Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann und die Verwendbarkeit für die Pädagogik


Term Paper, 2017

20 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 SYSTEMTHEORETISCHE GRUNDLAGEN NIKLAS LUHMANNS

3 ERZIEHUNG UND SOZIALISATION IM ERZIEHUNGSSYSTEM
3.1 ERZIEHUNG UND SOZIALISATION - EINE DEFINITION
3.2 DAS FUNKTIONSSYSTEM DER ERZIEHUNG

4 VERWENDBARKEIT FÜR DIE PÄD AGOGIK
4.1 PRAXISBEZOGENE PROBLEMSTELLUNGEN
4.2 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

5 FAZIT

LITERATURVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

Mit dem genannten Thema soll der Frage nachgegangen werden, in wieweit die Systemtheorie nach Luhmann, im Besonderen das Erziehungssystem, einen praktischen Nutzen für den aktuellen Diskurs in der Pädagogik zulässt. Als B.A. Absolventin des Faches Bildungswissenschaft und beruflich tätige Päda- gogin an einer Hauptschule, entwickelte die Verfasserin als angehende Sozio- logie-Studentin ein besonderes Interesse an dieser Fragestellung.

Luhmann selbst forderte unter anderem die Pädagogen auf, sich mit den Inhalten des Erziehungssystems analytisch zu beschäftigen.

ÄPersonen entstehen durch Sozialisation und Erziehung. Wenn man diesen Unterschied vor Augen hat, liegt es nahe, die Funktion der Erziehung auf das Personwerden von Menschen zu beziehen. Besonders in komplexen Gesell- schaften kann man dies nicht nur der Sozialisation überlassen“ (Luhmann & Lenzen 2002, S. 38).

So interessiert der Verfasserin die Frage, ob dieses mittlerweile mehr als zehn Jahre in der Vergangenheit formulierte Postulat gegenwärtig aufgegriffen wur- de.

Nach einer einleitenden Beschäftigung mit dem Thema wird zunächst die Sys- temtheorie nach Luhmann in aller Kürze dargelegt. Beginnend werden die für diese Arbeit relevanten Begriffe der Systemtheorie skizziert dargestellt, da auf die umfassenden Werke Luhmanns nicht im Detail eingegangen werden kann.

In dritten Kapitel erfolgt eine definitorische Annäherung der Begriffe ‚Erzie- hung‘ und ‚Sozialisation‘. An dieser Stelle wird im Speziellen auf den Erzie- hungsbegriff in der Pädagogik eingegangen und wie dieser vom Begriff der Bildung abgegrenzt werden kann. In einem weiteren Unterkapitel wird das Funktionssystem der Erziehung nach Luhmann vorgestellt und Besonderheiten im Vergleich zu anderen Funktionssystemen herausgearbeitet. Relevant sind an dieser Stelle vor allem Medium und Code, die in diesem System im Vergleich zu anderen Systemen eine Sonderstellung einnehmen (vgl. Luhmann 2002, S. 7ff.).

Im vierten Kapitel wird nach bisheriger überwiegend theoretischer Ausarbeitung des Themas die Verwendbarkeit für die Pädagogik aufgegriffen. Nach den zunächst praxisbezogenen Problemstellungen werden abschießend Handlungsempfehlungen für die pädagogische Praxis ausgesprochen.

Im Fazit werden die Erkenntnisse abschließend zusammenfassend dargelegt.

