Effizienz und Gerechtigkeit der deutschen Familienbesteuerung


Mémoire (de fin d'études), 2002

75 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung und Methodik der vorliegenden Arbeit

2. Definition, Leistungen und Kosten der Familie
2.1 Definition der Familie
2.1.1 Konstituierendes Element des Begriffs „Familie“
2.1.2 Eine weitere Definition der Familie: Die Familie als ökonomische Betrachtungseinheit
2.2 Wesentliche Leistungen der Familie in einer Gesellschaft / Volkswirtschaft
2.2.1 Die Mikroperspektive – die innerfamiliäre Wirkungsebene
2.2.2 Die Makroperspektive – die Leistungen der Familie für die Gesellschaft
2.3 Belastung der Familien durch das Aufziehen von Kindern
2.3.1 Direkte Kosten
2.3.2 Indirekte Kosten (Opportunitätskosten)

3. Theoretische Effizienz in der Besteuerung von Familien
3.1 Begriffsdefinition und volkswirtschaftliches Ziel der Effizienz
3.2 Das Allokationsoptimum
3.2.1 Das Pareto-Kriterium
3.2.2 Der vollkommene Markt
3.2.3 Die „Laissez-Faire-Ökonomie“
3.2.3.1 Die öffentlichen Güter
3.2.3.2 Übertragung auf das Ökonomie-Modell
3.2.4 Kritik am bisherigen Modell – die externen Effekte
3.2.5 Die Internalisierung der externen Effekte
3.3 Effizienz der Besteuerung

4. Theoretische Gerechtigkeit in der Besteuerung von Familien
4.1 Begriff und Ziel der Gerechtigkeit in einer Volkswirtschaft
4.1.1 Regelgerechtigkeit
4.1.2 Verteilungsgerechtigkeit
4.2 Grundlegende Besteuerungsprinzipien
4.2.1 Äquivalenzprinzip
4.2.2 Leistungsfähigkeitsprinzip
4.3 Die Verbindung des Distributionsziels mit der Steuererhebung
4.3.1 Horizontale, vertikale Gerechtigkeit und progressiver Tarifverlauf
4.3.2 Weitere Implikationen durch die Familiensituation
4.4 Gerechtigkeit der Besteuerung

5. Die Elemente der deutschen Familienbesteuerung
5.1 Die Familienbesteuerung im engeren Sinne
5.1.1 Das Ehegattensplitting
5.1.2 Das beschränkte Realsplitting
5.2 Der Familienlasten- bzw. Familienleistungsausgleich
5.2.1 Tarifabhängige Transfers
5.2.1.1 Kinderfreibetrag
5.2.1.2 Betreuungsfreibetrag
5.2.1.3 Haushaltsfreibetrag
5.2.1.4 Minderung der zumutbaren Belastung
5.2.1.5 Unterhaltsleistungen
5.2.1.6 Ausbildungsfreibeträge
5.2.1.7 Beschäftigung einer Haushaltshilfe oder Heimunterbringung
5.2.1.8 Kinderbetreuungskosten
5.2.2 Tarifunabhängige Transfers
5.2.2.1 Kindergeld
5.2.2.2 „Baukindergeld“
5.3 Weitere Elemente der Familienbesteuerung
5.4 Elemente der übrigen Familienförderung
5.5 Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die Familienförderung

6. Erfüllung der allgemeinen Anforderungen durch die Familienbesteuerung
6.1 Zusammenfassung der bisherigen theoretischen Ergebnisse
6.2 Die Inzidenzanalyse
6.2.1 Die Steuerinzidenzanalyse
6.2.2 Die Budgetinzidenzanalyse
6.3 Die Mikroperspektive – Effizienz und Gerechtigkeit auf intrafamilialer Ebene –
6.3.1 Allgemeine Wirkungsanalyse
6.3.2 Die Sonderproblematik Ehegattensplitting
6.3.3 Die Sonderproblematik Kinderfreibetrag vs. Kindergeld
6.4 Die Makroperspektive – Effizienz und Gerechtigkeit auf gesamtwirtschaftlicher Ebene –
6.4.1 Allgemeine Wirkungsanalyse
6.4.2 Die Optimalsteuertheorie
6.4.3 Weitere Wirkungen der Familienbesteuerung
6.4.4 Die Bedeutung anderer Familien – Fördermaßnahmen

Anhang zum Kapitel 6 – Berechnungsbeispiele und Tabellen
Beispiel 1 : Ermittlung des Haushaltseinkommens des Steuerpflichtigen A
Beispiel 2 : Ermittlung des Haushaltseinkommens des Steuerpflichtigen B
Beispiel 3 : Vergleich der Steuerbelastungen des Steuerpflichtigen A
mit Kindergeld oder Kinder- und Betreuungsfreibetrag
Beispiel 4 : Ermittlung der Steuerbelastung des Steuerpflichtigen C
Tabelle 1 : Direkte Kosten je minderjähriges Kind des Jahres 2000
(in DM je Monat)
Tabelle 2 : Wert der Haushaltsproduktion bei alternativen Bewertungsansätzen
Tabelle 3 : Indirekte Kosten in Mrd. DM von Kindern in
Deutschland im Jahr 2000
Tabelle 4 : Entwicklung der steuerlichen Maßnahmen zur
Familienförderung 1998-2001

7. Zukunftsanforderungen und Reformkonzepte zur Familienbesteuerung
7.1 Wandel des Familienbildes, Position der Familie in der Gesellschaft und Zukunftsanforderungen
7.2 Das Problem der Gerechtigkeits- und Gleichheitsdefinition – Urteile des Bundesverfassungsgerichts
7.3 Reformkonzeptionen
7.3.1 Zur Weiterentwicklung des bestehenden Modells
7.3.2 Konsumorientierung der Besteuerung

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung und Methodik der vorliegenden Arbeit

Indessen, mein lieber Morus, scheint es mir – um offen zu sagen, was ich denke – in der Tat so, dass es überall da, wo es noch Privateigentum gibt, wo alle alles nach dem Wert des Geldes messen, kaum jemals möglich sein wird, gerechte oder erfolgreiche Politik zu treiben, es sei denn, man wäre der Ansicht, dass es dort gerecht zugehe, wo immer das Beste dem Schlechtesten zufällt oder dort glücklich, wo alles an ganz wenige verteilt wird und auch diese nicht in jeder Beziehung gut gestellt sind, die übrigen jedoch ganz übel. [...]

