Wenn einer eine Reise tut... Pierre Lotis "Nach Isfahan" als Spiegel seiner Zeit


Seminararbeit, 2015

25 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Wenn einer eine Reise tut

Pierre Lotis Nach Isfahan als Spiegel seiner Zeit?
Akt I: Pierre Lotis Lebenslauf und Werdegang
Akt I, Szene I: Veröffentlichungsgeschichte und Inhalt
Akt II: Charakterliches und Stilistisches über Loti
Akt II, Szene 1: Meinung eines Zeitgenossen
Akt II, Szene 2: Loti und der Naturalismus
Akt II, Szene 3: Eindruck des Verfassers
Akt III: Europäische Betrachtungsweisen
Akt III, Szene I: Erste Frage – was ist der Orient? Und was ist Orientalismus?
Akt III, Szene II: Zweite Frage – Was heißt das im Bezug auf Lotis Nach Isfahan ?
Akt III, Szene III: Dritte Frage – was heißt das für andere?
Akt IV: Ist denn Loti nun ein "Sohn seiner Zeit"?

Tropes der Moderne

Verzeichnis der verwendeten Literatur und Quellen

Quellen

Literatur

Lexikonartikel

Webauftritte

Wikipedia

Wenn einer eine Reise tut…

…so kann er was erzählen, sagt zumindest der Volksmund.

Noch heute gibt es Leute, die ihre Erfahrungen einer Reise in der einen oder anderen Form publizieren, sei es im Rahmen des viel gelobten Web 2.0 oder auch klassisch als Buch – im 19. und 20. Jahrhundert erlebte dieses Genre der Literatur, das Genre der Reiseberichte, eine regelrechte Blütezeit. Leute reisten in verschiedenen Funktionen, ihre Berichte erreichten eine wachsende Leserschaft, die selbst nicht reisen konnte, sich aber aus diesen Berichten ein Bild fremder Orte, gar fremder Welten und neuer Zivilisationen bildete.

Bilder vom Orient und vom Fernen Asien entstanden, von Amerika und den Inselwelten im Pazifik, manchmal wertvolle Spiegel der eigenen Welt, manchmal wertvolle wissenschaftliche Einsichten, manchmal einfach nur unterhaltend. Eines dieser Bilder, ob nun korrekt oder nicht wurde von einem gewissen Pierre Loti geprägt. Im April des Jahres 1900 reiste er ins damals persische (heute iranische) Isfahan, schrieb seine Erfahrungen und Gedanken auf und publizierte sie 1903 und 1904 erstmals in der französischen Zeitung Revue des Deux Mondes. Auch wenn seine Erfahrungen eher im französischen Sprachraum rezipiert sind und werden, so ist er doch wichtig für die Betrachtung eines europäischen Bildes vom Orient.

Diese Arbeit beschäftigt sich damit, wer Pierre Loti war, welche Umstände seine Reise nach Isfahan begründeten und wie europäisch das Bild war, welches Loti von Persien hatte und prägte. Wir werden uns dazu mit seinem Werdegang beschäftigen, peripher mit einigen anderer seiner Werke, mit seiner Zeit, mit seinem Land und seinen Landsleuten. Als Vergleich werden wir auch kurze Blicke in die Reiseberichte anderer Autoren werfen, nicht nur Franzosen, sondern auch jenen, die sich nicht nur mit Persien beziehungsweise dem Orient beschäftigten.

Die Hauptfragen sind also wie folgt zu stellen:

– Wer war Pierre Loti?
– Wie europäisch, beziehungsweise westlich ist sein Orientbild?
– Wie passt es in seine Zeit, sowohl literarisch, als auch stilistisch, und in die 'Bilder von der Ferne', welche von anderen Autoren etabliert wurden?
– Und vor allem: Was können wir aus diesen Bildern über uns und andere lernen?