2 SYSTEMTHEORETISCHE GRUNDLAGEN NIKLAS LUHMANNS

Luhmann betrachtet Gesellschaften als hochkomplex und ungesichert. Daher sieht er gesellschaftliche Phänomene nicht als einfach von der Natur vorgege- ben, sondern interessiert sich für das Zustandekommen von Systemen und Sys- tembildung. Beeinflusst wurde Luhmann unter anderem von dem Soziologen Talcott Parsons (1902-1979), der bereits einen strukturell-funktionalen Ansatz beschreibt (vgl. Treibel 2006, 31ff.). In Abgrenzung zu Parsons zerfällt für Luhmann eine Gesellschaft nicht mehr in soziale Rangordnungen, sondern dif- ferenziert sich in gleichberechtigt nebeneinanderstehende Funktionssysteme (vgl. Luhmann 1993, S. 58). Daher ist in Luhmanns Betrachtung die Gesell- schaft mehr als die Summe ihrer Teile und sein Ansatz kann als funktional- strukturell betrachtet werden (vgl. Treibel 2006, S. 31ff.). Einen weiteren Ein- fluss für seine Systemtheorie erhielt Luhmann durch die Biologen und Neuro- physiologen H. R. Maturana und F. J. Varela, die bereits in den sechziger und siebziger Jahren autopoietische Grundlagen in biologischen Systemen themati- sierten (vgl. Kneer & Nassehi 2000, S. 65).

Einen Zugang zur Theorie sozialer Systeme stellt Luhmann dar, indem er die gesellschaftlich differenzierten Funktionssysteme Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft, Erziehung, Religion und Kunst definiert. Die Einheit der heuti- gen modernen, funktional differenzierten Gesellschaft konstituiert sich durch die Differenz dieser Funktionssysteme. Deren Hauptaufgabe ist durch die Her- ausbildung komplexer Gesellschaftsstrukturen die Reduktion von Komplexität, da eine stratifikatorische Differenzierung in hierarchische Subsysteme - wie es noch im 15. bis 16. Jahrhundert umgesetzt wurde -, obsolet geworden war (vgl. Luhmann 1997a, S. 174f.).

Luhmanns Ziel ist es primär, Möglichkeiten zu finden, um die immer größer werdende Komplexität moderner Gesellschaften zu reduzieren (vgl. Luhmann 2009, S. 132). Luhmanns Theorie beinhaltet somit Äeine Beschreibung über die Gesellschaft in der Gesellschaft“ (Berghaus 2003, S. 16). Die Theorie markiert daher eine besonders ausgeprägte Makroperspektive, in der die einzelnen Ak- teure wenig interessieren und lediglich als Umwelt wahrgenommen werden.

Entscheidend ist noch im Äfrühen“ Luhmann seine Innen-/Außen-, bzw. seine System/Umwelt-Differenz, in der die Umwelt ausgelagert wurde (vgl. Luh- mann 1969, S. 11; Luhmann 2009, S. 62ff.). Durch den von Luhmann vollzo- genen Paradigmenwechsel sind Systeme, wie noch im Äfrühen“ Luhmann, nicht länger durch eine System-Umwelt-Differenz, sondern vielmehr durch Selbstreferenz oder Autopoiesis gekennzeichnet, wodurch sich die Systeme nur noch auf sich selbst beziehen und sich selbst organisieren. Sie erschaffen sich damit selbst als Einheit (Autopoiese) und erhalten sich, solange diese Prozesse fortgesetzt werden (vgl. Luhmann 1986, S. 269). Entscheidend ist ein geeigne- ter Kommunikationszusammenhang, wodurch sich ein System von einem an- deren abgrenzt (vgl. ebd.). Wesentlich hierfür ist die andere Betrachtung seines Kommunikationsbegriffs. Es sind nicht die Menschen, sondern die Kommuni- kation, welche kommuniziert. Entscheidend für die Ausdifferenzierung der sozialen Systeme sind die Kommunikationsmedien, die den Bestand der Kom- munikation im jeweiligen Teilsystem aufrecht halten, zum Beispiel ‚Wahrheit‘ im Teilsystem Wissenschaft. Sie setzen als ‚Erfolgsmedien‘ den Erfolg oder Misserfolg einer Kommunikation voraus. Innerhalb des Mediums entwickeln die heutigen gleichberechtigten Teilsysteme ihren binären Code (vgl. Luhmann 1997b, S. 316ff.). Diese jeweiligen binären Codes (z. B. Recht/Unrecht im Rechtssystem) funktionieren nach ihren eigenen Logiken. Was nicht dem binä- ren Code zuzuordnen ist, gehört nicht zum jeweiligen System und wird allen- falls als Irritation durch die Umwelt wahrgenommen (vgl. Kneer & Nassehi 2000, S. 123ff.).