Denn wenn ein jeder unter gewissen Rechtstiteln, soviel er nur kann, an sich reißt, so kann die Masse noch so groß sein: es teilen nur wenige alles unter sich und lassen den übrigen die Armut. [...]

«Mir dagegen», erwiderte ich, «scheint dort, wo alles Gemeingut ist, ein erträgliches Leben unmöglich. Denn wie soll die Menge der Güter ausreichen, wenn sich jeder vor der Arbeit drückt, da ihn keinerlei Zwang zu eigenem Erwerb drängt und ihn das Vertrauen auf fremden Fleiß faul macht [...]»[1].

Das vorliegende Zitat stammt von einem Staatsdenker des 16. Jahrhunderts, Thomas Morus (More). Es ist erstaunlich, dass bereits vor 500 Jahren, also weit vor den wirtschaftstheoretischen Überlegungen eines Marx, Keynes oder Friedman beispielsweise, die Folgen von Umverteilung diskutiert wurden. Das Thema Umverteilung nimmt auch in der vorliegenden Diplomarbeit eine herausragende Stellung ein, die Umverteilung von Kinderlosen zu Familien mit Kindern im Sinne der Gerechtigkeit. Und damit wird auch die Frage diskutiert, ob eine solche Umverteilung in Grenzen „effizient“ sein kann und keine Leistungsanreize verloren gehen. Leistungsanreizverluste bedeuten gleichzeitig Effizienzverluste, da die Betroffenen keinen Sinn darin sehen, am Markt aktiv zu werden. Diejenigen, die durch die erhöhte Steuerzahlung betroffen sind, erzielen keine Markteinkommen, da sie nach subjektiver Einschätzung zuviel abgeben müssen. Die von der Umverteilung Profitierenden haben nicht die Absicht, am Markt aktiv zu werden, da sie ohnehin ein gewisses Einkommensniveau erreichen[2].

Um diese Wirkungen zu untersuchen, wird zunächst der Begriff der Familie näher betrachtet und die Leistungen für das Mikrosystem Familie sowie das Makrosystem Volkswirtschaft erläutert. Zugleich wird auf die Kosten verwiesen, die einer Familie durch die Kindererziehung entstehen.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen werden Effizienz und Gerechtigkeit zunächst zwar theoretisch erklärt, aber anschließend konkret angewandt, um Verbindungen zu Leistungen und Kosten aufzuzeigen. Danach soll die Frage geklärt werden, wie der Effizienz- und Gerechtigkeitsgedanke konkret im deutschen Steuerrecht umgesetzt sind und welche Belastungen dadurch dem Bundeshaushalt entstehen. Der Hauptteil der Arbeit schließt sich mit der Frage an, ob die Forderungen nach Effizienz und Gerechtigkeit durch die Elemente der Familienbesteuerung auch erfüllt werden. Als Abschluss soll noch kurz darauf eingegangen werden, inwieweit auf Grund sich stets verändernder gesellschaftlicher Verhältnisse Reformkonzepte nötig sind und wie sich die politisch Verantwortlichen solche Reformen vorstellen.

2. Definition, Leistungen und Kosten der Familie

Bei der Betrachtung der Gerechtigkeits- und Effizienzwirkungen einer besonderen Familienbesteuerung in einem Steuersystem muss zunächst der Begriff der Familie näher betrachtet und erläutert werden. Diese Leistung will das vorliegende Kap. 2 erbringen.

2.1 Definition der Familie

Unter dem Begriff „Familie“ wird eine „Gemeinschaft verstanden, die Ehegatten ohne Kinder, Ehegatten mit Kindern sowie Alleinstehende mit Kindern umfasst“[3]. Diese traditionelle Sichtweise setzt für das Vorliegen einer Familie eine Ehe bzw. das Vorhandensein von Kindern voraus. In den letzten Jahrzehnten hat sich dieses traditionelle Familienbild, wie es noch im dritten Familienbericht der Bundesregierung[4] dargestellt wurde, allerdings geändert. Es sind neue Lebensformen hinzugekommen, die in Deutschland bisher nicht unter dem Begriff „Familie“ subsumiert werden. Dieser Entwicklung trägt das Kap. 7 der vorliegenden Arbeit Rechnung.

2.1.1 Konstituierendes Element des Begriffs „Familie“

Ausgehend von dem unter 2.1 dargestellten traditionellen Familienbild können zwei konstituierende Elemente der Familie unterschieden werden.

Zum einen kann bereits die Eheschließung als konstituierendes Element des Begriffs Familie betrachtet werden. Die daraus folgenden Maßnahmen der Familienpolitik in Steuerhinsicht werden als Familienbesteuerung im engeren Sinne verstanden[5]. Darunter zählen Steuergestaltungen wie das Splittingverfahren für Ehegatten (vgl. Kap. 5.1).

Die andere Betrachtungsweise setzt das Vorhandensein von Kindern als begründendes Element der Familie voraus[6]. Die einkommensteuerpolitischen Maßnahmen für „Familien mit Kindern“ werden unter dem Begriff „Familienleistungsausgleich“ (§ 31 EStG) zusammengefasst. Die Detailgestaltungen werden im Kap. 5.2 näher erläutert.

2.1.2 Eine weitere Definition der Familie: Die Familie als ökonomische Betrachtungseinheit

Die Ökonomie (insbesondere die traditionelle und neuere Mikroökonomie) geht bei einer ökonomischen Betrachtungseinheit stets von einem Haushalt, aus Vereinfachungsgründen von einem Ein-Personen-Haushalt, aus. Die Familie besteht aber stets zumindest aus zwei Personen, so dass sie eigentlich kein eigenständiges Untersuchungsobjekt darstellt[7].

Erst im Rahmen einer sozioökonomisch-funktionalistischen Betrachtung lassen sich unter dem Begriff „Haushalt“ Personengruppen (also insbesondere Familien) zusammenfassen, „die eine Erwerbs-, Produktions-, Konsum- und Versicherungsgemeinschaft bilden“[8]. Diesem Familienbegriff kommen bestimmte Funktionen zu, die im folgenden Kap. 2.2 dargestellt werden.

