Tabuisierte Körper. Homosexualität im Fußball


Texte Universitaire, 2016

11 Pages, Note: 1,0


Extrait


1. Einleitung

"Ich sage das, was viele denken: Ich werde niemals einen schwulen in meinem Team spielen lassen"[1]

Der kroatische Fußballtrainer Otto Baric war der Erste Funktionär im Profifußball, der wegen einer solchen Aussage verurteilt wurde. Generell ist es selbst in unserer liberalen und modernen Gesellschaft nicht einfach für Homosexuelle sich zu outen. Meist ist das "Coming-Out" ein konfliktreicher und langwieriger Prozess, der eine stabile Psyche der jeweiligen Person erfordert. Besonders für prominente Homosexuelle gilt es eine zusätzliche Hürde zu überwinden, denn sie stehen stets in der Öffentlichkeit und können die Reaktionen der Gesellschaft nicht vorhersehen. Im Bereich des Profifußballs wird die Homosexualität meist nicht akzeptiert. Vor Allem die Fans sprechen sich weitgehend gegen Homosexualität aus und auch berühmte Fußballer raten von einem Outing ab.

"Für denjenigen der es tut, würde es sehr schwer werden [...] es ist schade, aber Schwulsein ist im Fußball - anders als in Politik und Showgeschäft - immer noch ein Tabuthema." (Phillip Lahm)[2]

Demnach kann man davon ausgehen, dass es für prominente Fußballer deutlich schwerer ist, sich zu outen, da die zusätzliche Hürde des "Sich-Zeigens" in der Öffentlichkeit nur schwer zu überwinden ist. Daher kam es in den letzten Jahrzehnten nur in absoluten Ausnahmefällen zu einem Outing im professionellen Männerfußball. In anderen Bereichen zeigten uns Prominente wie der Komiker Hape Kerkeling oder der berühmte Musiker Elton John, dass ein Outing nicht unbedingt den Ruf schädigen muss oder gar einen Abbruch der Karriere impliziert. Betrachtet man die extrem geringe Anzahl an Coming-Outs im professionellen Männerfußball, so lässt sich feststellen, dass Homosexualität auch heutzutage ein Tabuthema ist und bleibt. Natürlich besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass es momentan keinen einzigen homosexuellen Fußballspieler gibt, rein statistisch gesehen ist dies allerdings sehr unwahrscheinlich. Im Rahmen der repräsentativen Eurogay-Studie "Schwules Leben in Deutschland" aus dem Jahr 2001, bezeichneten sich 4,1% der Männer als Gays und 9,4% der Befragten Männer gaben an sich vom eigenen Geschlecht erotisch angezogen zu fühlen.[3] Zu beachten ist, dass die Umfrage telefonisch mit ca. 15000 Personen durchgeführt wurde und die Zahlen unter Berücksichtigung des Aspektes der sozialen Erwünschtheit in der Realität deutlich höher liegen könnten. Umfragen haben ergeben, dass Homosexualität zwischen Männern auch in unserer liberalen Gesellschaft von vielen Menschen als "Krankheit" oder als "Abstoßend" bezeichnet wird.[4] Möglicherweise haben sich einige Befragten diesbezüglich beeinflussen lassen. Dennoch zeigt die Umfrage, dass es statistisch gesehen eine Vielzahl an Homosexuellen Fußballspielern geben müsste, die es bis zum jetzigen Zeitpunkt verschweigen. Verfestigt wird diese Vermutung durch einige Interviews ehemaliger Akteure im deutschen Profifußball. So erzählte der ehemalige Zweit-Liga Spieler Markus Urban , ihm seien mindestens drei schwule Bundesliga Profis bekannt[5] und auch der Ex-ZDF Reporter Rolf Töpperwien bestätigte er "[...]kenne Nationalspieler, die mit Frauen zusammengebracht wurden, bis hin zur Ehe, obwohl sie schwul sind."[6] Die weltweit beliebteste Sportart scheint demnach ein Gesellschaftsbereich zu sein, in dem die Aufrechterhaltung traditioneller Geschlechterrollen bevorzugt wird und Homosexuelle ihre Orientierung so gut wie möglich zu verbergen versuchen. Trotz der nun sehr modernen und liberalen Gesellschaft in der wir leben, entwickelt der professionelle Männerfußball stets ein Klima, in dem es für Homosexuelle nahezu unmöglich ist, sich konfliktfrei zu outen.

