FAMILIE UND RECHTSEXTREMISMUS - unter besonderer Betrachtung früher Bindungserfahrungen


Dossier / Travail, 2005

14 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Anliegen, Methoden, Durchführung und Ziel der Studie zum Thema „Familie und Rechtsextremismus“

3. Definitionen wichtiger Begriffe
3.1 Rechtsextremismus
3.2 Autoritarismus

4. Moralentwicklung und autoritäre Dispositionen

5. Familiale Beziehungserfahrungen und rechtsextreme Orientierung
5.1 Die Attachment-Theorie
5.2 Bindungsrepräsentationen nach Bowlby
5.3 Bindungsrepräsentationen und rechtsextreme Orientierungen

6 Schluss

7 Inhaltsverzeichnis
7.1 Literatur
7.2 Internetadressen

1. Einleitung

Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich in diesem Jahr zum 60. Mal. Die Einweihung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin am 10. Mai dieses Jahres stellt ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen dar. Neonazistische Gruppen und Parteien haben angekündigt, an diesem Gedenktag zu „marschieren“ und ihn zur Verbreitung ihrer Geschichtslügen zu benutzen. In diesem Beispiel spiegelt sich die Aktualität des Themas Rechtsextremismus. Umso genauer sollte man sich für die Gründe und Ursachen rechtsextremer Orientierungen interessieren und sich die Frage stellen, warum einige Menschen eine solche Haltung entwickeln, die für andere undenkbar erscheint. Dieser Frage wurde im Rahmen einer Studie 1992 nachgegangen. Die spezifischen Fragestellungen und die Vorgehensweise und Methoden der Studie werden im zweiten Kapitel dieser Arbeit dargestellt. Darauf folgend werden die Begriffe „Rechtsextremismus“ und „Autoritarismus“ wegen ihrer häufigen Verwen­dung kurz definiert. Im vierten Kapitel wird das Verhältnis von Sozialisation, Autorita­rismus und Rechtsextremismus näher beleuchtet, während im fünften Kapitel als eigentlichem Schwerpunkt der Arbeit, die Relevanz von familialen Beziehungs­erfahrungen für die Entwicklung rechtsextremer Orientierungen dargestellt wird. Hierbei sind der Attachment-Ansatz, der in Deutschland noch wenig Beachtung fand, und die Bindungstheorie nach Bowlby von 1969 grundlegend. Eine Zusammen­fassung und abschließende Überlegungen finden sich im Schluss der Arbeit.

Da sich diese Arbeit und ihre Ergebnisse so gut wie ausschließlich auf das von C. Hopf, P. Rieker, M. Sanden-Marcus und C. Schmidt herausgebrachte Buch „Familie und Rechtsextremismus“[1] bezieht, werde ich auf diese Quelle innerhalb der Arbeit nicht mehr gesondert hinweisen. Andere Quellen werden natürlich extra erwähnt.

2. Anliegen, Methoden, Durchführung und Ziel der Studie zum Thema „Familie und Rechtsextremismus“

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Ursachen jugendlichen Rechtsextre­mismus und bezieht sich auf eine Studie aus dem Jahr 1992. Dieser Studie liegt die Frage zugrunde, warum einige Menschen eine rechtsextreme Haltung entwickeln und andere nicht. Eine Beantwortung fällt nicht leicht, da es hierfür nicht eindeutige, alleinige Auslöser oder Gründe gibt. Von Bedeutung können wirtschaftliche oder po­litische Bedingungen, die Rolle der Medien im Umgang mit Rechtsextremismus und die familiale Sozialisation sein. Letzteres wurde im Rahmen dieser Studie genauer betrachtet. Das persönliche Umfeld rechtsextrem orientierter junger Männer, die in der Familie gemachten Erfahrungen und deren subjektive Repräsentation, wie auch die moralische Heteronomie, das Fehlen der Verinnerlichung moralischer Standards, sollten durch diese Studie näher untersucht werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Zusammenhang zwischen sozialpsychologischen und sozialisati­onstheoretische Aspekten und rechtsextremer Orientierung betrachtet wurde. Hierzu verglich man rechtsextrem orientierte junge Männer mit jungen Männern ohne rechtsextreme Orientierung.