2.2 Wesentliche Leistungen der Familie in einer Gesellschaft / Volkswirtschaft

Die Familie erbringt nach der volkswirtschaftlichen Definition Leistungen für eine Gesellschaft / Volkswirtschaft. In den meisten Fällen geschieht das eher unbewusst durch die Rollenverteilung der einzelnen Familienmitglieder. Diese Funktionen sollen im Folgenden näher betrachtet werden. In der Literatur werden unterschiedliche Begriffe und Definitionen verwendet. Die folgende Darstellung basiert im Wesentlichen auf Ausführungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend[9] und Jörg Althammer[10].

Volkswirtschaftlich wird in Analysen häufig zwischen der Mikro- und der Makroperspektive unterschieden. Auch bei der Untersuchung der Leistungen von Familien soll diese Unterscheidung getroffen werden, obwohl enge Verbindungen zwischen beiden bestehen.

2.2.1 Die Mikroperspektive – die innerfamiliäre Wirkungsebene

Die Leistungen der Familie werden von den einzelnen Mitgliedern zunächst nicht im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang gesehen, sondern als „private Leistung“[11] des Einzelnen für den Familienverbund. Zu den speziellen familialen Funktionen gehören die pädagogische und die regenerative Funktion. Darüber hinaus kommen den Familien allgemeine Haushaltsfunktionen zu, die Versorgungs-, Sicherungs- und Produktionsfunktion[12]. Zur Erstellung dieser Leistung und zur Koordination der familiären Abläufe ist der Einsatz von (viel) Zeit erforderlich (familiäre Zeitallokation).

Das tägliche Zeitbudget von 24 Stunden wird vom Statistischen Bundesamt in drei verschiedene Verwendungsmöglichkeiten unterteilt[13]: die öffentliche Zeit (unter anderem die entlohnte Erwerbszeit), die persönliche Zeit (Bildung, Ausbildung, Schlaf, Essen usw.) und die familiale Zeit. Hierunter wird die gesamte „Haushaltsproduktion“ mit ihren bedeutenden Funktionen für die Familie und die Volkswirtschaft verstanden, also die Herstellung von Gütern (die eigentliche Produktionsfunktion), die Erhaltung und Pflege von Sachen, Pflanzen und Tieren, die Versorgung, Pflege, Betreuung (Versorgungs- und Sicherungsfunktion) und Erziehung von Haushalts- und Familienmitgliedern (pädagogische Funktion) sowie die Hilfen im familialen, nachbarschaftlichen und freundschaftlichen Netzwerk.

Besonders hervorzuheben in diesem Zusammenhang ist zunächst die Entscheidung eines Paares für Kinder (regenerative Funktion), die eine erhebliche Umstellung des persönlichen Lebensumfeldes erfordert. Die Verwendung der zur Verfügung stehenden Zeit wird sich, zumindest für einen Partner, stark von der öffentlichen und persönlichen Zeit zur familialen Zeit verändern. Im traditionellen Familienbild fällt diese erhebliche Umstellung der Frau zu.

Wenn die Entscheidung für Kinder gefallen ist, kommt auf die Familie eine Reihe neuer Aufgaben zu, z.B. müssen die einzelnen Familienmitglieder gepflegt werden. Unter Pflege ist hier einerseits die körperliche Pflege, aber auch der Schutz der Kinder vor Gefährdungen unterschiedlicher Art zu verstehen.

Ferner bietet die Familie den Ort, sich zu regenerieren (das gilt nicht nur für den erwerbstätigen Partner, sondern auch für die Kinder, insbesondere im Schulalter). Unter Regeneration ist auch die emotionale Stabilisierung zu verstehen. Die Familie stellt in der Gesellschaft einen der wenigen Plätze dar, wo Gefühle thematisiert werden können; das dient letztlich auch dazu, um in der Gesellschaft gestärkt zu sein.

Viele dieser Leistungen von und für die Familie entziehen sich einer ökonomischen Bewertung, da sie sich nicht messen lassen (z.B. Behütung, Liebe, Zuwendung usw.)[14].

2.2.2 Die Makroperspektive – die Leistungen der Familie für die Gesellschaft

Familien erbringen durch das Aufziehen von Kindern auch die nachfolgend beschriebenen Leistungen für die Gesellschaft und damit für die Volkswirtschaft, wie Kap. 3 deutlich machen wird.

Diese Funktionen werden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend[15] in ihrer Gesamtheit als Bildung und Erhaltung des Humanvermögens dargestellt.

Unter dem gesellschaftlichen Humanvermögen wird „die Gesamtheit der mit bestimmten Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen, d.h. mit bestimmten Kompetenzen zur Lebensbewältigung und Lebensgestaltung ausgestatteten Bevölkerung“[16] verstanden. Alle Menschen in einer Gesellschaft bilden zusammen das Humanvermögen. Daher kommt den Familien bei dessen Ausstattung eine große Rolle zu.

Die unter dem Aspekt der Wirkungen innerhalb der Familie beschriebenen Leistungen (siehe Kap. 2.2.1) lassen sich auf die gesamtgesellschaftliche Ebene übertragen. Es wird zwischen drei Beiträgen differenziert:

1) Beiträge zur qualitativen Entwicklung des Humanvermögens,
2) Beiträge zur Erhaltung des Humanvermögens,
3) Beiträge zur Bildung bzw. Entstehung der Träger des Humanvermögens.

ad 1: Kinder genießen überwiegend innerhalb der Familie Erziehung und Bildung (pädagogische Funktion), die sie für ein eigenverantwortliches und solidarisches Leben in der Gesellschaft vorbereiten sowie die Befähigung vermitteln soll, unterschiedliche Lebensphasen zu bewältigen. Dabei ist nicht nur das Wissen entscheidend; es kommt auch und gerade auf die Vermittlung von sozialen Eigenschaften, wie z.B. Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft, Achtung der Menschenwürde usw. an. Damit wird die Basis für ein kooperatives Zusammenleben und damit für Demokratie, Marktwirtschaft und Innovationen gelegt. Darüber hinaus hat diese fortlaufende Entwicklung des Humanvermögens Auswirkungen auf Kultur, Wissenschaft und Politik einer Gesellschaft. Sie entstehen nicht zuletzt auch durch die Interaktionen der Menschen mit verschiedenen Ansichten und Meinungen (Synergieeffekte). Lampert spricht in diesem Zusammenhang von der qualitativen Reproduktion der Gesellschaft[17].

