Die Hamas. Entstehung des radikalpolitischen Islams in Palästina


Hausarbeit, 2016

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Theorien von Gewalt
2.1 Franz Fanon und Gewalt

3. Der politische Islam in Palästina
3.1. Die Muslimbrüder
3.2. Entstehung und Entwicklung der Hamas
3.3. Die Hamas-Charta und ihre Ziele

4. Fazit - Gewalt als zentrales Merkmal der Hamas?

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Islam lehnt Terror in jeglicher Form ab. Er bef ü rwortet den Geist des Humanismus in universaler Form, d.h. unabh ä ngig von Glauben und Nation. Auf der Grundlage des islamischen Rechts, der Scharia, wird Gewalt gegen unschuldige Zivilisten jeglicher parteilicher, religi ö ser oder staatlicher Zugeh ö rigkeit abgelehnt. (Al-Tantawi nach Ewaida 2009:1)

Der politische Islam in Palästina hat seit Israels Staaten-Gründung bis heute einen bedeutenden Wandel durchgemacht. Der Israel-Palästina-Konflikt bringt nicht nur viel Leid über die dort lebenden Menschen, sondern ist auch von Interesse internationaler Politik vieler Staaten. So haben haben auch Terrororganisationen Wege gefunden, Konflikte aus den arabischen Ländern oder dem Nahen Osten in die westliche Welt zu tragen. Das soll verdeutli- chen, wie wichtig es ist zu verstehen, wie ein Konflikt um Israel und Palästina sich so kriegerisch und gewaltvoll entwickeln konnte. Die Spirale der Gewalt, einmal in Gang gebracht, lässt sich nur aufhalten, in dem der Wandel dazu entziffert und verstanden wird. Es gibt viele verschiedene und vielschichtige Faktoren, mit denen sich die Ereignisse im Nah-Ost-Konflikt erklären lassen. Diese Hausarbeit beschäftigt sich jedoch mit der Frage, wie der politische Islam vom Geist des Humanismus und der Gewaltfreiheit ablassen konnte und so eine gewaltbereite Terrororganisation entstehen konnte. Wie gewalt- bereit ist die Hamas wirklich und wie haben sich die Muslimbrüder den politi- schen Gegebenheiten angepasst? Welchen Einfluss hatten andere Staaten, die heterogene Gesellschaft im Gazastreifen und Westjordanland oder ver- schiedene politische Organisationen wie die PLO auf den politischen Islam? Diese Arbeit untersucht dazu folgende These:

„ Auf Grund vieler Einflüsse von äußerer Gewalt und Unterdrückung, die das Volk Palästinas über Jahrzehnte erfahren musste, radikalisierte sich der politische Islam und entwickelte sich von einer moderaten politischen Organisation mit Priorität auf die Erziehung im islamischen Sinne zu einer gewaltbereiten und brutalen Terrororganisation.“

Zur Überprüfung dieser These und um Antworten auf die vorigen Fragen zu finden ist die folgende Arbeit in entsprechende Kapitel aufgeteilt. Zuerst be- darf es einer Definition von Gewalt gefolgt von einer Theorie zur Gewalt und Unterdrückung nach Franz Fanon. Anschließend wird die Hamas in ihrer Entstehung und Entwicklung empirisch beleuchtet. Dazu muss vorerst auf die Entwicklung der Muslimbrüder seit Israels Staaten-Gründung 1948 ein- gegangen werden, aus denen sich die Hamas gebildet haben. Weiter wird die Entstehung und Entwicklung der Hamas, wie ihre Charta und Ziele be- leuchtet. Letztlich werden die theoretischen Ergebnisse mit den Gewalt- merkmalen der Hamas verknüpft und in einem Fazit zusammengefasst.

2. Theorien von Gewalt

Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert Gewalt im soziologischen Sinne wie folgt:

„G. bedeutet den Einsatz physischer oder psychischer Mittel, um einer anderen Person gegen ihren Willen a) Schaden zuzufügen, b) sie dem eigenen Willen zu unterwerfen (sie zu beherrschen) oder c) der solchermaßen ausgeübten G. durch Gegen-G. zu begegnen.“

Gewalt hat also im soziologischen Sinne schon mehrere Bedeutungen. Vor- aussetzung für Gewaltanwendung ist der Einsatz physischer oder psychi- scher Mittel gegen den Willen anderer Personen. Unter rationalen Voraus- setzungen muss so ein Konflikt bestehen, bei dem eine Partei versucht ihre Interessen mittels Gewalt durchzusetzen. „Wo von Gewalt die Rede ist, steht etwas auf dem Spiel, es geht um ein Problem, das gelöst, eine Situation, die verändert werden muss.“ (Beck-Schlichte 2014:22) Die konkreten Ziele, die von Gewalt ausgehen sind sehr vielschichtig. Soziologisch und rational wer- den diese in der vorigen Definition in drei Punkte unterteilt. Erstens geht es darum den „anderen“ Schaden zuzufügen, um sie zu schwächen und so sei- ne eigenen Ziele durchsetzen zu können. Geschieht dies durch einen kriege- rischen Akt, ist der zugefügte Schaden und die Anwendung von Gewalt viel- schichtig und andauernd. So bleiben meist Schmerz und Leid für lange Zeit bestehen und wie im zweiten Teil der obigen Definition, beherrscht und un- terwirft die gewaltanwendende Partei nun die unter der Gewalt leidenden Anderen. Neben den offensichtlichen Folgeerscheinungen von Leid und

