Die Glocksee-Schule Hannover im Spektrum integrativer Schulpädagogik


Dossier / Travail de Séminaire, 2005

21 Pages, Note: Sehr gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis

0. Einführung: Die Glocksee-Schule im Spektrum alternativer und manifestierter Schulintentionen

1. Integration und Alternative Schulpädagogik: Grundlegende Begriffsbestimmungen
1.1 Integration: Ein multiperspektivischer Definitionsversuch
1.1.1 Essentielle Lehrerkompetenzen für eine integrative Förderung
1.2 Was sind Reform- und Alternativschulen?

2. Die Glocksee-Schule Hannover: Geschichte, Profil und Ausblick
2.1 Die Entstehungsgeschichte der Glocksee-Schule
2.2 Die Glocksee-Schule heute: Ein ‚Modellversuch mit besonderer pädagogischen Prägung
2.3 Der Begriff der Selbstregulierung

3. Grundschulalltag in der Glocksee-Schule
3.1 Schulbeginn und Tagesplanung
3.2 Übergangsphasen und Angebotsstrukturierung
3.3 Feste Arbeitsphasen

Abschlussreflexion: Was leistet die Glocksee-Schule für eine integrative Bildung?

Inhaltsverzeichnis

0. Einführung: Die Glocksee-Schule im Spektrum alternativer und manifestierter Schulintentionen

Als ‚Reform- und Alternativschule’ wurde die Glocksee-Schule Hannover in den Themenkatalog des gleichnamigen Seminars, das dieser Hausarbeit zugrunde liegt[1], integriert. Es stellt sich also postwendend die Frage, was die Glockseeschule besonderes charakterisiert, dass sie mit diesem Prädikat ausgezeichnet wird. Was genau verbirgt sich hinter dem dualistisch geprägten Begriff einer Reform- und/oder Alternativschule? Welche Unterschiede weisen diese Sonderformen im Gegensatz zu den staatlichen Regelschulen auf? Gibt es überhaupt diesbezügliche generelle Attributierungen? Auf diese mitunter nicht simpel zu klärenden Fragen werden in dieser Arbeit im Folgenden anhand des konkreten Beispiels der eben genannten hannoveranischen ‚Freien Alternativschule’ klärende Antworten gesucht werden.

Alternativschulen verstehen sich als Raum, in dem Kinder, Eltern und LehrerInnen miteinander leben und voneinander lernen. Vielerlei Gesellschaftspartizipanten sind gemeinsam für die Organisation, die Finanzierung und nicht zuletzt für die zu vermittelnden Inhalte verantwortlich. Die jeweiligen Konzepte beruhen somit auf einem Geben und Nehmen, auf einem gleichberechtigten und toleranten Umgang mit- und füreinander. Hier wird bereits deutlich, dass die soziale und kulturelle Integration eines der Grundmaxime von Alternativschulen darstellt. Tatsächlich berufen sich diese immer wieder auf die viel stärker ausgeprägtere Akzeptanz gegenüber dem einzigartigen Ich eines jeden Menschen, im Gegensatz zu den ihrer Meinung nach von Selektion und Desintegration gekennzeichneten staatlichen Schulen. Ob die manifestierten Thesen der alternativ gestalteten Glockseeschule wahrhaftig der Realität entspricht, möchte ich in dieser Arbeit überprüfen. Ein Problem stellt dahingehend die nur bedingt betriebene empirische Forschung sowie diesbezügliche Ergebnisse und magere Anzahl an Literaturpublikationen dar. Trotzdem muss der Versuch unternommen werden, zu analysieren, ob die Glocksee-Schule dem Statuts einer optimalen integrativen Förderung aller Kinder gerecht wird. Daher müssen zunächst einige fundamentale Grundbegriffe geklärt und das grundlegende Konzept von Reform- und Alternativschulen, falls es ein solches gibt, dargelegt werden, bevor dann ein Einblick in die Geschichte, in das Profil und in den Schulalltag der Glocksee-Schule verschafft wird. Diese Alltagsbeschreibung erfolgt auf der Basis des Buches „ Die Glocksee-Schule. Geschichte-Praxis-Erfahrungen“[2] der beiden Erziehungswissenschaftlerinnen und Glocksee-Lehrkräfte Ulrike Köhler und Doris Krammling-Jöhrens.

Was die Sonderrolle der Glocksee-Schule in Bezug auf den viel gebrauchten Begriff der Integration also de facto kennzeichnet, was sie in punkto Erziehung zur Toleranz, Mündigkeit und Stärkung des Selbstbildes, von der Regelschule wohlmöglich unterscheidet, sind die zu hinterfragenden Variablen, die dieser Arbeit zu Grunde liegen.