Die Frage, ob nun sein Bild oder die Bilder seiner Kollegen korrekt sind oder nicht, wird hier bewusst ausgeklammert. Es ist nicht meine Angelegenheit, darüber zu urteilen.

Pierre Lotis Nach Isfahan als Spiegel seiner Zeit?

Akt I: Pierre Lotis Lebenslauf und Werdegang

Die Frage, wer Pierre Loti war, kann man recht einfach beantworten: Louis Marie Julien Viaud.

'Einfach' heißt aber nicht immer 'vollständig', ganz im Gegenteil. In diesem Falle ist die einfache Antwort sogar irreführend. Pierre Loti war der Künstlername Viauds, vielleicht sogar eine andere Persönlichkeit.

Ob nun dies der Fall ist, oder nicht, darüber müssen sich Psychologen streiten.

Tatsache ist jedoch, dass Loti am 14. Januar 1850 im französischen Rochefort das Licht der Welt erblickte. Rochefort, gelegen an der Atlantikküste und der Biskaya, war bis 1926 ein wichtiger Stützpunkt der französischen Marine, ist noch heute eine von der Seefahrt geprägte Stadt. Loti selbst war der Sohn eines Schiffsarztes1 aus einer alten protestantischen Familie2.

Mit siebzehn Jahren trat Loti in die Marineakademie von Brest ein, wurde Offizier der französischen Marine. 1879 publizierte er anonym den Roman Aziyadé, in dem er Erfahrungen in Istanbul, eingebettet in eine Liebesgeschichte zu einer Haremsdame, der namensgebenden Aziyadé, schildert. Dieses Buch, und Le Mariage de Loti, ebenfalls anonym erschienen, jedoch ein Jahr später, handelt von seiner Zeit auf Tahiti und machten ihn in Frankreich berühmt. Der Erzähler der Geschichte erklärt auch, woher der Name Loti stamme: Von den Einheimischen, die Viaud beziehungsweise Loti so nannten. Eine andere Erklärung besagt, dass Loti seinen Künstlernamen von seinen Kameraden aufgrund seiner Schüchternheit bekommen habe, ähnlich wie eine indische Blume, die ungesehen blüht3.

1883 diente er als Fähnrich auf dem 3.825 Tonnen schweren Ironclad Atalante, welcher zur französischen Pazifikflotte, spezifischer zur D ivision Navale des Côtes du Tonkin unter Admiral Amédée Courbet4 gehörte. An Bord dieses Schiffes nahm er am 20. August an der Schlacht von Thuan An teil, in der französische Schiffe nahe Huế im Norden Vietnams Befestigungen beschossen und schließlich anlandeten.

Dies ist in sofern signifikant, als Loti seine Erfahrungen zu Papier brachte und sie sehr zeitnah publizieren ließ, erschienen als Trois journées de guerre en Annam in Le Figaro Ende September und im Oktober 1883. Seine Beschreibung davon, wie brutal und menschenverachtend sich die französischen Marinesoldaten und Marineinfanteristen im Angesicht des vollkommen unterlegenen Feindes verhielten, beispielsweise durch Erdolchen verwundeter Vietnamesen oder ein regelrechtes Zielschießen durch die Marineinfanteristen, löste in Frankreich große Empörung aus. Loti wurde für etwas mehr als ein Jahr vom Dienst suspendiert und nach Frankreich zurück gesandt.

Ebenfalls 1883 publizierte er Mon frère Yves, ein Roman über das Leben eines französischen Seemannes, welches zu seinen charakteristischsten Werken zählt5.

Loti blieb jedoch außer Dienst nicht untätig: 1886 publizierte er einen Roman über bretonische Fischer, Pêcheur d’islande, seine beliebteste Arbeit. 1887 erschien Madame Chrysanthème, ein Roman über die Sitten und Gebräuche Japans, welcher das französische Bild über Japan und den Fernen Osten bis heute prägt. Giacomo Pucchini nahm dies als eine der Grundlagen für sein Theaterstück Madame Butterfly, spielend in Nagasaki, wo auch Lotis Roman spielt.