Schmerz den der Gewaltakt mit sich bringt, übt die unterdrückende Partei nun Macht aus, ohne diese anzuwenden. Sie erlangt durch die Möglichkeit einer weiteren Gewaltanwendung Macht über die Menschen. Es verhält sich wie in jeder zivilisierten und funktionierenden Exekutive. Durch die Polizei und Gefängnisse hat der Staat das einzige legitime Gewaltmonopol. Die Macht, die der Staat über seine Bürger mittels Gewaltandrohung bei Geset- zes-Verstößen hat, erlischt sobald ein Bürger gegen ein Gesetz verstößt und die Gewaltanwendung in Kauf nimmt. Entsprechend führt auch das Ausüben von Gewalt in einer kriegerischen oder terroristischen Handlung in Folge zu einem Gewissen Anteil von Macht bis die Gewalt keine Bedeutung mehr dar- stellt oder billigend in Kauf genommen wird. Die nun unterdrückten und be- herrschten Menschen sind also nicht nur Opfer der Gewalttat an sich, son- dern befinden sich anschließend auch als Unterdrückte der machtausüben- den Partei wieder. Die Reaktion darauf könnten zwar akut unterschiedlich ausfallen, führen jedoch in den meisten Fällen auf Gegengewalt hinaus. Nicht nur um Ihre politischen oder sozialen Ziele zu erreichen, sondern auch um sich der Macht, die auf sie ausgeübt wird zu trotzen. Nach Franz Fanon ist Gegengewalt bei beherrschten und unterdrückten Menschen eine zwin- gende Reaktion. Die Notwendigkeit einer Veränderung des aktuellen Zustan- des der Unterdrückung „existiert im Rohzustand, übermächtig und zwingend, im Bewusstsein und im Leben der kolonialisierten Männer und Frauen.“ (Fa- non 1961:29). Der Zustand, in dem sich die kolonialisierten Algerier befan- den, stellt zwar einen recht speziellen Fall von Unterdrückung und Gewalt dar, spiegelt jedoch ein Extrem wieder, was zum Verständnis dienlich ist. Gegengewalt ist also ein besonderer Fall von Gewaltanwendung, der nicht nur auf rationalen, politischen oder soziologischen Ereignissen zu begründen ist, sonder auch eine fast zwingende Reaktion. Abstrakt betrachtet mündet die Kritik an der Gewaltanwendung mit dem Ziel von macht-politischen Vor- teilen wie auch dem resultierenden Fortschritt der Unterdrückenden in einer Rechtfertigung revolutionärer (Gegen-) Gewalt. (Beck-Schlichte 2014:31) Wie Fanon das Machtgefüge zwischen Unterdrückern und Unterdrückten anhand der algerischen Kolonialzeit genauer erläutert, wird im folgenden Ka- pitel kurz dargestellt.