ad 2: Unter der Funktion der Erhaltung des Humanvermögens wird die schon unter der mikroperspektivischen Sichtweise angesprochene Regeneration der Familienmitglieder und die emotionale Stabilisierung verstanden; nicht zuletzt findet auch eine familiale Selbstversorgung in Situationen der Hilfebedürftigkeit und sozialer Not statt[18].

ad 3: Die Entscheidung eines Paares für Kinder (durch Geburt oder Adoption) ist ein Beitrag zur quantitativen Reproduktion[19] der Gesellschaft. Sie bestimmt die Größe und Altersstruktur der Bevölkerung, die wiederum erheblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hat; zum einen auf die Struktur der Nachfrage nach Gütern (Konsumgüter und Güter/Leistungen der sozialen Infrastruktur) und zum anderen auf das Angebot von Arbeitskräften.

Es wird in diesem Zusammenhang auch von einer sozialen Sicherungsfunktion gesprochen (nicht nur die elterliche Versorgung der Kinder, sondern auch die Versorgung der Eltern durch ihre Kinder im Alter; durch die Auflösung der Großfamilie und die Übernahme dieser Funktion durch die staatlichen Sozialversicherungen verliert diese Funktion aber an Bedeutung[20] ; Kinder stellen aber eine wichtige Säule für die Sozialversicherungen dar).

Darüber hinaus leisten Familien noch einen Beitrag zur intergenerationalen Solidarität. Das Verhältnis der „Alterskohorten“ zueinander bestimmt nachhaltig das Sicherungssystem „Generationenvertrag“.

Alle zweifellos wichtigen gesellschaftlichen Leistungen der Familie haben gemeinsam, dass sie durch den Markt nicht abgegolten werden; die Familien erhalten für ihre Arbeit keine Gegenleistung. Der Staat greift daher aus politischen und wirtschaftstheoretischen Gründen, die unter den Kap. 3 und 4 erläutert werden, ein. Das geschieht zum einen durch das System der verschiedenen Sozialversicherungen (gerade in Bezug auf die hier dargestellten Punkte 2 und 3), zum anderen durch das Steuersystem, hier insbesondere durch die Einkommensteuer (vgl. Kap. 5).

2.3 Belastung der Familien durch das Aufziehen von Kindern

Zu der Tatsache, dass die Leistungen der Familie für die Gesellschaft marktlich nicht abgegolten werden, kommt hinzu, dass auf die Familien durch die Erziehung und Versorgung von Kindern zusätzliche Belastungen (Kosten) zukommen. Diese können direkter oder indirekter Natur sein.

Die Gesamtaufwendungen (direkte und indirekte Kosten) für die Erziehung von Kindern ist abhängig vom Familientyp und vom Haushaltseinkommen. Die Spannweite liegt zwischen 242.000,- DM und 370.000,- DM pro Kind. Der niedrigste (erste) Wert bezieht sich auf einen Sozialhilfeempfängerhaushalt mit zwei Kindern, der höchste (zweite) Wert auf einen Ehegattenhaushalt mit einem Kind[21].

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geht im 5. Familienbericht von einem Wert der Versorgungs- und Betreuungsleistung in Höhe von 445.000 DM pro Kind bei zu Grunde legen des Stundenlohns einer Kindergärtnerin aus; im Falle der Bewertung mit dem Lohnsatz einer Arbeiterin beläuft sich der Wert auf 395.000 DM[22].

2.3.1 Direkte Kosten

Zu den direkten Kosten, die den Familien entstehen, zählen die quantifizierbaren Aufwendungen, die das Bundesverfassungsgericht als sächliches Existenzminimum bezeichnet. Hierzu zählen Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Bedürfnisse des täglichen Lebens[23]. Von den oben beschriebenen Gesamtkosten entfallen ca. ein Drittel auf die direkten Kosten (das sind zwischen ca. 80.000,- DM und ca. 123.000,- DM)[24].

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft[25] beruft sich bei der Ermittlung der direkten Kosten auf die Familienstatistik des Statistischen Bundesamtes in Verbindung mit der familienpolitischen Forschungsstelle des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg und errechnet auf gesamtwirtschaftlicher Ebene für das Jahr 2000 einen Wert von ca. 188,7 Mrd. DM. Bei diesem Wert soll es sich um die gesamten „tatsächlichen“ Kosten handeln.

Alternativ und nachrichtlich können die direkten Kosten auch „existenzminimal“ ermittelt werden auf Basis des Kinderfreibetrags, Betreuungsfreibetrags und Haushaltsfreibetrags (vgl. Kap. 5). Die existenzminimalen direkten Kosten liegen hiernach mit 120 Mrd. DM bis 130 Mrd. DM deutlich unter den tatsächlichen direkten Kosten.

2.3.2 Indirekte Kosten (Opportunitätskosten)

Unter dem Begriff der Opportunitätskosten werden allgemein die entgangenen Erträge und Nutzen aus einer Alternativentscheidung verstanden.

Bezogen auf die Familie heißt das Folgendes: Um die Kinder in den ersten Lebensjahren betreuen zu können, ist es notwendig, dass ein Partner (traditionell und überwiegend heutzutage immer noch ist dies die Rolle der Frau) auf die eigene Erwerbstätigkeit verzichtet. Dadurch entstehen Opportunitätskosten in Form von entgangenem Einkommen.

Um dieses entgangene Einkommen in eine quantifizierbare Größe umzuformen, muss zunächst die für die Haushaltsproduktion und Kindererziehung verwendete Zeit ermittelt werden.

Die Zeiteinteilung des Statistischen Bundesamtes (vgl. Kap. 2.2.1) ist nach Jörg Althammer für ökonomische Analysen nicht geeignet[26]. Hierfür werden besser die Aggregate Erwerbstätigkeit, Haushaltsproduktion, Kinderbetreuung und Freizeit gebildet, um Interdependenzen zwischen den einzelnen Möglichkeiten, Zeiten zu verwenden, aufzuzeigen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Kindererziehungszeit deutlich von der Haushaltsproduktionszeit getrennt wird. Bei der Darstellung der Leistungen der Familie wurde die Darstellung des Statistischen Bundesamts übernommen, wo diese Trennung nicht stattfindet.