Luhmann benennt nachrangig die psychischen Systeme (wie Individuum, Per- sönlichkeit, Bewusstsein) und konzentriert sich im Besondern auf soziale Sys- teme (Kommunikation in Familien, Gesellschaften, Konzernen) (vgl. Luhmann 1993, S. 166ff.).

Soziale Systeme sind operativ geschlossen. Sie können ihre Umwelt daher lediglich beobachten, sind aber nicht in der Lage einen unmittelbaren Kontakt zu ihrer Umwelt herzustellen (vgl. Nassehi 2003, S. 34ff.). Sie entwickeln sich durch Kommunikation infolge des Ablauf der drei Selektionen ‚Information, Mitteilung und Verstehen‘ (vgl. Luhmann 1997b, S. 190).

Neben der Autopoiesis sind soziale Systeme zugleich durch strukturelle Kopp- lung verbunden, indem Umweltbedingungen sich auf die Strukturen eines Systems auswirken. Dadurch wird eine Verbindung zwischen unterschiedlichen Systemtypen über die Umwelt ermöglicht (vgl. Luhmann 2009, 119, 269).

Eines dieser Funktionssysteme der Gesellschaft ist das Erziehungssystem (vgl. Luhmann & Lenzen 2002, S. 13ff.). Dieses nimmt in Luhmanns Werken eine Sonderstellung ein, die in der vorliegenden Arbeit herausgestellt werden soll. Hierzu ist es zunächst notwendig, sich den relevanten Begriffen ‚Erziehung‘ und ‚Sozialisation‘ definitorisch anzunähern.

3 ERZIEHUNG UND SOZIALISATION IM ERZIEHUNGSSYSTEM

3.1 ERZIEHUNG UND SOZIALISATION - EINE DEFINITION

Wie bereits in der Einleitung erörtert, entstehen nach Luhmann Personen sowohl durch Erziehung als auch durch die Sozialisation.

Nach Luhmann und Lenzen (2002, S. 48f.) sollten Normen übernommen wer- den, die eine universelle Gültigkeit in Anspruch nehmen. Dies geschieht, in- dem den Kindern durch Sozialisation natürliche und soziale Verhaltensbedin- gungen als Selbstverständlichkeiten vermittelt werden. Dies kann jedoch zu Konflikten führen, da man die Einstellungen des Gegenübers im Allgemeinen nicht kennt und man nicht weiß, wie der Andere diese jeweils aktualisiert und handelt.

Sozialisation muss daher auf ein Leben in permanenter Unsicherheit vorbereiten (vgl. ebd., S. 126).

Durch Sozialisation wird somit übermittelt, dass es für normativ richtiges Ver- halten nicht nur eine einzige, sondern mehrere Möglichkeiten gibt. Mit dieser Übertragung sozialen Normen, Erfahrungen und Verhaltensweisen wird der Mensch ein Leben lang konfrontiert und es gilt nicht zu einem Punkt als zeit- lich abgeschlossen. Sozialisation schwingt in jedem sozialen Kontext von Menschen mit (vgl. Luhmann 2004, S. 117), somit auch in der Erziehung. Da- her führt Sozialisation nicht notwendigerweise zur Normenkonformität. Durch die Selbstreferenz autopoietischer Systeme sind Abweichungen stets möglich. Die gegenseitigen Erwartungen erhöhen daher gleichsam auch die Möglichkeit einer Enttäuschung (vgl. ebd., S. 115f.).

[...]

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann und die Verwendbarkeit für die Pädagogik
College
University of Hagen
Grade
1,0
Author
Year
2017
Pages
20
Catalog Number
V368143
ISBN (eBook)
9783668465626
ISBN (Book)
9783668465633
File size
788 KB
Language
German
Keywords
systemtheorie, niklas, luhmann, verwendbarkeit, pädagogik
Quote paper
Jessica Hagelüken (Author), 2017, Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann und die Verwendbarkeit für die Pädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368143

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