Volks- und Kunstmärchen. Ein Vergleich von Wilhelm Hauffs "Kalif Storch" und Grimms "Froschkönig"


Term Paper, 2015

20 Pages, Grade: 2,0

Anonymous


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Inhalt

1. Einleitung

2. Zum Begriff Märchen
2.1 Erläuterung des Gattungsbegriffs Volksmärchen
2.2 Erläuterung des Gattungsbegriffs Kunstmärchen
2.3 Zu den Autoren und ihren Werken

3. Froschkönig
3.1 Struktur und Aufbau
3.2 Sprachliche Gestaltung
3.2.1 Erzählstil
3.2.2 Erzählhaltung
3.3 Figuren
3.4 Das Motiv des Wunderbaren

4. Kalif Storch
4.1 Struktur und Aufbau
4.1.1 Handlungsverlauf
4.1.2Erzählstil
4.1.3 Erzählhaltung
4.2 Figuren
4.3 Das Motiv des Wunderbaren

5. Lehre der Märchen

6. Fazit

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Märchen gibt es schon seit eh und je, doch Märchen ist nicht gleich Märchen. Während die Einen das Produkt mündlicher Überlieferung sind, sind die Anderen das Werk eines namentlich bekannten Autors und verfolgen eine bestimmte Intention. Doch wie lassen sie sich unterscheiden und wo genau liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Gattungen?

In der folgenden Arbeit sollen die Gemeinsamkeiten von Volks- und Kunstmärchen beziehungsweise die Unterschiede zwischen diesen Märchenarten anhand des Volksmärchens Froschkönig der Brüder Grimm und Wilhelm Hauffs Kunstmärchen Kalif Storch herausgestellt werden. Konzentriert werden soll sich dabei auf dieStruktur und den Aufbau, die sprachliche Gestaltung und das Motiv des Wunderbaren.

Im ersten Teil der Arbeit findet eine Einführung zu dem Begriff des Märchens statt. Anschließend werden die Gattungsbegriffe „Volksmärchen“ und „Kunstmärchen“ näher erläutert und es werden sowohl die Brüder Grimm und die typischen Merkmale ihrer Volksmärchen, als auch Wilhelm Hauff und die Merkmale seiner Kunstmärchen eingeführt und erklärt. Im Anschluss daran werden die Handlungsverläufe und die Figuren der beiden Märchengattungen untersucht und verglichen. Des Weiteren werden die Thematik der Verwandlung in beiden Märchen betrachtet und Unterschiede und Gemeinsamkeiten analysiert. Danach wird die Problematik behandelt, ob Märchen eine Lehre beinhaltenbeziehungsweise welche Schlüsse der Leser aus den Lösungswegen der Märchenfiguren für seine Person ziehen kann. Anhand der erarbeiteten Aspekte wird abschließend ein zusammenfassendes Fazit gezogen.

2. Zum Begriff Märchen

„Unter einem Märchen verstehen wir seit Herder und den Brüdern Grimm eine mit dichterischer Phantasie entworfene Erzählung besonders aus der Zauberwelt, eine nicht an die Bedingungen des wirklichen Lebens geknüpfte wunderbare Geschichte, die hoch und niedrig mit Vergnügen anhören, auch wenn sie diese unglaublich finden.“[1]

So lautet einer von vielen Definitionsversuchen, des Begriffes „Märchen“. Allgemein lässt sich sagen, dass der Begriff „Märchen“von dem Wort Mär (mhd. Maere) abstammt, was so viel bedeutet wie Bericht oder Kunde. Zunächst wurde der Begriff „Märchen“ für unwahre Geschichten verwendet. Später, als Feenmärchen und Geschichten aus Tausendundeiner Nacht durch den französischen Einfluss an Bedeutung gewannen, ließ die negative Färbung des Begriffs „Märchen“ nach. Heutzutage beschreiben Kunstmärchen und Volksmärchen wertungsfrei verschiedene Erzählgattungen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.[2]

2.1 Erläuterung des Gattungsbegriffs Volksmärchen

Der Grundtyp des europäischen Volksmärchens muss als „Idealtyp aufgefasst werden; die einzelnen Erzählungen umkreisen ihn, nähern sich ihm, ohne ihn je ganz zu erreichen“[3]. So definiert Max Lüthi den Gattungsbegriff des europäischen Volksmärchens.