Dabei ist festzustellen, dass mit zunehmendem Einkommen (zunehmendem Lohnsatz) der Frau prinzipiell, auch ohne Kindererziehung, der Zeitanteil der Haushaltsproduktion abnimmt und der Anteil an der Erwerbstätigkeit zunimmt. Beim Mann bleibt hingegen der Anteil der Erwerbstätigkeit bei zunehmendem Lohnsatz der Frau gleich, während der Anteil an der Haushaltsproduktion zunimmt. Zusätzlich muss noch festgehalten werden, dass der Lohnsatz der Frau stark vom jeweiligen Bildungsstand abhängt. Frauen mit höheren Schul- und/oder Ausbildungsabschlüssen haben einen größeren Lohnsatz als Frauen mit niedrigerem Schul- und/oder Ausbildungsabschlüssen.

Zur übersichtlichen Darstellung der Zusammenhänge seien nachfolgend zwei Grafiken abgebildet, die dem Buch von Jörg Althammer entnommen wurden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle : Jörg Althammer (2000) , S. 86.

Kommen im Haushalt Kinder hinzu, so nimmt der Anteil an der Haushaltsarbeit deutlich zu; ferner treten zusätzlich Kinderbetreuungszeiten auf. Das Verhältnis ändert sich erst dann wieder zur Erwerbstätigkeit und Freizeit, wenn das jüngste Kind in das schulpflichtige Alter kommt.

Durch ein Bewertungsverfahren, das Jörg Althammer beschreibt[27], ergeben sich folgende absolute Einkommensverluste bei der Geburt von zwei Kindern in Abhängigkeit vom Bildungsstand. Dabei wird das Zeitbudget mit dem individuellen Lohnsatz der Frau bei Berufseintritt durch ein spezifiziertes Verfahren unter Berücksichtigung soziodemographischer Faktoren multipliziert:

Opportunitätskosten der Kindererziehung[28]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einen Schritt weiter in der Analyse geht das Institut für Weltwirtschaft in Kiel[29]. Hier wird der gesamt-volkswirtschaftliche Einkommensausfall durch die Kinderbetreuung dargestellt, der sich basierend auf den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ergibt. Für das Jahr 2000 wird ein Wert von gesamt ca. 396,7 Mrd. DM genannt. Direkt vergleichen lassen sich die Werte jedoch nicht, da das Institut nicht mit dem Lohnsatz der Frau rechnet, sondern mit 50% der Arbeitskosten je Arbeitnehmer nach den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 2000.

Eine zweite Möglichkeit zur Quantifizierung besteht in der Bewertung der Zeit mit einem Lohnsatz, den ein Dritter am Markt bekommen würde, wenn er die Erziehung übernähme (= Einstellung eines Kindermädchens und/oder Haushaltshilfe). Wird dieser Ansatz gewählt, so ergibt sich ein gesamtwirtschaftlicher Wert von 374,1 Mrd. DM im Jahr 2000[30]. An dieser Vorgehensweise lässt sich kritisieren, dass hier nicht die Kosten aus entgangenem Einkommen oder Lasten ermittelt werden, sondern ein Lohnsatz zu Grunde gelegt wird, der am Markt zu zahlen ist; es handelt sich also um eine Leistungsbewertung[31].

Nicht in dieser Rechnung ist berücksichtigt, dass durch den Verzicht auf die eigene Erwerbstätigkeit Rentenansprüche verloren gehen, die aber seit einiger Zeit durch eine Anrechnung der Kindererziehungszeiten ausgeglichen werden.

Darüber hinaus entstehen einer Familie bzw. der Erziehungsperson weitere Kosten bzw. Nutzenverzichte, die sich nicht monetär bewerten lassen, aber Belastungen darstellen. Hierzu gehören u.a. durch die Kinder verursachte Stresssituationen, Freizeitverzichte, eingeschränkte Mobilität[32].

Gegenstand der sich anschließenden Effizienzanalyse können sie auf Grund der mangelnden Bewertbarkeit aber nicht sein.

3. Theoretische Effizienz in der Besteuerung von Familien

„Die Notwendigkeit eines Familienlastenausgleichs lässt sich ökonomisch nicht begründen [...]. Die Gesellschaft sollte sich indes darüber im Klaren sein, dass die als ökonomisch bezeichneten Argumente für den Familienlastenausgleich einer näheren Überprüfung nicht standhalten“[33].

Das Zitat verdeutlicht, dass es zunächst keine sinnvolle Begründung dafür gibt, die speziellen Leistungen und Lasten einer Familie durch staatliches Eingreifen auszugleichen. Es ist festzustellen, dass die Entscheidung eines Paares für Kinder einen konsumtiven Vorgang darstellt[34], bei dem der Staat außen vor gelassen wird.

Es soll hier aber dennoch versucht werden, mögliche Begründungen für eine begünstigte Besteuerung für Familien aus allokativer Sicht zu finden.

3.1 Begriffsdefinition und volkswirtschaftliches Ziel der Effizienz

Unter Effizienz versteht die Ökonomie, die in einer Volkswirtschaft vorhandenen knappen Ressourcen bestmöglich auf die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten zu verteilen (statische Betrachtung). Es soll sich dabei an den Präferenzen der Wirtschaftssubjekte orientiert werden[35]. Als Effizienzkriterium dient also die optimale Allokation von Produktionsfaktoren und Produkten.

3.2 Das Allokationsoptimum

Die aktuelle ökonomische Literatur[36] geht bei der Betrachtung einer marktlichen Effizienz von zwei Grundannahmen aus. Ein effizienter Zustand herrscht dann, wenn die Pareto-Regel beachtet und der Markt vollkommen ist. Die nachfolgenden Darstellungen berufen sich überwiegend auf die wirtschaftspolitischen Überlegungen von Michael Fritsch, Thomas Wein und Hans-Jürgen Ewers 1999.

3.2.1 Das Pareto-Kriterium

Das nach dem Ökonomen Vilfredo Pareto (1843-1923) benannte Kriterium geht in seiner Grundannahme von zwei Individuen aus, die beide durch verschiedene Güterkombinationen ein gewisses, optimales Nutzenniveau erreichen. Durch Veränderung der Güterkombination werden andere Nutzenniveaus erreicht.