2.1 Franz Fanon und Gewalt

Vorab muss erwähnt werden, dass Fanon von dem speziellen Fall einer (De- )Kolonialisierung ausgeht. Dieser Konflikt ist jedoch auch auf andere historische Prozesse, in denen Gewalt und Unterdrückung eine entscheiden- de Rolle spielen, anwendbar. Bei einer unterdrückten Gesellschaft stehen sich zwei antagonistische Kräfte gegenüber, die sich gegenseitig geschaffen haben und bedingen. Der Prozess, der die Unterdrückung zerschlägt, hier die Dekolonialisierung, ist nach Fanon grundlegenden mit dem Mensch sein an sich verbunden. Das Streben nach einer Umwälzung des aktuellen Zu- standes der Machtverhältnisse ist also von außen betrachtet immer als Erfolg zu sehen. „Das unterdrückte ‚Ding’ wird zum Menschen, gerade in dem Pro- zess in dem es sich befreit“. (Fanon 1961:30) Diese extreme Umwälzung der Verhältnisse erfordern die Bereitschaft alles Notwendige zu tun, Gewalt mit eingeschlossen. Es ist eine zweigeteilte Welt, in der der Unterdrückende dem Unterdrückten immer wieder aufzeigt, wie er bewusst unterteilt und durch Gewalt die Unterdrückung aufrecht erhält. Es gibt keine friedliche Koexis- tenz. Sobald der Unterdrückte sich entscheidet, die Gewalt, die die konstru- ierte Welt der Unterdrückung zusammenhält, für sich zu beanspruchen, gibt es nur die Möglichkeit einer der beiden komplementären Zonen aktiv zu zer- stören. „Die koloniale Welt zerstören heißt nicht mehr und nicht weniger, als eine der beiden Zonen zu vernichten, sie so tief wie möglich in den Boden einzustampfen oder vom Territorium vertreiben.“ (Fanon 1961:34) Weiter geht Fanon auch auf die Rolle der Intellektuellen während der Unterdrückung ein. Während der Intellektuelle eines Unterdrückten Volkes die Wahrheit im- mer so ausdrückt, wie sie zu seinem Vorteil passt, verkörpert das Volk hin- gegen seine Wahrheit. Die Wahrheit, die dem Unterdrücker schadet. Der un- terdrückte Intellektuelle „stellt seine Aggressivität in den Dienst seiner eige- nen, seiner individuellen Interessen.“ (Fanon 1961:51) Es will den Platz des Unterdrückers, nicht seinen Status. Er plädiert für Vernunft und Gewaltlosig- keit. Doch die Unterdrückung, wie die des Kolonialismus, „ist keine Denkma- schine, kein vernunftbegabter Körper. Es ist Gewalt im Naturzustand und kann sich nur einer noch größeren Gewalt beugen.“ (Fanon 1961:51) Der Unterdrücker hat dem Unterdrückten von Anfang an den Umgang mit Gewalt gezeigt. Dem Unterdrückten wird bewusst, dass Gewalt alternativlos ist und auch Rückschläge unvermeidbar sind. Gewalt dient als eine Art Vermittlung und wird alltäglich. Kämpfe und Gewalt werden zu „Arbeit“ und münden in einen Kreislauf der Gewalt. Einen Gewissen Punkt erreicht, gibt es kein zu- rück. Für den Unterdrückten gibt es kein Klagen oder Bedauern, es gibt nur zwei antagonistische Kräfte, deren alltägliche Arbeit es ist den anderen zu bekämpfen. „Die Gewalt des Kolonialregimes und die Gegengewalt des Ko- lonialisierten halten sich die Waage und entsprechen einander in einer au- ßerordentlichen Homogenität.“ (Fanon 1961:74) Weiter vereinigt die Gewalt das unterdrückte Volk, es nimmt Ihnen Minderwertigkeitskomplexe und Ängs- te und hebt die Unterdrückten so auf die Ebene des Unterdrückers. „Von der Gewalt erleuchtet, rebelliert das Bewusstsein des Volkes gegen jede Pazifi- zierung. Die Demagogen, die Opportunisten, die Magier haben dann einen schweren Stand.“ (Fanon 1961:78)

3. Der politische Islam in Palästina

Das folgende Kapitel handelt vom politischen Islam in Palästina seit der Gründung Israel im Jahr 1948 mit einem besonderen Fokus auf Einflüsse und Ausübung von Gewalt. Es beginnt mit der unterschiedlichen Entwicklung der Muslimbrüder im Westjordanland und im Gazastreifen. Gefolgt von einer vereinten Entwicklung der Muslimbrüder von 1967 bis zur Gründung der Hamas im Jahr der ersten Intifada 1987. Anschließend wird die weitere Ent- wicklung der Hamas kurz betrachtet. Wie in der Phase der israelischen Be- satzung in den Jahren 1987-1989. Gefolgt von dem Friedensprozess in Oslo im Jahr 1993, der zweiten Intifada und Camp David im Jahr 2000, den Frie- densplänen Roadmap im Jahr 2002 und dem Genf-Dokument im Jahr 2003. Neben den historischen Steckpfeilern gilt eine besonderes Augenmerk auf den sozialpolitischen Hintergrund der Hamas in Palästina, der Hamas Charta und den Zielen der Hamas, wie deren Verhältnis zu anderen nationalen oder politischen Gruppierungen in Palästina.

3.1 Die Muslimbrüder

Nach der palästinensischen Niederlage bei Kriegsende im Jahr 1948 waren fast alle Palästinenser aus Israel vertrieben worden. „Ein palästinensischer Staat konnte nicht entstehen, da weder Großbritannien noch Jordanien noch Israel dies wünschten.“ (Baumgarten 2006:20) So ist neben der Gewalt, die die Palästinenser während dem Krieg und bei der Flucht aus Ihrem Land erleiden mussten, die Unterdrückung der Besatzungsmächte nach Kriegsende zu vermerken. Übrig waren nun zwei geteilte Gebiete. Der Gazastreifen fiel unter ägyptischer Militärherrschaft und das Westjordanland unterstand der transjordanischen Armee. In diesen Gebieten gab es in den Jahren bis 1967 eine unterschiedliche Entwicklung der Muslimbrüder.

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Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Hamas. Entstehung des radikalpolitischen Islams in Palästina
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Seminar - Geschichte und Entwicklung des Israel-Palästina-Konfliktes
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
18
Katalognummer
V367634
ISBN (eBook)
9783668460072
ISBN (Buch)
9783668460089
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hamas, Gewalt, Muslimbrüder, Israel, Palästina, politischer Islam, Nahostkonflikt, Frantz Fanon
Arbeit zitieren
David Schmucker (Autor:in), 2016, Die Hamas. Entstehung des radikalpolitischen Islams in Palästina, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367634

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