2. Homophobie in der Männerdomäne Fußball

Fußball ist ein Sport, der in weiten Teilen der Bevölkerung als wahrer Männersport angesehen wird. Auch während der Anfänge des Fußballs im 19. Jahrhundert waren es zunächst nur Männer, die ihrer harten Arbeit als Fabrikarbeiter, Handwerker oder Bergwerksarbeiter und den damit verbunden sehr schlechten Arbeitsbedingungen entfliehen wollten. Eine Zuflucht fanden sie meist im Fußball, der zu der damaligen Zeit aufgrund fehlender Regeln, deutlich körperbetonter ausgetragen wurde, als es heutzutage der Fall ist. Der Fußball wurde meist als kulturelle Institution angesehen, in der die Spieler ihre Männlichkeit, Tapferkeit, Härte und körperliche Stärke präsentieren konnten. Studien in den 90er Jahren haben ergeben, dass es eine starke Ablehnung gegenüber homosexuellen Fußballern gab, da sie zu "schwach" für diesen Sport seien.[7] Der professionelle Männerfußball gewann von Jahr zu Jahr an Aufmerksamkeit und Beliebtheit und all diejenigen, die es nicht schafften ein professioneller Fußballspieler zu werden, ordneten sich nach und nach einem Verein zu, den sie von da an verbal unterstützten. Besonders die Demonstration von Überlegenheit, Aggressivität und Kampfbereitschaft wurde von den Fans gefeiert. All diese Stereotypen der männlichen Geschlechtsidentität lassen sich im Fußball wiederfinden. So wurde der Fußball schnell zur Männerdomäne und es galt stets jegliche Art weiblicher Eigenschaften wie Sensibilität oder Verletzlichkeit zu vermeiden. Schnell integrierte sich ein Leitbild bzw. Archetyp der zu präsentierenden Männlichkeit im Fußball und sowohl Spieler als auch Fans wurden von Beginn an instruiert, die männlichen Werte, Auffassungen und Eigenschaften zu verkörpern und zu repräsentieren.[8] Dieses Leitbild wurde von Beginn an sehr stark aufgegriffen und nahezu alle Akteure im professionellen Männerfußball erfüllten jene Erwartungen, die von außerhalb formuliert wurden. An ein konfliktbefreites Coming Out eines homosexuellen Fußballspielers war zu dieser Zeit kaum zu denken. Besonders die sozialen Rahmenbedingungen gesellschaftlicher Diskriminierung sowie die damit verbundene Beeinflussung der emotionalen und psychischen Entwicklung des Einzelnen verhinderten ein Coming Out.[9] Eric Anderson geht sogar davon aus, dass junge Homosexuelle extra harte Kontaktsportarten wie Fußball trieben, um sich eine Fassade aufbauen zu können, die vor eben diesen gesellschaftlichen Diskriminierungen schützt und den aufkommenden Verdacht von außerhalb auf ein Minimum reduziert.[10] Im 20. Jahrhundert entwickelte sich in der Folge eine regelrechte Homophobie im Fußball. Autoren wie Eric Anderson bezeichneten vor allem die 1980er Jahre als "Periode der Homohysterie".[11] Fast alle Akteure im professionellen Männerfußball eiferten dem Archetyp der Männlichkeit nach und all jene , die es nicht taten, wurden an den Rand einer neu entwickelten "Rangordnung" gedrängt. Häufig wurden diese Menschen, die nicht von der Homophobie ergriffen waren, fälschlicherweise als "schwul" identifiziert.[12] Aus diesem Grund halten sich auch noch heutzutage all jene Akteure zurück, die Homosexualität im professionellen Männerfußball akzeptieren und als "normalen" Teil der Sportart ansehen, um nicht selbst in den Fokus von Medien und Gesellschaft zu geraten. Das Idealbild der Männlichkeit hat sich demnach bis heute durchgesetzt und wird auch in unserer liberalisierten Gesellschaft als integrativer Bestandteil des professionellen Männerfußballs angesehen. Daher ist der Prozess des Coming Outs auch gegenwärtig noch sehr schwer zu realisieren und die Zahl der Fußballer, die sich entscheiden diesen Weg zu gehen und ihre Homosexualität der Öffentlichkeit zu präsentieren, ist extrem gering. Hinzu kommt die globale Aufmerksamkeit, die einige Akteure möglicherweise einschüchtert. Ein sehr prominenter Fall eines Coming Outs ist der Fall des ehemaligen deutschen Nationalspielers Thomas Hitzelsperger, der sich Anfang des Jahres 2014 entschied diesen Weg zu gehen und seine Homosexualität öffentlich zu machen.