Das Optimum, der effiziente Zustand, ist erreicht, wenn kein Individuum in seiner Nutzenposition besser gestellt werden kann, ohne dass sich die Nutzenposition des anderen verschlechtert. Da davon ausgegangen wird, dass sich die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt aus der Summe der einzelnen Nutzenfunktionen ergibt, entstehen auch auf dieser Ebene Wohlfahrtseinbußen. Pareto schließt in diesem Zusammenhang zunächst Umverteilungsmaßnahmen aus, da sich die individuellen Nutzen nicht vergleichen und nur ordinal, also nicht kardinal, messen lassen.

3.2.2 Der vollkommene Markt

Wenn nun das Pareto-Kriterium als Effizienzkriterium angesehen wird, stellt sich die Frage, bei welcher Marktform der Zustand erreicht werden kann. Es erfolgt hier ein Rückgriff auf das „Standard-Modell der ökonomischen Theorie“[37], die vollständige Konkurrenz.

Für dieses Modell werden einige Grundannahmen getroffen, die hier im Einzelnen nicht näher zu erläutern sind[38] ; nur auf eine Annahme sei kurz hingewiesen, die im Folgenden noch näher zu betrachten sein wird: Das Vorhandensein externer Effekte wird ausgeschlossen.

Um auf einen effizienten Zustand zu kommen, müssen die drei wohlfahrtsökonomischen Marginalbedingungen Produktionsoptimum (Transformationskurve), Tauschoptimum (Nutzenmöglichkeitenkurve) und simultanes Tausch- und Produktionsoptimum erfüllt sein. Im Modell der vollständigen Konkurrenz werden sie als erfüllt angesehen[39]. Es entstehen verschiedene effiziente Zustände im simultanen Tausch- und Produktionsoptimum; welches davon als „Optimum Optimorum“[40] gilt, das die Pareto-Regel erfüllt, kann wenn nur unter restriktiven Annahmen ermittelt werden[41].

Anzumerken ist ferner, dass die Ressourcenausstattung in diesem Modell gegeben ist und nicht durch Innovationen und technischen Fortschritt erweitert werden kann. Man spricht von einer „statischen Effizienz“.

3.2.3 Die „Laissez-Faire-Ökonomie“

In den Vorüberlegungen bislang außer Acht gelassen wurde die Bedeutung und die Notwendigkeit einer staatlichen Aktivität.

3.2.3.1 Die öffentlichen Güter

In einer Volkswirtschaft gibt es Güter, die als „öffentliche Güter“ bezeichnet werden. Solche liegen immer dann vor, wenn das Ausschlussprinzip nicht anwendbar ist (also Individuen, die für das Gut nicht bereit sind zu zahlen, aber von dessen Nutzung sie nicht ausgeschlossen werden können, so genanntes „Trittbrettfahrerverhalten“), und nicht über den Markt bereitgestellt werden können, weil sich kein privater Anbieter findet. Eine andere Voraussetzung für das Vorliegen öffentlicher Güter ist die Nicht-Rivalität im Konsum, d.h. die Grenzkosten bei der Nutzung sind 0. Es liegt Marktversagen vor, das durch staatliches Eingreifen (als staatliche Bereitstellung) beseitigt werden sollte. Aus Effizienzgesichtspunkten sind öffentliche Güter notwendig, da ohne sie Ressourcen im Marktmechanismus verschwendet würden (jeder müsste selbst Sorge tragen, z.B. sich vor Diebstahl u.ä. zu schützen) und dadurch keine optimale Allokation möglich ist[42]. „Klassische“ öffentliche Güter stellen die äußere und innere Sicherheit dar.

Für diese Staatstätigkeit ist eine Finanzierung notwendig. Sie geschieht durch Steuern und andere Abgaben.

3.2.3.2 Übertragung auf das Ökonomie-Modell

Im Modell der „Laissez-Faire-Ökonomie“[43] wird das Vorhandensein der öffentlichen Güter und staatliche Bereitstellung in optimaler Struktur[44] explizit berücksichtigt und durch eine Pauschalsteuer finanziert[45].

Letztendlich wird auch in dieser Modelldarstellung mit dem Vorhandensein von Steuern der Schluss gezogen, dass eine optimale, effiziente Allokation am Markt erfolgen kann, sofern das Steuersystem entscheidungsneutral ist[46].

3.2.4 Kritik am bisherigen Modell – die externen Effekte

Gegen die bisherigen Darstellungen können, gerade in Bezug auf die Voraussetzungen des vollkommenen Marktes, Einwände eingebracht werden: Der Markt ist nicht statisch, sondern dynamisch, und es herrscht ein gewisses Maß an Realitätsferne[47]. Hinsichtlich des Pareto-Kriteriums lässt sich einwenden, dass Nutzenvergleiche zwischen Individuen und Umverteilungsmaßnahmen zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt ausgeschlossen werden[48].

Die Entscheidung für Kinder stellt, wie oben angeführt, einen Konsumprozess dar. Durch solche Konsumprozesse können externe Effekte auftreten, also Wirkungen auf die Gesellschaft, die, in welcher Form auch immer, vom Verursacher nicht ausgeglichen (internalisiert) werden. Der Markt versagt und muss beeinflusst werden, z.B. durch staatliches Eingreifen.

In Bezug auf die gesellschaftliche Position der Familie lassen sich insbesondere zwei Typen von externen Effekten anführen, die ein Marktversagen bewirken können. Zum einen ist das Vorhandensein unfreiwilliger Austauschbeziehungen, also technologischer positiver externer Effekte zu nennen, und zum anderen die fiskalischen externen Effekte.

Die Effekte bestehen in den unter Kap. 2.2.2 dargestellten Leistungen der Familie für die Gesellschaft und sollen hier näher betrachtet werden.

a) Positive technologische externe Effekte

Wenn physische Zusammenhänge zwischen den Nutzenfunktionen der Gesellschaftsmitglieder bestehen (Nutzeninterdependenzen), können bei Konsumprozessen technologische externe Effekte auftreten.