Zur Durchführung der Studie wurde ein qualitativ methodischer Zugang und ein relativ offenes Erhebungsverfahren gewählt, da individuelle Erinnerungen zu Be­ziehungserfahrungen in der Familie, ebenso wie die Komplexität persönlicher, poli­tischer und moralischer Einstellungen kaum durch eine standardisierte Methode dar­zustellen wäre. Durch ein offenes Erhebungsverfahren ergibt sich für die Befragten zudem die Möglichkeit sich individuell sprachlich auszudrücken, was die Authentizität der Aussagen erhöht. Außerdem können auch besonders emotionale oder wider­sprüchliche Gedanken beachtet werden, die im Rahmen eines standardisierteren Verfahrens kaum Beachtung gefunden hätten.

Ziel der Studie war es bestimmte Hypothesen, die hauptsächlich der traditionellen Autoritarismusforschung entstammten, fallbezogen zu überprüfen und zu präzisieren. Anhand dieser gewonnenen Überlegungen sollten theoretische Überlegungen weiterentwickelt werden können.

Befragt wurden 25 junge Männer aus dem Raum Hannover – Hildesheim. Das Durchschnittsalter der Befragten betrug 19 Jahre. Es wurde darauf geachtet, dass es sich bei den Befragten, um eine relativ homogene Gruppe handelte. So waren alle Befragten erwerbstätig und in der Metallindustrie beschäftigt. Forschungsergebnisse bestätigten, dass gerade in diesem Gewerbe häufiger rechtsextreme Orientierungen anzutreffen sind. Dadurch dass alle Befragten berufstätig waren, konnten Frage­stellungen zum Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und Arbeitslosigkeit von vornherein ausgeblendet werden. Die Auswahl der Befragten musste letztendlich einen Vergleich zwischen rechtsextrem orientierten jungen Männern und nicht-rechtsextrem orientierten Männern ermöglichen. Die Interviewpartner erhielten eine Aufwandsentschädigung, da aus der Autoritarismusforschung bekannt ist, dass Auto­ritäre ohne Vergütung an solchen Befragungen nicht teilnehmen. Der Zeitraum der Befragung umfasste 6 Monate. Es wurden 3 Leitfadeninterviews geführt, die aus teilstandardisierten Einzelinterviews bestanden, denen ein Leitfaden zugrunde lag. Suggestivfragen sollten vermieden werden.

3. Definitionen wichtiger Begriffe

3.1 Rechtsextremismus

Eine eindeutige Definition fällt hier sehr schwer, da viele verschiedene Bereiche, etwa die Politik, die Wirtschaft, die Pädagogik, die Psychologie etc, auf diesen Begriff zurück­greifen. Herausgebildet haben sich zwei unterschiedliche Definitionsmodelle. Einerseits die organisationsbezogenen Definitionsversuche, die Rechtsextremismus als dadurch ge­kennzeichnet betrachten, dass er sich gegen die freiheitlich-demokra­tische Grundordnung richtet. Dieser Definition schließt sich auch das Bundesamt für Verfassungsschutz an. Rechtsextremismus wird hier definiert als: „eine unterschiedlich ausgeprägte nationalis­tische, rassistische oder staats­autoritäre bis totalitäre Weltanschauung, die im Gegensatz zu den grundle­genden Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung steht“ (Bun­desamt für Verfassungsschutz 2005).

Andererseits gibt es orientierungsbezogene Definitionsversuche. Hierunter wird Rechtsex­tremismus als Syndrom verschiedener Einstellungs- und Orientierungs­muster gesehen, wie etwa Nationalsozialismus, Rassismus oder Antisemitismus. Die Weite dieses Defini­tionsversuches birgt Vor-, aber auch Nachteile. Vorteilhaft ist, dass organisierter Rechts­extremismus und nicht-organisierter Rechtsextremismus beachtet werden. Von Nachteil ist allerdings, dass der Begriff fast zu verschwommen ist und nur sehr schwer abgegrenzt werden kann. Im Rahmen der bearbeiteten Studie wurde dennoch auf ein orientierungs­bezogenes Definitionsmodell zurückge­griffen.

