalten im Rahmen der soziologischen Erklärung miteinander vereinen?


Term Paper, 2002

19 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhalt

1. Problemstellung

2. Menschenbilder zur Erklärung von Wählerverhalten
2.1 Der soziologische Erklärungsansatz
2.2 Das Ann-Arbor-Modell
2.3.Der rationalistische Ansatz

3. Grenzen der Erklärungsmodelle von Wählerverhalten

4. Die sozialwissenschaftliche Erklärung kollektiver Phänomene
4.1 Allgemein
4.2 Das Modell der soziologischen Erklärung
4.3 Der Ablauf einer soziologischen Erklärung

5. Erklärung des Wahlsieges der SPD bei der Bundestagswahl 1998 anhand des soziologischen Erklärungsmodells

6. Ausblick

7. Fazit

Literaturliste

1. Problemstellung

Bei der Bundestagswahl 1998 wurde die CDU – nach 16 Jahren - als Regierungspartei abgelöst. Die SPD ging als Wahlkampfsieger hervor und hat in den darauffolgenden vier Jahren zusammen mit der Partei Bündnis 90/Die Grünen die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernommen.

Vielen Sozial- und Politikwissenschaftlern stellt sich hierbei die Frage, wie es zu einem solchen gesellschaftlichen Phänomen, dem Wahlsieg einer Partei oder noch mehr dem Regierungswechsel in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland kommt. Welche Vorgänge müssen in einer Gesellschaft stattfinden, damit ein solches Wahlergebnis erreicht wird?

Im Erklärungsinteresse der Sozialwissenschaften liegen zwar soziale Phänomene jedweder Art, jedoch wird der Wahlsieg der SPD bei der Bundestagswahl 1998 im Rahmen dieser Arbeit stellvertretend für eine Vielzahl anderer kollektiver Tatbestände behandelt.

Die soziologische Erklärung - welche Hauptbestandteil dieser Arbeit ist – konzentriert sich hauptsächlich auf die Auseinandersetzung mit dem Zustandekommen gesamtgesellschaftlicher Phänomene, wobei die Betrachtung individueller Entscheidungen und Handlungen wesentlicher Bestandteil dieses Modells ist.

Zur Erklärung individueller Handlungen, insbesondere für Wählerverhalten, stehen wiederum unterschiedliche Erklärungsmodelle zur Auswahl.

Im ersten Teil meiner Arbeit (2.1 bis 2.3) werde ich zunächst die verschiedenen Erklärungsmodelle des Wählerverhaltens beschreiben und erläutern, um einen kurzen Einblick in die entsprechenden Menschenbilder zu geben und deren Bedeutung für die Erklärung von Handlungswahlen aufzuzeigen. Anschließend werden die Grenzen der vorgestellten Modelle erläutert (3), d.h. es wird deren eingeschränkte Möglichkeit dargelegt, einzeln zur Erklärung von gezeigtem Wahlverhalten der Bevölkerung zu dienen.

Darauf aufbauend wird, wie bereits genannt, die soziologische Erklärung dargestellt (4.1 bis 4.3), welche die Möglichkeit bietet, die drei vorgenannten Modelle in sich zu vereinen und durch deren gekoppelten Einsatz zu einer schlüssigen Erklärung gesellschaftlicher Erscheinungen zu gelangen.

Am Ende meiner Ausführungen wird das soziologische Erklärungsmodell zur Beantwortung der vorab gestellten Frage angewendet werden, wieso es 1998 zum Wahlsieg der SPD und somit zum Regierungswechsel nach 16 Jahren kam (5.).

2. Menschenbilder zur Erklärung von Wählerverhalten

2.1 Der soziologische Erklärungsansatz

Der soziologische Erklärungsansatz, genauer der mikrosoziologische Ansatz, basiert auf einer Studie von Paul F. Lazarsfeld, welche anlässlich des Präsidentschaftswahlkampfes von 1940 im Gebiet von Erie-County im Bundesstaat Ohio durchgeführt wurde.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Wahlentscheidung der meisten Bürger maßgeblich durch das soziale Umfeld, in dem sie leben und arbeiten, beeinflusst wird. Hierzu schrieb Lazarsfeld 1969 (S. 62): „Ein Mensch denkt politisch entsprechend seinem sozialen Sein. Soziale Merkmale bestimmen die politischen Präferenzen.“

Durch die Kommunikation mit Meinungsführern, die Zugehörigkeit zu bestimmten institutionalisierten Gruppen oder Verbänden sowie aus dem grundsätzlichen Bedürfnis heraus, mit seiner Umwelt in einem möglichst spannungsfreien Verhältnis zu leben, ergeben sich für den Wähler Entscheidungen, die hauptsächlich mit der in seiner unmittelbaren Umgebung herrschenden Meinung konform gehen.

Zur Verdeutlichung des Phänomens der Vorbestimmung des Wählerverhaltens durch soziale Gruppen(-zugehörigkeit) wurde der Index der politischen Prädispositionen (IPP – index of political predispositions) konstruiert, welcher verdeutlicht, dass Personen entsprechend der herrschenden Meinung ihres Umfeldes wählen bzw. ihre Wahlabsichten vornehmlich in Richtung der in der Gruppe herrschenden Meinung anpassen (vgl. ebd., S. 21).