1. Integration und Alternative Schulpädagogik: Grundlegende Begriffbestimmungen

1.1 Integration: Ein multiperspektivischer Definitionsversuch

Die Grundschule, wie sie in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts definiert wurde, ist nicht auf Selektion, sondern auf Integration hin konzipiert worden. Dies wurde auch in den Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen als „Vielfalt als Chance und Herausforderung“[3] manifestiert. Der Begriff Integration an sich ist innerhalb der Gesellschaft also durchaus internalisiert, doch manch einer fragt sich trotz alledem, was sich tatsächlich hinter diesem inflationär gebrauchten Abstraktum verbirgt.

Schlägt man in einem gebräuchlichen Nachschlagewerk nach, so findet man unterschiedliche Definitionen. Einerseits sei nach dem ‚Meyers Taschenlexikon ’ unter Integration eine „Wiederherstellung einer Einheit, Vervollständigung“[4] zu verstehen, gleichzeitig sei sie allerdings auch ein „Zusammenschluss von Teilen zu einem Ganzen“[5]. Dieser, nicht primär auf die Erziehungswissenschaft und Schuldidaktik hin konzipierte Begriff, scheint zwar zunächst äußerst abstrakt, im Kern ist allerdings mitunter exakt das ausgedrückt, was Integration auch in der Institution Schule charakterisiert.

Dazu muss an dieser Stelle jedoch auf die pädagogisch und didaktische Genese dieses Begriffes eingegangen werden.

Das Schlagwort Integration wurde und wird immer wieder speziell mit der Koedukation behinderter und nichtbehinderter Kinder assoziiert. Jene Vorstellungen tauchten bereits in diversen Schriften Comenius ’ und Pestalozzis auf, die „das Voneinanderlernen von Kindern unterschiedlicher Coleur“ hervorhoben. Speziell wird die Reformpädagogin Maria Montessori mit dem effektiven und produktiven Miteinanderlernen in heterogenen Gruppen in Verbindung gebracht. Alle jene Vorstellungen strebten nach einem Ideal von Schule, das sich von jeglicher Separierung loslösen, die Unterschiedlichkeit als natürlichen Fakt wahrnehmen und in die heterogenen Lerngruppen integriert sollte.

‚Heterogene Lerngruppen’ – genau dies ist das Schlagwort, das die „Schule der Vielfalt“[6] kennzeichnet. Denn bei dem Akte des Integrierens geht es nicht ausschließlich um das Miteinbeziehen geistig oder körperlich behinderter Kinder in den ‚Regelunterricht’. Primär geht es bei dieser Diskussion um das Pro und Kontra eines gemeinsamen Lernens und gemeinschaftlichen Zusammenlebens allgemein. „Ziel integrativen Lernens ist daher die lebendige Konfrontation mit dieser Vielfalt, durch die Toleranz, Akzeptanz, Solidarität, Teamgeist, Verantwortung und selbsttätiges Handeln in der gleichzeitigen Auseinandersetzung mit Bildungsinhalten geübt und gelernt werden kann“[7]. Heutzutage, dies wird durch dieses Zitat offensichtlich, geht es um die Integration aller Kinder, samt ihrer Besonderheiten, Stärken, Schwächen, Neigungen und vor allem samt ihrer soziokulturellen Biographien. Jede Schülerin und jeder Schüler unterscheidet sich durch spezielle Charaktereigenschaften von den MitschülerInnen und bedarf deshalb auf sie speziell abgestimmten Förderungsmaßnahmen. Es wird sich zeigen, inwiefern das Konzept der Glockseeschulen dem Tenor gerecht wird, dass eine „im umfassenden Sinn integrative Schule (...) die Besonderheit einzelner“[8] anerkennt.

1.1.1 Essentielle Lehrerkompetenzen für eine integrative Förderung

Es ist gleich, ob die Lehrkraft an einer Regel-, Sonder- oder Alternativschule unterrichtet. Da eines der in den Richtlinien aufgeführte Grundintention eben in der integrativen Förderung liegt, ist es fundamental, dass die Lehrkräfte ihr Handeln nach speziellen Grundsätzen richtet, die sich in der langen Geschichte der Schulpädagogik entwickelt und bewährt haben. Im Sinne einer ganzheitlichen Bildung der Kinder dienen diese als fundamentale Orientierungshilfen.