3.2 Autoritarismus

Autoritarismus bezeichnet unter anderem einen sozialpsychologischen Begriff, der durch die Studien Theodor Adornos zum autoritären Charakter (vgl. Adorno 1982) geprägt ist. Autoritarismus meint in diesem Zusammenhang eine autoritäre Haltung, die als Ober­begriff für faschistoide und antidemokratische Einstellungen die so genannte autoritäre Persönlichkeit bezeichnet. Adornos Studien zum autoritären Charak­ter entstanden 1950 vor dem Hintergrund der allgemeinen, vor allem aber der sozialpsychologischen, Er­klärungsversuche hinsichtlich der Anfälligkeit von Indivi­duen für faschistische Ideologien, mit der Absicht solchen Phänomenen entgegenar­beiten zu können. Adorno gelangte zu der Einsicht, dass eine Verbindung zwischen den fundamentalen strukturellen Familien­verhältnissen und dem ,,autoritären Cha­rakter" besteht. Die allgemeine Aufgeschlossen­heit der Eltern und vor allen Dingen, die dem Kind durch die Mutter entgegengebrachte Liebe sind die bedeutendsten Faktoren, die für die Ausbildung einer ,,vorurteilsfreien" Cha­rakterstruktur verantwort­lich sind (vgl. Adorno 1982).

4. Moralentwicklung und autoritäre Dispositionen

Die Studie knüpft an die oben erwähnten Studien zum autoritären Charakter von Adorno und an die Forschungen zur Moralentwicklung und zur Aggressivität an. Wie bereits Adorno feststellte, sind vor allen Dingen fehlende, nicht verinnerlichte mora­lische Standards Kennzeichen potentiell faschistischer Personen. Elementare Normen des Zusammenlebens sind nicht zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Persönlichkeit geworden. Unter Beachtung dieses Aspekts kann man zwei ver­schiedene Typen des Handelns unterscheiden. Zum einen das primar-normbezo­gene Handeln, bei welchem eine Person wertrational handelt, weil sie an den Eigen­wert einer Handlung glaubt. Dieser Eigenwert kann aus religiösen, ethischen, ästhe­tischen oder ähnlichen Motiven resultieren. Hierbei muss die Person aber gewisse moralische Standards verinnerlicht haben. Wenn das nicht der Fall ist, handelt die Person meist instrumentell-strategisch. Dieses Verhalten bezeichnet man als zweck­rational. Das Handeln ist auf einen bestimmten Zweck oder ein bestimmtes Hand­lungsziel ausgerichtet. Im Rahmen der Studie lag bei den rechtsextrem orientierten jungen Männern häufig das instrumentell-strategische Handeln vor, was ganz deut­lich auf die verringerte Fähigkeit hinweist, Normen zu verinnerlichen und etwa Schuldgefühle zu entwickeln.

Nach Adornos Studie wird die Aggression autoritärer Personen vor allem gegen Schwächere, Untergebene gerichtet. Gegenüber Stärkeren oder Vorgesetzten sollte die autoritäre Person sich aber gehorsam verhalten, sich unterordnen oder sogar Unterwürfigkeit aufweisen. Innerhalb der Studie wurden Zusammenhänge gefunden zwischen rechtsextremer Orientierung und der mangelnden Verinnerlichung mora­lischer Normen und außerdem autoritärer Aggression, also der Aggressivität gegen­über Schwächeren. Zudem wurden zwischen diesen Aspekten häufig Zusammen­hänge gefunden. Doch entgegen dem Konzept des Autoritarismus zeigten die Inter­viewten wenig Neigung zur Unterordnung gegenüber Stärkeren. Hier lag folgendes Ergebnis vor: Autoritäre erwarten zwar Unterordnung von anderen, selbst sind sie dazu aber nicht bereit. Weiter war auffallend, dass diejenigen Männer, die in der Kindheit geschlagen wurden, eher eine Ausprägung autoritärer Verhaltensweisen zeigten. Dabei war das Sanktionsverhalten der Eltern von großer Bedeutung, zum Beispiel ob die Eltern konsequent und glaubwürdig gestraft hatten oder eher willkürlich und nicht nachvoll­ziehbar gestraft wurde (z.B. das Schlagen des Klassenkameraden wird durch Schlagen sanktioniert). Auch wenn Eltern sich nicht um die Aggressionen ihres Kindes gekümmert hatten oder diese honoriert hatten, konnte eine autoritäre Haltung später häufig festgestellt werden.