1891 wurde Loti auf den 13. Sitz der Académie française gewählt.

Zwischen Madame Chrysanthème und der Jahrhundertwende schrieb er mehrere weitere Romane, 1899 und 1900 besuchte er Britisch-Indien (der entsprechende Bericht, L’Inde (sans les Anglais), erschien 1903), im Jahr darauf reiste er nach Isfahan.

1900 war Loti einmal mehr in einem Krieg, diesmal als Teil der internationalen Truppen, die den Boxeraufstand in China niederschlugen. Les Derniers Jours de Pékin, erschienen 1902, beschreibt seine Sicht der Belagerung von Peking im Jahr 1900.

1906 wurde Loti Kapitän der französischen Marine, 1910 wurde er Reservist – ob er je das Kommando über ein Schiff führte, ist nicht bekannt. Er schrieb und veröffentlichte weiter, unter anderem eine französische Version von Shakespeares King Lear, die es 1904 auf die Bühne schaffte.

Wie Loti zum Ersten Weltkrieg stand oder als Reservist einberufen wurde, ist nicht bekannt.

1923 starb Loti in Hendaye6, begraben wurde er auf der Insel Oléron mit einem Staatsbegräbnis.

Loti bereiste als Offizier die Weltmeere und schrieb über das, was er sah und erlebte in vielen Romanen, Reiseberichten und Novellen. Sein Schwerpunkt war der Nahe und Ferne Osten, aber auch die Karibik, Afrika und Europa wurden behandelt7.

Akt I, Szene I: Veröffentlichungsgeschichte und Inhalt

Nach Isfahan, erstmals publiziert zwischen 1903 und 1904, wurde auch als Buch 1904 in französischer Sprache veröffentlicht, bis heute folgten mehrere Auflagen. 1925 erschien die erste deutsche Ausgabe in Berlin mit dem Titel Reise durch Persien, welcher vielleicht passender ist als Vers Ispahan oder Nach Isfahan 8.

Seit der Revolution im Iran ist Nach Isfahan einer der meistverkauften und – gelesenen Texte französischer Herkunft9.

Loti beschreibt in dem Roman und Reisebericht seine Expedition im Auftrag des französischen Außenministeriums. Der Bericht beginnt in Bender Bouchir (oder Bändär-Buschehr) am 17. April 1900, erste größere Zwischenstation ist Chiraz am 24. April, von wo er am 2. Mai, nach einem Treffen mit dem lokalen Wesir, aufbricht, Isfahan wird am 12. Mai erreicht. Der Bericht endet am 6. Juni 1900 in Enzeli.

Er beschreibt auf sehr eindringliche und persönliche Art und Weise das Land, die Leute, die Sitten und Gebräuche, denen er begegnet, aber auch ihre Architektur. Zu beachten ist besonders die Reaktion der Einheimischen auf seine Anwesenheit und wie sie ihn behandeln, durchweg mit allen Würden und Ehren, auch wenn sich die Frauen verschleiern oder verbergen, wenn sie seine Anwesenheit bemerken. Es scheint manchmal beinahe so, als würde Loti eine Art Versteckspiel spielen, um doch ein paar Blicke zu erhaschen um seine Neugierde zu befriedigen.

Loti möchte die Rosenblüte in Isfahan sehen, doch er trifft auf viel Leere zwischen den einzelnen Stationen seiner Reise, was nicht nur dem Leser manchmal aufs Gemüt schlägt – auch Loti wird melancholisch und schwermütig und das überträgt sich auf den Text.

Warum - das ist eine Frage des Charakters und des Stils.

Akt II: Charakterliches und Stilistisches über Loti

Akt II, Szene 1: Meinung eines Zeitgenossen

Edmund Gosse, einer der Mitarbeiter an der Encyclopædia Britannica von 191110 und Zeitgenosse Lotis, beschrieb seinen Stil und auch in gewisser Weise die Person so:

[...]