Die Investitionen in die qualitative Entwicklung des Humanvermögens (Erziehung, Bildung usw. = pädagogische Funktion) sind als Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Volkswirtschaft zu sehen[49], die Innovationen und technischen Fortschritt möglich machen. Diese sind wiederum Voraussetzung für dynamische Effizienz am Markt und können das volkswirtschaftliche Wohlfahrtsniveau durch Erhöhung der individuellen Wohlfahrt steigern[50]. Die Nutzenfunktionen der Kinderlosen werden also durch die Nutzenfunktionen der Haushalte mit Kindern positiv beeinflusst. Den mathematischen Beweis liefert Jörg Althammer im Jahr 2000, weist aber zugleich auf andere Auffassungen hin, die den Zusammenhang nicht sehen und sogar bei Bevölkerungswachstum von einem Rückgang der Vermögensausstattung der folgenden Generation ausgehen[51]. Herrschende Meinung ist allerdings, dass eine gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtssteigerung erfolgt, die den Familien zum Teil ausgeglichen werden sollten.

b) Positive fiskalische externe Effekte

Die Familien leisten in der Gesellschaft den Beitrag zur Erhaltung und Bildung des Humanvermögens (= regenerative Funktion), also der „Kinderproduktion“.

Da für Gesamt-Deutschland in den kommenden Jahren ein Bevölkerungsrückgang zu erwarten ist, tauchen gerade in Bezug auf die umlagefinanzierten Sozialversicherungssysteme erhebliche Finanzierungsprobleme auf[52], die auch durch verstärkte Einwanderung nicht ausgeglichen werden können. Der Staat hat daher ein berechtigtes Interesse daran, die Geburtenzahlen in sinnvollem Maße zu steigern; das kann durch eine Förderung der Familien geschehen, die einen Einfluss auf das Fertilitätsverhalten ausüben kann. Der mathematische Beweis hierfür findet sich ebenfalls bei Jörg Althammer[53].

c) Pekuniäre und psychologische externe Effekte

Neben den technologischen und fiskalischen externen Effekten sind noch die pekuniären und psychologischen Externalitäten der Familie zu nennen. Die Möglichkeiten der pekuniären externen Effekte werden in diesem Zusammenhang außen vor gelassen, da sie kein Marktversagen bewirken; auch die nach der Marktversagenstheorie relevanten psychologischen externen Effekte werden nicht betrachtet, da sie bezogen auf Familien zwar eine Rolle, aber nur eine untergeordnete, spielen[54].

Zwischen den positiven Externalitäten der Familien und den öffentlichen Gütern gibt es einen Zusammenhang. Bei beiden lassen sich Dritte von der Nutzung nicht ausschließen, wenn sie nicht bezahlen; es kommt zum Trittbrettfahrerverhalten[55]. Insofern stellen Kinder öffentliche Güter dar[56].

d) Negative externe Effekte

Mit der Erziehung von Kindern können neben den positiven Externalitäten auch negative Effekte verbunden sein[57]. Solche treten dann auf, wenn die Familien ihren Aufgaben hinsichtlich Versorgung, Betreuung und Erziehung nicht nachkommen. In diesem Fall muss der Staat diese Verantwortung übernehmen. Diese Aktivität trifft die Gesellschaft, die für die Finanzierung aufkommen muss. In der ökonomischen Literatur findet dieser Aspekt bei der Betrachtung der Effizienz und Gerechtigkeit überwiegend keine Berücksichtigung.

3.2.5 Die Internalisierung der externen Effekte

Die Leistungen der Familie steigern - wie gezeigt - die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt. Eine unendliche Produktion dieser externen Effekte kann aus allokationstheoretischen Gesichtspunkten aber auch nicht sinnvoll sein; mit zunehmender Anzahl der Kinder fällt deren Grenznutzen ab, während die Grenzkosten ansteigen. Das Optimum der Kinderzahl wäre, sofern dieser Punkt bestimmbar wäre, der Schnittpunkt der beiden Kurven[58] ; eine vollständige Überwälzung des externen Effektes kann also nicht Sinn des staatlichen Handelns sein. Zumal würden massiv Anreizverluste entstehen: Je mehr Kinder eine Familie hat, desto mehr Einkommen erhält sie von staatlichen Institutionen. Im Extremfall können diese Leistungen für Kinder die gesamte Familie versorgen, ohne dass selbst eine Leistung erstellt werden müsste.

Im Fall der Familienbesteuerung wird sich hier, auf Grund des engen Zusammenhangs und der guten Eignung in Bezug auf externe Effekte, auf Transferleistungen (Steuer- oder direkte Transfers) für Familien beschränkt. Darüber hinaus gibt es weitere Ansätze, eine Internalisierung der externen Effekte durchzuführen, wie die Verhandlungslösung (Coase-Theorem), Ge- und Verbote, Auflagen, staatliche Bereitstellung[59].

Eine Möglichkeit zur Bestimmung des gewünschten Grades an Umverteilung zu den Familien ist die Pigousche Subventionslösung.

Der auf den Ökonomen Arthur Pigou zurückgehende Ansatz fordert, den Verursacher des externen Nutzens (hier die Familien) so zu subventionieren, dass der soziale und private Grenznutzen der Kindererziehung bei der gesamtwirtschaftlich optimalen Menge gleich sind. Die optimale „Menge an Kindern“ lässt sich, trotz guter Abschätzungsmöglichkeiten der demographischen Entwicklung, nur schwer bzw. nicht abschätzen, da die genaue Anzahl von z.B. Rentnern im Bereich der Rentenversicherung nur im Nachhinein ermittelt werden kann. Der soziale Grenznutzen der Kindererziehung ist also nicht bestimmbar, was eine konsequente Anwendung des Pigou-Ansatzes voraussetzt[60].

Ferner ist festzuhalten, dass die Pigou-Lösung nicht zu einer vollständigen Internalisierung des externen Effekts durch die familienexternen Nutzer führt[61].

Als praktikable Lösung der Pigou-Variante wird der Preis-Standard-Ansatz gesehen, da hier auf die Ermittlung des Optimums verzichtet wird[62], sondern von der Politik ein gewisses Internalisierungsziel festgesetzt wird.

[...]


[1] Morus, Thomas: Utopia, 1. Buch II Nr. 7, S. 44f.

[2] Zur Leistungsanreizproblematik vgl. auch Hüther (1990), S. 43ff., und Stöß (1991), S. 21ff.

[3] Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Zur Neuregelung der Familienbesteuerung (1983), S. 9.