Ein wichtiger Punkt für die Entwicklung autoritärer Dispositionen ist vor allem der Aspekt der mütterlichen Zuwendung für das Kind. Wurde von den Befragten über ein hohes Maß an Zuwen­dung von Seiten der Mutter berichtet, lag meistens ein normbezogenes Verhalten und keine Neigung zu autoritärer Aggression vor. Ohne diese mütterliche Zuwendung oder durch zu wenig mütterliche Zuwendung war moralische Heteronomie vor­wiegend festzustellen und ebenso eine Strafwut gegenüber Schwächeren. Hier zeigt sich ganz deutlich die Bedeutung, die das Verhalten der Mutter auf die weitere Ent­wicklung des Kindes hat. Keine vergleichbar klaren Zusammenhänge fand man hin­sichtlich der väterlichen Zuwendung. Allerdings war das Niveau der Zuwendung durch den Vater durchgängig bei allen Interviewten relativ bis sehr gering, da in vielen Fällen der Vater selten anwesend war. Festzuhalten ist aber in jedem Fall, dass die dem Kind entgegengebrachte Zuneigung für die Moralentwicklung und damit die Verhinderung autoritären Verhaltens sehr relevant ist. Drei wichtige Faktoren können für die Moralentwicklung des Kindes festgehalten werden: der Erziehungsstil der Eltern, die Bereitschaft der Eltern zu argumentativen Strategien und die emotionale Beziehung zwischen Eltern und Kind. Zur Entwicklung moralischer Sensibilität und eines autonomen Gewissens kann auch die Unter­stützung durch andere nahe Bezugspersonen, wie etwa die Großeltern oder auch in etwas geringerem Umfang Gleichaltrige, beitragen.

Innerhalb der Studie fiel auf, dass es in der Gruppe der aggressiven jungen Männer nur einen von elf Männern gab, der eine liebevolle Erziehung erhielt. In der Gruppe der Nichtaggressiven dagegen sind im Vergleich die Erfahrungen mit liebevoller Zu­wendung deutlich stärker vertreten. Daher ist davon auszugehen, dass als zentral für die Erklärung der Ausbildung der Aggressivität die signifikant häufig fehlende emo­tionale Unterstützung in der Familie gesehen werden muss. Auch Erziehungsstile der Eltern, die auf Machtbehauptung basierten, kamen in der Gruppe der Aggressiven sehr häufig vor.

[...]


[1] Chr. Hopf, P. Rieker, M. Sanden-Marcus, Chr. Schmidt. (1995). Familie und Rechtsextremismus – Familiale Sozialisation und rechtsextreme Orientierungen junger Männer. Weinheim: Juventa-Verlag

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
FAMILIE UND RECHTSEXTREMISMUS - unter besonderer Betrachtung früher Bindungserfahrungen
Université
University of Koblenz-Landau  (Psychologie)
Note
2,0
Auteur
Année
2005
Pages
14
N° de catalogue
V36827
ISBN (ebook)
9783638363495
Taille d'un fichier
651 KB
Langue
allemand
Mots clés
FAMILIE, RECHTSEXTREMISMUS, Betrachtung, Bindungserfahrungen
Citation du texte
Christna Blau (Auteur), 2005, FAMILIE UND RECHTSEXTREMISMUS - unter besonderer Betrachtung früher Bindungserfahrungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36827

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