Volksmärchen basieren auf mündlichen Überlieferungen und lassen sich nicht auf einen bestimmten Verfasser zurückführen. Daher werden sie als Besitz der Allgemeinheit angesehen. Auf Grund ihrer mündlichen Verbreitung passen Volksmärchenerzählungen sich Ort und Zeit an. Sie wandeln sich also im Laufe der Zeit. Jacob Grimm spricht daher von dem „Sichvonselbstmachen“[4] des Märchens.[5]

Volksmärchen wurden unter anderem von den Brüdern Grimm gesammelt und verschriftlicht. Eine Ausgabe ihrer Kinder- und Hausmärchen findet sich in fast jedem Haushalt. Um eine breitgefächerte Leserschaft und insbesondere Kinder anzusprechen, sind die Erzählungen einfach gehalten, klar und verständlich formuliert und enthalten eine eindeutig erkennbare Botschaft. Die Erzählungen konzentrieren sich auf die isoliert dargestellte Handlung.Auf detailreiche und ausmalende Beschreibungen wird weitestgehend verzichtet. So werden Einzelheiten nur erwähnt, wenn diese für die Handlungssituation unverzichtbar sind.

Das Wunderbare, das ein Märchen überhaupt als ein solches auszeichnet, tritt nicht in Form eines „unerklärlichen Einbruch des Übernatürlichen in die Natur“[6] auf, sondern wird als selbstverständlich angesehen. Tiere können sprechen, Menschen haben magische Fähigkeiten; es gibt Gestalten wie Zwerge, Riesen und Kobolde, und Prinzessinnen können jahrzehntelang schlafen, ohne zu altern.

2.2 Erläuterung des Gattungsbegriffs Kunstmärchen

„[Das Kunstmärchen ist] ein Märchen, dessen Stil deutlich die Eigenart seines Verfassers zeigt und dessen Inhalt den individuellen Menschen kennzeichnet, während das Volksmärchen […] einen objektiven Stil und Inhalt hat, die kaum den Verfasser verraten.“[7]

So definiert Mimi Ida Jehle erstmals die Gattung des Kunstmärchens. Allerdings findet sich bis heute keine uneingeschränkt zufriedenstellende Definition dieser Gattung. Im Gegensatz zum Volksmärchen entspringen Kunstmärchen nicht mündlichen Überlieferungen, sondern beschreiben das „Moment des Gemachten“[8]. Das bedeutet, es handelt sich hierbei, anders als beim Volksmärchen, um eine individuelle Erfindung eines namentlich bekannten Verfassers, dessen Rechte zu achten sind.[9]

Bei den Figuren handelt es sich um Charaktere, die nach ihrem Gewissenund dementsprechend emotional handeln. Daher lassen sie sich nicht immer eindeutig Gut oder Böse zuordnen. Im Allgemeinen lässt sich das Kunstmärchen als Weiterentwicklung des Volksmärchens bezeichnen. Im Vergleich zum Volksmärchen sind die Botschaften des Kunstmärchens meist „verhüllt, verästelt“ und „verfremdet“[10], was eine hohe Rezeptionsfähigkeit des Lesers voraussetzt. Auch der Schreibstil des Kunstmärchens ist komplexer und daher meist schwerer zu verstehen. Es handelt sich hierbei um das Produkt der bürgerlichen Gesellschaft und dient oft als Spiegel der Sozialgeschichte.[11] Als Beispiel hierfür kann das Märchen Des Kaisers neue Kleider genannt werden.

Das Kunstmärchen kennt auch die Nachtseite der Welt und den Märchenhelden wiederfährt zuweilen auch Unverdientes. Das Märchengesetz, dass das Gute belohnt und das Böse bestraft wird, existiert in der Welt des Kunstmärchens nicht. Vielmehr stellt es ein „phantastisches gebrochenes Abbild der Wirklichkeit“[12] dar, welches aber dennoch ein sinnvolles Beziehungssystem beinhaltet.