3. Der Fall des Thomas Hitzelsperger

Thomas Hitzelsperger bekennt sich als erster deutscher Profifußballer zu seiner Homosexualität. Zwar ist der Zeitpunkt seines Outings gut gewählt, da es kurz vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi stattfand und bereits im Vorfeld eine Menge über die Homophobie in Russland diskutiert wurde. Dennoch entschied sich Hitzelsperger erst nach seiner Karriere für ein Outing. Die Frage warum er sich nicht bereits in seiner Zeit als aktiver Fußballprofi dazu entschied, beantwortete er damit, dass ein Outing ein sehr langwieriger Prozess sei, der sich bis hin zum Karriereende zunächst entwickeln musste.[13] Hier spielt auch der psychische Aspekt eine bedeutsame Rolle. Ein Coming Out wird in der Literatur als kritischer Zeitpunkt eines Übergangs in einen anderen Persönlichkeitsstatus beschrieben. Es wird zwischen einem inneren und einem äußeren Coming Out unterschieden, wobei beim äußeren Coming Out primär die gesellschaftlichen Bedingungen bzw. die sozialen Rahmenbedingungen im Zentrum des Interesses stehen und beim inneren Coming Out vielmehr psychischen Aspekte die während eines solchen Prozesses in der Person vor sich gehen.[14] Demnach ist die Dauer eines solchen Prozesses durchaus nachvollziehbar. Zunächst muss ein Fußballer seine Homosexualität für sich selbst feststellen und erst dann kann er darüber nachdenken, inwieweit es als sinnvoll zu erachten ist, sie der Öffentlichkeit zu präsentieren. Es sind allerdings nicht nur die psychischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die möglicherweise dazu führen, dass sich Profifußballer dazu entscheiden ihre sexuelle Orientierung zu verstecken. Thomas Hitzelsperger nennt ebenfalls den Gruppenzwang, der innerhalb einer Mannschaft herrscht als Grund warum er sich erst nach Beendigung seiner Karriere zu seinem Outing entschied, aber auch die Stimmung innerhalb der Mannschaft spiele eine sehr wichtige Rolle.[15] Auch wenn es einige herausragende Fußballer gibt, so ist der Fußball dennoch eine Sportart die ausschließlich mit einem funktionsfähigen Mannschaftsgefüge bestritten werden kann. Ein Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft ist demnach unabdingbar um erfolgreich zu sein. Thomas Hitzelperger ging also davon aus, dass ein Outing während seiner aktiven Karriere eine negative Auswirkung auf die Erfolgsbilanz seiner Mannschaft haben könnte. Es ist daher davon auszugehen, dass Homosexualität auch innerhalb der Mannschaft von einigen Profifußballern nicht akzeptiert wird. Aus dem Interview mit Thomas Hitzelsperger geht ebenfalls hervor, dass die Themen Sexualität und Liebesbeziehungen innerhalb einer Mannschaft ein oft diskutiertes Thema darstellen, dabei bleibt das Thema Homosexualität allerdings Tabu.

„Wenn abends die Mannschaft ausgeht, wird getrunken, alle haben Spaß. Natürlich sprechen die Spieler dann auch über Frauen. Aber niemand wird in so einer Situation über attraktive Männer schwadronieren.“[16]

[...]


[1] Heckenberger, 2010, S.1

[2] Lahm, Phillip, 2011, S.1

[3] Vgl. Erhardt, 2003, S.8

[4] Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/12990/umfrage/einstellung-zur-homosexualitaet-zwischen-maennern/ [Stand: 13.03.2015]

[5] Vgl. Urban, 2007, S.1ff.

[6] Töpperwien, 2013, S.1ff.

[7] Vgl. Cashmore; Cleland, 2011, S. 371 ff.

[8] Vgl. Cashmore; Cleland, 2011, S. 373

[9] Vgl. Heilmann, 2002, S.7

[10] Vgl. Anderson, 2011, S.569 ff.

[11] Vgl. Anderson, 2011, S. 82

[12] Vgl. Cashmore; Cleland, 2011, S.373

[13] Vgl. Hitzelsperger, 2014, S.1

[14] Vgl. Heilmann, 2002, S.7 ff.

[15] Vgl. Hitzelsperger, 2014, S.2ff.

[16] Hitzelsperger, 2014, S.2

Fin de l'extrait de 11 pages

Résumé des informations

Titre
Tabuisierte Körper. Homosexualität im Fußball
Université
Leuphana Universität Lüneburg
Note
1,0
Auteur
Année
2016
Pages
11
N° de catalogue
V367994
ISBN (ebook)
9783668464650
ISBN (Livre)
9783668464667
Taille d'un fichier
952 KB
Langue
allemand
Mots clés
Tabuisierung, Körper, Homosexualität, Profifußball, Fußball, DFB, Otto Baric, Philipp Lahm, Coming Out, Outing, Thomas Hitzlsperger
Citation du texte
Manuel Barbieri (Auteur), 2016, Tabuisierte Körper. Homosexualität im Fußball, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367994

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