Zweifelsfrei bedarf es einer gut entwickelten und ausgebildeten Empathiefähigkeit, um möglichst rasch die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft jedes Schülers und jeder Schülerin des Klassenverbandes objektiv einschätzen und, daran anknüpfend, ziel- und kindorientierte Förderungsmaßnahmen einleiten zu können. In diesem Zusammenhang muss das Kind in seiner Ganzheit analysiert, also psychische, emotionale, soziale oder physisch-motorische Persönlichkeitsmerkmale sowie die Einzelinteressen, bedacht werden. In jene Analyse müssen soziokulturelle Voraussetzungen involviert werden. Psychologisch gesehen ist eine völlige Persönlichkeitsgenese lediglich in einem harmonischen Lebensumfeld realisierbar. In diesem Kontext sind auch die Berücksichtigung der sozialen und emotionalen Bedürfnisse jedes Kindes zu nennen. An die Analyse anknüpfende Reflexionen über mögliche Förderungsmaßnahmen sind daher obligatorisch. Dies erweist sich dann als äußerst fruchtbar, wenn dies in Kooperation mit den das Kind umgebenden Personen geschieht.

Hier wird bereits deutlich, welcher Gradwanderung zwischen Objektivität und Emotionen die Lehrkraft in ihrem täglichen Tun ausgesetzt ist, ist sie bestrebt, an jenen Grundsätzen festhalten zu wollen. Einerseits muss sie über eine gut ausgebildete rationelle Einschätzungs- und Bewertungskompetenz verfügen, die aber gleichzeitig mit der gefühlsbetonten und sinnhaften Nähe jedem Schüler gegenüber vereinbart werden muss. Wichtig ist außerdem der enge Kontakt zu den Eltern, die sie wiederum neutral und ausreichend beraten, aber gleichzeitig menschlich begegnen muss, um ihnen gegenüber als glaubwürdig und vertrauensvoll zu erscheinen. Jene Fakten spiegeln nur wenige Beispiele dafür wider, mit welchen antagonistischen Konflikten eine Lehrkraft täglich konfrontiert wird. Für die dafür notwendigen fachspezifischen Fähigkeiten einer Lehrkraft sind demnach auch die Hochschulinstitutionen gefragt, die verstärkt praxisnahe und kindorientierte Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrern als obligatorische Fragmente anbieten müssen. Dass die Lehrkraft darüber hinaus stets innovationsbereit und sich offen gegenüber neuen Unterrichtsmethoden und Medien zeigen muss, ist dahingehend geradezu unerlässlich. Ein Unterricht, der einzelne Interessen, Fähigkeiten und Möglichkeiten integriert und diese für den Wissenserwerb nutzen vermag, kann nicht seitens einer sich an Routinen und tradierten Erfahrungen orientierten Person gestaltet werden.

[...]


[1] Kock, Dr. Renate: „Reform- und Alternativschulen“. Universität zu Köln, Wintersemester 04/05.

[2] Köhler, U./Krammling-Jöhrens, D.: Die Glocksee-Schule. Geschichte-Praxis-Erfahrungen. Bad Heilbrunn 2000.

[3] Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen: Richtlinien und Lehrpläne zur Erprobung. Düsseldorf 2003, S. 14 ff.

[4] Meyers Taschenlexikon A-Z. Leipzig, Mannheim 2002, S. 320.

[5] Vgl. Meyers Taschenlexikon A-Z, S. 320.

[6] Faust-Siehl, Gabriele u.a. (Hrsg.): Die Zukunft beginnt in der Grundschule. Empfehlungen zur Neugestaltung der Primarstufe. Reinbek bei Hamburg 1996, S. 29 ff.

[7] Jaumann-Graumann, O.: Integration behinderter Kinder in der Grundschule. In: Einsiedler, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik. Bad Heilbrunn 2001, S. 79.

[8] Vgl. Faust-Siehl, G. Reinbek 1996, S. 29 ff.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Die Glocksee-Schule Hannover im Spektrum integrativer Schulpädagogik
Université
University of Cologne  (Erziehungswissenschaftliche Fakultät)
Cours
Reform- und Alternativschulen
Note
Sehr gut
Auteur
Année
2005
Pages
21
N° de catalogue
V36742
ISBN (ebook)
9783638362771
Taille d'un fichier
578 KB
Langue
allemand
Mots clés
Glocksee-Schule, Hannover, Spektrum, Schulpädagogik, Reform-, Alternativschulen
Citation du texte
Berit Schmaul (Auteur), 2005, Die Glocksee-Schule Hannover im Spektrum integrativer Schulpädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36742

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