[4] Ebendort, S. 9.

[5] Vgl. ebendort, S. 9.

[6] Vgl. ebendort, S. 9.

[7] Vgl. Althammer (2000), S. 7.

[8] Ebendort, S. 7.

[9] Vgl. BM FSFJ (2001), S 91ff.

[10] Vgl. Althammer (2000).

[11] BM FSFJ (2001), S. 89.

[12] Vgl. Althammer (2000), S. 7-16.

[13] Vgl. BM FSFJ (2001), S. 94/95.

[14] Vgl. Lampert (1996), S. 29.

[15] Vgl. BM FSFJ (2001), S. 103ff.

[16] BM FSFJ (2001), S. 103.

[17] Vgl. Lampert (1996), S. 291.

[18] Vgl. Lampert (1996), S. 291.

[19] Vgl. Lampert (1996), S. 291.

[20] Vgl. Althammer (2000), S. 11.

[21] Vgl. Althammer (2000), S. 9 unter Bezugnahme auf Lampert (1996).

[22] Vgl. BM FSFJ (1995), S. 145 und 291.

[23] Vgl. BM FSFJ (2000), S. 17.

[24] Vgl. Althammer (2000), S.9 unter Bezugnahme auf Lampert (1996).

[25] Vgl. Rosenschon (2001), S. 51.

[26] Vgl. Althammer (2000), S. 82.

[27] Vgl. Althammer (2000), S. 88/89.

[28] Quelle : Jörg Althammer (2000), S. 90, verkürzte Darstellung.

[29] Vgl. Rosenschon (2001), S. 52/53.

[30] Vgl. Rosenschon (2001), S. 52.

[31] Vgl. BM FSFJ (2001), S. 128/129.

[32] Vgl. BM FSFJ (2001), S. 131.

[33] Homburg/Gräff (1988), S. 26.

[34] Vgl. Homburg/Gräff (1988), S. 13/14.

[35] Vgl. Reding/Müller (1999), S. 352.

[36] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 28-90, auch Ohmer (1997), S. 71-83, Hagel (1993), S. 14-37 et al.

[37] Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 32.

[38] Zur Übersicht der Annnahmen vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 34.

[39] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 54 und S. 67-85.

[40] Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 65.

[41] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 65.

[42] Vgl. Mankiw (1999), S. 246-250 et al.

[43] Vgl. Ohmer (1997), S. 71-82.

[44] Zur Ermittlung des optimalen staatlichen Budgets vgl. Zimmermann/Henke (1994), S. 55ff. und S. 87ff.: Das optimale Budget ist dort angesiedelt, wo der Grenznutzen der staatlichen Ausgaben gleich dem Grenzschaden der Steuererhebung ist (Unterstellung eines sinkenden Grenznutzens und steigenden Grenzschadens). Das Problem hierbei ist die Bewertung des Nutzens; Entscheidungshilfen können Kosten-Nutzen-Analysen der bezifferbaren Nutzen und Kosten (nicht bewertbare Effekte werden außen vor gelassen) oder Kosten-Wirksamkeits-Analysen sein, wobei letztere versuchen, die nicht-monetären Effekte zu beurteilen. Letztlich wird aber auch hier versucht, die nicht-monetären Effekte in quantifizierte Zielbeiträge umzuformen.

[45] Vgl. Ohmer (1997), S. 73.

[46] Zur detaillierten Darstellung vgl. Ohmer (1997), S. 73-75: Das entscheidungsneutrale Steuersystem verzerrt die Entscheidungen der Individuen in einer „Laissez-Faire-Ökonomie“ nicht, sofern durch Steuerreformen lediglich ein Einkommenseffekt eintritt, nicht aber ein Substitutionseffekt. Sollte die angesprochene Pauschalsteuer allerdings eine Kopfsteuer sein, so verzerrt sie die Entscheidung für ein Kind erheblich: Durch die Erhebung würde den Familien eine zusätzliche Last in Form der Steuerzahlung aufgebürdet. Die Pauschalsteuer kann aber auch in Form einer Haushaltssteuer unabhängig von der Personenzahl erhoben werden; in diesem Fall werden die Kinderentscheidungen nicht verzerrt (vgl. auch Überlegungen zur Optimalsteuertheorie, so Reding/Müller (1999), S. 253ff.

[47] Zur detaillierten Darstellung vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 68-85.

[48] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 31-35.

[49] Vgl. BM FSFJ (2001), S.106.

[50] Der Zusammenhang, dass die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt sich aus der Summe der individuellen Nutzen ergibt, ist eine Hauptannahme der paretianischen Wohlfahrtsökonomie; er wird unter anderen von König (1997), S. 8, aufgezeigt: W=u1+u2+...+uH.

Hier wird auch dr Zusammenhang zu einem der finanzpolitischen Ziele, dem Wachstumsziel, deutlich. Eine Volkswirtschaft kann nur wachsen, wenn sie sich weiterentwickelt. Kinder bilden also auch in diesem ZUsammenhang eine wichitge Säule.

[51] Vgl. Althammer (2000), S. 49-53.

[52] Vgl. Althammer (2000), S. 44/45, Klanberg (1988), S. 50 et al.: Für die Effizienz des Umlageverfahrens ist eine Förderung der Familie zwingend notwendig.

[53] Vgl. Althammer (2000), S. 44-49.

[54] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 93 und S. 108-111.

[55] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 103/104.

[56] Vgl. Althammer (2000), S. 44.

[57] Vgl. BM FSFJ (2001), S. 68.

[58] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 101/102.

[59] Zur detaillierten Darstellung vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 114ff.

[60] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 125.

[61] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 125.

[62] Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1999), S. 126.

Fin de l'extrait de 75 pages

Résumé des informations

Titre
Effizienz und Gerechtigkeit der deutschen Familienbesteuerung
Université
University of Kassel
Cours
Studium
Note
2,3
Auteur
Année
2002
Pages
75
N° de catalogue
V36688
ISBN (ebook)
9783638362382
Taille d'un fichier
783 KB
Langue
allemand
Mots clés
Effizienz, Gerechtigkeit, Familienbesteuerung, Studium
Citation du texte
Andreas Reichhardt (Auteur), 2002, Effizienz und Gerechtigkeit der deutschen Familienbesteuerung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36688

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