Das Berliner Kinderschutzverfahren


Referat (Ausarbeitung), 2017

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rechtliches

3. Berliner Kinderschutzverfahren
3.1 1.Stufe – „1.Check-Bogen“
3.2 2. Stufe – Kinderschutzbogen

4. Ersteinschätzungsbögen für freie Träger von Diensten und Einrichtungen

5. Vorteile des Kinderschutzverfahrens anhand des „Fallbeispiels Westphal“

Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Mehrere tragische Kindeswohlgefährdungsfälle (teilweise mit Todesfolge sowie oft mit großer medialer Aufmerksamkeit) führten am 01.10.2005 zum Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK). Durch die Neudefinierung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII) sollten die Handlungsmöglichkeiten und -verpflichtungen der Jugendhilfe erweitert und konkretisiert werden. Eingriffe in das grundgesetzlich geschützte Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) wurden für die Familiengerichte erleichtert (§ 1666 BGB). Bundesweit wurden Kinderschutzverfahren entwickelt, die zu einer größeren Handlungssicherheit führen sollten. Mit Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes zum 01.01.2012 wurden diese Verfahren noch einmal erweitert.

2. Rechtliches

§ 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Erziehungsberechtigten anzubieten.

(2) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.

(3) Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Erziehungsberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Tätigwerden erforderlich und wirken die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung der Gefährdung zuständigen Stellen selbst ein.

(4) In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass1. deren Fachkräfte bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen,

2. bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird sowie

3. die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

In die Vereinbarung ist neben den Kriterien für die Qualifikation der beratend hinzuzuziehenden insoweit erfahrenen Fachkraft insbesondere die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte der Träger bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann.

(5) Werden einem örtlichen Träger gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sind dem für die Gewährung von Leistungen zuständigen örtlichen Träger die Daten mitzuteilen, deren Kenntnis zur Wahrnehmung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a erforderlich ist. Die Mitteilung soll im Rahmen eines Gespräches zwischen den Fachkräften der beiden örtlichen Träger erfolgen, an dem die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche beteiligt werden sollen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

Der Schutzauftrag konkretisiert, wie die farblichen Hervorhebungen deutlich machen, mehrere Handlungsoptionen und -verpflichtungen der Jugendhilfe. Neben der Gewährung von Beratungs- und Hilfsangeboten (unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten sowie ggf. der Kinder und Jugendlichen) werden der Schutz- und Kontrollauftrag („Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte“, „insoweit erfahrene Fachkraft“) sowie die Rolle des Jugendamtes als Wächteramt (Anrufung des Gerichts, Inobhutnahme, Datenweitergabe) betont.

3. Berliner Kinderschutzverfahren

Das Berliner Kinderschutzverfahren sieht, v.a. für das Jugendamt, als Aufgaben vor:

- Ausbau früher Hilfen (Beratungsstellen, Familienhebammen, Früherkennung)
- Vernetzung von Diensten (Jugend- und Gesundheitshilfe, KITA, Schule, Polizei, Justiz)
- einheitliche Verfahrensstandards zur Risikoabschätzung (Diagnose- und Dokumentationsinstrumente)
- Handlungssicherheit und Absicherung der Fachkräfte (Vier-Augen-Prinzip, Informationsgewinnung, Datenweitergabe)

Das Berliner Kinderschutzverfahren in den Jugendämtern ist zweistufig.

In der 1.Stufe erfolgen die Aufnahme der ersten Anhaltspunkte, eine erste Prüfung und Bewertung sowie kollegiale, fachliche Beratung (Vier-Augen-Prinzip). Verstärkt sich danach der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung, erfolgt in der 2.Stufe eine weitergehende Prüfung der Risikoabschätzung. Das Ausmaß der Gefährdung ist in jeder Stufe bezogen auf die Prüfung der Notwendigkeit einer sofortigen Intervention innerhalb von zwei Stunden ab Bekanntwerden, in jedem Fall aber noch am gleichen Tag, abzuschätzen und zu dokumentieren.[1]

3.1 1.Stufe – „1.Check-Bogen“

Im berlinweit einheitlichen „1.Check-Bogen“ wird jede Meldung über eine mögliche Kindeswohlgefährdung dokumentiert. Neben Angaben zur Familie werden die beschriebene Gefährdung erfasst und ggf. anhand weiterer Informationen Bewertungen und Einschätzungen vorgenommen, ob es sich um eine Kindeswohlgefährdung handelt und wie akut diese ist.

Der verbindliche und unangemeldete Hausbesuch innerhalb von zwei Stunden nach Meldung war ursprünglich im Bundeskinderschutzgesetz vorgesehen. Er wurde dann jedoch unter den Vorbehalt gestellt, dass er nach fachlicher Einschätzung der richtige Weg ist, sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind und seinen Lebensumständen zu machen. In vielen Fällen ist der Hausbesuch zur fundierten Einschätzung eines Gefährdungsrisikos notwendig.[2]

Ziel des Hausbesuches und der Beratung ist, zu klären, ob zum Schutz des Kindes

- sofortige Maßnahmen (Krisenintervention)
- die Einleitung von Hilfen und/oder
- die Sammlung weiterer Informationen notwendig sind.

3.2 2. Stufe – Kinderschutzbogen

Der berlinweit einheitliche „Kinderschutzbogen“ ist ein Diagnoseinstrument zur systematischen Erhebung und Verwertung relevanter Informationen bei (anhaltender) Kindeswohlgefährdung. Er dient dazu,

- die Gefährdung von Kindern verlässlich wahrzunehmen,
- im Umgang mit den Eltern kompetent zu kommunizieren und zu handeln,
- Qualität im Kinderschutz zu sichern,
- die Kommunikation der Fachkräfte im Vertretungsfall sicherzustellen,
- bei Fallübergaben relevante Daten weiterzugeben,
- Vorgesetzte umfassend zu informieren und
- als fachliche Grundlage für Antragsstellungen bei Gericht genutzt zu werden.[3]

Der Berliner Kinderschutzbogen wird unterteilt in 0-3jährige, 3-6jährige und 6-14jährige Kinder sowie 14-18jährige Jugendliche. Er ist jedoch für alle Altersgruppen gleich aufgebaut:

- Personenblatt
- Genogramm
- Modul 1: Risikofaktoren
- Grundversorgung und Schutz des Kindes
- Modul 2: Erscheinungsbild des Kindes
- Modul 3: Interaktionen
- Modul 4: Ressourcen und Prognosen
- Einschätzungsübersicht
- Gefährdungseinschätzung
- Hilfe- und Schutzkonzept

[...]


[1] vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft; Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verkehr

[2] vgl. Hundt 2014, S.122

[3] vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Berliner Kinderschutzverfahren
Hochschule
Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
Veranstaltung
Sozialanamnese und Sozialdiagnostik
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
12
Katalognummer
V368187
ISBN (eBook)
9783668466531
ISBN (Buch)
9783668466548
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kinderschutz
Arbeit zitieren
Henning Becker (Autor:in), 2017, Das Berliner Kinderschutzverfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368187

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