Schwierig wird die Wahlentscheidung einer in ein festes soziales Umfeld eingebundenen Person erst, sobald sie sich entgegengesetzten Einflüssen – sog. „cross-pressures“ - ausgesetzt fühlt, welche hier im Detail nicht näher erläutert werden. Diese „cross-pressures“ bewirken, dass der Wähler seine Wahlentscheidung - in der Hoffnung auf Ereignisse, die dieses Dilemma „vielleicht lösen würden“ (ebd., S. 97) so weit wie möglich nach hinten verschiebt oder sogar ganz von dem Gang zur Wahlurne absieht, um somit den „Weg des geringsten Widerstandes“ (ebd., S. 101) zu gehen.

2.2 Das Ann-Arbor-Modell

Anlässlich des Präsidentschaftswahlkampfes im Jahre 1952 entwickelte Angus Campbell mit seinen Mitarbeitern den sozialpsychologischen Ansatz, welcher den Namen des Standortes der University of Michigan trägt.

Dieser Ansatz geht von der handlungstheoretischen Annahme aus, dass das Wahlverhalten - im Gegensatz zu dem vorgenannten soziologischen Modell – durch die lang- und kurzfristig wirkenden politisch-institutionellen, sozialökonomischen und psychischen Bedingungsfaktoren beeinflusst wird (vgl. Falter/ Schumann/ Winkler 1990, S. 8). Die sozialstrukturellen Einflüsse werden als dem Entscheidungsprozess vorgelagerte Determinanten verstanden und deshalb aus diesem Erklärungsmodell ausgespart (vgl. Bürklin/ Klein 1998, S. 60). Man betrachtet die sozialstrukturellen Einflüsse hier lediglich als aggregiertes Resultat der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen des Wählers (vgl. ebd., S. 58), welches bei der Wahlentscheidung auf die zentralen Komponenten dieses Modells wirkt.

Die drei Hauptkomponenten des Ann-Arbor-Modells sind die Parteiidentifikation, die Kandidaten- sowie die Problemorientierung.

Unter der Parteiidentifikation versteht man „die länger andauernde, gefühlsmäßig tief verankerte Bindung des einzelnen an eine bestimmte Partei“ (Falter/ Schumann/ Winkler 1990, S. 9). Oft ist diese Parteibindung eher ideologischer und nicht unbedingt praktischer Natur, d.h. es schließt sich nicht zwingend eine tatsächliche Mitgliedschaft in der entsprechenden Partei an. Sie ist der Kandidaten- und Problemorientierung meistens zeitlich vorgelagert und beeinflusst diese beiden kurzfristig wirkenden und jeweils nur für die anstehende Wahl gültigen Faktoren maßgeblich.

Campbell schrieb 1968 in „The American Voter“ (S. 64): „Voting is in the end an act of individuals, and the motives for this act must be sought in psychological focus on individual human beings.” – Wählen ist letztendlich ein Akt von Individuen und die Motive für diese Handlung müssen im psychologischen Hintergrund der Menschen gesucht werden.

Grundsätzlich besagt das Ann Arbor-Modell also, dass die Wähler nicht vor jeder Wahl völlig neue Entscheidungen zu treffen haben. Die Wahl einer bestimmten Partei ist hier vielmehr als „Resultante aus dem Zusammenspiel von vorgängiger Erfahrung und subjektiver Situationsdeutung“ (Falter 1973, S. 27) zu sehen, wobei die subjektive Situationsdeutung auf die zur Wahl stehenden Kandidaten und die aktuellen politischen Streitfragen zu beziehen ist.

2.3 Der rationalistische Ansatz

Der rationalistische Ansatz zur Erklärung von Wählerverhalten, auch Rational-Choice-Theorie genannt, wurde 1952 erstmals von Anthony Downs formuliert.

Das grundlegende Menschenbild von Downs’ Theorie ist der sog. Homo Oeconomicus, der gemäß seiner Präferenzen handelt und stets versucht, seinen Nutzen zu maximieren bzw. zu optimieren. Ein solcher Mensch sucht sich jeweils diejenige Handlungsalternative heraus, welche für ihn im Hinblick auf seine Präferenzen und an seinen zur Verfügung stehenden Mitteln gemessen den größtmöglichen Nutzen verspricht, d.h. er handelt rational (vgl. Bürklin/ Klein 1998, S. 107ff.), wobei herauszustellen ist, dass der Begriff „rational niemals auf die Ziele, sondern stets nur auf die Mittel eines Handlungsträgers angewendet“ wird (Downs 1968, S. 5). Der Homo Oeconomicus lässt sich demnach „als ein im Rahmen seiner verfügbaren Ressourcen nutzenmaximierender Akteur charakterisieren“ (Schimank 2000, S. 74).

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Details

Title
Wie lassen sich die unterschiedlichen Erklärungsmodelle von Wählerverhalten im Rahmen der soziologischen Erklärung miteinander vereinen?
College
Johannes Gutenberg University Mainz
Grade
2,0
Author
Year
2002
Pages
19
Catalog Number
V36644
ISBN (eBook)
9783638362078
File size
485 KB
Language
German
Keywords
Erklärungsmodelle, Wählerverhalten, Rahmen, Erklärung
Quote paper
Tanja Lorenz (Author), 2002, Wie lassen sich die unterschiedlichen Erklärungsmodelle von Wählerverhalten im Rahmen der soziologischen Erklärung miteinander vereinen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36644

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