2.3 Zu den Autoren und ihren Werken

Wilhelm Hauff ist einer der populärsten deutschen Kunstmärchendichter, während sich die Brüder Grimm durch ihre Kinder- und Hausmärchensammlung einen Namen gemacht haben.Hauffs Märchen weisen eine hohe Quellenabhängigkeit von Werken von Musäus, Contessa, Hoffmann, den Kinder- und Hausmärchen und Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht auf. Daher nehmen diese eine besondere Stellung zwischen Textsammlung und erfundenem Kunstmärchen ein.[13] Auch die erste Märchensammlung der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm stand unter starkem Einfluss eines anderen Schriftstellers. Clemens Bretano, der ihnen zur Recherche seine Privatbibliothek zur Verfügung stellte, behielt sich die Bearbeitung und Veröffentlichung der Grimmschen Märchensammlung vor.[14] Während die HauffschenMärchen neben einigen Novellen in Almanachen erschienen und vor allem Söhne und Töchter gebildeter Stände und deren Eltern ansprechen sollten[15], waren die Märchen der Brüder Grimm schon alleine durch ihren mündlichen Ursprung und die daher einfache Erzähltechnik für jedermann gedacht. Viele von Hauffs Märchen spielen in der orientalischen Welt und sind in eine Rahmenerzählung eingebettet. Dadurch versucht Hauff vor allem seine Erzählungen für den Leser besonders realistisch und glaubwürdig klingen zu lassen.[16] Die Märchen der Brüder Grimm hingegen setzen weder einen bestimmten Handlungsspielort noch eine bestimmte Zeit voraus.

Die Kunstmärchen des Wilhelm Hauff weisen beliebte Formeln zeitgenössischer Unterhaltungsromane auf und sollen auch hauptsächlich der Unterhaltung dienen.[17]

Der Aufbau des Kunstmärchens ähnelt dem des Volksmärchens sehr. Im Kunstmärchen wird sich der Märchenheld seiner Defizite und Nöte bewusst, und in ihm wächst der Wunsch dieser ungewollten Situation oder dem nicht erwünschten Zustand zu entfliehen. Der ausgeprägte Wunsch, etwas zu verändern, setzt das Wunderbare in Bewegung, welches ihn im Endeffekt von seinen Daseinsnöten befreit oder seine Defizite kompensiert.[18] Auch im Volksmärchen befindet sich ein Märchenheld in einer Notsituation, aus der er sich mit Hilfe magischer Fähigkeiten befreien muss. Bei Hauff lassen sich die Helden meist aus Alltagsituationen heraus in Abenteuer verwickeln.[19] Anders als im Volksmärchen lässt er seine Märchenhelden eher Situationen durchstehen oder erleiden, anstatt als agierende Personen aufzutreten und das Märchen voranzutreiben.[20] Die Volksmärchen der Brüder Grimm zeichnen sich im Gegensatz zum Hauffschen Kunstmärchen durch ihre Formelhaftigkeit, die Freude an Wiederholungen, die Einbringung von Farbe und Materialen und die Zeitlosigkeit aus. Immer wieder lassen sich Einleitungen finden, die mit „Es war einmal […]“ in die Märchenerzählung einführen oder mit Schlusssätzen wie zum Beispiel „[…] und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ die Märchenwelt wieder verlassen.[21] Auch bestimmte Orte wie der Wald oder das Wasser lassen sich in den meisten Märchen wiederfinden. So sind der dunkle Wald und das Schloss keine unbekannten Handlungsorte, und es lässt sich häufig eine enge Naturverbundenheit erkennen.[22] Schneewittchen flieht in den Wald, um der bösen Stiefmutter zu entkommen, die Prinzessin im Froschkönig spielt mit ihrer goldenen Kugel am Brunnen nahe dem Wald und das Schloss des wunderschönen schlafenden Dornröschen ist über und über mit Rosenranken überwachsen. Im Volksmärchen finden sich zwar bestimmte Orte, wie der ein dunkler Wald oder ein Schloss wieder, diese liegen aber anders als im Kunstmärchen nicht in einer bestimmten Stadt oder einem bestimmten Land.