1 Vgl. Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin (Hrsg.), Die Heilige Stadt Qom. Auszüge aus dem Reisebuch „Nach Isfahan“ von Pierre Loti., in: Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin (Hrsg.), Spektrum Iran. Zeitschrift für islamisch-iranische Kultur., Heft 1-2012, Webausgabe. http://spektrum.irankultur.com/wp-content/uploads/2012/12/3-qom_.pdf, abgerufen am 19. Januar 2015.

2 Vgl. Edmund Gosse, Loti, Pierre., in: Encyclopædia Britannica, Inc. (Hrsg.), Encyclopaedia Britannica, 11th Edition, Volume 17, Slice 1 ("Lord Chamberlain" to "Luqman"), Webausgabe, http://www.gutenberg.org/files/43427/43427-h/43427-h.htm, abgerufen am 22. Januar 2015.

3 Vgl. Gosse, Loti, Pierre., in: Encyclopædia Britannica, Inc. (Hrsg.), Encyclopaedia Britannica, 11th Edition., Webausgabe, http://www.gutenberg.org/files/43427/43427-h/43427-h.htm, abgerufen am 22. Januar 2015.

4 Interessanter kleiner Trivialfakt: Die französische Marine benannte drei größere Schiffe, einen Ironclad von 1882/1886, eine Schlachtschiff von 1911 und eine Fregatte von 1994 nach Courbet – jedoch kein einziges nach Loti. Warum wohl...?

5 Vgl. Gosse, Loti, Pierre., in: Encyclopædia Britannica, Inc. (Hrsg.), Encyclopaedia Britannica, 11th Edition., Webausgabe, http://www.gutenberg.org/files/43427/43427-h/43427-h.htm, abgerufen am 22. Januar 2015.

6 Entgegen des Namens nicht im Orient, sondern im Departement Pyrénées-Atlantiques im Baskenland, gelegen nahe der französisch-spanischen Grenze.

7 Vgl. Lexikonredaktion des Bibliographischen Instituts (Hrsg.), Meyers Grosses Taschenlexikon in 24 Bänden. Band 13: Lat – Mand., Mannheim, Wien, Zürich 1983, Seite 222.

8 Vgl. Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin (Hrsg.), Die Heilige Stadt Qom. Auszüge aus dem Reisebuch „Nach Isfahan“ von Pierre Loti., in: Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Berlin (Hrsg.), Spektrum Iran. Zeitschrift für islamisch-iranische Kultur., Heft 1-2012, Webausgabe. http://spektrum.irankultur.com/wp-content/uploads/2012/12/3-qom_.pdf, abgerufen am 4. Februar 2015.

9 Vgl. Susanne Farin, Michael Farin, Die Wüste, die Rosen und die tote Seele., in: Pierre Loti, Nach Isfahan., Bremen 1996, Seite 269.

10 In einigen Sachen inzwischen etwas veraltet (vor allem in den Wissenschaften), ein wenig sehr von der Zeit geprägt und äußerst imperial-britisch, aber immer noch die Encyclopædia Britannica und in vielen Fällen im Bezug auf Kunst korrekt und verwertbar, so wie der Artikel über Pierre Loti Ich vertraue auf die Englischkenntnisse des Lesers.

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Details

Titel
Wenn einer eine Reise tut... Pierre Lotis "Nach Isfahan" als Spiegel seiner Zeit
Hochschule
Universität Salzburg
Note
2
Autor
Jahr
2015
Seiten
25
Katalognummer
V367107
ISBN (eBook)
9783668457638
ISBN (Buch)
9783668457645
Dateigröße
831 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pierre Loti, Isfahan, Orientalismus
Arbeit zitieren
Sebastian Eccius (Autor:in), 2015, Wenn einer eine Reise tut... Pierre Lotis "Nach Isfahan" als Spiegel seiner Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367107

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