Der Erzählstil der beiden Märchengattungen unterscheidet sich dagegen deutlich. Zunächst einmal handelt es sich bei dem Märchenhelden meist um eine offene Figur, beispielsweise einen Jüngling, welcher sich durch seine Unerfahrenheit in Gefahr begibt.[23] Im Gegensatz zu den Figuren im Volksmärchen werden Kunstmärchenhelden nicht nur als Prinz, Prinzessin, König oder Soldat bezeichnet, sondern tragen Namen.[24] Anders als im Volksmärchen handeln sie mit Vernunft und lernen aus ihren Fehlern.So sind die Figuren des Kunstmärchens keine Oberflächlichen und können nicht eindeutig in die Kategorien Gut oder Böse eingeteilt werden, sondern Charaktertypen mit eigenständigen Persönlichkeiten, die in der Lage sind, ihre Gefühle und ihre Zweifel zu äußern. So erwecken die Figuren ein Gefühl von menschlicher Anteilnahme, und der Leser ist in der Lage, die innere Erlebnisperspektive der Charaktere mitzuerleben und nachzuvollziehen. Die Protagonisten dienen also nicht nur dazu, die Handlung im Märchen voranzutreiben.[25]

[...]


[1] Max Lüthi: Märchen. Bearbeitet von Heinz Rölleke. Stuttgart / Weimar: Metzler 102004. S.3.. zitiert nach Bolte- Polívka IV S.1-4

[2] Vgl. Lüthi: Märchen.S. 1-4.

[3] Lüthi: Märchen. S. 25.

[4] Jens Tismar: Kunstmärchen. Stuttgart: Metzler 21983. S.1.

[5] Vgl.Tismar : Kunstmärchen. S.1-5.

[6] Paul- Wolfgang Wührl: Das deutsche Kunstmärchen. Geschichte, Botschaft und Erzählstrukturen. Neuauflage Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren 2003.S.12.

[7] Wührl: Das deutsche Kunstmärchen. S . 1-22.

[8] Jens Tismar: Kunstmärchen. Stuttgart: Metzler 21983. S. 1.

[9] Tismar: Kunstmärche. S. 1-5.

[10] Wührl: Das deutsche Kunstmärchen. S.3.

[11] Vgl. Wührl: Das deutsche Kunstmärchen. S. 1-22.

[12] Wührl: Das deutsche Kunstmärchen. S.12.

[13] Enzyklopädie des Märchens

[14] Vgl. Rölleke: Die Märchen der Brüder Grimm. Eine Einführung. Stuttgart: Reclam 2004. S.38-39.

[15] Vgl. Enzyklopädie des Märchens

[16] Vgl.Tismar: Kunstmärchen. S.68.

[17] Vgl.Tismar: Kunstmärchen. S.68.

[18] Wührl: Das deutsche Kunstmärchen. S.12.

[19] Jens Tismar: Kunstmärchen. S. 67-68.

[20] Vgl. Volker Klotz: Das europäische Kunstmärchen. München: Fink 32002.

[21] Heinz Rölleke: Die Märchen der Brüder Grimm. S.24.

[22] Rölleke: Die Märchen der Brüder Grimm. S.42.

[23] Wührl: Das deutsche Kunstmärchen. S.21.

[24] Wilhelm Hauff: „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich“. In: Friedrich von der Leyen (Hg.): Grimms Kinder und Hausmärchen. Die Märchen der Weltliteratur. Eugen Diedrichs Verlag1962. S. 291-294., hier S.291ff.

[25] Vgl. Lüthi: Das europäische Volksmärchen.T S.17-38.

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Details

Title
Volks- und Kunstmärchen. Ein Vergleich von Wilhelm Hauffs "Kalif Storch" und Grimms "Froschkönig"
College
University of Wuppertal
Grade
2,0
Year
2015
Pages
20
Catalog Number
V366673
ISBN (eBook)
9783668453548
ISBN (Book)
9783668453555
File size
534 KB
Language
German
Keywords
volks-, kunstmärchen, vergleich, wilhelm, hauffs, kalif, storch, grimms, froschkönig
Quote paper
Anonymous, 2015, Volks- und Kunstmärchen. Ein Vergleich von Wilhelm Hauffs "Kalif Storch" und Grimms "Froschkönig", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/366673

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